Protokoll der Sitzung vom 25.01.2006

Da die Landesregierung Redeverzicht signalisiert hat, erhält der Abgeordnete Schuldt noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß überhaupt nicht, was Sie wollen, Herr Kollege Schulze. Zunächst wollte ich ja fragen, ob Sie vielleicht - zumindest unseren Antrag nicht richtig lesen können. Aber das ist es wohl nicht. Die Materie war Ihnen zu schwer, nicht wahr?

(Beifall bei der DVU)

Mit unserem Antrag nehmen wir konkret Bezug auf die vom BGH genannten Mindestanforderungen an Urteilsabsprachen. Dazu haben wir den von der Strafrechtskommission der

Bundesrechtsanwaltskammer formulierten entsprechenden Lösungsvorschlag aufgegriffen. Dies haben wir nicht nur getan, weil wir die gesetzgeberische Notwendigkeit dafür sehen, sondern wir haben dies auch getan, weil wir mit der vorliegenden Lösung gut leben können.

Wir als DVU-Fraktion haben uns stets um Sachlichkeit bemüht und deshalb haben wir es nicht nötig, das Rad neu zu erfinden oder uns mit rechtspolitisch unausgegorenen Spekulationen profilieren zu wollen, so wie Sie, Herr Schulze, Herr Sarrach und die anderen Damen und Herren von der Linkspartei, das regelmäßig tun.

(Beifall bei der DVU)

Wenn namhafte Expertenkommissionen dem Parlament eine so gute Unterstützung zukommen lassen, dann haben wir kein Problem damit, vernünftige und notwendige Vorschläge ins Parlament zu bringen; noch dazu, wenn dies höchstrichterlich unterlegt ist.

Noch einmal: Es geht um nichts anderes als um die langfristige Gewährleistung des fairen Strafverfahrens. Die zunehmende Lösung der Richter von der Gesetzesbindung ist mit der Demokratie und den Rechtsstaatsprinzipien unvereinbar. Dies und nichts anderes liegt dem von uns zitierten Urteil zugrunde. Da können Sie herumfabulieren, wie Sie wollen, Herr Kollege Schulze, Herr Kollege Sarrach. Hält sich der Richter nicht an das Gesetz, so fehlt ihm die demokratische Legitimation. Ein Richter darf sich auch nicht im Blick auf die gewandelten tatsächlichen Verhältnisse dem von Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Verfahrensrechts entziehen.

Deshalb kann und darf auch ein Landtag vor einer überbordenden Absprachepraxis in der Strafrechtspflege nicht die Augen verschließen und darauf hoffen, dass der Bundesgesetzgeber dies schon machen werde. Der Richtertypus in Strafsachen hat sich bereits deutlich verändert. Infolge der Absprachepraxis lässt sich sogar ein Qualitätsverlust der Strafjustiz feststellen. Deswegen ist die Notwendigkeit eines Systemwechsels im formellen und materiellen Strafrecht angebracht, und zwar so, Frau Ministerin, wie es das höchste Gericht in Strafsachen vorschlägt.

Wenn CDU, CSU und SPD dies im Koalitionsvertrag ignorieren, dann müssen eben die Länder reagieren. Deshalb bitte ich nochmals um Ihre Zustimmung. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Meine Damen und Herren, die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/2379 an den Rechtsausschuss. Wer diesem Antrag Folge leistet, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit übergroßer Mehrheit ohne Stimmenthaltungen abgelehnt.

Ich lasse über den Antrag in der Drucksache 4/2379 in der Sache abstimmen. Wer ihm Folge leistet, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mit übergroßer Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 15 und rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:

Bundesratsinitiative zur Änderung des Sozialgesetzbuches (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - vom 20. Dezember 1988, zuletzt geändert durch das vierzehnte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 29. August 2005 (BGBl. I Seite 2570)

Antrag der Fraktion der DVU

Für die DVU-Fraktion eröffnet der Abgeordnete Nonninger die Debatte.

Nonninger (DVU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was waren die Beweggründe für unseren Antrag?

(Dr. Klocksin [SPD]: Das frage ich mich auch!)

Für die DVU-Fraktion haben Ehe, Familie und Kinder eine herausragende Bedeutung. Für das Wohlergehen unseres Landes sind sie besonders wichtig. Daraus ergibt sich, dass Kinderkriegen, Kindererziehung und Ausbildung gesamtgesellschaftliche Aufgaben im Gemeinwohlinteresse sind. Die finanziellen Lasten daraus sind dauerhaft auf die Schultern der Gesamtgesellschaft zu verteilen. Eltern und Familien können damit nicht allein gelassen werden. Insoweit bedarf es einer gewissen Rechtssicherheit. Auch die demografischen Defizite in Deutschland können sonst nicht überwunden werden.

In diesen Zusammenhang gehört für uns als DVU-Fraktion der Schutz des ungeborenen Lebens. Der findet aber im heutigen Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - schlicht nicht statt. Das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch enthält in den §§ 20 bis 24 zwar Bestimmungen über Vorsorgeuntersuchungen und Maßnahmen, zum Beispiel zahnärztliche Vorsorge; in den heutigen §§ 24 a und 24 b SGB finden sich markanterweise aber auch solche über die Verhütung und Schwangerschaftsabbrüche auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung, also der Allgemeinheit. Das wollen wir, die DVU-Fraktion, ändern, zunächst bezogen auf Erkrankungen der Eltern, die für das ungeborene Leben gefährlich werden können.

Auslösender Anlass zu diesem Antrag war die Erkrankung Toxoplasmose, ausgelöst durch den Erreger Toxoplasma gondii. Diese führt bei einer Infektion der Schwangeren nach wissenschaftlichen Erfahrungen in rund 50 % der Fälle zu einer Infektion des ungeborenen Lebens. Sie kann Fehlgeburten bzw. schwere Schädigungen des Kindes zur Folge haben. Bei rechtzeitiger Erkennung und Therapie bestehen aber gute Chancen, dies zu verhindern.

Über den Durchseuchungsgrad in Deutschland liegen mangels flächendeckender Untersuchungen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Einzelne Studien weisen jedoch darauf hin, dass 26 bis 54 % der schwangeren Frauen eine spezifische Immunität aufweisen, also Antikörper aufgrund einer Infektion gebildet

haben. Markanterweise besteht für Schwangere bei dieser Erkrankung dennoch keine Möglichkeit, sich auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Vorliegen einer solchen Infektion hin untersuchen zu lassen. Deshalb legen wir Ihnen einen Antrag vor, der auf eine Bundesratsinitiative Brandenburgs abzielt und einen bereits vorformulierten Gesetzesvorschlag enthält.

Die Einzelheiten der vorgeschlagenen Regelung: Die neue Vorschrift wird als § 24 a in das SGB eingestellt. Die bisherigen §§ 24 a und 24 b SGB, die Verhütung und Abtreibung betreffen, rücken nach hinten und werden zu § 24 b und 24 c. Das unterstreicht den Vorrang des Schutzes des ungeborenen Lebens.

Wir beginnen in Absatz 1 unseres Entwurftextes - weil es, wie gesagt im SGB V zum Schutz des ungeborenen Lebens noch gar keine spezielle Regelung gibt - mit der Definition eines allgemeinen Leistungsanspruchs auf Beratung.

Absatz 2 Satz 1 schließt den Leistungsunterspruch des Absatzes 1 - Vorsorgeuntersuchung - ein. Anlass für eine solche Untersuchung wird in vielen Fällen erst eine vorgelagerte intensive Beratung geben. Allerdings ist der Anspruch insoweit auf Erkrankungen beschränkt, die erhebliche Gefahren für das ungeborene Leben oder das Kind begründen können.

Satz 3 führt Toxoplasmose und Aids explizit als Erkrankungen auf, auf die die eben genannten Gefahren zutreffen, und bezieht sich ansonsten auf Krankheiten, die gemäß Bundesseuchengesetz zu melden sind.

Absatz 3 bezieht auch den Kindesvater ein, soweit hierfür eine medizinische Notwendigkeit besteht. Diese Beschränkung auf das medizinisch Notwenige ergibt sich daraus, dass auch Infektionen des Kindesvaters zu Infektionen des Kindes führen können, aber eben nicht alle.

Absatz 4 enthält eine Verordnungsermächtigung für das für Gesundheit zuständige Mitglied der Bundesregierung. Damit soll neuen Entwicklungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung getragen werden. Inflationäre Verordnungsaktivitäten werden hierdurch vermieden, weil Verordnungen solcher Art nur aus Gründen des Gemeinwohls sowie wegen erheblicher gefährdender Erkrankungen im Sinne von Absatz 2 Satz 3 in Betracht kommen.

Das sind die Motive und Inhalte unseres Antrags.

Meine Damen und Herren der anderen Fraktionen dieses Hauses, ich bin gespannt, was Sie zu unserem Vorhaben beizutragen gedenken. - Ich bedanke mich vorerst.

(Beifall bei der DVU)

Für die Koalitionsfraktionen spricht die Abgeordnete Schier.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Kinder zu haben ist ein Glück. Alle Eltern, die sich für ein Kind entschieden haben, werden mir Recht geben. Dabei machen sich werdende Eltern

oft Gedanken über die Zukunft des Kindes. Sie hoffen auf eine komplikationslose Entbindung und auf ein gesundes Kind. Sind in den Familien der werdenden Eltern Erbkrankheiten bekannt, nutzen sie die humangenetische Beratung, bei der entschieden wird, wann und unter welchen Voraussetzungen Untersuchungen - zum Beispiel die Fruchtwasserentnahme - sinnvoll sind.

(Nonninger [DVU]: Toxoplasmose ist keine Erbkrankheit!)

Auch Schwangere ab einem Alter von 35 Jahren besuchen diese humangenetische Beratung. Die Kosten für die betreffenden Leistungen übernehmen die Krankenkassen.

Die im Antrag geforderte Untersuchung auf Aids ist eine von den Krankenkassen ebenfalls getragene Leistung. Voraussetzung hierfür ist, dass die Frau diese Untersuchung wünscht.

Im Antrag wird hinsichtlich der Toxoplasmose dargestellt, dass gerade heute bei immer älter werdenden Schwangeren das Risiko steigt, das ungeborene Kind zu infizieren. Diese Aussage ist falsch. Je älter die schwangeren Frauen sind, desto wahrscheinlicher ist, dass eine Infektion bereits stattfand und somit eine Übertragung auf das Kind nicht mehr möglich ist.

Wie häufig Schwangere ihre ungeborenen Kinder infizieren, wie häufig diese Kinder erkranken und wie häufig es zu schweren Verlaufsformen kommt, ist nicht genau bekannt. Schätzungsweise erkranken von 1 000 Schwangeren etwa eine Frau bis sechs Frauen erstmals an Toxoplasmose, wobei etwa jede dritte dieser Frauen den Erreger auf das Ungeborene überträgt. Von 10 000 Neugeborenen sind schätzungsweise ein Kind bis zehn Kinder mit Toxoplasmose gondii infiziert. Nicht alle infizierten Kinder weisen Krankheitssymptome auf und nur sehr wenige erkranken an den schweren Formen. Bisher wurde nicht systematisch untersucht, bei wie vielen Neugeborenen es jemals zu einem Krankheitsausbruch gekommen ist.

Besteht der Verdacht auf eine Infektion und ist es medizinisch sinnvoll, wird die Untersuchung selbstverständlich von der Krankenkasse bezahlt. Wichtig ist hierbei auch die Eigenverantwortung der schwangeren Frau, die zugunsten des Kindes auf besondere Hygiene achten, also etwa auf den Verzehr von rohem Fleisch und ungewaschenem Gemüse verzichten sollte.

Im Vorfeld sprach ich mit einigen Gynäkologen, die einhellig der Meinung sind, dass für eine gut verlaufende Schwangerschaft und das ungeborene Leben eine gute Vorsorge getroffen wird. Dazu gehören erstens bei Kinderwunsch entsprechende Untersuchungen vor der Schwangerschaft, zweitens eine gründliche Anamnese und drittens eine verantwortungsvolle Mitarbeit der Eltern durch die Wahrnehmung der Schwangerenberatung, eine gesunde Ernährung, Verzicht auf Alkohol und Nikotin usw.

Mein Fazit: Ihr Antrag stieß bei den Gynäkologen auf völliges Unverständnis. Sie unterstellen den Gynäkologen verantwortungsloses Handeln. Jeder Verdachtsfall, dem eine medizinische Indikation zugrunde liegt, wird untersucht, therapiert und damit auch von den Krankenkassen bezahlt.

Eine Ausweitung des SGB V ist somit nicht notwendig. Wir lehnen Ihren Antrag ab. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS erhält die Abgeordnete Wöllert das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion macht den Schutz des ungeborenen Lebens zum Gegenstand ihrer pseudowissenschaftlichen Bemühungen. Es ist nicht nur heute der letzte Antrag, sondern es ist wirklich das Letzte.