Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

Noch einmal: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Jetzt spricht die Abgeordnete Schier für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie schon lange gefordert und vom Ministerium angekündigt, werden seniorenpolitische Leitlinien erarbeitet. Der vorliegende Antrag gibt Schwerpunkte vor, die sicherlich nicht vollständig sein können und der Begleitung und Weiterentwicklung durch uns bedürfen.

Seniorenpolitik ist angesichts des demografischen Wandels eine wichtige Querschnittsaufgabe. Ich möchte dazu auf besonders wichtige Aspekte aus unserer Sicht eingehen.

Erstens: das bürgerschaftliche Engagement stärken. - Viele ältere Menschen sind, weil zum Beispiel ihre Kinder eine Berufstätigkeit in einem anderen Land ausüben, allein und auf sich gestellt. Um Isolation und Vereinsamung vorzubeugen, brauchen wir das Miteinander von Nachbarn, Vereinen und Verbänden. Die Versicherung von ehrenamtlich Tätigen ist hier der erste Schritt in die richtige Richtung.

Zweitens: neue Wohnformen. - Vor dem Hintergrund, dass es viele Alleinstehende gibt, benötigen wir Veränderungen im Wohnungsbau, Wohnungen in Häusern, die barrierefrei sind und Platz bieten für Gemeinschaft und Privatsphäre, aber auch Häuser, die das Mehrgenerationenwohnen ermöglichen. Da drei Viertel der älteren Menschen zu Hause gepflegt werden, brauchen wir angepassten Wohnraum gerade auch für Großfamilien. Allen Unkenrufen zum Trotz gibt es solche Großfamilien tatsächlich.

Drittens: die ambulante medizinische Versorgung. - Die Menschen in unserem Flächenland haben auch durch die aktuelle Diskussion über Ärztemangel Angst um ihre medizinische Versorgung und Betreuung. Die Einführung der Gemeindeschwester kann durchaus ein Baustein zur Sicherung der medizinischen und sozialen Betreuung werden. Ein weiterer Punkt: der Ausbau des Hospizdienstes. Hierbei denke ich auch an die Stärkung und den Ausbau der medizinischen Versorgungszentren.

Viertens: die Pflege und die Pflegequalität. - Die Voraussetzungen für die stationäre Pflege wurden heute schon dargelegt. Dazu erinnere ich an die Zahlen, die bei dem entsprechenden Thema der Aktuellen Stunde genannt worden sind.

Wir müssen an der Qualität und der Quantität der Pflege ständig arbeiten. Nach Aussage des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie gibt es in der Pflege keinen Personalnotstand. Wir müssen die Entwicklung der Ausbildung in den Einrichtungen auf die Agenda setzen und das Umlageverfahren kritisch im Auge behalten.

Die Aufzählung unserer Vorstellungen zu den unterschiedlichen Arbeitsgebieten ließe sich fortsetzen.

Die seniorenpolitischen Leitlinien müssen der Entwicklung in unserem Lande und einem verständnisvollen Miteinander von Alt und Jung Rechnung tragen.

Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss auch mit den Vertretern des Seniorenrats und bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete. - Jetzt spricht die Abgeordnete Fechner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Brandenburger Seniorenpolitik aktivieren - welch eine wohl klingende Überschrift für den vorliegenden Antrag. Aber diese Überschrift ist falsch gewählt; denn man kann nur etwas aktivieren, was bisher ruht. Nun gibt es im Land Brandenburg aber bereits eine aktive Seniorenpolitik. Wenn man dies nicht anerkennte, dann würde man die Arbeit der Seniorenbeiräte, die Tätigkeit der Pflegedienste usw. schlichtweg ignorieren.

Worum geht es in Ihrem Antrag? - Die Landesregierung soll seniorenpolitische Grundsätze und Leitlinien erarbeiten. Der Entwurf soll dem Ausschuss bis Ende Mai vorgelegt werden.

Begründet wird der Antrag mit der demografischen Entwicklung, denn aufgrund dieser Entwicklung stehe auch die Seniorenpolitik vor neuen Herausforderungen. - Ja, das stimmt. Das hat die hessische Landesregierung bereits vor Jahren erkannt und hat schon vor etlichen Jahren Leitlinien und Grundsätze erarbeitet und als Broschüre herausgebracht.

(Dr. Klocksin [SPD]: Das ist ja super!)

- Ja, das ist sehr schön. - Schön ist auch, dass jetzt auch die Brandenburger Landesregierung aufgefordert wird, solche Leitlinien und Grundsätze zu erstellen. Etliche der im Antrag aufgeführten Punkte, zum Beispiel bürgerschaftliches Engagement, Interessenvertretung, Bildung und Kommunikation, Wohnen im Alter, sind hierin schon verankert. Auch die Forderung der Vertreter der Linkspartei.PDS, menschenwürdig zu leben und zu sterben, ist Inhalt der Broschüre.

Ich kann mir durchaus vorstellen, dass sich die Brandenburger Landesregierung hier einige Anregungen holt, und freue mich, wenn dann im Mai die Brandenburger Leitlinien vorgestellt werden. - Wir stimmen dem Antrag selbstverständlich zu.

(Beifall bei der DVU)

Wir kommen zum Redebeitrag der Landesregierung. Herr Staatssekretär Alber, Sie erhalten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seniorinnen und Senioren heute - das sind Menschen, die fit und aktiv dabei sein wollen, die gefragt werden und mitmachen wollen. In den letzten Jahren haben sich ihre Lebensumstände im Land Brandenburg deutlich verbessert. Darüber und auch über die Rahmenbedingungen ihres Lebensalltags hat der Landtag in der Aktuellen Stunde heute Vormittag ausführlich debattiert.

Das Bild über ältere Menschen hat sich gewandelt und es wandelt sich in dem Maße weiter, wie ihre Zahl wächst bzw. sie mit ihren Bedürfnissen und Interessen zunehmend auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor werden und sie mit ihren Aktivitäten den solidarischen Zusammenhalt der Generationen entscheidend tragen. Die demografische Entwicklung sollte daher nicht negativ betrachtet, sondern auch als Chance gesehen werden.

Viele haben Anteil an einer aktiveren Seniorenpolitik, zuallererst natürlich die Älteren selbst, aber auch das Land, die Kommunen, die Verbände, die Unternehmen. Das seniorenpolitische Handeln der Landesregierung und natürlich vor allem auch der Kommunen betrifft eine immer größer werdende Zahl von Menschen. Unternehmen, Wohlfahrtsverbände, die Anbieter von Dienstleistungen, Tourismus und Kultur müssen auf die demografischen Veränderungen reagieren und sich mit eigenen Seniorenpolitiken darauf einstellen.

Die Erwartungen der älteren Generation an einen selbstbestimmten, interessanten Lebensabschnitt sind heute ungleich höher als noch vor wenigen Jahren. Menschen kommen zwar im Laufe ihres Lebens - wie man so schön sagt - in die Jahre, doch diese Jahre sind für die meisten nicht vom typischen Bild des hilfe- und pflegebedürftigen Menschen geprägt - und wenn, dann erst viel später, als es in früheren Generationen der Fall war. Man schaue sich nur in der eigenen Familie und im Bekanntenkreis um und sehe die Mobilität der Älteren, insbesondere derjenigen unter ihnen, die noch Reisen unternehmen.

Wie die Familienpolitik so ist auch die Seniorenpolitik eine Querschnittsaufgabe. Die gesamte Gesellschaft ist aufgefordert, diese Aufgabe energisch anzupacken. Seniorenpolitik geschieht nicht irgendwo nebenan und sie geschieht nur, wenn wir alle mithelfen, wenn allen klar ist, wohin wir steuern müssen und wenn wir auf den wachsenden Anteil der Alten und insbesondere der hochaltrigen Bevölkerung angemessen reagieren können.

Insofern ist der vorliegende gemeinsame Antrag der Koalitionsfraktionen ein wichtiges Signal der Unterstützung an die Landesregierung, wesentliche seniorenpolitische Handlungsfelder zu identifizieren und politische Zielsetzungen für ältere Menschen zu entwickeln. Wir sind dabei, seniorenpolitische Leitlinien aufzustellen. Der Antrag bestärkt uns darin, dieses Vorhaben mit aller Kraft fortzusetzen. Wir stehen dabei keineswegs - entgegen dem hier zum Teil entstandenen Eindruck - am Anfang; vieles wurde schon erreicht.

Allerdings zeigt die Praxis, dass vieles noch besser ginge. Tatsächlich ist es an der Zeit, die vielfältigen seniorenpolitischen Ansätze zu einem Gesamtkonzept zu bündeln. Es leuchtet ein, dass die Landesregierung das nicht alleine stemmen kann. Wollen wir unsere seniorenpolitischen Vorhaben erfolgreich umsetzen, sind wir auf kooperierende Partner und Akteure angewiesen: auf die Kommunen, die Wohlfahrtsverbände, die Wirtschaft und natürlich auf den Landesseniorenrat. Ich kann mich dem Dank der Ministerin an die Vorsitzende des Landesseniorenrats nur anschließen; auch die Arbeit der Mitglieder der kommunalen Seniorenbeiräte ist hier zu würdigen.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD] und der Abge- ordneten Mächtig [Die Linkspartei.PDS])

Mit ihnen als Partner müssen wir über die Leitlinien ebensoreden wie mit den Seniorinnen und Senioren selbst, damit wir aus einer breit angelegten Diskussion weitere Ideen schöpfen können. Dieser fachliche Dialog ist ein wichtiges Instrument für uns. Wir beabsichtigen in der Tat, den Ende Mai vorliegenden Entwurf im Rahmen der Brandenburgischen Seniorenwoche zur Diskussion zu stellen. Ich hoffe, dass sich die ältere Generation aktiv einbringen wird und wir viele Anregungen für unsere seniorenpolitische Arbeit erhalten.

Die im Antrag aufgeführten Handlungsfelder sind ein Abbild des Lebens von Seniorinnen und Senioren. Sie spiegeln das Spannungsfeld, in dem ältere Menschen heute leben, wider. Einerseits sind da ihre eigenen Ressourcen wie bürgerschaftliches Engagement, Interessenvertretungen, lebenslanges Leben, Freizeit, Kultur, Sport. Andererseits ist da ihr Bedarf an Strukturen, die sie nicht selbst schaffen können: Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Pflege, Mobilität.

Positiv wirkt sich auf ihr Leben aus, dass sie zunehmend als Marktteilnehmer ernst genommen werden und den Dialog zwischen den Generationen ganz entscheidend bestreiten. Ausgestaltung und Qualität der genannten Handlungsfelder entsprechen der differenzierten Sicht auf ältere Menschen. Diese differenzierte Sicht ist für eine erfolgreiche Seniorenpolitik unabdingbar. Es gibt nicht die Seniorenpolitik, welche einmal postuliert Stück für Stück umgesetzt und in den Alltag gebracht wird. Wir befinden uns mitten in einem Prozess, der die Gesellschaft gravierend verändern wird. Die wachsende Zahl älterer Menschen wird Bedürfnisse und Erfordernisse erzeugen, an die wir heute vielleicht noch gar nicht oder nur am Rande denken. Niemand kann heute exakt voraussagen, wohin sich das entwickelt. Dennoch müssen wir natürlich bei unseren Planungen - etwa den Planungen für den Gesundheits- und Sozialbereich in den dünner besiedelten Regionen Brandenburgs - das heute Absehbare berücksichtigen.

Herr Staatssekretär, Sie hatten nur fünf Minuten angezeigt. Kommen Sie also bitte zum Schluss.

Insofern haben notwendigerweise auch die seniorenpolitischen Leitlinien einen prozesshaften Charakter. Nichts an ihnen kann endgültig sein. Sie müssen regelmäßig an der Realität überprüft werden und für neue Erfordernisse offen sein. Deshalb ist

es so wichtig, dass alle, die das leisten müssen, eng kooperieren und das Notwendige auf den Punkt bringen.

Der gemeinsame Antrag bestärkt unsere Zuversicht, dass wir uns da auf einem guten Weg befinden. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Link- spartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich eine Kurzmitteilung machen. Ich weiß nicht, ob sein Erscheinen bewusst zu diesem Tagesordnungspunkt geplant war. Jedenfalls begrüßen wir jetzt Herrn Minister Kühbacher a.D. - Seien Sie herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ich stelle den Antrag in Drucksache 4/2522 - Brandenburger Seniorenpolitik aktivieren - zur Abstimmung in der Sache. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist diesem Antrag einstimmig zugestimmt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Föderalismusreform im Bildungsbereich

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS

Drucksache 4/2524

Das Wort erhält Frau Große von der Linkspartei.PDS. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ich bin sehr froh, dass Sie noch im Hause sind. Vielleicht lässt sich doch noch etwas regeln. Ich zitiere:

„Der Zustand der deutschen Schulen, so wie er sich im zweiten PISA-Test offenbart, ist kein Argument, den Ländern in noch mehr Bildungsbereichen die Alleinverantwortung zuzusprechen.“

Der hier so mutig der Forderung von unions- wie SPD-geführten Bundesländern nach völligem Rückzug aus der Bildungspolitik die Stirn geboten hat, war Franz Müntefering - das Zitat entstammt der Zeit des Scheiterns der Föderalismusreform im Dezember 2004 -, der damals noch Vorsitzender der SPD war. Das Zitat könnte auch aus dem vorgestrigen Bericht des UNMenschenrechtskommissars Munoz stammen. Ähnliches war im Übrigen in Wahlkampfzeiten auch aus dem Munde unseres Ministerpräsidenten zu hören.