Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Jahren bitten die vier anerkannten Minderheiten der Bundesrepublik Deutschland darum, dass sie im Grundgesetz Erwähnung finden. Sie wünschen, dass ihre Kulturen und Sprachen Schutz und Förderung auf verfassungsrechtlicher Grundlage erfahren. Wie Sie
wissen, gibt es in den Landesverfassungen von Schleswig-Holstein, Sachsen und Brandenburg entsprechende Artikel. Gegen die Aufnahme analoger Festlegungen ins Grundgesetz wurde bisher vor allem angeführt, dass es zunächst einer europäischen Regelung bedürfe. Mit dem Beschluss der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien ist dieser vermeintliche Hinderungsgrund hinfällig geworden. Da das Grundgesetz im Zusammenhang mit der Föderalismusreform ohnehin an vielen Stellen geändert werden soll, ergibt sich die günstige Möglichkeit, den Schutz und die Förderung der autochthonen Minderheiten aufzunehmen. Brandenburg sollte es sich nicht nehmen lassen, in dieser Frage voranzugehen und den Geist des Artikels 25 der Brandenburgischen Verfassung ins Grundgesetz zu tragen.
Ihnen liegt ein Antrag der Linkspartei.PDS vor, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, sich in Verhandlungen mit dem Bund und den anderen Bundesländern dafür einzusetzen, dass die verfassungsrechtlichen Grundlagen einer gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern für den Schutz und die Förderung von Sorben/Wenden, Sinti und Roma, Dänen und Friesen geschaffen werden. Es geht darum, dass der Staat die ethnischen, kulturellen und sprachlichen Differenzen achtet, auf deren Grundlage Menschen ihre Zugehörigkeit zu Minderheiten selbst definieren. Volksgruppen und nationale Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit sollen verbindlich erfahren, dass sie den Schutz und die Förderung als Selbstverständlichkeit in Anspruch nehmen dürfen. Der Zeitpunkt für eine solche Initiative ist wie gesagt günstig. Es liegt an uns, wie man in diesem Hohen Haus mit dieser Möglichkeit im Interesse auch der bei uns im Land lebenden Sorben/Wenden umgeht.
Natürlich geht es um den Schutz vor direkter Diskriminierung. Es geht aber auch darum, die Notwendigkeit einer speziellen Förderung anzuerkennen, denn aus dem Minderheitenstatus ergeben sich Nachteile. Gerade bei den Sorben/Wenden wird oft vergessen, dass sie außerhalb Deutschlands kein Mutterland haben. Sie gehören zur Lausitz; die Deutschen kamen später. Die Pflege der Sprache in einer auf Effizienz getrimmten Gesellschaft ist ein Problem. Jeder Sorbe/Wende spricht Deutsch, aber nicht jeder Deutsche Sorbisch. Kaum ein Deutscher im Siedlungsgebiet empfindet das als Mangel.
In verschiedenen internationalen Abkommen haben die Vertreter der Bundesrepublik und der Bundesländer dem Grundsatz der „positiven Diskriminierung“ bzw. der Nachteile ausgleichenden Gerechtigkeit gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen bereits zugestimmt. Es fehlt lediglich noch die Verankerung im Grundgesetz. Möglich wäre eine Formulierung in Anlehnung an einen Vorschlag aus dem Landtag von Schleswig-Holstein:
„Der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Minderheiten. Er schützt und fördert Volksgruppen und nationale Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit.“
Diese Formulierung ist bereits ein Kompromiss. Ich gestehe, ich hätte lieber eine Formulierung, die sich inhaltlich in der Nähe der Forderung nach Aufnahme des Staatsziels Kultur ins Grundgesetz befindet. Damit wäre ein weiterer Kulturbegriff betont, der zwar von Kultur in Deutschland spricht, aber ausdrücklich die hier lebenden nationalen Minderheiten einschließt. Der Minderheitenbeirat sprach sich ebenfalls für diese Lösung aus, hat allerdings dann lernen müssen, dass dieser An
satz im Bundestag und sicherlich auch anderswo nicht mehrheitsfähig ist. Schade, aber das ist wohl vorläufig nicht zu ändern.
Ich möchte einen weiteren Gesichtspunkt hervorheben, warum es für Brandenburg wichtig ist, sich für die sorbische Kultur und Sprache auf dieser Ebene einzusetzen. Davon abgesehen, dass es immer besser ist, die Sorben/Wenden nicht auf ihren Minderheitenstatus zu reduzieren und deshalb besser die Selbstbezeichnung „serbski lud“ - sorbisches Volk - zu benutzen: Die Existenz verschiedener Kulturen in einem Territorium ist immer eine Bereicherung. Natürlich kann es dabei auch Konflikte geben. Sie sind wahrscheinlich dann besonders groß, wenn von der Minderheit verlangt wird, doch bitte sehr einheitlich - sozusagen als homogene Masse - aufzutreten, oder das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit wichtigstes Thema wird.
In seinem Buch „Krabat oder die Verwandlung der Welt“ drückte dies der kürzlich verstorbene Schriftsteller Jurij Brˇezan mit folgendem Bild aus:
„Ganz im Mittelpunkt unseres Kontinents - wie viele hierzulande glauben, also auch der Welt - entspringt die Satkula, ein Bach, der sieben Dörfer durchfließt und dann den Fluss trifft, der ihn schluckt.
Wie die Atlanten, so kennt auch das Meer den Bach nicht. Aber es wäre ein anderes Meer, nähme es nicht auch das Wasser der Satkula auf.“
Ich finde, das sind weise Sätze dieses bedeutenden sorbischen Intellektuellen. Es waren nicht nur die Romane und Erzählungen von Jurij Brˇezan, die in der Niederlausitz wie in der Oberlausitz begeisterten; es waren auch seine Texte, die zu Fragen der Zeit Stellung nahmen. Vor allem gehörte er zu denjenigen, die uns immer wieder vor Augen führen konnten, dass wir in einer Region mit zwei Kulturen leben - der sorbischen und der deutschen. Ich habe das immer als Bereicherung angesehen.
Jurij Brˇezan hinterlässt als Vermächtnis, dass es der Normalfall sein sollte, wenn Kulturen nicht auf territoriale oder gedankliche Abgrenzung setzen, sondern - modern gesagt - miteinander kommunizieren. Sie werden dabei nichts verlieren; bereichern werden sie sich - auch, indem sie sich selbst besser kennen lernen. Jurij Brˇezan war im Sorbischen wie im Deutschen zu Hause.
Es gibt also keinen Grund, gönnerhaft darüber zu reden, dass trotz klammer Kassen immer wieder Geld für die Sorben zur Verfügung gestellt wird.
Es gibt auch keinen Grund, gereizt zu reagieren, wenn die Sorben/Wenden fordern, das Finanzierungsabkommen so zu gestalten, dass es zur Selbstverständlichkeit wird, Minderheiten wegen der ausgleichenden Gerechtigkeit anders zu behandeln als Mehrheiten. Die Verankerung der Rechte ethnischer Minderheiten im Grundgesetz löst sicher nicht alle Probleme, aber hilfreich wäre es allemal, weil es den Wertekanon der Bundesrepublik - auch sehr zum Nutzen Brandenburgs - um ein wichtiges Thema bereicherte.
Der Schutz und die Förderung der ethnischen kulturellen und sprachlichen Minderheiten - verankert im Grundgesetz - hilft
den Sorben/Wenden und den Deutschen in unserem Land. Ich bitte Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu! - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Dr. Hoffmann, inhaltlich stimme ich Ihnen zu, formal jedoch nicht. Ich will es begründen. Ich beobachte den Trend unter Politikern, und zwar quer durch alle Parteien, zu immer mehr Verfassungslyrik. Verfassungslyrik nutzt niemandem etwas, außer den Politikern vielleicht, da sie ihr schlechtes Gewissen damit ein wenig entlasten können. So kann ich mir erklären, dass man, da man - wie die Erfahrung zeigt - immer weniger Spielräume hat, die guten Absichten dann als Verfassungslyrik in die Verfassung schreibt.
Ich habe diese Erfahrung mit unserer, der brandenburgischen Verfassung gemacht. Wir haben sie damals, vor 14 Jahren - einige, die daran mitgewirkt haben, wie die Vizepräsidentin, sitzen noch hier - mit Verfassungslyrik überfüllt. Das sehe ich heute auch als in Ordnung an, weil wir damals mit einem Überschuss an Demokratiebewusstsein aus der Wende kamen. Inzwischen stelle ich jedoch fest, dass all das, was darin steht und nicht einklagbares Recht ist, wirklich nutzlos ist. Deshalb bin ich der Meinung, dass in eine Verfassung nur Dinge gehören, die die Bürgerinnen und Bürger auch einklagen können. Das haben Sie ja erwähnt; das steht in unserer Verfassung.
Die Minderheit, um die es in Brandenburg geht, sind die Sorben, wie Sie zitiert haben. In Artikel 25 werden Sie in der Weise, wie Sie es gefordert haben, durch ein Spezialgesetz „positiv diskriminiert“, das eben auch Rechtsansprüche festschreibt, um Nachteile, die ihnen entstehen, auszugleichen. Die Sorben/Wenden erhalten also Zuschüsse zu Bewahrung und Fortentwicklung der sorbischen Kultur, und zwar 2,7 Millionen Euro aus dem Bund-Sachsen-Brandenburg-Programm sowie 15 Millionen Euro im Rahmen der entsprechenden Stiftung. Davon werden das sorbische Nationalensemble, das sorbische Museum, das sorbische Institut, das wendische Museum - welches, wie ich der heutigen Zeitung entnehmen konnte, eine Osterausstellung eröffnet hat; darauf haben wir alle gewartet -, die Schule für niedersorbische Sprache und Kultur, das deutschsorbische Volkstheater, die Domowina, zahlreiche sorbische Schulen und Kitas und noch viel mehr finanziert. Auf diese Weise haben wir die „positive Diskriminierung“ auf solides Recht gestellt und den Nachteilsausgleich festgeschrieben sowie einklagbar gemacht. Alles andere macht keinen Sinn und sollten wir sein lassen. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was will die Linkspartei.PDS mit diesem Antrag? Der Landtag solle beschließen, dass für ethnische kulturelle und sprachliche Minderheiten nicht nur Schutz vor Diskriminierung, sondern auch eine spezielle Förderung wichtig ist. Dafür soll - als Ziel das Grundgesetz verändert werden.
Aus dem vorliegenden Antrag wird letztlich nicht ersichtlich, für welche konkreten Bevölkerungsgruppen die so genannten positiven Diskriminierungen gelten sollen. Diese Sonderbehandlung besitzen bereits Bevölkerungsgruppen in einigen Bundesländern. In Schleswig-Holstein ist es zum Beispiel die dänische Minderheit. In Sachsen und Brandenburg sind es die Sorben und Wenden.
Warum besitzen diese Bevölkerungsgruppen Sonderrechte? Weil sie in ihrem regionalen Verbreitungsgebiet eine Sonderstellung einnehmen, die historisch und kulturell gewachsen ist. Die Sorben zum Beispiel siedelten vor Jahrhunderten in Gebieten zwischen Sachsen und Brandenburg. Viele Orts- und Flurbezeichnungen gehen auf die sorbische/wendische Sprache zurück. Viele Bräuche und Traditionen sind über die Jahrhunderte von den Sorben auf das deutsche Brauchtum übergegangen. Daher ist es auch im Interesse Deutschlands, das Fortbestehen der sorbischen/wendischen Kultur zu fördern, um einen Teil auch seiner Geschichte zu bewahren.
Die Linkspartei.PDS muss sich schon die Frage gefallen lassen, welchen Stellenwert sie nationalen Minderheiten beigemessen hat, als sie sich noch SED nannte und die Regierung stellte. Trotz massiver Proteste der sorbischen Minderheiten fielen 46 Dörfer und 27 Ortsteile allein der SED-Braunkohlepolitik zum Opfer.
Nicht wenige Menschen dieser Minderheit wurden aus politischen Gründen mit Haftstrafen oder Berufsverboten belegt. So viel zur Glaubwürdigkeit der Linkspartei.PDS.
Es ist nicht anzunehmen, dass die PDS auf einmal ihr Herz für die Sorben und Wenden entdeckt hat, zumal diese bereits einen Sonderstatus besitzen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die PDS allen deutschen Staatsangehörigen mit nichtdeutscher ethnischer Abstammung Sonderrechte einräumen möchte, auch wenn ihre ursprüngliche ethnische Herkunft in keinerlei historischem oder kulturellem Zusammenhang mit Deutschland steht. Damit hätten die ursprünglich aus dem Ausland stammenden deutschen Staatsangehörigen mehr Rechte als gebürtige Deutsche.
stammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Wir brauchen keine Gesetzesänderung, die Deutsche mit erworbener Staatsangehörigkeit gegen gebürtige Deutsche ausspielt. Niemand darf bevorzugt werden! Das ist unser Standpunkt.
Der Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion beweist wieder einmal die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der ehemaligen SED-Genossen, durch Anträge mit scheinbar sozialen Anliegen mehr und mehr die verfassungsmäßige Ordnung auszuhebeln. Im Übrigen entspricht die in der Antragsbegründung genannte EU-Antidiskriminierungsrichtlinie in ihren Grundzügen bereits Artikel 3 des deutschen Grundgesetzes. Weitergehende Vorschriften sind in dieser Richtlinie nicht enthalten. Nicht ohne Grund wurde das erweiterte Antidiskriminierungsgesetz der früheren rot-grünen Bundesregierung vom Bundesrat gestoppt.
Sie sehen: Der Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion ist wohl nichts weiter als ein verspäteter Aprilscherz, über den man aufgrund seiner mangelnden Qualität noch nicht einmal schmunzeln kann. - Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch die CDUFraktion lehnt den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS ab. Ich werde mich auf ähnliche Quellen wie mein Vorredner beziehen, werde das aber sachlicher tun. Ich habe sicherlich manche Zweifel gegenüber der Linkspartei.PDS; aber Ihnen zu unterstellen, Sie wollten mit dem Antrag die verfassungsmäßige Ordnung unterhöhlen, halte ich, gelinde gesagt, für etwas überzogen. Versuchen wir also, uns sachlich damit auseinander zu setzen.
Was wollen Sie, meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS? Sie möchten gern ethnische, kulturelle und sprachliche Minderheiten besser schützen und als Volksgruppen fördern. Vor allen Dingen sollen die Besonderheiten von Minderheiten mit deutscher Staatsangehörigkeit so verankert werden, dass sie Sitz, Rang und Namen, also eine Position im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland haben.
Sie sprechen in diesem Zusammenhang von „positiver Diskriminierung“. Dieser Begriff sollte sich besser nicht einbürgern. Aus einschlägigen Nachschlagewerken möchte ich einige Zitate vortragen:
„Unter positiver Diskriminierung versteht man eine bewusste Bevorzugung von Mitgliedern einer Gruppe zum Ausgleich von behaupteten oder tatsächlichen Nachteilen. Die positive Form der Diskriminierung ist umstritten, da sie mindestens eine formale Benachteiligung der Menschen, die das entsprechende Merkmal nicht aufweisen, umfasst.
Angesichts dessen handelt es sich nicht um ein Wort, sondern eher um ein Unwort. Man sollte besser von „Gerechtigkeitsausgleich“ oder „Privilegierung“ sprechen. Den Begriff „positive Diskriminierung“ sollten wir beiseite lassen, weil er zumindest zweischneidig ist. Er bevorzugt die einen, schließt die anderen aber von der Bevorzugung aus.