Die Entwicklungen, die wir mit Argusaugen beobachten, signalisieren eine erste Entwarnung. So konnte Ende Dezember 2003 der seit 1996 ununterbrochene Abbau von betrieblichen Ausbildungsplätzen in Brandenburg erstmals gestoppt werden. Das sind kleine Lichtblicke, die natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir es auf dem Ausbildungsmarkt nach wie vor mit einer äußerst angespannten Situation zu tun haben, eng verbunden mit der angespannten Arbeitsmarktlage aufgrund mangelnder Wirtschaftskraft im Land.
Ja, es bleibt dabei: Ausbildung ist in erster Linie Sache der Wirtschaft, die im eigenen Interesse dafür sorgen sollte, dass der künftige Bedarf an Fachkräften so weit wie möglich über eigene Ausbildung gedeckt wird. Angesichts der gestellten Anforderungen müssen wir bei der Entwicklung von Konzepten viel stärker die bestehende Unternehmensstruktur des Landes vor Augen haben. In ihrer Argumentation hierzu macht es sich die PDS wahrlich zu leicht.
55 % aller Brandenburger Betriebe beschäftigen bis zu vier Personen, 89 % haben weniger als zehn Beschäftigte. Eine solch überwiegend kleinteilige Unternehmensstruktur bringt per se schlechtere Rahmenbedingungen für betriebliche Berufsausbildung mit sich.
Die hier bestehenden Defizite sind auch nicht dadurch zu kompensieren, dass unsere tatsächlich ausbildenden Betriebe, die es durchaus gibt, dies in überdurchschnittlichem Umfang tun. Ein Grundpfeiler für eine gute Ausbildungspolitik des Landes ist eine vernünftige Mittelstandspolitik - auch darüber haben Sie kein einziges Wort verloren -,
die entsprechend den aufgezeigten Betriebsstrukturen kleine und mittlere Unternehmen dabei unterstützt, stärker als bisher auszubilden und damit auch für den eigenen Nachwuchs zu sorgen.
Dass wir heute schon auf diesem Gebiet aktiv sind, zeigt die Förderung von Berufsausbildungsverbünden sowie die Qualifizierungsförderung für kleinere und mittlere Unternehmen. Die skizzierte Zielstellung lässt sich nicht von heute auf morgen verwirklichen. Auch hierbei hilft der Holzhammer nicht; vielmehr brauchen wir auch in Brandenburg hierfür einen langen Atem.
Parallel dazu ist auf Bundesebene der nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs zwischen Bundesregierung und Wirtschaft geschlossen worden, um die vorhandenen Potenziale zur Ausbildung fähiger Betriebe zu erschließen. Vereinbart ist, dass im Herbst 2005 auf der Basis der ab November 2004 vorliegenden Zwischenbilanzen entschieden wird, ob es ergänzender gesetzlicher und sonstiger Initiativen bedarf und ob der Pakt zwischen den Beteiligten weitergeführt wird. Bis dahin ruht das Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe im Vermittlungsausschuss. Mithilfe des Druckmittels einer Ausbildungsumlage sind wir vorange
kommen - zugegeben, in kleinen Schritten -; insofern brauchen wir von der PDS weder Agitation noch Belehrungen.
Sie selbst haben doch vor ein paar Minuten die Ausbildungsumlage als Hilfskrücke bezeichnet und auch kein Wort dazu gesagt, wie Sie sie in Brandenburg umzusetzen gedenken.
Der eingeschlagene Weg, eine Drohkulisse aufzubauen und der Wirtschaft die Chance zu geben, verstärkt ihren Hauptbeitrag zur Bekämpfung von Ausbildungsdefiziten zu leisten, ist kein Weg des politischen Einknickens, sondern - im Gegenteil - ein Weg der politischen Vernunft, Vorausschau und Verantwortung.
Meine Damen und Herren, in der aktuellen Diskussion gilt es aber auch Aspekte wie die steigenden Qualifikationsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt, die Befunde der PISA-Studie und nicht zuletzt die Spezifik der Entwicklung in Brandenburg zu berücksichtigen. Wenn wir in diesem Jahr trotz größter Anstrengungen von allen Seiten erneut mit einer Lücke und mit Mismatch zwischen Angebot und Nachfrage konfrontiert sind, müssen wir diesen Sachverhalt viel gründlicher als bisher analysieren, um zu den notwendigen Schlussfolgerungen zu kommen.
Erstens: Die Entwicklung von Ausbildungsfähigkeiten bei jungen Menschen und die Bereitstellung von Ausbildungsmöglichkeiten für ausbildungsfähige Jugendliche sind zwei Seiten einer Medaille.
Zweitens: Der ab 2003 zu verzeichnende und besonders für Ostdeutschland ab 2006 gravierende Rückgang der Schulabgänger bis 2010 verlangt ab sofort zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung ausreichenden fachlich qualifizierten Personals im Land. Industriebetriebe, aber auch kleine und mittelständische Betriebe in Brandenburg haben ohne qualifizierte Fachkräfte keine guten Aussichten. Von Fachkräftemangel war bei Ihnen auch nicht die Rede;
er erschwert Unternehmensansiedlungen und forciert die Verlagerung von Unternehmen in andere Regionen oder Länder. Wir müssen also jetzt verstärkt in die Fachkräfteausbildung investieren. Dabei müssen auch Jugendliche mit schlechteren Voraussetzungen eine Startchance erhalten. Eine Qualifizierung der Berufsausbildungsvorbereitung ist auch aus unserer Sicht geboten.
Auf Bundesebene wurde deshalb Anfang 2003 die Berufsausbildungsvorbereitung in das Berufsbildungsgesetz integriert. Betrieben wird damit ermöglicht, benachteiligten Jugendlichen durch Qualifizierungsbausteine erste Grundlagen beruflicher Handlungsfähigkeit zu vermitteln. Inzwischen bieten auch die Kammern im Land Brandenburg Einstiegsqualifizierungen für Jugendliche an, unterstützt durch die Förderung seitens der Bundesagentur und die Agenturen vor Ort. Damit muss aber auch eine qualitative Weiterentwicklung der Berufsausbildung
selbst einhergehen. Unverzichtbar für Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft bleibt eine solide, breit angelegte Berufsausbildung, die den sich wandelnden Anforderungen und globalen Herausforderungen gerecht wird. Mit dem Berufsbildungsreformgesetz, das dieser Tage in erster Lesung im Bundestag behandelt wird, wird die Berufsausbildung in Deutschland weiter modernisiert und flexibilisiert.
Wo stehen wir? Unter Einbeziehung der allein vom Bund finanzierten Ausbildungsplätze für förderungsbedürftige Jugendliche werden in Brandenburg seit Jahren mehr außerbetriebliche als betriebliche Berufsausbildungsstellen registriert. In Reaktion auf die eben beschriebenen Probleme hat Brandenburg die außerbetriebliche Berufsausbildung im Vergleich zu den anderen Bundesländern besonders ausgeweitet. Das Land stellt jährlich annähernd 70 Millionen Euro für die außer- und überbetriebliche Berufsausbildung bereit. Hiermit sind wir meiner Meinung nach an Grenzen staatlicher Leistungsfähigkeit gestoßen. Einerseits ist dies angesichts der zu füllenden Lücke notwendig und daher zu verteidigen. Andererseits schmerzt der hohe Mittelaufwand mich als Arbeitsmarktpolitikerin aber auch, weil uns dadurch dringend erforderliche Gelder für andere Bereiche der Arbeitsmarktpolitik fehlen, zum Beispiel für Maßnahmen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit.
also beim Zugang zur Ausbildung, auf keinen Fall unabhängig von der Problematik an der zweiten Schwelle, also bei der Übernahme nach der Ausbildung in die Erstbeschäftigung, diskutieren.
Ich zitiere aus einem Brief, den ich vor wenigen Tagen von einer Frau aus dem Süden Brandenburgs erhalten habe. Sie schreibt:
„Angesichts des bei uns unzureichenden Ausbildungsplatzangebots wählte mein Sohn nach der Schule die ihm angebotene Alternative vollzeitschulische Berufsausbildung. Nach erfolgreichem Abschluss mussten wir nun feststellen, dass diese schulische Ausbildung keinen ersten berufsqualifizierenden Abschluss ersetzen kann. Trotz Berufsausbildung ist mein Sohn arbeitslos. Neben der Suche nach einer Arbeit bewarb er sich daher erneut um eine Lehrstelle, weil er mit seiner bisherigen Berufsausbildung keine Chancen für sich sieht. Die Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz gestaltet sich wie vor Jahren schon sehr schwer und belastet unsere gesamte Familie. Mein Sohn ist krank. Wir sind krank vor Sorge.“
„Manchmal braucht man sich über Aggressivität und Frustration nicht zu wundern. Ich für mich jedenfalls bezweifle aber, dass Politiker wissen, dass es solche Fälle gibt.“
Meine Damen und Herren, ich konnte ihr versichern, dass insbesondere Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten um diese Probleme im Detail wissen,
sie sowohl auf Bundes- wie auch auf Landesebene seit Jahren als politische Herausforderungen begreifen und sich diesen stellen.
Bei aller aufgezeigten Problematik auch der außerbetrieblichen Ausbildung lassen wir die jungen Leute nicht im Regen stehen, reichen ihnen den Schirm in weniger sonnigen Zeiten, solange betriebliche Ausbildung den Bedarf eben nicht deckt.
Sie haben es vorhin kurz erwähnt: Auch die aktuelle Arbeitsmarktreform - Stichwort Harzt IV - ist im Besonderen auf das Problem der Jugendarbeitslosigkeit ausgerichtet. Ab dem 1. Januar kommenden Jahres haben erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren Anspruch auf unverzügliche Vermittlung
- lesen Sie es im Gesetz nach - in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit. Auf Landesebene bleibt in guter Tradition in der Koalitionsvereinbarung die klare Zielstellung erhalten, jedem ausbildungsfähigen Schulabgänger einen Ausbildungsplatz anzubieten. Weil nicht ausreichend betriebliche Ausbildungsplätze angeboten werden, greifen auch in diesem Ausbildungsjahr wieder das Ausbildungsprogramm Ost des Bundes und der ostdeutschen Länder sowie das Lückenschlussprogramm des Landes, damit das Ziel der Koalitionsvereinbarung eingelöst werden kann.
Ich habe vernommen, dass die PDS-Fraktion heute eine umfassende Kritik an diesem öffentlichen Programm verkündet, aber wieder einmal kein Wort dazu gesagt hat, was denn ihre alternativen Konzepte sind.
Flankierend zu dem genannten Programm leisten zahlreiche kleine Landesförderprogramme, zum Beispiel für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung im Handwerk oder für Ausbildung in spezifischen Bereichen wie der Jugendhilfe oder dem Agrarbereich, ihren Beitrag.
Die PDS-Fraktion kritisiert die Ausbildungsquote in der Landesverwaltung. Eine kurze Anmerkung dazu: Gerade angesichts der Haushaltslage und des in der Landesverwaltung vorgesehenen Stellenabbaus können und sollten wir nur in engen Grenzen mehr Personal ausbilden, als am Ende tatsächlich übernommen werden kann. Genau das geschieht. Seit 1997 stellt die Landesregierung im Rahmen der Landesausbildungsplatzinitiative jährlich zwischen 30 und 60 Ausbildungsplätze in den so genannten Kammerberufen zur Verfügung. In diesem Jahr sind es 40 neue Ausbildungsverhältnisse.
Insgesamt sind 2004 in der Landesverwaltung 774 Auszubildende und 2 036 Beamte im Vorbereitungsdienst registriert. Wir dürfen - um das noch einmal zu sagen - die erste und die zweite Schwelle, Ausbildung und Eingliederung in Erstbeschäftigung, nicht losgelöst voneinander betrachten. Ich bin gespannt, ob für die eine angekündigte Stelle bei der PDSFraktion, die sie jetzt einem Auszubildenden zur Verfügung stellt, die entsprechende Person tatsächlich übernommen wird. Da schauen wir dann hin.