Protokoll der Sitzung vom 22.05.2006

Genau hier setzt unser Vorschlag zur Schließung eines Staatsvertrages an. Er erscheint uns als das geeignete Instrument, die inhaltlich durchaus übereinstimmenden Forderungen in eine verbindliche Form zu überführen, ohne gleich wieder die Föderalismusdebatte vom Zaun zu brechen.

Weiterhin stellte selbst Horst Seehofer fest, dass die Lebensmittelkontrolle in Deutschland den nach EU-Recht bestehenden Anforderungen nicht gerecht wird. Die im 13-PunkteProgramm der Verbraucherminister angekündigten einheitlichen Qualitätsstandards müssen umgehend mit einer bundesweiten Koordinierung umgesetzt werden. Deshalb schlägt meine Fraktion vor, dass sich die Landesregierung im Bundesrat für einen Bund-Länder-Staatsvertrag für ein bundesweites Qualitätsmanagement bei der Lebensmittelkontrolle einsetzt. Der Abschluss eines solchen Staatsvertrages soll die dringend erforderliche Kooperation zwischen Bund und Ländern regeln und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken.

Ein solcher Staatsvertrag, an dem die Länder freiwillig teilnehmen, hat viele Vorteile. Mit ihm können mehr Rechtsverbindlichkeit gegenüber den Ländern, einklagbare Verbraucherrechte und mehr politische Kontrolle durch die Parlamente erreicht werden. Eine Vereinbarung über gleichwertige Qualitätsstandards in den Ländern sollte zum Beispiel die Qualifizierung und Rotation der Kontrolleure betreffen.

Eine Verbesserung des Datenabgleichs von Kontrollergebnissen sowie die Einführung einer Pflicht zur Meldung von sicherheitsrelevanten Vorfällen ist notwendig. Es bedarf einheitlicher Analyseverfahren und Untersuchungskriterien. Wir erachten darüber hinaus die Erweiterung des Frühwarnsystems sowie die Bildung einer Taskforce als notwendig, um Vorfälle länderübergreifend und schnell aufklären zu können.

Mit einem solchen Vertrag ist ein effektives fachliches und rechtliches Qualitätsmanagement über dem bisherigen Ansatz des Grundgesetzes hinaus möglich. Das Grundgesetz fordert geradezu die Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit. Lebensmittel sind Mittel zum Leben. Essen hat viel mit Genuss zu tun. Damit uns allen der Appetit nicht vergeht, bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Lieske das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu fortgeschrittener Stunde unserer heutigen Landtagssitzung und mit den Impressionen meiner Besuchergruppe im Hintergrund verspreche ich Ihnen, mich relativ kurz zu fassen.

(Beifall der Abgeordneten Fechner [DVU])

Frau Adolph hat die Situation an sich, glaube ich, sehr eindrücklich geschildert. Das ist ein Thema, an dem jeder Landtagsabgeordneter - zumindest durch Presseinformationen - sicherlich schon einmal teilhatte.

Der Antrag der Fraktion lautet: Die Landesregierung wird aufgefordert, sich im Bundesrat für die Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern zur Erarbeitung eines Staatsvertrages zum Aufbau eines bundeseinheitlichen Qualitätsmanagements im Bereich der Lebensmittelsicherheit einzusetzen.

Frau Adolph hat in ihren Ausführungen bereits den Gedanken der Freiwilligkeit des Abschlusses eines Staatsvertrages erwähnt. Dazu möchte ich mich nachher äußern. Zum Zeitrahmen sei gesagt, dass sich die ganze Angelegenheit verkürzen lassen müsste.

Die Vorkommnisse mit Gammelfleisch und Genreis haben die Sensibilität für die Verbesserung der Lebensmittelüberwachung erhöht und vielleicht auch wieder in die Tagessituation hineingebracht. Aber bereits die EU-Kontrollverordnung 882 aus dem Jahr 2004 verpflichtet die Mitgliedsstaaten zum Aufbau von Qualitätsmanagementsystemen. Auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Lebensmittelüberwachung des Bundes sind die Behörden verpflichtet, dieses Qualitätsmanagement bis zum 31.12.2007 erarbeitet zu haben.

An dieser Stelle möchte ich auf die außerordentliche Sitzung der Verbraucherschutzminister am 7. September hinweisen, die auf Initiative vor allem von Rheinland-Pfalz und Brandenburg stattgefunden hat. Dabei hat es eine Beschlussfassung dieser Minister zur einheitlichen Einführung des Qualitätsmanagementsystems gegeben. Hier wurden das 13-Punkte-Programm vereinbart - auch wenn Frau Adolph sagte, es sei freiwillig und nicht unbedingt zwingend in gesetzlicher Form oder in Form von Staatsverträgen vorgeschrieben - und konkrete Schritte und Kontrollsysteme dazu festgeschrieben. Unter anderem ist in den Ländern mit gleicher Häufigkeit und Güte vorzugehen, ist der gegenseitige Informationsfluss zu sichern und ist die

Zusammenarbeit des Bundes und der Länder verpflichtend zu regeln.

Ich meine - wenn man schon allein von diesen Ausführungen her die Situation aufnimmt -, „verpflichtend zu regeln“ heißt, dies auch tatsächlich festzulegen. Die aktuellen Vorkommnisse haben sicherlich dazu beigetragen, dass vor allem in den Ländern, in denen sie verstärkt aufgetreten sind, die Bereitschaft gewachsen ist, sich diesem Thema zu stellen.

Im Frühjahr dieses Jahres hatte ich Gelegenheit, an der Sitzung des Landwirtschaftsausschuss meines Kreistages teilzunehmen. Dort hat der Verantwortliche des Landkreises sehr ausführlich dargestellt, wie weit die Landkreise - sprich: die Kommunen - schon in die Bearbeitung dieses Themas mit den Ländern und dem Bund eingebunden sind.

Wir sind auf dem richtigen Weg. Der Staatsvertrag würde das gesamte Vorhaben möglicherweise entschleunigen. Das dürfte nicht in unserem gemeinsamen Interesse liegen. Die Umsetzung der Standards und die laufende Überprüfung des Systems werden durch eine länderübergreifende Auditierung mit Unterstützung des Bundes sichergestellt.

Unser Bundesminister, Herr Seehofer, der - auch wenn die Länderkompetenzen verstärkt worden sind - für den Verbraucherschutz zuständig ist, hat in einer Presseerklärung vom 10. Oktober dieses Jahres seine Zielrichtung ausführlich dargelegt - Frau Adolph hat bereits darauf Bezug genommen und die einzelnen „Baustellen“ eröffnet. Hier ergeben sich Ansatzpunkte für eine verpflichtende Mitwirkung der Länder, die ihrerseits entsprechende Handlungsansätze zu entwickeln haben.

Wir gehen davon aus, dass ein Staatsvertrag nicht erforderlich ist und mit den vorhandenen Instrumenten sowie der ebenfalls vorhandenen Bereitschaft der Länder die entsprechenden Wege beschritten werden können.

In ihrem Antrag fordert die PDS-Fraktion die Errichtung eines nationalen Referenzlabors. Dies lehnen wir ab, weil ein solches Referenzlabor, wenn auch auf EU-Ebene, in Italien bereits angesiedelt ist. In einem entsprechenden Netzwerk findet der Austausch schon statt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Lieske. Das waren exakt 4 Minuten und 53 Sekunden. So viel zu Ihrer Bemerkung, sich kurz fassen zu wollen.

(Heiterkeit bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Schulze.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lebensmittelsicherheit - ein aktuelles Thema von oberster Priorität. Schon allein deshalb geht der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion in die richtige Richtung. Aber, wie gesagt, nur in die richtige Richtung.

Wenn man bedenkt, dass bereits vor vier Jahren das Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes und der Lebensmittelsicherheit in Deutschland beschlossen worden ist, so muss man die heutige skandalumwobene Situation als unhaltbar bezeichnen. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sollte sich nicht auf analytische Betrachtungen beschränken, sondern mit allem Nachdruck auf die Einhaltung der Vorschriften achten. Es muss eindeutig klargestellt werden, dass die Verbraucher zu schützen sind. Das ist Aufgabe und Pflicht der Länderregierungen und des Bundes. Letztendlich geht es um die Gesundheit unserer Bürger.

(Beifall bei der DVU)

Es ist richtig, wenn Bund und Länder eng zusammenarbeiten. Aber, meine Damen und Herren, einheitliche Standards in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit und entsprechende Kontrollmaßnahmen - das hat die Vergangenheit gezeigt - sind zwar eine gute Grundlage, reichen aber bei weitem nicht aus. Erforderlich sind beispielsweise drastische Strafen für Lebensmittelfälscher und Betrüger. Das ist die Auffassung der DVU-Fraktion. In dieser Beziehung geben uns die Medienberichte betreffs der gleich gelagerten Meinung der Regierenden vollkommen Recht.

Eine gute Idee ist die Einführung eines Hygienekennzeichens, welches ständig neu von den Unternehmen zu beantragen ist und nach gründlicher Prüfung durch die staatlichen Stellen vergeben wird. Dieses Kennzeichen am Unternehmen und auf seinen Erzeugnissen signalisiert dann dem Verbraucher, dass alles in Ordnung ist.

Das grundlegende Fazit ist, dass endlich Nägel mit Köpfen im Bereich Lebensmittelsicherheit gemacht werden und nicht, wie bisher, nur geredet und irgendwann halbherzig beschlossen wird. Wir müssen davon abkommen, immer nur neue Gremien zu schaffen und Vorschriften zu erlassen. Nein, meine Damen und Herren, es muss endlich spürbar gehandelt werden. Es geht um die Gesundheit unserer Menschen, also um das Wichtigste einer Gesellschaft. Das allein ist für unsere Fraktion ausschlaggebend.

Aus diesem Grunde findet der Antrag unsere Zustimmung.

(Beifall bei der DVU)

Wir kommen zum nächsten Redebeitrag. Herr Dombrowski erhält dazu das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion thematisiert mit ihrem Antrag den in der Öffentlichkeit in den letzten Wochen und Monaten heftig diskutierten Gammelfleischskandal und fordert dazu gleich einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern zum Aufbau eines bundesweiten Qualitätsmanagements. Bevor ich näher darauf eingehe, möchte ich zwei Bemerkungen voranstellen.

Erstens: Im Anschluss an die heutige Landtagssitzung lädt der Waldbesitzerverband zu einem Parlamentarischen Abend ein. Ich erwähne das deshalb, weil dort frisches Wildbret aus Bran

denburger Wäldern auf den Tisch dieses Hohen Hauses kommt. Da werden wir Frische genießen können.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Zweitens: Die Missstände sind unmittelbar auf das unverantwortliche Vorgehen Einzelner in der Wirtschaft zurückzuführen. Sie wurden zumindest zum Teil - insoweit gibt es nichts zu beschönigen - durch mangelnde Überwachungsmaßnahmen begünstigt.

Zum anderen möchte ich betonen, dass trotz des umfangreichen In-Verkehr-Bringens untauglicher Lebensmittel zu keiner Zeit eine Gesundheitsgefährdung für die Verbraucherinnen und Verbraucher bestanden hat. Ich möchte auch darauf verweisen, dass die landwirtschaftliche Urproduktion in Deutschland auf höchsten Qualitätsstandards beruht. Die Verbraucher dürfen zu Recht hohes Vertrauen in einheimische Produkte haben. Gleiches verpflichtet auch die Lebensmittelindustrie in unserem Land.

Die Verantwortlichen von Bund und Ländern arbeiten aktiv an der Problematik, die sich immer wieder einmal zeigt. Es wurde eine Verbraucherschutzministerkonferenz einberufen, die über all die Fragen der Abstimmung zwischen Bund und Ländern, der Länder untereinander, zur EU und zu den anderen europäischen Ländern berät und die notwendigen Schritte einleitet, um ähnliche Vorkommnisse möglichst zu verhindern.

Mit dem Verbaucherinformationsgesetz eröffnen sich zudem neue Möglichkeiten für den Verbraucher, an Informationen über Herkunft und Beschaffenheit der Produkte zu gelangen. Schwarze Schafe in der Branche hat es immer gegeben und wird es wohl auch zukünftig geben. Es wird aber schwieriger werden, weil sich die Händler dann in der Gefahr sehen müssen, öffentlich benannt zu werden. Ehrliche Unternehmer werden keinen Gebrauch von der Möglichkeit machen, sich illegal zu bereichern.

Ich möchte mit meinen Ausführungen in aller Kürze Folgendes zum Ausdruck bringen: Die Verantwortlichen in der Politik haben seit Bekanntwerden des letzten Skandals nicht die Hände in den Schoß gelegt, sondern sich intensiv der Problematik angenommen. Sie gehen, wie ich jedenfalls meine, die Probleme ganz energisch an; denn der gute Ruf der landwirtschaftlichen Produkte und der Lebensmittelbranche in Deutschland steht auf dem Spiel. Das lässt aus unserer Sicht keinen Zeitverzug zu.

Den von der Fraktion der Linkspartei.PDS angestrebten Staatsvertrag betrachten wir als ungeeignetes Mittel, zeitnah handeln zu können. Von daher kommen Sie mit Ihrem Antrag zu spät. Wir werden ihn aus diesem Grund ablehnen. - Danke.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herzlichen Dank! - Ich freue mich, dass der Abgeordnete Dombrowski schon die Vorkostung übernommen hat. Allerdings wollen wir zunächst noch gern Herrn Minister Dr. Woidke das Wort geben, bevor wir uns gemeinsam in die untere Etage des Hauses begeben.

Bitte schön, Herr Dr. Woidke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir alle sind uns sicherlich darüber im Klaren, dass die Qualitätsstandards und die Kontrolle ihres Vollzuges europaweit besser werden müssen. Es geht darum, dass wir auf deutscher und auf europäischer Ebene zu einem funktionierenden System im Bereich der Lebensmittelsicherheit kommen. Ich teile die Einschätzung des Kollegen Seehofer, dass wir ein solches System zurzeit nicht haben.

Es hilft uns aber nicht weiter, wenn wir punktuelle Diskussionen führen. Auch brauchen wir in diesem Zusammenhang keine Diskussion über den Föderalismus bzw. die unterschiedlichen Zuständigkeiten. Wir müssen uns in Deutschland und auf europäischer Ebene darüber im Klaren sein, dass die Menschen von uns erwarten, dass wir ihre Gesundheit und Sicherheit garantieren, das heißt den gesundheitlichen Verbraucherschutz gewährleisten. Das ist eine Verpflichtung des Staates. Deswegen haben wir ein zweiseitiges System. Es gibt die staatlichen Kontrollen plus die Eigenkontrollen der Wirtschaft. Auf dieses System muss sich der Verbraucher verlassen können.

Der Staat hat die Verpflichtung, Standards durchzusetzen und Kontrollen in höchstmöglicher Qualität und Quantität durchzuführen. In diesem Zusammenhang kommt die Rolle des öffentlichen Dienstes zum Tragen. In zahlreichen Diskussionen werden mehr Kontrolleure gefordert. In anderen Zusammenhängen wird die Rolle des öffentlichen Dienstes aber immer als belastend dargestellt.

Meine Damen und Herren, eines hat mir in den Ausführungen aller Redner gefehlt; deshalb muss ich es hier sagen: Hut ab vor den Kontrolleuren und vor dem, was sie leisten, und dies unter nicht immer optimalen Bedingungen.