Protokoll der Sitzung vom 22.11.2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Graffiti-Schmie

rereien handelt es sich um ein erhebliches Ärgernis. GraffitiSchmierereien sind in beträchtlichem Umfang bundes- und landesweit festzustellen.

Doch kommen wir nun zu Brandenburg und damit zur Antwort der Landesregierung auf unsere Große Anfrage 25. Doch zuvor, meine Damen und Herren, ein Zitat. Herr Innenminister Schönbohm, Sie erklärten laut Pressemitteilung Ihres Ministeriums vom 08.09.2005:

„Graffiti und andere Schmierereien verursachen einen erheblichen finanziellen Schaden. Sie verschandeln das Bild unserer Städte und Dörfer. Sie sind ein Ärgernis und beeinträchtigen auch das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Entscheidend für den Erfolg gegen die Graffiti-Täter ist nicht zuletzt die schnelle Reaktion der Geschädigten. Mit einer schnellen Entfernung von Graffiti-Schmierereien wird den illegalen Sprayern ein Teil ihrer Motivation genommen. Polizei und Ordnungsbehörden sollen künftig in noch intensiverer Zusammenarbeit gegen Graffiti und Räume öffentlicher Verwahrlosung vorgehen.“

Nun, Herr Minister Schönbohm, lassen Sie sich und Ihre damaligen Worte an den Aussagen Ihres eigenen Hauses auf unsere Große Anfrage messen, so stellen wir mit ungläubigem Staunen fest, dass die Zahl der erfassten Graffiti-Fälle im Jahre 2002 in Brandenburg 4 058 betrug,

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

in den ersten acht Monaten des Jahres 2006 dagegen 6 749.

Das ist also eine Steigerung von über 60 % innerhalb von nur vier Jahren. Allein der Anstieg der Graffiti-Straftaten in der Zeit von September 2005 bis August 2006 auf insgesamt 9 500 Fälle gegenüber 7 064 Fällen im Vergleichszeitraum des Vorjahres - mithin eine Steigerung um 34,5 % bzw. 2 436 Delikte - spricht wohl Bände; besonders angesichts der Tatsache, dass nach dem seit September 2005 geltenden § 303 Abs. 2 StGB Graffitischmierereien als Sachbeschädigung mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft werden können.

Offensichtlich reichen Strafrechtsverschärfungen, die wir übrigens befürworten, allein nicht aus, besonders da eine Aufklärungsquote von 47,6 % alles andere als befriedigend ist.

(Beifall bei der DVU)

Dass darüber hinaus in der Strafverfolgungsstatistik keine Daten zur Verurteilung von Graffitischmierern erhoben werden, rundet das Bild ab. Außerdem ergibt sich aus der Antwort auf die Frage 20, dass Schmierereien mit offensichtlich politischem Inhalt überhaupt nicht in der Rubrik „Graffiti“ erfasst werden, sondern als politisch motivierte Straftaten gelten. Wir können daher davon ausgehen, dass sich die Zahl der Schmierereien im Vergleich zu den als Graffiti Erfassten jährlich mehr als verdoppelt. Wenn selbst zwei der vier leitenden Brandenburger Oberstaatsanwälte bei einer Abfrage erklären, dass von einer verbesserten Strafverfolgung seit der Gesetzesänderung am 8. September 2005 nicht ausgegangen werden könne, zeigt dies doch, Herr Innenminister Schönbohm, dass Sie sich und Ihre damaligen großspurigen Worte vom September 2005 selbst Lügen

strafen. Der Kampf gegen Graffiti wurde von Ihnen, Herr Minister Schönbohm, nicht nur nicht gewonnen, sondern er entwickelte sich buchstäblich zum innenpolitischen Rohrkrepierer. Ich bedanke mich erst einmal für die Aufmerksamkeit.

Als Nächster spricht der Abgeordnete Petke für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tatsächlich sind die Schäden, die in Brandenburg, in Deutschland insgesamt, durch Graffiti zu verzeichnen sind, enorm. Betroffen sind nicht nur - wie in der Antwort der Landesregierung ausführlich dargestellt - Liegenschaften des Landes oder der Kommunen, sondern die Sachbeschädigung betrifft auch Eigentümer von privaten Immobilien.

Kurz vor den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen 2005 gab es im Deutschen Bundestag eine Initiative, in deren Zuge man das Strafgesetzbuch änderte. Seit der Umsetzung im September 2005 haben wir - nach einer doch mehrjährigen Diskussion - eine neue Gesetzeslage, die eine erweiterte Verfolgung der Graffitistraftaten möglich macht. Wir haben ein Jahr lang Erfahrung sammeln können. Es geht vor allem um die Frage, wie die Staatsanwaltschaften und die Polizei mit der neuen Gesetzeslage umgehen. Ich will eines hervorheben: Oftmals ist von Betroffenen zu hören, die Polizei erwische sowieso niemanden, wenn man Graffiti zur Anzeige bringe. - Das ist nicht so. Fast 50 % aller Fälle werden aufgeklärt. Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Steigerung der Aufklärungsquote - nicht nur im Land insgesamt, sondern speziell bei diesen Delikten - zu verzeichnen. Mein Dank gilt den Polizeivollzugsbediensteten, den Staatsanwaltschaften und Gerichten, die dies möglich gemacht haben.

Es gilt auch, auf ein Zweites hinzuweisen; das kam bei der DVU wie immer zu kurz: Gemeint ist die Prävention. Auf kommunaler Ebene wird sich in den Schulen damit auseinandergesetzt; und ich beziehe durchaus auch uns auf Landesebene ein. Wir reden vor allem mit Jugendlichen und weisen darauf hin, dass Graffitisprayen eine Straftat ist und Folgen für das spätere Leben haben kann. Wenn ein Jugendlicher beim Graffitisprayen erwischt und überführt wird, kann es sein, dass horrende Schadenersatzforderungen auf ihn zukommen. An dieser Stelle sollte man die Jugendlichen über die Sozialarbeit abholen, sie aufklären und auf sie einwirken, damit sie Graffiti gar nicht erst anwenden.

Insgesamt teile ich die Schwarzmalerei der Deutschen Volksunion nicht. Graffiti ist ein Problem, aber die Menschen in Brandenburg können sich sicher sein, dass die Sicherheitsbehörden und all jene, die auf kommunaler Ebene für die Prävention Verantwortung tragen, dieses Problem erkannt haben und wir uns damit offensiv und erfolgreich auseinandersetzen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der Linkspartei.PDS spricht der Abgeordnete Sarrach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal offenbart uns die DVU-Fraktion ihre größte politische Leidenschaft. Wie ich unlängst schon im Zusammenhang mit der unsäglichen Vorlage zur Beseitigung der Strafbarkeit der Auschwitz-Lüge feststellen musste, ist es die DVU, die sich der Herkulesaufgabe stellt, das Land Brandenburg schöner zu machen. Dem ersten Anschein nach heißt das vor allem, das Übel des Graffiti mit „Stumpf und Stiel“ auszumerzen. - Hat man Ihnen noch immer nicht verraten, dass man nur wegen des fanatischen Kampfes gegen bunte Sprühbilder nicht selber automatisch zum politischen Saubermann wird?

In ihrem Kampf scheut die DVU freilich keine Mühen, außer jene Mühen sprachlicher und sachlicher bzw. rechtlicher Differenzierungen. So ist in ihrer Anfrage an die Landesregierung beharrlich von „Graffiti-Schmierereien“ die Rede, und die mögliche Unterscheidung von legalen und illegalen Graffitis wird salopp eingeebnet, indem bei einer legalen Kunstaktion vom „Vollsprühen“ einer Halle die Rede ist. Man könnte bei derlei Praktiken leicht der Meinung sein, das Ganze stellte in bewährter Weise die Unfähigkeit der DVU bloß, solche Nuancen überhaupt zu erfassen. Aber nein, es ist vertrackter, schlimmer: Hierin zeigt sich doch vielmehr bewusste Unwilligkeit gepaart mit vorsätzlicher Bemächtigung von Sprache. Nehmen sie für das allgemeine Verständnis das allbekannte Boulevardpressebeispiel des sogenannten Asylanten, der aber richtigerweise Asylbewerber oder - noch respektvoller - Flüchtling genannt werden sollte, während die Bezeichnung Mitbürger schon eine romantische Verklärung wäre, die hart mit der gesellschaftlichen Realität der faktischen Ausgrenzung und Rechtlosigkeit kollidiert. Mit Sprache ist eben sensibel umzugehen.

(Dr. Klocksin [SPD]: Bitte nicht so schnell ablesen!)

Aktuell zeigt sich wieder einmal, wie die DVU auf der Bugwelle des herrschenden Zeitgeists reist und hier eben zu der nicht unumstrittenen Ausprägung der Jugendkultur, dem Graffiti, Position bezieht. Sie bedienen ein Thema der letzthin viel zitierten Mitte und trachten damit in doppelter Hinsicht danach, bürgerliche Fassaden zu schützen. Nun hat die DVU ihr Steckenpferd aufgesattelt, zur Attacke geblasen und eine Große Anfrage gezimmert, welche die Landesregierung vorliegend nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet hat.

Welcher Ertrag oder Nutzen kann aus dem Ganzen gezogen werden? - Die Frage drängt sich schon auf. Schauen Sie sich Fragen wie etwa Nr. 5 an, die nach einem etwaigen Rückgang der Straftaten seit September 2005 forscht. Logischerweise musste die Antwort eine Erhöhung mitteilen, weil im September 2005 bekanntlich eine Ausweitung des Sachbeschädigungsstraftatsbestands wirksam wurde. Immerhin lernt auch die Mehrheit der demokratischen Parlamentskolleginnen und -kollegen wie auch die mehrheitlich so denkende interessierte Öffentlichkeit, dass die Ermittlungsorgane der Polizei und Staatsanwaltschaft in diesem Bereich durchaus befähigt und bemüht sind, Deliktsbereiche zu trennen und schutzwürdige bzw. gefährdete Rechtsgüter angemessen zu gewichten. Was ich meine, ist, dass die einzig mit hinreichender Sicherheit als solche zu bezeichnenden Schmierereien und Verschandelungen des öffentlichen und geschützten privaten Raums durch rechtsextremistische Propaganda, insbesondere hetzerischen und nazis

tischen Inhalts, von wie auch immer gearteten mehr oder weniger künstlerischen Graffitis unterschieden werden können und müssen. Die Rede ist von Hakenkreuzschmierereien Ihrer politischen Klientel. Bei solchermaßen propagandistischen, den öffentlichen Frieden störenden und das subjektive Sicherheitsgefühl von Einzelpersonen oder Gruppen beeinträchtigenden Handlungen mit geschichtsverfälschender oder rassistischer bis hin zu existenzrechtbestreitender Tendenz wird für jeden vernünftig denkenden Menschen in den Hintergrund treten, ob mittels des Tatwerkzeugs Spraydose oder Filzstift ein Gegenstand in seiner äußerlichen Gestaltung beeinträchtigt wurde.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das könnten wir außerhalb der DVU-Fraktion auch ohne Unterweisung in die hohen Weihen der Strafrechtsdogmatik sowie der tatsächlichen Kenntnis der Auslastung der Verfolgungsbehörden erfassen. Die Antworten und nicht die Fragen verweisen schließlich darauf, dass das Phänomen Graffiti eine Querschnittsaufgabe darstellt; eine Querschnittsaufgabe, deren kluges Management mehr bieten muss als eine strafbarkeitsausdehnende rechtspolitische Aktivität. Dabei muss Berücksichtigung finden, dass Graffiti Ausdruck einer Jugendkultur ist, die sich gegen Betoneintönigkeit oder Brutalismus und unwirkliche Städte, die zusehends in einer Einförmigkeit und Hochglanzfertigkeit entstehen, auflehnt. Eine Jugendkultur also, die dem leblosen, ausdruckslosen und einfarbigen Einerlei vielleicht Aufsässigkeit, bestimmt aber Lebhaftigkeit und vitale Buntheit entgegensetzt.

Setzen wir also nicht weiterhin Graffiti mit Vandalismus gleich, sondern hören wir zu, was junge Menschen uns damit eigentlich sagen wollen. Dass solches den Damen und Herren der DVU ein unbehagliches Anzeichen von Abschweifen aus der wohligen Volksgemeinschaft zu sein dünkt, bringen sie seit sieben Jahren Parlamentszugehörigkeit mittels ihres schrägen Evergreens von der Graffitischmiererei zum Ausdruck. Mehr ist hierzu nicht zu sagen. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS und vereinzelt bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Sarrach. - Die Landesregierung verzichtet, damit hat der Abgeordnete Schuldt noch einmal für die DVU das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sagen wir den Schmierfinken endlich den politischen Kampf an. Dass Sie, Herr Petke, als Vertreter der Koalitionsfraktionen Ihren Innenminister wegen seiner angeblichen Erfolge gegen Graffitischmierern in den höchsten Tönen loben, ist klar. Aber ich bitte Sie ganz herzlich: Gehen Sie mit offenen Augen durch die Stadt! Dann sehen Sie diese Schmierereien.

(Zuruf des Abgeordneten Petke [CDU])

Ich würde Ihnen auch empfehlen, zum Beispiel einmal in den Norden, nach Helsinki zu fahren. Ich war dort. Sie sehen dort

nicht eine Schmiererei, sehen keinen Dreck. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.

(Beifall bei der DVU)

Dass Sie, Herr Sarrach, schon wegen eines Teils Ihrer eigenen Mandatschaft Gaffitischmierereien nicht als Straftat, sondern als Bereicherung der brandenburgischen Kulturszene empfinden, zeigt, wes Geistes Kind Sie sind.

(Beifall bei der DVU - Unmut bei der Linkspartei.PDS)

Ich beantworte gern Ihre Frage, Herr Sarrach: Ja, wir von der DVU stehen für Ordnung, Sauberkeit und Sicherheit in diesem Land.

(Beifall bei der DVU)

Knapp 110 000 Euro Kostenaufwand für Graffitientfernung im Bereich des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung seit 2005, knapp 38 000 Euro im Bereich des Ministeriums der Finanzen seit 1998 und knapp 164 000 Euro im Bereich des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur seit 2001 sind wohl kein Pappenstiel. Dabei sind diese Zahlen der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Denn über die Kosten der Entfernung dieser Schmierereien im kommunalen oder privaten Bereich liegen Ihnen ja bekanntlich keine Zahlen vor. Nehmen wir als Beispiel allein die Stadt Strausberg, Frau Kaiser. - Sie ist gar nicht hier. - Die Schadenssumme belief sich dort auf mindestens 140 000 Euro allein im ersten Halbjahr 2006, wohlgemerkt: allein im Bereich der Stadt Strausberg innerhalb von sechs Monaten. Rechnen Sie das, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, und Sie, meine Damen und Herren von der SPD und CDU, einmal auf das ganze Land hoch.

Ein Skandal ohnegleichen ist es im Übrigen, dass es für Eigentümer von durch Graffitisprayern verunstalteten Immobilien und Mobilien keine Fördermöglichkeit gibt und solche von der Landesregierung auch nicht geplant sind. Anders ausgedrückt: Der Geschädigte ist hier der Dumme. Dass darüber hinaus für die Ergreifung von Graffitischmierern keine Belohnungen ausgelobt werden, ist ein ebenso großer Skandal. Unser Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern erzielte mit solchen Auslobungen jedenfalls sehr gute Erfolge im Kampf gegen Graffiti. Darüber hinaus gibt es landauf, landab legalisierte Schmiermöglichkeiten, die zum Teil auch noch finanziell gefördert werden. Dazu erklärte kürzlich der Schutzbereichsleiter der Polizei in Strausberg, Herr Olaf Berlin:

„Es ist nachgewiesen, dass nach solchen Veranstaltungen im Umfeld vermehrt illegale Graffitis aufgetaucht sind.“

Herr Innenminister, ich fordere Sie auf: Tun Sie endlich Ihre Arbeit und verstärken Sie den repressiven Verfolgungsdruck auf Graffitischmierer in unserem Land, damit wir endlich eine saubere Gegend und saubere Städte vorfinden, damit diese Schmierereien endlich ein Ende haben. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Ich beende die Aussprache. Damit ist die Antwort der Landes

regierung auf die Große Anfrage 25, Drucksache 4/3658, zur Kenntnis genommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Tätigkeitsbericht der Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht zum 31. Dezember 2005

Drucksache 4/2679

in Verbindung damit:

Stellungnahme der Landesregierung 2005 zum Tätigkeitsbericht für die Jahre 2004 und 2005 der Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht nach § 27 Satz 2 Brandenburgisches Datenschutzgesetz