Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Dieser Antrag ist überflüssig, weil es Mindeststandards gibt. Wir haben ein Strafvollzugsgesetz des Bundes, das jetzt als Landesrecht fort gilt. Aus unserer Sicht ist das ein durchaus akzeptables Gesetz. Zurzeit bietet es sich überhaupt nicht an, über Änderungen nachzudenken. Das sehen auch die anderen Bundesländer so. Deshalb gibt es keine gemeinsamen Verhandlungen. Dieser Landtag wird keine Veranlassung sehen, die Landesregierung zu irgendwelchen Verhandlungen über einen Standard zu zwingen, den wir für akzeptabel und durchaus gut halten. Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen uns heute mit zwei Anträgen der DVU-Fraktion auf dem Feld der Nachsorge zur Föderalismusreform befassen. Ich möchte hier im Zusammenhang ausführen, um nachher eine weitere Wortmeldung entbehrlich zu machen, denn die Anträge variieren nur geringfügig.
Die Themen und Fragestellungen Jugendstrafvollzug und Mindeststandards im Erwachsenenvollzug sind nicht neu. Bereits
im letzten Jahr initiierte meine Fraktion mittels zweier Anträge die Befassung des Landtags, um einheitliche Standards im Strafvollzug zu sichern. Den Klammerbegriff Mindeststandard, der nun verdächtig ähnlich von der DVU-Fraktion benutzt wird, haben wir als Linksfraktion eingeführt.
Seinerzeit hatte die DVU-Fraktion vertreten, auf die Einhaltung von Mindeststandards zu pochen, sei unnötig. Nun, rund drei Monate später, behelligt uns die DVU-Fraktion mit ihren Freiübungen zur Entfaltung angeblicher justizpolitischer Kernkompetenz. Natürlich scheut sich die DVU-Fraktion nicht, wie zurzeit im Übrigen auf der rechten Seite häufig zu beobachten, progressive Parolen zu okkupieren, um sie unbekümmert mit gegensätzlichem reaktionärem Inhalt zu füllen. In dem Antrag kommt jedenfalls ein derart abweichendes Verständnis von Mindeststandards, die von Verfassungs wegen zu beachten sein sollen, zum Ausdruck, dass man einen Vorgeschmack darauf bekommt, welche Art Zuchthäuser Ihnen im Geiste vorschweben.
Nur so viel: Das Verlangen nach einer grundsätzlich geschlossenen Eingangsphase, zu verstehen im Sinne eines Mindeststandards an Wegschluss- und Repressionsmöglichkeiten, ist eine Zerrung im Bild vom modernen Jugendstrafvollzug. Angereichert wird alles mit Gemeinplätzen etwa zum Betreuungsverhältnis. Doch es kommt noch toller. Schon vor Einreichung des Antrags am 15. Januar hat die inzwischen hinlänglich als bekannt vorauszusetzende Gruppe von neun Bundesländern, darunter Brandenburg, einen Entwurf zum Jugendstrafvollzugsgesetz vorgelegt. Hierüber haben wir wirklich oft im Rechtsausschuss gesprochen und heute in der Fragestunde den neuesten Stand von der Ministerin erfahren. Auch wenn der Entwurf kein großer Wurf ist, reicht er dennoch - trotz vergebener Möglichkeiten - über das hinaus, was uns die DVU darbietet. Trotzdem fabulieren Sie in Ihrer Begründung, dass Brandenburg mit anderen Ländern in Verhandlungen eintreten solle. Sie disqualifizieren sich immer selbst - so auch heute.
Sie nehmen die Zeichen der Zeit nicht wahr; geschweige denn erkennen Sie diese. Das braucht uns nicht zu verwundern. Trotzig widersetzen Sie sich der Erkenntnis, dass das schnittige Papier aus Ihrer Schreibwerkstatt durch Zeitablauf überflüssig geworden sein soll. Deshalb, mit der Wucht der Realität gesprochen: Wer brauchte je einen solchen Antrag?
Nun zum Erwachsenenstrafvollzug: Um den Faden aufzugreifen, stelle ich fest, dass die Rechtsausleger der DVU auch die erwachsenen Strafgefangenen nicht verschonen und sich ihnen in einer wahren Fleißarbeit zuwenden. Erstaunlich ist mit Blick auf die rechtliche und tatsächliche Unterschiedlichkeit der Ausgangssituation ein weitgehender Gleichlaut der Anträge zu beiden Tagesordnungspunkten. Das mag zwar die Behandlung in gewisser Hinsicht vereinfachen, dokumentiert aber zugleich die „ausgesuchte Sensibilität“ der Antragsteller für dieses Thema. Kurz: Jugendliche können froh sein, noch nicht den weitergehenden präzisen Spezialermächtigungen für Erwachsene á la DVU ausgesetzt zu sein.
Erwachsene Strafgefangene mit Sprachdefiziten können sehen, wo sie bleiben. Finden wir zum Jugendstrafvollzug den oben angeführten antimodernen und inhuman anmutenden Antrag zur grundsätzlich geschlossenen Eingangsphase, formt sich
dieser Ansatz im Erwachsenenvollzug zum geschlossenen Vollzug als Regelvollzug aus. Die soziale Integration des Jugendstrafvollzugs findet ihr Abbild im Erwachsenenstrafvollzug nur in einem Nischendasein.
Der Schwerpunkt des Antrags liegt - zugespitzt - auf Repression und der Fabula vom gefährlichen Täter als Durchschnitt, der geschlossen, möglichst lebenslang in Einzel- oder gar Isolierhaft zu halten sei. Was die DVU hier liefert, ist die negative Definition der Mindeststandards. Ganz nebenbei trägt sie auch noch tendenziell vorrepublikanischen, wenn nicht sogar vordemokratischen rechtsgeschichtlichen Ballast mit sich herum. Denn Sie sprechen in einer Weise vom besonderen Rechts- und Gewaltverhältnis, als möchten Sie diese Rechtsfigur, die es gar nicht mehr gibt, als Eingriffsberechtigung weiterhin in petto behalten.
Auch dieser Antrag muss von uns abgelehnt werden; denn wir distanzieren uns nicht von unserem Anliegen, einen menschenwürdigen und effektiv resozialisierenden Strafvollzug im Interesse der Menschen und der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Ich danke Ihnen.
Vielen Dank. - Die Landesregierung hat Redeverzicht angemeldet, sodass noch einmal die DVU-Fraktion an der Reihe ist. Bitte, Herr Abgeordneter Schuldt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wissen Sie, Sie können hier erzählen, was Sie wollen, Herr Holzschuher, und vor allem Sie, Herr Sarrach! Wir leben in einem freien Land, in einem freien Parlament.
Richtig ist das, was Sie hier von sich geben, allerdings nicht. Vor allem Ihr Standardprogramm „rechtsradikal - überflüssig menschenunwürdig“ usw. kennen wir zur Genüge. Das brauchen Sie hier nicht ständig zu wiederholen; das sind alles nur Floskeln. Zweitens hat diese Platte einen Sprung.
Die Probleme unseres Landes, speziell jene des Strafvollzugs, lösen Sie damit nicht, meine Damen und Herren. Die lösen Sie allenfalls durch konkretes politisches Handeln, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank. Dazu fehlen Ihnen offensichtlich aber, wie bereits im ersten Teil meiner Rede gesagt, Wille und Durchsetzungsvermögen gleichermaßen. Also lösen Sie die Probleme im Strafvollzug wiederum nur, indem Sie unserem Antrag zustimmen und ihn sozusagen als Marschplan für die notwendigen Verhandlungen mit den anderen Bundesländern nutzen. In seinen zehn Punkten steht schon alles für die Entwicklung länderübergreifender gemeinsamer Mindeststandards. Das ist auch gut so; denn ansonsten verlaufen Sie sich womöglich noch.
Das ergibt sich aus verschiedenen Fehlvorstellungen in Bezug auf den Strafvollzug, die im Umlauf sind. Dazu folgende Beispiele.
Erstens: Zunehmend wird aus der linken Ecke die Generalprävention infrage gestellt, und zwar mit der Begründung: Freiheitsstrafe schreckt nicht mehr ab.- Ja, meine Damen und Herren, Freiheitsstrafe schreckt natürlich nur ab, wenn der damit verbundene Freiheitsentzug allgemein als empfindliches Übel und nicht als Hotelaufenthalt angesehen wird.
Also müssen die Haftrahmenbedingungen entsprechend gestaltet sein. Dass wir dabei die Verfassung, die Menschenrechte und die Menschenwürde zu achten haben, versteht sich von selbst, Herr Sarrach, und dürfte angesichts der zehn Punkte unseres Antrags auch kein Thema sein.
Zweitens - damit sind wir gleich beim nächsten Punkt - Stichpunkt Privatisierung. Hier gilt für uns als DVU-Fraktion ganz klar: Unmittelbar mit Freiheitsentzug oder anderen freiheitseinschränkenden Sanktionen im Strafvollzug einhergehende Maßnahmen gehören in Staatshand und nicht in die Hände privater Dritter.
Das sind zwingend staatliche Kernaufgaben. Diese richten sich nach den Werten unserer Grundrechte. Also wollen wir von der DVU-Fraktion in deutschen Gefängnissen keine amerikanischen Verhältnisse. Bei uns gilt das Grundgesetz und nicht die US-Verfassung, meine Damen und Herren.
Weil der Strafvollzug - jedenfalls im soeben dargestellten Umfang - in Staatshand bleiben muss, brauchen wir dazu aber auch hinreichend qualifiziertes Personal, vor allem im sogenannten Schließdienst, der die hoheitsrechtlichen Aufgaben des Freiheitsentzugs unmittelbar wahrnimmt. Das heißt: Bei aller Voraussicht nach in Zukunft nicht weniger werdenden Strafgefangenen dürfen wir bei den Justizvollzugsbeamten weder Personal abbauen noch die Ausbildung einstellen. Wir können ja schließlich nicht die Schwerstkriminellen irgendwann von Greisen bewachen lassen. Das alles war übrigens bereits Thema der vorangegangenen Beratungen für den Haushalt 2007 und hat in den Punkten 9 und 10 unseres Antrags nochmals Niederschlag gefunden.
Meine Damen und Herren, achten Sie im Interesse unseres Landes wirklich einmal darauf! Denken Sie nach, seien Sie einmal so vernünftig und sagen, bitte schön: Hier wird uns etwas in die Hand gegeben, um einen vernünftigen Strafvollzug für Erwachsene durchführen zu können. Stimmen Sie bitte zu! - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion beantragt die Überweisung des Antrags in der Drucksache 4/4057 an den Rechtsausschuss. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich
um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dem Überweisungsbegehr mit großer Mehrheit nicht Rechnung getragen worden.
Ich lasse über den Antrag in der Drucksache 4/4057 in der Sache abstimmen. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.
Entwicklung gemeinsamer Mindeststandards für die Ausgestaltung der Jugendhaft mit anderen Bundesländern
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag stellt nunmehr - sozusagen fünf vor zwölf - die letzte Möglichkeit dar, länderübergreifend zu angemessenen Mindeststandards für den Jugendstrafvollzug zu kommen. Wir haben unseren Initiativantrag mit dem Ziel gestellt, der Landesregierung hierfür mit den dort aufgeführten elf Einzelpunkten eine Verhandlungsgrundlage zu geben. Dies hat sich weder durch die Einigung mit den anderen Bundesländern noch durch den heute seitens des Ministeriums der Justiz vorgelegten Gesetzentwurf erledigt. Dieser genügt den in unserem Antrag erstellten elf Einzelpunkten zu Mindeststandards ersichtlich nicht. Es muss also nachverhandelt werden. Der Entwurf weist vor allem folgende Defizite auf:
Die §§ 3, 10 und 13 regeln die Erziehungsziele nicht eindeutig, vor allem nicht speziell für die erste Haftphase und im Hinblick auf den Ausfall elterlicher Personensorge.
Weiter: Bei den §§ 13 Abs. 2 sowie 15 - offizieller Vollzug und Vollzugslockerung - fehlen eindeutige Verknüpfungen mit den Vollzugszielen.
Im § 37 - Arbeit und Ausbildung - muss als gesetzgeberisches Ziel die Kooperation mit der privaten Wirtschaft Aufnahme finden.
Weiter: In den §§ 47 und 48 sind die Besuchsregelungen unzureichend, teils zu weit, teils zu eng. Die gesetzlichen Festlegungen des Vorrangs des staatlichen Vollzugs gegenüber privaten Formen des Vollzugs fehlen völlig. Sie sind aber verfassungsrechtlich notwendig. Ebenso fehlen Vorschriften über den Mindeststandardbedarf in fachlicher wie zeitlicher Hinsicht. Diese sind wegen der verfassungsrechtlich fundierten Ziele des Jugendstrafrechts aber erforderlich. Aus diesen Gründen ist unser Antrag höchst aktuell. Dieser Entwurf darf kein Dogma sein.
Der Strafvollzug unterscheidet sich vom Erwachsenenvollzug der Jugend vor allem dadurch, dass es sich bei den jugendlichen Straftätern um Menschen handelt, deren geistige und seelische Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Deshalb muss der Jugendstrafvollzug in Staatshand bleiben. Das ergibt sich aus Sicht unserer DVU-Fraktion schon deshalb, weil die elterliche Sorge während des Vollzugs faktisch ruht und ein verfassungsrechtlich unverzichtbarer Erziehungsanspruch an den Staat besteht. Daraus ergibt sich weiter, dass dieser an den Staat gerichtete Erziehungsauftrag Schwerpunkt des Jugendstrafvollzuges sein muss, allerdings unter Einbeziehung des Sanktionsgedankens, der ja wohl mit Erziehung ebenfalls verknüpft ist.
Die Sicherheit der Bevölkerung vor der Begehung weiterer Straftaten muss bei allem natürlich gewährleistet sein. Entsprechend sind die Sanktionen für die für die Allgemeinheit besonders gefährlichen Jugendlichen zu gestalten. Konkret: Diese sind im geschlossenen Vollzug zu halten.