Protokoll der Sitzung vom 07.06.2007

Herzlichen Dank, Frau Stark. - Die DVU-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Wir kommen damit zur CDU. Herr Abgeordneter Lunacek, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linkspartei.PDS will, dass der Landtag den Innenminister auffordert, seine Mitgliedschaft im Studienzentrum Weikersheim zu beenden. Dieser Antrag ist nicht nur überflüssig, er zeigt auch fatale Denkmuster von Intoleranz und Anmaßung. Ich möchte einmal die Kollegen von der Linkspartei.PDS fragen, ob sie sich mit den Aufgaben, den Zielen und der Arbeit dieses Studienzentrums wirklich beschäftigt haben. Dieses Zentrum ist eine anerkannte Bildungseinrichtung und beschreibt seine Zielsetzung wie folgt:

„Unsere Arbeit gilt der Erhaltung des Kulturerbes Deutschlands und Europas sowie einer freiheitlichen Demokratie in Anlehnung an die Ideen herausragender Gründerväter wie Theodor Heuss, Konrad Adenauer und Ludwig Erhard. Dabei betrachten wir die Anerkennung von Menschenwürde und Menschenrechten als ersten Schritt auf dem Weg zu einem Zusammenleben aller Bürger unseres Vaterlandes und Kontinents in Frieden und Gerechtigkeit.“

Das Studienzentrum Weikersheim ist im Übrigen ein anerkannter Bildungsträger der Bundeszentrale für Politische Bildung. Im Präsidium arbeiten neben Jörg Schönbohm weitere namhafte und anerkannte Persönlichkeiten mit, wie Prof. Bernhard Friedmann, lange Zeit Mitglied des Deutschen Bundestages und drei Jahre Vorsitzender des Europäischen Rechnungshofes, Arnold Vaatz, einer der namhaften Bürgerrechtler, der viel dafür getan hat, dass wir im Osten Deutschlands 1989/90 in der Wende zur Demokratie fanden, Manfred Rommel, Oberbürgermeister von Stuttgart, oder Philipp Jenninger - alles Persönlichkeiten, die durch ihr Wirken viel für die Demokratie in Deutschland und für die europäische Einigung geleistet haben. Sie hätten sich auch vergewissern können, welche Personen als Referenten beim Studienzentrum Weikersheim aufgetreten sind. Norbert Blüm, Karl Carstens, Gerhard Schröder, noch bevor er Bundeskanzler wurde, Hinrich Enderlein, der Wirtschaftsminister in Brandenburg war, Joachim Gauck oder auch Papst Johannes Paul II.

Meine Damen und Herren, das Studienzentrum Weikersheim steht fest auf dem Boden von Rechtsstaat und Demokratie. Die politische Ausrichtung ist ganz sicher nicht im Sinne der Linkspartei.PDS; das ist auch in Ordnung. Das kann aber kein Grund sein, dass der Landtag den Innenminister auffordert, den Verein zu verlassen. Einen solchen Antrag zu stellen ist Ausdruck tiefer Intoleranz und entspricht in keiner Weise den Grundsätzen einer freien Gesellschaft oder den Rechten freier Bürger. Sie können im politischen Schlagabtausch eine solche Auffassung vertreten, aber es kann wirklich nicht Ihr Ernst sein, dass der Landtag Brandenburg jemandem vorschreibt, in

welchem Verein er zu sein oder nicht zu sein hat. Das ist Anmaßung.

(Schulze [SPD]: Einem Mitglied des Landtages!)

- Einem Mitglied des Landtages, völlig korrekt.

Ich möchte noch einen Schritt weitergehen. Dieser Antrag erinnert mich an eine schlimme Zeit von Gleichschaltung und fehlender Meinungs- und Redefreiheit.

Ich bin dankbar dafür, dass die Zeiten vorbei sind, in denen kollektiver Druck ausgeübt wurde, dass Menschen in irgendeine Vereinigung eintreten oder nicht in eine Vereinigung eintreten. Diese Zeiten sind vorbei. Glücklicherweise!

(Beifall bei der CDU)

Ich empfehle der PDS, doch besser in die eigenen Reihen zu schauen. Immerhin entsenden Sie mit Sahra Wagenknecht die Sprecherin der Kommunistischen Plattform, die von fast allen Verfassungsschutzbehörden der Länder beobachtet und im Übrigen allgemein als linksextremistisch eingestuft wird, ins Europäische Parlament, meine Damen und Herren.

Die PDS hat in den letzten sieben Jahren Jörg Schönbohm immer wieder aufgrund seiner konservativen Grundhaltung attackiert. Dieser Antrag ist ein neuer Höhepunkt. Es hat ihm bisher nicht geschadet, sondern ihn gestärkt. Das wird auch jetzt wieder so sein. Ich fordere Jörg Schönbohm auf, seiner eigenen Überzeugung treu zu bleiben und nicht irgendeinem Gesinnungsdruck zu erliegen. Der Linkspartei.PDS möchte ich mitgeben, dass ihr dieser Antrag nicht zur Güte gereicht. Das einzig Richtige, was Sie tun sollten, ist, den Antrag zurückzuziehen. - Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Es spricht Herr Minister Schönbohm für die Landesregierung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“ Das sagte Voltaire in Potsdam, als er Gast bei Friedrich dem Großen war.

Dieser Geist Voltaires herrschte damals hier in Brandenburg. Brandenburg war bekannt und berühmt dafür, dass es offen, tolerant und diskussionsfreudig ist. Was Voltaire zu der heutigen Debatte sagen würde, weiß Ihre Fantasie. Im Kern aber schwingen Sie von der Linkspartei.PDS sich dazu auf, über die Überzeugung eines Mitglieds des Landtags und Mitglieds der Landesregierung zu richten, weil Ihnen meine Mitarbeit in Weikersheim politisch nicht gefällt.

Ich möchte daran erinnern, dass die Arbeit politischer Stiftungen für die Entwicklung unserer Demokratie wichtig ist. Dies war wichtig nach dem Ende des Nationalsozialismus, und dies war wichtig nach dem Ende der SED-Herrschaft. Da haben die politischen Stiftungen einen wichtigen Beitrag geleistet, und

sie leisten diesen weiterhin. Sie wirken sozusagen als intellektuelle Zentren, in denen politische Konzepte entwickelt und kontrovers diskutiert werden. Die kontroverse Diskussion ist die Basis dieses Studienzentrums. Sie tragen die Ideen in die politische Debatte, darunter auch unbequeme, scharfkantige. Nur so kann doch Demokratie funktionieren. In der Debatte, in dem Ringen um den richtigen Weg müssen wir uns auseinandersetzen und entscheiden. Wäre es nicht furchtbar - das sage ich im Blick auf die Schülerinnen und Schüler hier -, wenn wir alle einer Meinung wären? Wenn wir alle einer Meinung sind, ist die Demokratie am Ende. Wir brauchen die Vielfalt und nicht die Einfalt. Das wollen wir zur Grundlage nehmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Grenzen, die es für diese Vielfalt gibt, setzen Recht und Gesetz und keine Partei. Wenn Vereinigungen, Parteien die Grenze zum Extremismus überschreiten, hat unser Rechtsstaat ein klares Instrumentarium zur Verfügung gestellt, um dagegen vorzugehen. Für mich ist es selbstverständlich, nicht mit Extremisten zusammenzuarbeiten, weder von Rechts noch von Links.

Aber auch über das, was Extremismus ist, hat in unserer freiheitlichen Demokratie keine Partei die Definitionshoheit, die PDS sowieso nicht, da sie zum Teil ja von einigen auch als extremistisch betrachtet wird.

(Beifall bei der CDU)

Sie wird in der Mehrzahl der Länder vom Verfassungsschutz beobachtet.

Ich möchte ein sehr persönliches Beispiel anführen, weil Sie mich ja persönlich, als Menschen angreifen. Ich möchte ein Beispiel aus der DDR erzählen, etwas, was meine Frau erlebt hat. Meine Frau hat erlebt, wie 1952 an der Oberschule in Fürstenwalde ihre Englisch-Lehrerin aus dem Unterricht heraus verhaftet wurde. Und warum? Die Lehrerin hatte im Unterricht aus dem DDR-Lehrbuch vorgelesen; es ging um die Speakers' Corner im Hyde-Park. Dort wurde gesagt, England sei eine Scheindemokratie, in der keine echte Meinungsfreiheit herrsche.

Jetzt zitiere ich aus der Anklageschrift. Dort heißt es:

„Die demokratischen Einrichtungen Englands könnten nicht abgestritten werden, sagte die Lehrerin. Ich selbst war in England, habe dort gelebt und konnte mich davon überzeugen, es ist ein Forum freier Aussprache. - Als daraufhin ein Schüler den Einwurf machte, dass es in der DDR keine Redefreiheit gebe, quittierte die Beschuldigte diesen Einwurf mit einem Kopfnicken.“

In dem folgenden Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) im Frühjahr 1953 wurde diese Lehrerin zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, unter anderem deshalb, weil sie die englische Staatsform während des Englisch-Unterrichts verherrlicht und die Darstellung einzelner Sätze aus dem amtlich genehmigten Lehrbuch für Unsinn erklärt habe. Sie ist nach der deutschen Einheit rehabilitiert worden, jedoch war sie zu dem Zeitpunkt schon tot.

Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Ich glaube, auch Sie von der PDS freuen sich darüber.

Meine Damen und Herren, das Volkslied „Die Gedanken sind frei“ habe ich in meiner frühen Jugend gelernt. Ich denke, an dieses Volkslied sollten wir uns erinnern.

In unserem Land Brandenburg, auch hier in diesem Hause, wird häufig der sogenannte Konsens der Demokraten beschworen. Zuallererst, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte doch unter Demokraten Konsens sein, Voltaires Maxime, die ich eingangs zitiert habe, zu beherzigen. Wenn Sie von der PDS sagen, nein, wir wollen nicht Voltaire folgen, dann folgen Sie doch Rosa Luxemburg. Gehen Sie einmal zur Demonstration! Dort zeigen die Demonstranten Schilder, auf denen steht: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

Machen wir doch Folgendes: Ich folge Voltaire, und Sie folgen Rosa Luxemburg - in diesem Sinne -, dann haben wir einen Konsens. - Danke sehr.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Aussprache ist damit beendet, und wir kommen zur Abstimmung über den vorliegenden Antrag. Der Antrag in der Drucksache 4/4636, eingebracht von der Fraktion der Linkspartei.PDS, liegt Ihnen vor. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Die große Mehrheit hat gegen diesen Antrag gestimmt; er ist abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und damit auch die heutige Sitzung. Eine gute Nachhausefahrt!

Es findet anschließend eine Sitzung des Präsidiums statt. Ich bitte alle Mitglieder des Präsidiums, in den Präsidiumsraum zu kommen.

Ende der Sitzung: 16.02 Uhr