Thomas Lunacek

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Weihnachtsfest steht vor der Tür und damit die Zeit von Ruhe und Besinnlichkeit. Aber in diesen Tagen blicken viele Menschen in Brandenburg mit Sorge in die Zukunft. Die Finanzmarktkrise und die wirtschaftlichen Prognosen haben Ängste ausgelöst. Zuerst, vor wenigen Monaten, war es noch die Sorge um eigene Ersparnisse. Mittlerweile hat sich das in die Sorge um den Arbeitsplatz gewandelt. Nahezu täglich melden die verschiedensten Branchen Gewinneinbrüche, Auftragsrückgänge, schlechte Zukunftserwartungen; auch Stellenstreichungen stehen im Raum.
Aber ich möchte gleich am Anfang meiner Rede vor Panikmache warnen. Wir stehen vor einem wirtschaftlichen Abschwung, ja, aber nicht vor der Endzeit. Wirtschaft ist immer zu 50 % Psychologie. Wir sollten nicht den Fehler machen, alles ausschließlich schwarzzumalen; sonst verursachen wir eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Es ist völlig verfehlt, die soziale Marktwirtschaft infrage zu stellen und der Staatswirtschaft das Wort zu reden. Es ist nicht die soziale Marktwirtschaft, die versagt hat. Die soziale Marktwirtschaft ist außerordentlich leistungsfähig und sorgt gleichzeitig für einen fairen Ausgleich zwischen Leistungsstarken und Leistungsschwachen in unserem Land. Mit dieser Wirtschaftsordnung haben wir in Deutschland einen Wohlstand erreicht wie noch nie in der Geschichte unseres Landes. Die Unternehmen kalkulieren ihre wirtschaftliche Rentabilität, und für die Arbeitnehmer muss es sich lohnen, Leistung zu erbringen. Das sind die Grundfesten unserer Wirtschaftsordnung seit 1949.
Dass es im Wettbewerb dabei auch Grauzonen und schwarze Schafe gibt, ist leider Realität und muss sanktioniert werden. Aber wir sollten uns davor hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Ebenso sind pauschale Schuldzuweisungen an die privaten Banken verfehlt, denn auch sie sind wichtige Akteure des Wirtschaftslebens. Es gibt in Deutschland über 2 200 Kreditinstitute. Die ganz große Mehrheit davon arbeitet verlässlich und verantwortungsvoll.
Die Ursachen der Krise liegen woanders. Sie liegen darin, dass sich bei einem Teil der handelnden Personen im Bankensektor Verantwortungslosigkeit breitgemacht hat, die Gier nach immer mehr, nach Renditen von 20 %, 25 %, die nur auf vermeintlichen Wertsteigerungen basieren konnten. Monopoly im wirklichen Leben - und das in großem Stil. Diese Blase ist geplatzt.
Diese Krise hat ihren Ausgangspunkt nicht in Deutschland, sondern in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort wurden im Übrigen beginnend in der Clinton-Ära und staatlich befördert - Kredite vergeben, die sich die Betroffenen in Wirklichkeit nicht leisten konnten. Jeder sollte Wohneigentum haben und dafür Kredite aufnehmen, ob er sich das leisten konnte oder nicht.
In Deutschland werden Kredite nach sehr viel strengeren Maßstäben vergeben. Jeder, der sich hier einmal Geld geliehen hat, weiß das. Da muss man sich ausziehen bis aufs Hemd und Sicherheiten haben. Die Regeln sind streng.
Aber auch deutsche Kreditinstitute haben international mitgespielt und sind an faulen Krediten beteiligt. Wer jetzt mit der
Staatswirtschaft liebäugelt, dem sei gesagt, dass es zum Großteil staatliche Banken waren, die hier Fehler gemacht haben, die bei diesem Spiel dabei sein wollten, staatliche Banken, in deren Aufsichtsgremien die Politik Vertreter entsendet, übrigens auch von der Linken. Im Verwaltungsrat der KfW ist, wie wir alle wissen, Oskar Lafontaine. Kapitalismus hin oder her da ist dann doch das Hemd näher als die Hose.
In Deutschland sind es die Landesbanken, die zurzeit gigantische Abschreibungen vornehmen müssen, mehr als 20 Milliarden Euro. Dafür müssen zum Teil die Länderhaushalte aufkommen. Probleme haben zum Beispiel die Bayern LB, die HSHNordbank, die West-LB oder auch die Landesbank BadenWürttemberg. Wenn man sich anschaut, welche deutschen Kreditinstitute bisher staatliche Hilfen in Anspruch genommen haben, dann stellt man fest, dass es überwiegend die öffentlichen Banken sind.
Nun haben wir in Brandenburg keine Landesbank. Dazu mag der eine oder andere im Finanzministerium innerhalb der letzten Wochen und Monate gesagt haben: Gott sei Dank! - Aber auch die ILB ist, wie wir wissen, an einem risikoreichen Geschäft mit Lehman Brothers beteiligt und hat dabei voraussichtlich Verluste hinzunehmen.
Was wir brauchen, ist eine Rückbesinnung auf solides wirtschaftliches Handeln im Bankensektor. Nicht der Trickreichste darf zum Maßstab des Handelns werden, und nicht blanke Gewinnmaximierung ohne ausreichende Risikoabschätzung darf im Vordergrund stehen. Wir brauchen - da gebe ich dem Ministerpräsidenten völlig Recht - international verbindliche Regeln und strengere Standards für die Rating-Agenturen.
Meine Damen und Herren, die Politik steht bei dieser wirtschaftlichen Situation in der Pflicht. Die Bürger erwarten von uns, dass wir handeln, und zwar für wirtschaftliche Stabilität und die Sicherheit der Arbeitsplätze.
Die Bundesregierung hat angemessen reagiert und mit der Garantie der Spareinlagen für Vertrauen der Sparer gesorgt. Sie hat mit dem 480-Milliarden-Euro-Rettungsschirm für die deutschen Banken dafür gesorgt, dass der Geldfluss wieder in Gang kommt; denn darauf ist die Wirtschaft angewiesen.
Frau Kaiser, wenn Sie davon sprechen, dass 400 Milliarden Euro zu den Banken gespült werden, und das mit Umverteilung von unten nach oben kommentieren, dann muss ich Ihnen sagen: Das ist blanker Unsinn. Es sind Bürgschaften, die vergeben wurden, und auch nicht zum Nulltarif, sondern dafür muss bezahlt werden,
und zwar so, dass dieser Rettungsschirm von den Banken nicht so in Anspruch genommen wurde, wie man es sich ursprünglich vorgestellt hatte. Und es sind Beteiligungen, das heißt, der Staat wird Miteigentümer dieser Banken. Das Geld ist also nicht verschenkt.
Dieses Rettungspaket für den Finanzsektor war alternativlos. Es geht dabei nicht darum, den Banken etwas zukommen zu lassen - das kann man nicht oft genug sagen; denn die Linke läuft durch die Lande, ich habe es selbst bei Gysi erlebt, und erzählt das Gegenteil -, sondern darum, Zusammenbrüche zu
verhindern, die fatale Folgen für die Unternehmen dieses Landes hätten.
Es ist ein Programm zur Sicherung der Arbeitsplätze für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland. Das ist gut und richtig so.
Auch die konjunkturpolitischen Maßnahmen des Investitionspaketes über 32 Milliarden Euro liefern wichtige Impulse.
Man kann trefflich darüber streiten, ob jede einzelne Maßnahme so oder so richtig oder vielleicht besser hätte gemacht werden können, die Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen oder der Steuerbonus für Neuwagen. Aber es sind alles Impulse für mehr Investitionen, und die brauchen wir. Brandenburg profitiert im Übrigen vom Verkehrsinvestitionsprogramm mit 54 Millionen Euro allein für Bau und Unterhaltung von Bundesstraßen. Außerdem werden mit der Bahnstrecke Berlin-Cottbus und dem Schiffshebewerk Niederfinow wichtige Projekte beschleunigt.
Durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale, die wir parteiübergreifend begrüßt haben, ist auch eine Steuererleichterung auf den Weg gebracht worden, und das ist eine Steuererleichterung für die Leistungsträger in diesem Land. Es ist wichtig für diejenigen, die sich jeden Tag krumm machen, die früh zur Arbeit fahren und weite Wege zurücklegen; denn in Brandenburg haben wir längere Wege als anderswo. Auch das ist ein kleines Konjunkturprogramm, das das Bundesverfassungsgericht quasi vielleicht ungewollt auf den Weg gebracht hat.
In diesen Tagen werden auf Initiative der Bundeskanzlerin weitere Maßnahmen beraten, um die wirtschaftliche Abkühlung so gering wie möglich zu halten und das Abgleiten in eine größere Rezession zu verhindern.
Es muss aber bei allen Bemühungen klar sein, dass von staatlicher Seite lediglich Anreize und Hilfen gegeben werden können. Hektik und Aktionismus sind absolut nicht angebracht. Es sind Wirtschaftspolitik mit Augenmaß und zielgerichtete Hilfen gefragt. Es macht auch keinen Sinn, planlos Staatsgelder zu verteilen. Der Binnenkonsum in Deutschland ist bisher weiterhin stabil. An den ersten beiden Adventswochenenden lag der Konsum sogar über dem Durchschnitt des letzten Jahres. Es macht auch überhaupt keinen Sinn, 500-Euro-Einkaufsgutscheine zu verteilen. Das würde wahrscheinlich eher dazu führen, dass asiatische Flachbildschirme oder Handys gekauft werden. Die Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft wäre wohl sehr gering.
Noch eines ist wichtig: Auch in Zeiten wirtschaftlicher Schwierigkeiten darf die Haushaltsdisziplin nicht vollkommen unter die Räder kommen. Wir werden mehr Schulden machen müssen. Das muss man akzeptieren, das ist unausweichlich. Aber auch hier ist Augenmaß wichtig; denn wir müssen uns darüber im Klaren sein: Auch davon wird jeder Euro eines Tages zurückgezahlt werden müssen.
Was man nur mit Kopfschütteln quittieren kann, sind die Vorschläge der Linken, zum Beispiel solche unsinnigen Vorschlä
ge wie Zwangsanleihen bei Reichen. Diese Idee ist lediglich billiger Populismus und bedient tief sitzende Abneigungen. So etwas hätte keinen Einfluss auf die Konjunktur. Angesichts der Anzahl von „Reichen“ in Brandenburg müsste man diese wohl bis auf Hartz-IV-Niveau schröpfen, um überhaupt eine erkleckliche Summe zusammenzubekommen.
Meine Damen und Herren, auch die Landesregierung steht in der Pflicht. Auch wir in der Landespolitik tragen Verantwortung. Auch Brandenburg ist betroffen; denn das nächste Jahr wird im Zeichen einer zunehmend angespannten Wirtschaftslage stehen. Es ist unsere Pflicht, alle verfügbaren Möglichkeiten auszuschöpfen, den Unternehmen zu helfen und ihnen die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu bieten. Deshalb war das Vorgehen des Wirtschaftsministers und der Landesregierung vorausschauend und verantwortungsvoll. Das von Ulrich Junghanns am 19. November vorgestellte 400-Millionen-Euro-Paket ist eine wichtige Hilfe für Unternehmen im Land. Investitionsprojekte werden abgesichert, Finanzierungsengpässe können überbrückt werden, die Eigenkapitaldecke von Unternehmen wird durch Bereitstellung von Risikokapital gestärkt und öffentliche Investitionen und die energetische Gebäudesanierung werden beschleunigt.
Ich bin auch dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er hier Weiteres angekündigt hat wie die Beschleunigung von Investitionsvorhaben oder auch ein Schulsanierungsprogramm - das wird ja voraussichtlich vom Bund in die Wege geleitet werden bzw. in dieser Richtung wird etwas unternommen - und Maßnahmen, um den Breitbandzugang für alle Bürgerinnen und Bürger hier in Brandenburg, insbesondere in den ländlichen Regionen, zu ermöglichen.
Wir als CDU-Fraktion haben dieses Thema schon vor über einem Jahr aufgerufen und immer wieder darauf gedrängt, dass etwas passieren muss. Der Landtag hat diesbezüglich einen Beschluss gefasst, und ich freue mich, dass jetzt konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.
Auf eines möchte ich noch einmal hinweisen. Es darf nicht geschehen, dass sich durch die permanenten Negativschlagzeilen ein wirtschaftlicher Abschwung als selbst erfüllende Prophezeiung verstärkt. Ich fand es richtig, dass die Arbeitsministerin vor einigen Wochen vor Panikmache gewarnt hat. Das wäre ein schwerer Fehler. Wir stehen vor einem wirtschaftlichen Abschwung, aber Endzeitstimmung ist nicht angesagt.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, hat sich am letzten Wochenende deutlich optimistischer bezüglich des kommenden Jahres gezeigt und rechnet beim Wirtschaftswachstum nicht mit Horrorszenarien. Dazu seien die Signale aus den Unternehmen zu unterschiedlich, und Deutschland sei in vieler Hinsicht gut aufgestellt. Er bemerkte dabei zu Recht, dass derzeit jedes negative Signal in der Wahrnehmung öffentlich und medial nach vorn gestellt und die positiven Zeichen ignoriert werden. Auch seine Warnung, jetzt nicht in Aktionismus zu verfallen, ist berechtigt, denn eine panikartige Stimmung kann viel kaputt machen.
In diese Richtung möchte auch ich argumentieren und - entgegen dem bisherigen medialen Trend - zu Zuversicht und Vertrauen in die eigene Stärke aufrufen. Um zu verdeutlichen, woraus ich meine Zuversicht schöpfe, möchte ich kurz beschreiben, wo wir in Brandenburg momentan stehen: Die Zahl
der Arbeitslosen in Brandenburg betrug im November 2008 ca. 156 000; das ist viel, zu viel. Ende 2005, also vor nicht einmal drei Jahren, waren jedoch noch rund 223 000 Menschen ohne Job, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 18 %; die jetzige Arbeitslosenquote liegt bei 11,6 %. Wir haben die Arbeitslosenquote innerhalb von gut drei Jahren um fast ein Drittel gesenkt.
Das Bruttoinlandsprodukt in Brandenburg ist im letzten Jahr nominal um fast 5 % gestiegen - das höchste Wirtschaftswachstum seit zehn Jahren. Auch in diesem Jahr ist ein erheblicher Anstieg zu erwarten.
Der Konjunkturreport des Wirtschaftsministeriums vom Juni dieses Jahres beschrieb überwiegend erfreuliche Entwicklungen:
Die Industrieunternehmen konnten ihre Umsätze in den ersten fünf Monaten im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahreswerten weiter erhöhen. Insgesamt stiegen die Umsätze bis einschließlich Mai 2008 um 5 % im Vorjahresvergleich. Die Beschäftigung wurde im selben Zeitraum um über 4 % ausgeweitet.
Der Auftragseingang in der Bauwirtschaft konnte im I. Quartal 2008 - trotz des bereits starken Vorjahresquartals 2007 - nochmals um knapp 13 % ausgeweitet werden.
Der Außenhandel entwickelte sich wesentlich dynamischer als noch Ende 2007. Die Ausfuhren waren um 7,5 % höher als im Jahr zuvor.
Die positive Entwicklung im Brandenburger Tourismus stimmt zuversichtlich. Es kamen 3,3 % mehr Gäste als im Jahr zuvor.
Wir sind durch die Weichenstellungen in den vergangenen Jahren besser für die Zukunft aufgestellt: Die Wissenschaftslandschaft ist gestärkt worden; ich darf daran erinnern, dass wir inzwischen 43 000 Studenten in Brandenburg haben. Zum Wintersemester 2007/08 ist die Quote um 4,3 % gestiegen.
Innovationsstarke Unternehmen haben einen immer größeren Anteil, zum Beispiel die Solarbranche, weitere Unternehmen im Energiesektor oder auch in der verarbeitenden Industrie. Wir haben bessere Voraussetzungen bei der Schulbildung und diesbezüglich bessere Ergebnisse; ich verweise auf die PISAStudie.
Wir haben viele tüchtige Menschen im Land. Ich bin vor wenigen Tagen auf der Straße von einem älteren Herren angesprochen worden, der mich fragte: Herr Lunacek, sagen Sie mal, wie sehen Sie denn die Zukunft bei uns? - Ich habe darauf geantwortet: Ich sehe sie positiv. Wir stehen vor einer Konjunkturdelle. Das ist so, aber wir haben viele tüchtige und gut ausgebildete Menschen in Brandenburg. Wir tun viel, um aus der Konjunkturkrise herauszukommen. - Der Mann war in einem Alter, dass ich ihm sagen konnte: Sie haben eine Zeit erlebt, in der dieses Land völlig am Boden lag. Man hat sich wieder hochgearbeitet. Verglichen damit geht es uns heute viel besser. Er sagte: Sie haben Recht, es ist gut, dass es Leute gibt, die die Zukunft positiv und optimistisch sehen.
Frau Kaiser, wenn Sie hier immer wieder und jedes Mal, wenn Sie hier am Pult stehen, davon reden, dass sich die Armut im
Land ausweitet, und damit eine traurige Stimmung verbreiten, darf ich Ihnen eines sagen: Ich habe vor wenigen Tagen Zahlen in die Hand bekommen aus einem Kommentar eines Journalisten aus unserer Region, der sagt: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden ist der Anteil der Einkommen, der auf die ärmsten 20 % der Bevölkerung entfällt, in der Zeit zwischen 1991 und 2005 von 9,7 % auf 9,4 % gesunken, während in der gleichen Zeit der Anteil, der auf die reichsten 20 % der Bevölkerung entfällt, von 35,2 % auf 35,9 % gestiegen ist.
Das Jahr 2005 - als die Arbeitslosigkeit ihren historischen Höchststand erreichte - ist das letzte Jahr, für das Vergleichszahlen vorlagen. In den letzten drei Jahren ist es hier deutlich aufwärts gegangen, sodass wir davon ausgehen können, dass sich die Promille-Unterschiede zwischen 1991 und 2005 inzwischen ausgeglichen haben. Es ist also nicht so, dass sich die Schere immer weiter öffnet, wie Sie es suggerieren. Ja, sicher, wir haben Probleme, gerade was die Kinderarmut angeht. Jedes vierte Kind in Brandenburg lebt von Hartz IV. Das ist viel zu viel, und da müssen wir etwas tun. Aber es ist nicht so, dass sich die Schere immer weiter öffnet.
Brandenburg ist inzwischen gut aufgestellt, und unsere Wirtschaft steht auf einem soliden Fundament. Die Firmen sind heute deutlich robuster aufgestellt als noch vor fünf oder sechs Jahren. Durch die enge Vernetzung mit Berlin bilden wir eine Metropolregion mit einem hohen Zukunftspotenzial und langfristig guten Perspektiven.
Gerade in dieser Zeit können wir uns über den Bau des BBI glücklich schätzen, denn der Bau des Großflughafens wird zur Erfolgsstory für den Mittelstand in der Region. Erstmals sind bei einem Großprojekt in Berlin und Brandenburg 81 % der zu vergebenden Aufträge an in der Region ansässige kleine und mittlere Firmen gegangen.
Ein weiterer Punkt ist die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Im November veröffentlichten die Institute DIW und ZSW Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung - die bisher umfangreichste Vergleichsstudie aller 16 Bundesländer im Hinblick auf Nutzung und Potenziale der erneuerbaren Energien.
Das Ergebnis: Brandenburg erreichte den ersten Platz, vor Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. Die Forscher würdigten vor allem die „Energiestrategie 2020“ und den systematischen Abbau bürokratischer Hemmnisse bei der Unternehmensansiedlung. Wir als neues Bundesland sind gut und richtig aufgestellt - besser als viele alte Bundesländer.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie sagen, wir müssen bei der sich abzeichnenden Konjunkturflaute bei allen Entscheidungen weiterhin auf Augenhöhe mit den alten Bundesländern sein, so sage ich: Jawohl, das müssen wir. Das sind wir. Wir sind in allen Gremien auf der Bund-Länder-Ebene beteiligt, und ich darf daran erinnern, dass die Bundeskanzlerin aus den neuen Bundesländern stammt und in Brandenburg einen Wohnsitz hat. Insofern mache ich mir keinerlei Sorgen, dass wir nicht auf Augenhöhe sind.
Der Titel der heutigen Regierungserklärung lautet: „Zur aktuellen wirtschaftlichen Lage in Brandenburg“. Wir sollten selbstbewusster auf unsere eigenen Stärken vertrauen. So wichtig und
einzigartig diese Finanzkrise und deren Auswirkungen auch sind - jetzt gilt es, auf das bestehende Potenzial aufzubauen, Mut zu machen und anzupacken.
Alle Anreize und wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen sinnvoll und nachhaltig sein. Insbesondere Infrastrukturmaßnahmen, Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie gezielte Kaufanreize sind dabei erfolgversprechend. Bloßes Geld auf den Markt zu werfen bringt nichts - außer neue Schulden.
Jeder Unternehmer im Land weiß, dass er sich auf eine veränderte Situation einstellen muss. Nun gilt es, darauf zu reagieren, umzusteuern und gemeinsam mit den Mitarbeitern nach verantwortungsbewussten Lösungen zu suchen.
Nur so kann es gelingen, ökonomische Durststrecken auch ohne den Verlust von Arbeitsplätzen zu überwinden.
Die Landesregierung und der Landtag werden alles tun, um die Rahmenbedingungen in Brandenburg optimal zu gestalten, um die Maßnahmen der Bundesregierung bestmöglich umzusetzen und durch eigene Maßnahmen zu flankieren. Dafür benötigen wir einen engen Kontakt bzw. den ständigen Austausch mit den Kammern, Verbänden und Unternehmen. Dies ist unsere Aufgabe in den nächsten Wochen und Monaten.
Ich glaube auch im neuen Jahr 2009 fest an die fleißigen Arbeitnehmer und die wettbewerbsfähigen Unternehmen in Brandenburg. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 14. Oktober 1990, also vorgestern vor 18 Jahren, fanden die ersten freien Wahlen zum Landtag Brandenburg nach der friedlichen Revolution statt. Elf Tage zuvor, am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, war Brandenburg wiedergegründet worden.
Der 14. Oktober, der Tag der ersten freien Wahlen zum Landtag Brandenburg, war ein bedeutender, emotionaler Tag. 14 Abgeordnete hier im Saal können das ganz besonders nachempfinden, denn sie waren damals dabei: von uns Beate Blechinger, Dieter Helm und Frank Werner, aber auch einige Kollegen von der SPD, zum Beispiel Christoph Schulze
(Klein [SPD]: Jetzt aber namentlich!]
und Kollege Klein, und von den Linken zum Beispiel Heinz Vietze und Frau Stobrawa.
Bis wir unser Land Brandenburg und unser frei gewähltes Parlament wiederhatten, war es ein langer Prozess. Er begann im Frühjahr 1989, als die Unzufriedenheit, die schon lange gegenwärtig gewesen war, etwas deutlicher nach außen getragen wurde. Ich habe noch heute hohen Respekt vor denjenigen, die im Mai 1989 nachschauten, ob bei den Kommunalwahlen alles mit rechten Dingen zuging. Damals wurden erstmals Wahlfälschungen nachgewiesen.
Im Sommer 1989 ging es weiter mit der Fluchtwelle über Ungarn, als viele Hundert junge Leute aus der DDR diese verließen. Ab September behinderten die ungarischen Behörden die Ausreise nicht mehr, und man konnte frei raus. Mehr als 50 000 - zumeist junge - Menschen nutzten damals diesen kleinen Spalt im Eisernen Vorhang, der sie von der Freiheit trennte, um die DDR zu verlassen. Sie kehrten damals einem System den Rücken, das ihnen die Freiheit verwehrte, das schlechte Lebensbedingungen bot und keinen Widerspruch duldete.
Ich selbst war einer der jungen Menschen, die damals rauswollten. Ich bin im Frühjahr 1989 weg. An das Gefühl, das ich damals hatte, erinnere ich mich noch sehr genau: In diesem Staat, der DDR, wirst du alt. Am Ende wird immer noch alles grau in grau sein. Nichts wird sich bewegt haben. Das kann es nicht gewesen sein.
Auf eine Wohnung hat man Jahre gewartet. Viele haben geheiratet, um schneller an eine Wohnung zu kommen.
- Ich habe nach der Wende geheiratet. - An interessante, insbesondere politische Literatur zu kommen, war kaum möglich. Ich erinnere mich, dass mir ein Freund sagte: Du kannst in die amerikanische Botschaft in Berlin gehen und dort den „Spiegel“ lesen. - Ich bin dann dort hingegangen und war ganz überrascht, dass man einfach so in die Botschaft konnte; na gut, man wurde vorher von der DDR-Polizei fotografiert. Den „Spiegel“ habe ich dann regelrecht verschlungen.
Die DDR-Zeitungen konnte man nicht lesen. Das war ödes Nachdrucken von zensierten Texten und nicht zu ertragen. Die Infrastruktur war kaputt, insbesondere die Straßen. Die Gebäude verfielen zunehmend. Nicht einmal 10 % der Menschen hatten einen Telefonanschluss. Dass man als DDR-Bürger interessante Teile der Welt sehen konnte, zum Beispiel New York, London oder Paris, war gänzlich außerhab der Vorstellungskraft. Der einzige Blick in den Westen war über das Fernsehen möglich.
Deswegen hatte ich das Gefühl: Hier sollst du alt werden? Das ist alles so trostlos. Das kann es nicht gewesen sein. Nur raus!
Auch ich habe es nicht für möglich gehalten, dass sich alles so schnell auflöst und das System zusammenbricht.
Warum erzähle ich Ihnen das alles, obwohl ich weiß, dass die meisten von Ihnen ebenso empfunden haben.
- Sie scheinen das sehr lustig zu finden, meine Damen und Herren von den Linken; ich finde, das ist es nicht.
Es macht mich traurig und betroffen, dass seit einigen Jahren eine zunehmende Verklärung und Relativierung, ja sogar eine Beschönigung des Sozialismus stattfindet. Es werden Loblieder auf die „Errungenschaften“ der DDR gesungen und Legenden gebildet, was angeblich besser war. Dabei scheint das Prinzip zu gelten: Je weiter man vom Sozialismus entfernt ist, desto schöner wird er. - Er war es aber nicht. Jeder, der sich wirklich erinnert, weiß es.
Denn man muss sich fragen: Wenn angeblich vieles besser war, warum sind dann so viele Menschen, denen damals eine Reise nach Westdeutschland erlaubt wurde, dort geblieben? Warum hat die DDR immer nur einen aus jeder Familie fahren lassen, während die anderen dableiben mussten, quasi als Pfand, damit der eine aus der Familie auch wieder zurückkommt? Warum gab es die Mauer, die faktisch unüberwindlich war und die einen vom Westen vollkommen abtrennte? Gerade als junger Mensch hatte man keine Chance, einmal hinzufahren.
Vor wenigen Monaten veröffentlichte der Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin eine Studie über das DDR-Bild von heutigen Schülern, auch von Brandenburger Schülern. An vielen Schulen wurden Befragungen durchgeführt.
Die Ergebnisse sind erschütternd. Die Mehrheit der Ostdeutschen lobt die „soziale Seite“ der DDR, 25 % sind der Ansicht, dass die DDR keine Diktatur war, 26 % geben sich neutral. Das heißt, mehr als die Hälfte weiß es nicht oder sagt sogar explizit, nein, sie sei keine Diktatur gewesen.
41 % sehen Recht und Ordnung in der DDR besser verwirklicht als heute. 42 % sind der Ansicht, dass die Umwelt in der DDR sauberer war als heute.
20 % vermuten bei der Umwelt gleiche Verhältnisse, 18 % geben keine Einschätzung ab. Wenn Sie das addieren, kommen Sie zu dem Ergebnis, dass 80 % der Schüler sagen: Wir wissen es nicht, oder die Umwelt war besser bzw. sauberer.
Ich empfinde diese Ergebnisse als katastrophal und bin der Überzeugung, dass wir hier schwere Fehler machen, wenn wir nicht entschlossen gegensteuern. Wir versündigen uns an uns selbst, wenn wir dieses Bild nicht korrigieren. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn sich das politische Koordinatensystem verschiebt, wenn wir eine solche unerträgliche Legendenbildung zulassen, meine Damen und Herren.
Mir ist klar, dass dieses Bild zum Großteil in den Familien entsteht. Aber wir als Abgeordnete des brandenburgischen Landtages tragen Verantwortung dafür, was in unseren Schulen gelehrt wird. Ich denke, wir sollten dieser Verantwortung gerecht werden und hier für Bewegung sorgen.
Unsere Fraktion hat den Vorschlag unterbreitet, den 18. März 1990 - den Tag der ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR - zum Gedenktag der parlamentarischen Demokratie zu erklären. Wir hoffen, dass sich unser Koalitionspartner diesem Anliegen nicht verschließt. Ich bin der Überzeugung, die SPD als staatstragende Volkspartei wird sich diesem Anliegen auch nicht verweigern.
Meine Damen und Herren, wenn man die Leistungen von 18 Jahren deutscher Einheit betrachten möchte, dann muss man noch einmal klipp und klar aufzeigen, was die DDR - jenseits der politischen Dimension - am Ende ihrer Existenz gewesen ist: ein herabgewirtschafteter Staat, und das in nahezu allen Bereichen. Die DDR war wirtschaftlich bankrott, sie war faktisch bankrott.
Ich möchte Ihnen aus einem Buch von Richard Schröder, damals Chef der SPD-Volkskammer-Fraktion, über die deutsche Einheit zitieren. Er schreibt über das Gutachten, das der DDRPlanungschef Schürer, ein SED-Genosse, gemeinsam mit anderen im Oktober 1989 für Egon Krenz gefertigt hat. Dort liest man, dass über die Hälfte der Maschinen und der Infrastruktur verrottet war, weil notwendige Investitionen seit 1970 unterblieben waren. Die Arbeitsproduktivität lag 40 % unter der westdeutschen. Wir wissen inzwischen, dass sie noch wesentlich niedriger war. Der hohe Reparaturbedarf bedingte einen viel zu hohen Anteil manueller Tätigkeiten in der Industrie. Von 1970 bis 1989 stieg die Auslandsverschuldung - in Devisen - von 2 Milliarden auf 49 Milliarden DM. Der jährliche Schuldendienst betrug 150 % der jährlichen Deviseneinnahmen der DDR.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis: Allein ein Stoppen der Verschuldung der DDR würde im Jahr 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25 bis 30 % erfordern und die DDR unregierbar machen.
Außerdem liefert das Papier Grundzüge der notwendigen Wirtschaftsreformen wie drastischer Abbau von Verwaltungs- und Bürokräften, bedeutende Einschränkung von Arbeitsplätzen, grundlegende Veränderungen der Subventions- und Preispolitik usw.
Von diesen edlen Absichten wurde nichts mehr verwirklicht. Das musste die Treuhand leisten.
„Das Gutachten ist ausschließlich von SED-Genossen erstellt worden, sage ich ausdrücklich in Richtung PDS“,
so Schröder.
„Es wurde aber“
- 1989
„so geheim gehalten, dass selbst dem Politbüro nur nummerierte Exemplare für die Dauer der Sitzung zur Verfügung gestellt wurden.“
Ein zweites Gutachten, das nicht einmal dem Politbüro zugänglich gemacht wurde, legt dar, dass die Kreditwürdigkeit der DDR im Westen auf Finanzmanipulation beruhte, also vorgespielt war.
„Hans Modrow war am 1. November 1989 ein Memorandum übergeben worden, in dem es hieß, 1991 werde Zahlungsunfähigkeit der DDR eintreten. Als Lothar de Maizière ein halbes Jahr später sein Amt als Ministerpräsident antrat, lautete die Auskunft der DDR-Fachleute, ohne Wiedervereinigung werde der Staatsbankrott der DDR noch in diesem Jahre eintreten.“
Meine Damen und Herren, den Zusammenbruch hat die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion verhindert. Das wissen wir, und das war gut so. Aber die Kehrseite ist, dass viele unserer Bürger sich über die wahre wirtschaftliche Lage damals nicht im Klaren waren. Die DDR war praktisch bankrott und hatte abgewirtschaftet.
Aber darüber hinaus lag vieles im normalen Leben so im Argen, dass die Leute gesagt haben, wir wollen einfach nur raus. Andere haben gesagt: Hier muss sich prinzipiell etwas ändern, und wir haben jetzt den Mut.
Es waren die Mangelwirtschaft und die Engpässe in allen Bereichen, ob bei Wohnungen - wer gebaut hatte, wusste, dass es ein Abenteuer war - oder Ersatzteilen.
Der Bildungsweg war nicht frei. Weniger als 10 % der Schüler konnten damals auf dem ersten Bildungsweg das Abitur machen - weniger als 10 %!
Ein weiterer Punkt: die Militarisierung der Gesellschaft. Ich gehörte zu der ersten Schülergeneration, die Ende 1970 Wehrkundeunterricht hatte. Während der Lehre musste ich, um einen Lehrabschluss zu bekommen, vormilitärische Ausbildung machen. Wissen Sie, mir dreht sich heute der Magen um, wenn ich im Kommunalwahlkampf durch meinen Ort fahre und lese: „Friedensfest der Linken“. Die DDR war so durchmilitarisiert, das war schon schlimm.
Die Infrastruktur und das Erscheinungsbild der Städte und Dörfer waren schlimm.
Und die Umweltbelastung! Wer weiß eigentlich heute noch, dass es Erhebungen gibt, wonach damals im Raum Bitterfeld aufgrund der katastrophalen Umweltverschmutzung die Lebenserwartung der Menschen um etwa fünf Jahre unter dem DDR-Durchschnitt lag?
Meine Damen und Herren, wenn gestern die Finanzkrise beklagt wurde, muss ich sagen: Ja, in der Marktwirtschaft gibt es von Zeit zu Zeit Krisen - das ist wie im wirklichen Leben -, die wir bewältigen müssen und die wir bewältigen werden. Die DDR und ihre Planwirtschaft war eine Dauerkrise. Das kann keiner wieder wollen.
Meine Damen und Herren, wenn wir also heute über 18 Jahre deutsche Einheit sprechen, müssen wir uns stets den Ausgangs
punkt vergegenwärtigen. Verglichen mit den damaligen Lebensumständen haben sich die neuen Bundesländer und hat sich auch Brandenburg hervorragend entwickelt. Wer damals, 1990, mit dem Wissen, das hier vorherrschte, durch die alten Bundesländer fuhr, dem fiel dort die schmucke Infrastruktur auf, die Häuser farbig, die Straßen in Ordnung. Wenn man heute von Brandenburg nach Berlin fährt - im Norden, im Süden oder im Westen -, dann kann man das teilweise kaum noch unterscheiden. Es hat sich in 18 Jahren viel verändert und zum Positiven bewegt.
Wir haben inzwischen die Infrastruktur fast angeglichen. Unsere Brandenburger Wirtschaft ist leistungsfähig und technologisch in einigen Bereichen sogar führend. Zum Beispiel wird jedes dritte Solarmodul, das in Deutschland gefertigt wird, hier in Brandenburg produziert. Wir sind führend in der Biotechnologie und mit den hier gefertigten modernen Triebwerkstechnologien ganz vorn dabei. Gerade beim Export verzeichnen wir zweistellige Wachstumsraten. Das gibt den Menschen Arbeit.
Die Senkung der Arbeitslosigkeit ist eine wirkliche Leistung. In den letzten fünf Jahren konnten wir sie um fast ein Drittel auf nur noch gut 12 % senken.
Im Umweltschutz hat sich Entscheidendes verändert, besonders auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft.
Die wilden Deponien am Rande der Dörfer sind im Wesentlichen saniert.
Wer bei uns die Qualität der Luft sieht, wer sieht, dass die Seen und Flüsse in der Regel wieder Trinkwasserqualität haben, erkennt, dass sich hier in den letzten 18 Jahren Wesentliches bewegt hat.
Wir haben ein dichtes soziales Netz, in dem Menschen aufgefangen werden, die entweder wegen Krankheit oder aus anderen unverschuldeten Gründen ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können. Das ist gut, und das kann sich sehen lassen.
Auch die Versorgung mit Kinderkrippen und Kindertagesstätten war in den letzten 18 Jahren gleichbleibend gut.
Brandenburg hat attraktive Hochschulen und mit der Viadrina eine Europa-Universität in Stiftungsform.
Das alles ist für uns Alltag, Gewohnheit und Selbstverständlichkeit. Brandenburg ist damit ein ganz normales Bundesland geworden, auf Augenhöhe mit den anderen Bundesländern.
In diesen Wochen erreicht eine Generation, die die deutsche Teilung nicht mehr kennt, die Volljährigkeit, wie Sie, die Schülerinnen und Schüler, die heute im Landtag zu Gast sind. Darüber bin ich froh.
Wenn ich mit meinen Kindern im Auto über die Grenze fahre, sei es nach Berlin oder nach Niedersachsen, kommen mir jedesmal die Erinnerungen und die Emotionen. Wenn ich unserer Ältesten - sie ist neun Jahre alt - erkläre: Hier stand einmal eine Mauer, hier wurde geschossen, die Menschen durften nicht rüber, dann sehe ich die großen Augen. Dann sehe ich, sie versteht es intellektuell, aber emotional versteht sie es nicht. Ich
finde, das ist eine Riesenchance; denn für diese Generation ist Hannover genau so wie Magdeburg, Rostock genau so wie Kiel. Und das ist wichtig.
Für diese Generation ist die deutsche Einheit eine Selbstverständlichkeit.
Ich finde, wir brauchen mehr gemeinsame Identitäten.
Ich finde es bemerkenswert, wie zum Beispiel zur Fußballeuropameisterschaft und Fußballweltmeisterschaft die Identifizierung mit der deutschen Nation ganz selbstverständlich und unbefangen nach außen getragen wurde.
Wir sollten auch zulassen, dass wir stolz sind - auf unser Heimatland Brandenburg und auf unsere Nation. Jeder Mensch möchte auf etwas stolz sein. Wir wissen um die Vergangenheit, aber wir leben heute und leisten heute etwas. Ich finde, dass wir diesen Stolz auf unser Heimatland Deutschland nicht denen ganz rechts außen überlassen dürfen. Jeder Mensch will auf etwas stolz sein. Das sollten wir auch zulassen, und zwar im positiven Sinne.
Wir haben noch eine Menge zu tun, das wissen wir. Der Großteil der Gehälter im öffentlichen Dienst ist zwischen Ost und West bereits angeglichen; 2010 ist dieser Prozess abgeschlossen. Wir wollen, dass die Rentensysteme zwischen Ost und West angeglichen werden. Ich finde, das gehört sich 20 Jahre nach der deutschen Einheit so. Daran arbeiten wir.
Ich bin froh, dass die Bundeskanzlerin gesagt hat, dass noch diese Große Koalition auf Bundesebene die Weichen in diese Richtung stellen wird. Wir werden die deutsche Einheit so gemeinsam bewältigen und gut zu Ende bringen. Ich bin froh und denke: Wir haben eine gute gemeinsame Zukunft. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde es schon spannend, Herr Kollege Vietze, dass Sie sich hierherstellen und ausschließlich über die Flughafenfinanzierung sprechen.
Wir verabschieden heute in der 3. Lesung einen Nachtragshaushalt, der immerhin eine ganze Reihe sozialer Maßnahmen auf den Weg bringt. Vielleicht ist Ihnen das nicht viel wert. Ansonsten könnten Sie sich durchaus ein Lob zu diesen Dingen abringen.
Im Frühjahr haben wir als Koalition gemeinsam ein Sozialpaket auf den Weg gebracht. Das waren damals schwierige Verhandlungen. Wir waren uns darüber im Klaren, dass wir aufgrund der Mehreinnahmen - wir haben immerhin im letzten Jahr erstmalig keine Schulden mehr machen müssen und haben einen Überschuss von mehr als 400 Millionen Euro - einen Teil davon auch zurückgeben, den wir nicht für den Aufbau von Versorgungsfonds verwenden, sondern an die Bürger zurückgeben. Das wird draußen auch erwartet.
Ja, bitte.
Überzeugend fand ich das, was Herr Christoffers gestern gesagt hat, nicht,
und heute wird der Haushalt in 3. Lesung verabschiedet. All diese Maßnahmen werden heute wirksam, Herr Vietze, nicht gestern, sondern heute in der 3. Lesung.
Beim Mobilitätsticket gehen die Vorstellungen weit auseinander. Die SPD wollte damals ein Ticket für 30 Euro für das ganze Land. Wir haben gesagt, dass das nicht verantwortbar ist; denn der Normalbürger zahlt für ein solches Ticket 126 Euro und mehr, wenn er durch Berlin fahren will, und der Normalbürger zahlt an der Tankstelle praktisch von Woche zu Woche mehr für Benzin. Deswegen haben wir einen guten Kompromiss gefunden:
zum halben VBB-Ticketpreis für zwei Waben bis drei Landkreise. Das ist gut und vernünftig. Uns war besonders wichtig, dass den Aufstockern und denjenigen im ALG-II-Bereich, die zwingend auf Mobilität angewiesen sind, geholfen wird, also diejenigen entlastet werden, die wirklich etwas tun und zwingend darauf angewiesen sind. Das ist, glaube ich, mit diesem Ticket gut gelungen. Das ist ein guter und vertretbarer Weg.
Bei der Schülerbeförderung waren wir uns schnell einig. Wir wollen, dass Familien mit Kindern von Kosten entlastet werden, denn sie leisten einen ganz wichtigen Beitrag in unserer Gesellschaft, indem sie ihre Kinder großziehen. Dafür haben sie Aufwendungen. Wir wollen, dass das Land Brandenburg seinen Beitrag leistet, Familien mit Kindern zu entlasten. Deswegen ist es wichtig, dass den Kreisen jetzt freigestellt ist, ob sie Schülerbeförderungsentgelte erheben. Sie erhalten dafür 4 Millionen Euro als Ausgleich. Das ist, wenn sie ganz verzichten, etwa die Hälfte der Kosten. Die andere Hälfte müssen sie selbst tragen, sie können aber selbst entscheiden, ob sie die Qualität verbessern
oder ob sie die Kosten verringern wollen, wie sie die Eltern beteiligen wollen oder ob sie ganz verzichten wollen. Wenn sie weiterhin Kosten erheben wollen, müssen sie sie sozial staffeln.
Für uns war es seinerzeit eine wichtige Aufgabe, Schulen im ländlichen Raum zu erhalten. Wir sind nach wie vor der Überzeugung, dass auch einzügige Schulen möglich sein müssen. Alle Experten sagen, dass das keinen Qualitätsverlust nach sich zieht,
wir können aber immerhin kleinere Klassen einrichten. Das haben wir gemeinsam erreicht, und das ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Die eine oder andere Schule konnten wir damit im ländlichen Raum erhalten.
Das ist für uns als Union sehr wichtig.
Wir haben einen Schulsozialfonds eingerichtet, bei dem künftig Schuldirektoren und die Lehrerkollegien die Möglichkeit haben, in sozialen Härtefällen flexibel und unbürokratisch zu helfen. Wenn also Eltern finanziell nicht die Möglichkeit haben, die Kinder an Klassenfahrten zu beteiligen, oder jemand am Schulessen nicht teilnimmt, weil die Eltern finanzielle Probleme haben,
oder Kinder vernachlässigt werden, ist schnelle unbürokratische Hilfe möglich. Das ist für uns wichtig, und all das wird im Nachtragshaushalt verabschiedet.
Insgesamt gesehen ist deshalb der Nachtragshaushalt in seinem Rahmen vernünftig und vertretbar. Es sind gute und soziale Maßnahmen, die hier verabschiedet werden.
Eines muss ich allerdings auch sagen: Jede finanzielle Mehrausgabe ist schmerzhaft; denn wir wissen, die finanzielle Lage des Landes wird im nächsten Jahrzehnt nicht besser werden. Das ist aufgrund der Veränderungen im Solidarpakt absehbar. Deshalb muss man bezüglich der Mehrausgaben, die die LINKE verlangt hat, ganz klar sagen: Das geht so nicht, das ist nicht seriös, das kann man nicht machen.
Jetzt zum Bürgschaftsrahmen, meine Damen und Herren. Ich möchte eingangs sagen: Ich bin schon verblüfft und schockiert, mit welchen Worten Frau Kaiser die aktuelle Situation beurteilt. Frau Kaiser hat „vom Fass ohne Boden“ gesprochen und hat das Ganze mit der Chipfabrik verglichen.
Ich muss Ihnen sagen, Frau Kaiser: Das ist wirklichkeitsfremd, das ist vollkommen unrealistisch, damit reden Sie ein Projekt schlecht, das wie kein anderes Brandenburg und Berlin gemeinsam nach vorn bringt und zukunftsfähig macht -
ein Projekt, das der Bund will, das Brandenburg will und das Berlin will. Deshalb muss ich Ihnen sagen: Sie haben damit dem Projekt sowie dem Land und seiner Zukunftsfähigkeit keinen Gefallen getan, das Ganze in ein solches Licht zu rücken.
Der Flughafen Berlin-Brandenburg ist das größte Infrastruk
turvorhaben in Ostdeutschland und eine Frage der Standortqualität der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg.
Seitdem die Brückenfinanzierung steht, wird intensiv an der langfristigen Finanzierung gearbeitet, meine Damen und Herren, und die Erhöhung des Bürgschaftsrahmens ist kein Paradigmenwechsel. Wir haben bereits jetzt 620 Millionen Euro Bürgschaftsrahmen im Haushalt stehen. Wenn sich aufgrund externer Faktoren die Finanzsituation verändert und die Banken in den Verhandlungen zurückhaltender werden und ihre Kredite verteuern, ist es für uns nur vernünftig, abzuwägen. Bis zum III. Quartal 2009 ist die Finanzierung gesichert. Die Langfristfinanzierung wird verhandelt. Wir haben gesagt: Wir wollen aufgrund der veränderten externen Situation den Bürgschaftsrahmen erhöhen, sodass wir zu günstigen Konditionen diese Kredite bekommen können und das Ganze in den Verhandlungen einfacher wird. Deshalb ist es eine vernünftige und nachvollziehbare Maßnahme, meine Damen und Herren.
Die Risiken sind beherrschbar und vertretbar. Im Übrigen ist das Projekt gewollt, und niemand kann sich vorstellen, dass wir auf halbem Wege aussteigen. Von daher ist die Risikoerhöhung auch nur eine theoretische. Wir sagen: Das ist vernünftig und vertretbar. Wir wollen das Projekt BBI zum Erfolg führen. Das unterscheidet uns von den LINKEN. Deshalb werden wir diesem Nachtragshaushalt zustimmen. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Volksinitiative fordert uns auf, den Aufschluss von neuen Tagebauen nicht mehr zuzulassen, und hat dafür mehr als 20 000 Unterschriften gesammelt. Damit ist die Volksinitiative gültig.
Ich sage: Das demokratische Gut der Volksinitiative ist ein hohes Gut, das wir sehr ernst nehmen und worüber wir sehr ernsthaft diskutieren. Aber die Art und Weise, wie die LINKE die Volksinitiative zu diesem Thema für Wahlkampfzwecke instrumentalisiert, ist dem Anliegen überhaupt nicht dienlich. Ich sage Ihnen: Sie erweisen damit denjenigen, die dieses Anliegen vorantreiben, einen Bärendienst.
Wir nehmen die Sorgen der Betroffenen sehr ernst. Wir waren vielfach vor Ort und haben mit Betroffenen gesprochen, ob das nun in Haidemühl war, wo der Bürgermeister und weitere Vertreter der Gemeinde anwesend waren, oder ob das in Proschim und anderswo war. Wir waren auch in Spremberg und haben uns die Versuchsanlage zur CO2-Abscheidung angeschaut, die dort aufgebaut worden ist.
Eines ist für uns klar: Wir wollen, dass für die Betroffenen, deren Heimat infrage steht, die Beanspruchung, die soziale Belastung so gering wie nur irgendwie verantwortbar ist. Wir sind als Abgeordnete dieses Landtags aber gewählt, um Gesamtverantwortung wahrzunehmen. Deshalb können wir uns nicht nur einen einzigen Aspekt vor Augen führen, sondern wir müssen alle Auswirkungen in Betracht ziehen, und wir müssen eine Antwort auf die Frage geben, wie die Energieversorgung auszusehen hat.
Da gibt es einerseits die Interessen der Betroffenen in den Dörfern, die hier zur Diskussion stehen. Auf der anderen Seite steht die Frage der sicheren Energieversorgung, die Frage des Naturund Umweltschutzes und vor allem die Frage der bezahlbaren Energieversorgung, die wir ebenfalls zu beantworten haben.
Zum Natur- und Umweltschutz kann ich sagen: Ja, wir haben ein Klimaschutzproblem, und wir nehmen das, worüber sich die große Mehrheit der Wissenschaftler einig ist, nämlich dass sich das Klima verändert und dass diese Veränderungen menschlichen Ursprungs sind, was mit der CO2-Belastung zu tun hat, sehr ernst.
Wir agieren; denn wir in Brandenburg sind bei dem Ziel des Umbaus hin zu einer regenerativen Energieversorgung Vorreiter, wie der Kollege Baaske bereits ausgeführt hat. Bei der
Windenergienutzung nehmen wir hinter Niedersachsen Platz 2 in Deutschland ein, und zwar in absoluten Zahlen gerechnet. Obwohl die Einwohnerzahl Brandenburgs sehr gering ist, haben wir bei uns die zweitgrößte Produktion von Energie durch Windräder. Bei der Biomasse liegen wir ganz vorn. Geforscht wird bei uns auch im Bereich der Geothermie und in weiteren Bereichen. Schließlich sind wir auch Solarland. Wir sind mit führend im Bereich der Solarindustrie in Deutschland, fördern die Solarunternehmen mit aller Kraft.
Aber - das ist in diesem Zusammenhang ein weiterer Aspekt regenerative Energien sind heute noch deutlich teurer als die aus fossilen Energieträgern erzeugte Energie. Solarstrom wird für etwa 50 Cent pro Kilowattstunde eingespeist. Das ist mehr, als bei der Stromabnahme tatsächlich gezahlt wird. Bei der Windkraft ist es in der Größenordnung 6 bis 8 Cent pro Kilowattstunde. Aber unser Flächenangebot ist begrenzt. Sie alle kennen die Konflikte im Zusammenhang mit der Windkraft. Es sind halt nicht alle glücklich darüber. Deshalb gibt es da Grenzen.
Auch bei der Energieerzeugung aus Biomasse - darüber haben wir in der CDU-Fraktion sehr ausführlich diskutiert - gibt es Grenzen. Sie kennen die Diskussion um steigende Lebensmittelpreise, auch hier bei uns im Land Brandenburg. Sie kennen auch das Problem der Flächeninanspruchnahme und die damit verbundenen verringerten Möglichkeiten, Lebensmittel zu erzeugen. In diesem Bereich gibt es also auch Grenzen.
Deshalb sage ich: Wir treiben verantwortbar die Energieeerzeugung aus regenerativen Energien voran; verantwortbar! Das alles hat seine Grenzen. Diese Grenzen müssen beachtet werden.
Ein weiterer Aspekt: Wir wollen die Erzeugung von Energie aus fossilen Energieträgern klimaverträglich betreiben. Da wir wissen, dass wir noch für mehrere Jahrzehnte auf fossile Energieträger angewiesen sind, muss die betreffende Energieerzeugung klimaverträglicher werden. Brandenburg ist im Begriff, bei dieser technologisch innovativen Lösung Vorreiter zu werden und damit auch neue Chancen für die Umweltverträglichkeit der Energieversorgung zu eröffnen.
Das Speichern von Kohlendioxid gilt als Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz. Erst vor wenigen Tagen wurden in Ketzin die ersten Tonnen CO2 verpresst, und zwar erfolgreich. Damit sind wir technologisch ganz vorn. Wir würden dieser Technologie einen Rückschlag versetzen, wenn wir die Weichen jetzt verkehrt stellten. Vattenfall nimmt das sehr ernst. Vattenfall hat bereits eine Versuchsanlage in Betrieb genommen. Noch in diesem Jahr wird eine Pilotanlage in Betrieb genommen, und Mitte des nächsten Jahrzehnts folgt die erste Großanlage. Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt. Wir würden auch weltweit ein falsches Zeichen setzen, wenn wir, obwohl wir uns das leisten könnten, hier ausstiegen und Vattenfall das nicht weiter vorantreiben würde. Das wäre kein guter Weg.
Deswegen sagen wir: Wir wollen nicht auf diese Art und Weise auf kurze Sicht die Weichen hier falsch stellen, sondern wir wollen dieser Technologie eine Chance geben.
Damit komme ich zu dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und der Arbeitsplätze. Im Bereich des Braunkohletagebaus und der Energieerzeugung werden direkt und indirekt etwa 10 000 Menschen in der Lausitz beschäftigt. Davon lebt eine ganze Region. Das können wir nicht außer Acht lassen; denn da wer
den Aufträge vergeben, da werden Löhne gezahlt, und zwar Tariflöhne, was ja nicht selbstverständlich ist, und da werden Steuern gezahlt, die wir für unser Gemeinwesen, für soziale Maßnahmen brauchen.
Aus diesem Grund ist es für die CDU-Fraktion nicht verantwortbar, dem Ansinnen der Volksinitiative zu folgen, das heißt, der Forderung nach einem mittelfristigen Ausstieg
- ja, aber das Entscheidende sind die Weichen, die damit gestellt werden - hier zu folgen. Das wäre nicht verantwortbar.
Was ich bei dem Prozess bedauere, ist die Rolle der LINKEN. Es ist noch keine 20 Jahre her, dass überhaupt keine Rücksicht auf die Betroffenen genommen wurde. Dörfer, die heute sicher stehen, würden schon gar nicht mehr existieren, wenn Sie weiter Verantwortung gehabt hätten. Aber jetzt tun Sie so, als wenn das alles so einfach ginge, und stellen sich an die Spitze der Gegenbewegung. Sie liefern allerdings keine Antwort auf die Frage, wie es weitergehen soll. Sie greifen sich einen Aspekt heraus und sagen: Macht Schluss damit! Sie nehmen das also populistisch auf und treiben die Volksinitiative für Ihren eigenen Wahlkampf voran.
Deswegen sagen wir: Das ist nicht ehrlich, das ist verlogen. Vielmehr müssen wir eine Antwort geben, bei der alle Aspekte berücksichtigt werden. Nach gründlicher Abwägung aller Aspekte sind wir zu der Auffassung gelangt, dass der vorgeschlagene Weg nicht zustimmungsfähig ist. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn eines ganz klar benennen: Wir sind als CDU und als CDU-Fraktion der Auffassung, dass Extremismus ganz konsequent bekämpft werden muss. Rechtsextremismus ist ein besonderes Problem in Brandenburg. Jeder hat die schlimmen Vorfälle in Erinnerung, in denen Menschen zu Schaden oder gar zu Tode kamen.
Der Extremismus insgesamt ist ein Übel. Er hat unendliches Leid verursacht. Er hat den Verlust vieler Menschenleben zu verantworten, gerade hier in Deutschland und in Europa. Er hat viele Menschen die Heimat gekostet und Familien zerstört. Für uns ist klar: Es muss alles daran gesetzt werden, dass solche Tendenzen ganz konsequent bekämpft werden und nie wieder Raum greifen.
Dabei gilt: Wehret den Anfängen! Deshalb muss auch aufkeimenden Tendenzen klar und entschlossen entgegengetreten werden. Wir können das. Das unterscheidet uns auch von Weimarer Verhältnissen. Wir sind eine wehrhafte Demokratie. Wir können Parteien verbieten, wenn sie verfassungsfeindlich sind; das ist in Deutschland geschehen. Wir können Vereinigungen verbieten, das ist geschehen in Deutschland, das ist geschehen in Brandenburg. Das hat der Innenminister vor gar nicht allzu langer Zeit hier in Brandenburg gemacht. Das unterstützen wir ganz nachdrücklich, und dafür treten wir auch ein.
Wir tun auch eine Menge, ob auf präventivem Wege oder im Bereich der Repression. Als Beispiel für den präventiven Weg nenne ich das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, das für die Demokratie eintritt und zum Ziel hat, gerade jungen
Menschen klarzumachen: Extremismus ist kein Weg. Demokratie, Toleranz, Freiheit - das ist der Weg, und das unterstützen wir. Was die Repression angeht, so wurden MEGA und TOMEG in den letzten Jahren weiterentwickelt. Der Landtag hat 2005 das Gedenkstättenschutzgesetz beschlossen.Wir haben damit Ravensbrück und Sachsenhausen vor rechtsextremen Aufmärschen geschützt. Wir haben 2006 das Gräberstättenversammlungsgesetz beschlossen und damit Halbe geschützt. Weiteres ist auf dem Verordnungswege geschehen, ob es für Spremberg oder Seelow ist, um dort Stätten vor rechtsextremem Missbrauch zu schützen. Wir hatten in Halbe zum Volkstrauertag mehrfach Veranstaltungen, mit denen wir Zeichen gesetzt haben. Und wir haben damit Erfolg. Rechtsextreme marschieren dort nicht mehr auf. Da hat sich wirklich etwas verändert und etwas bewegt.
Wir halten allerdings den von den Linken hier vorgestellten Verfassungsänderungsvorschlag nicht für sinnvoll, zum Ersten deshalb, weil diese Vorschläge bereits weitgehend in der brandenburgischen Verfassung enthalten sind. Da unterscheidet sich die Brandenburger Verfassung von der mecklenburgischen, die vor der Verfassungsänderung längst nicht so weit ging.
DIE LINKE will zwei Paragrafen in einem neuen Artikel 20 a. Aufgenommen werden soll zum einen die Friedenspflicht. Zum anderen soll die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts als verfassungswidrig eingestuft werden. Dazu sage ich Ihnen: Wir haben in Artikel 2 der Brandenburgischen Verfassung bereits Grundsätze der Verfassung normiert. In Abs. 1 heißt es:
„Brandenburg ist ein freiheitliches, rechtsstaatliches, soziales, dem Frieden und der Gerechtigkeit, dem Schutz der natürlichen Umwelt und Kultur verpflichtetes demokratisches Land, welches die Zusammenarbeit mit anderen Völkern, insbesondere mit dem polnischen Nachbarn, anstrebt.“
Wir haben den Inhalt von Artikel 1 des Grundgesetzes in Artikel 7 der Landesverfassung praktisch übernommen:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt und Grundlage jeder solidarischen Gemeinschaft.“
Im Artikel 19 - Meinungs- und Medienfreiheit - heißt es:
„Kriegspropaganda und öffentliche, die Menschenwürde verletzende Diskriminierungen sind verboten.“
Von daher geht die brandenburgische Verfassung deutlich weiter. Wir haben, und zwar auf der Grundlage des Grundgesetzes, im Strafgesetzbuch ganz konkrete Regelungen in § 130 Volksverhetzung -:
„Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert..., wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Alle diese Dinge sind dort konkret benannt. Wer nationalistische oder rassistische Hetze betreibt, wird mit Freiheitsstrafe
bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Das heißt, wir haben bereits sehr weitgehende Regelungen, die alle diese Dinge umfassen.
Zweitens sage ich: Wir ändern das Denken der Menschen nicht durch immer neue Gesetze, zumal wenn sie schon vorhanden sind,
sondern wir müssen uns offensiv mit diesen Dingen in der Diskussion, im Streit auseinandersetzen. Wir müssen darlegen, welche Verheerungen Extremisten bei uns in Deutschland angerichtet haben, und dies den Menschen überzeugend darlegen. Im Meinungsstreit muss man diese Dinge austragen. Das zeichnet eine wehrhafte, offene, freiheitliche Demokratie, das zeichnet den mündigen Bürger aus. Das immunisiert wirklich gegen extremistische Rattenfänger von links oder von rechts,
die Menschen für ihre irrsinnigen Theorien gewinnen wollen. Ich nenne ein Beispiel dafür, was geschieht, wenn Gesetze nur geschrieben sind, nicht offen diskutiert werden und nicht darum gerungen wird. Gucken Sie sich einmal die Verfassung der DDR an - ich habe das im Vorfeld einmal getan -, das ist spannend. Darin sind die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit und das Post- und Fernmeldegeheimnis festgeschrieben. Wie es wirklich war, wissen wir alle. In der Diskussion um Freiheit und Demokratie kann eine freie Gesellschaft diese Auseinandersetzung führen.
Wir haben ein Problem mit der Akzeptanz der Demokratie. Es gibt eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, in der ausgeführt wird, dass 61 % der Ostdeutschen ein gewisses Akzeptanzproblem mit unserer Demokratie haben. Da frage ich: Was setzen wir dem entgegen? Und welchen Beitrag leistet denn DIE LINKE, um dem wirklich etwas entgegenzusetzen? Stärkt DIE LINKE die Akzeptanz von Demokratie? Dazu schaue ich mir die Äußerungen von Lothar Bisky, neben Oskar Lafontaine einer Ihrer Bundesvorsitzenden, an, der mehrfach gesagt hat: „Wir stellen die Systemfrage.“ Was ist denn die „Systemfrage“? Stärkt das die Akzeptanz von Demokratie? Wenn Frau Enkelmann sich im Ersten Deutschen Fernsehen kritisch zu unserer Demokratie äußert, oder wenn Ihre kommunistische Plattform landauf, landab
demokratie- und freiheitsfeindliche Thesen verkündet und daher vom Verfassungsschutz beobachtet wird - leistet DIE LINKE damit einen Beitrag zur Stärkung der Akzeptanz unserer Demokratie?
In diesem Zusammenhang erscheint die Ausrichtung Ihres Wunsches auf Verfassungsänderung nur in Richtung der Verfassungswidrigkeit nationssozialistischen Gedankenguts schon in einem ganz besonderen Licht.
Denn in Mecklenburg wurde das Weitertragen von extremistischem Gedankengut als verfassungswidrig eingestuft. Da frage
ich Sie: Ist denn Verbreitung linksextremistischen Gedankenguts etwa nicht würdig, als verfassungswidrig eingestuft zu werden?
Deswegen sage ich ganz klar: Wir brauchen von der LINKEN keine Belehrungen in Sachen Demokratie. Das begründet unsere Zweifel an diesem Antrag, und wir können ihm nicht zustimmen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen, am 23. Mai, jährte sich zum 59. Mal die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Mit der Gründung der Bundesrepublik trat das Grundgesetz in Kraft. Deshalb ist der 23. Mai als „Tag des Grundgesetzes“ in Deutschland staatlicher Gedenktag.
Leider findet dieser Gedenktag selten die ihm angemessene Aufmerksamkeit, erinnert er doch an einen der bedeutendsten Texte der deutschen Geschichte: an unser Grundgesetz. Das Grundgesetz ist die Grundlage für unseren freiheitlichen Rechtsstaat mit all seinen Segnungen: Das Recht auf Leben, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Meinungsfreiheit, der Schutz der Familie, die Religionsfreiheit, der Schutz der Wohnung, all das ist dort verankert.
Es gab in unserer Geschichte leider auch Zeiten, in denen den Deutschen all diese und andere Menschen- und Bürgerrechte vorenthalten wurden. Noch nie vorher in der deutschen Geschichte gab es eine Zeit, in der Menschenwürde, Freiheit und auch Wohlstand eine so sichere Grundlage hatten wie heute. Dafür können wir alle dankbar sein, es ist uns allen aber auch Verpflichtung, dies zu wahren.
Das Grundgesetz gibt unserem Staat und unserem Volk ein Wertefundament: In Artikel 1 Grundgesetz heißt es:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Der Schutz der Menschenwürde ist die Grundlage unseres Zusammenlebens in Deutschland. Diese personale Menschenwür
de und der Schutz der personalen Menschenwürde sind nicht selbstverständlich: Viele Kulturen auf unserer Erde kennen diesen Schutz so nicht. Sie basiert auf dem christlichen Menschenbild, das jedem Menschen diese besondere Würde aus sich selbst heraus, sozusagen als Geschöpf Gottes, zuspricht unabhängig von seiner Sprache, seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, seinen körperlichen Vorzügen oder auch Behinderungen. Unabhängig davon spricht es jedem Menschen dies zu. Nicht umsonst beruft sich das Grundgesetz deshalb in seiner Präambel auf die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“.
In der Aufklärung hat sich auf dieser Grundlage unser heutiges Verständnis von Menschenwürde entwickelt. Dies war ein sehr bedeutender Schritt in der Geistestradition unseres Kontinents, und wir tun gut daran, uns dieser Kostbarkeit immer wieder zu erinnern, denn tolerant kann nur derjenige sein, der auf festem Grund steht. Toleranz ist ein Kulturgut und hat eine lange Tradition: von den Zehn Geboten des Alten Testaments über die Schriften der Aufklärung bis hin zu unserem Grundgesetz.
Ein weiterer Wert für Toleranz und neben Toleranz ist für mich die Freiheit. Ohne Toleranz kann es keine Freiheit geben, und ohne Freiheit kann es keine Toleranz geben. Nicht umsonst haben die intoleranten Ideologien des 20. Jahrhunderts der Rechtsextremen - ich nenne aber auch ganz ausdrücklich die Linksextremen; welche Verheerungen sie in Europa angerichtet haben, ist auch schlimm - zur Unfreiheit bis hin zum Massenmord geführt. Zugleich war in diesen Zeiten der Unfreiheit die Toleranz gegenüber dem Anderen stets am fernsten.
Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ wurde heute vor fast zehn Jahren am 23. Juni 1998 beschlossen. Im Leitbild dieses Handlungskonzeptes ist festgehalten, dass die Landesregierung - und das gilt für alle demokratischen gesellschaftlichen Kräfte in diesem Land - für Freiheit, für Demokratie, für Solidarität steht. Es ist festgehalten, dass die Zivilgesellschaft gestärkt werden soll gegen Tendenzen, die gegen Freiheit, Demokratie und Menschenrechte stehen. Es soll ein gemeinsames Vorgehen aller zivilgesellschaftlichen Kräfte im Kampf für Freiheit, Demokratie und Toleranz erreicht werden. Dazu werden bestehende Strukturen vernetzt. Dazu werden Informationsstellen, zum Beispiel für die Opfer, oder Lotsendienste eingerichtet. Konkrete Projekte wie die Qualifizierung pädagogischer Lehrkräfte oder Tagungen wie die des Verfassungsschutzes vom 23. Mai dieses Jahres werden durchgeführt.