Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Baaske. Er spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich gar nichts mehr sagen. Ich bin wie meine gesamte Fraktion der Auffassung, dass der Ministerpräsident das Thema sehr gut und auch sehr sachlich beleuchtet hat.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die Rede von Frau Kaiser hat mich dazu gebracht, noch einmal zu reden. Sie haben gesagt, Sie hätten aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Wenn Sie es denn getan haben, frage ich mich allen Ernstes: Warum greifen Sie immer noch zu diesem bösen Mittel der Demagogie?

(Oh! bei der Fraktion DIE LINKE sowie Zurufe: Frech- heit!)

Sie nehmen Dinge, die irgendwie über den Weg laufen, als Tatsachen, obwohl Sie es wesentlich besser wissen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zum Beispiel Sie selbst haben vorhin gesagt, dass wir uns hier als Landtag zusammensetzen, um die Pläne von Vattenfall abzusegnen. In unserem Antrag steht dezidiert, dass wir die Pläne von Vattenfall zur Kenntnis nehmen. Wir segnen sie hier nicht ab; das können wir auch gar nicht. Das wissen Sie ganz genau. Aber Sie erklären den Leuten, dass die Koalition in diesem Land auf dem Weg ist, dem Vattenfallkonzern auf dem Fuße zu folgen und das zu tun, was er will.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Das ist Unsinn. Der Ministerpräsident hat vorhin dezidiert gesagt: Wir werden in Brandenburg nur dann weiterhin Braunkohle abbauen, wenn das CO2-arm erfolgen kann, wenn die Oxyfueltechnologie funktioniert. Das ist eine dezidierte Aussage. Das verkaufen Sie den Leuten draußen nicht, sondern Sie sagen: Die wollen weiterhin Braunkohle abbauen, und die werden euch weiterhin vergiften. So gehen Sie nach draußen. Sie wissen ganz genau, dass das so nicht stimmt. Es ist eine Aufforderung von Martina Gregor-Ness gewesen. Es steht so in unserem Antrag. Der Ministerpräsident hat es vorhin gesagt. Deutlicher kann man nicht sagen, dass dieses konditioniert ist und konditioniert sein wird an die funktionierende Oxyfueltechnologie. Ministerpräsident Platzeck hat vorhin gesagt: Wenn das nicht geht, worüber reden wir hier eigentlich? Das frage ich Sie jetzt noch einmal allen Ernstes.

Herr Thiel hat vorhin einen ähnlichen Satz gesagt; er hat sich auch in diesem Medium vergriffen. Er hat gesagt, wir würden die öffentliche Debatte scheuen.

(Zuruf des Abgeordneten Thiel [DIE LINKE])

Mit Verlaub, Herr Thiel, was machen wir denn heute hier? Wer hat denn diesen Punkt auf die Tagesordnung gesetzt? Das war die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Schauen Sie sich noch einmal den Antrag an, den wir heute Nachmittag beschließen wollen, insbesondere den Punkt 3 d.

Darin steht ganz dezidiert: Wenn die neue Energiestrategie steht, dann soll sie öffentlich diskutiert werden. Genau das steht darin. Hören Sie auf mit solchen Behauptungen! Damit kommen Sie hier nicht weiter.

(Beifall bei der SPD)

Nun noch einmal kurz zu einem anderen Punkt. Ich versuche das einmal zu erklären, sozusagen von Lehrer zu Lehrer. Sie waren ja auch Physiklehrer. Wie viel 3 % sind, wissen Sie. Das sind drei Hundertstel. Das ist der Betrag, den Deutschland ungefähr zur weltweiten CO2-Emission beisteuert - ungefähr drei Hundertstel. Stellen Sie sich einmal anhand dieses Raumes vor, wie viel das ist.

(Zuruf des Abgeordneten Krause [DIE LINKE])

Herr Thiel, der Ministerpräsident hat es vorhin sehr deutlich herübergebracht. Wenn wir unsere Braunkohlekraftwerke abstellen, freuen sich darüber die Leute, die woanders weiter mit Braunkohle feuern können, ohne Diskussionen im Land darüber zu haben, ob das sinnvoll ist, und ohne dass sie die innere Überzeugung hätten, dass das auch mit alternativen Energien möglich sein könnte.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Ich bin mit Ihrer Kollegin Fraktionsvorsitzenden Kerstin Kaiser in Weißrussland gewesen. Wir sind stundenlang über flaches Land mit wehendem Wind gefahren. Wir haben nicht ein einziges Windrad gesehen. Wir hatten ein Gespräch mit dem Energieminister. Die klare Aussage war: Sie werden sich vom russischen Öl und vom russischen Gas abkoppeln, und sie werden Braunkohlekraftwerke bauen. Auf meinen Vorschlag, sehr intensiv mit Deutschland zusammenzuarbeiten, weil Deutschland an einer Technologie arbeitet, die CO2-Emissionen in Zukunft verhindern wird, reagierte Weißrussland sehr positiv und interessiert.

Sie müssen wissen - jetzt komme ich zu Ihrem Plan B, Frau Kaiser -, dass Vattenfall 1 Milliarde Euro aus den Erlösen in diese Technologie investieren will und nicht einfach nur zuguckt und sagt: Soll doch der Staat oder wer auch immer zusehen, wie er da klarkommt! - Für Vattenfall ist Braunkohle in Brandenburg ein ganz kleiner Punkt der Konzernstrategie; das müssen wir uns vor Augen führen. Trotzdem will dieser Konzern 1 Milliarde Euro in diese zukunftsweisende Technologie investieren.

Wir müssen - da gebe ich Ihnen wiederum Recht - dranbleiben, damit das auch geschieht. Wir sollten auch darauf setzen, dass der Staat hier miteinspringt. Der Ministerpräsident hat vorhin gesagt, dass 11 Milliarden Euro pro Jahr nötig sind, um bei den erneuerbaren Energien voranzukommen. Natürlich müssen wir auch als Staat daran mitarbeiten. Natürlich müssen auch wir dafür sorgen, dass unsere Unternehmen, aber auch die Hochschulen und Universitäten daran forschen. Ich meine, wir sind in Brandenburg allesamt aus der inneren Überzeugung am Werke, dass das wichtig ist. Sonst lägen wir bei den erneuerbaren Energien nicht auf Platz eins, sonst wären wir doch nicht da, wo wir jetzt sind. Darum verstehe ich nicht, was Ihre Unterstützung der Volksinitiative soll. Wem soll das nutzen? Erklären Sie es mir! Ich verstehe es nicht. Brandenburg ist mit der inneren Überzeugung der Landesregierung, der Koalitionsfrak

tionen dabei, energiepolitisch genau das zu verfolgen, von dem Sie meinen, das es verfolgt werden muss. Darum verstehe ich beim besten Willen nicht, worauf das hinausläuft.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das ist ja das Problem!)

Folgendes will ich noch anmerken: In diesem Lande sind ca. zwölftausend Menschen - fünf- bis sechstausend sind direkt bei Vattenfall beschäftigt; es hängen noch etliche Unternehmen daran - von der Braunkohle abhängig. Wir alle wissen, wie schwierig ein Strukturwandel zu vollziehen ist. Wir sind, gerade was erneuerbare Energien angeht - ich denke hier an Vestas in Lauchhammer, ich weiß um die vielen Solarkraftwerke, die in unserem Lande entstehen -, sehr gut aufgestellt. Trotzdem wird es so einfach nicht sein, Herr Thiel, heute in diesem Landtag quasi zu beschließen, dass die VEB-Sowieso-Produktion innerhalb des nächsten Fünfjahrplans nach Lauchhammer oder Jänschwalde geht und dann Gummistiefel oder Dachrinnen produziert werden. Diese Zeiten sind vorbei, verstehen Sie!

(Beifall und Heiterkeit bei SPD und CDU - Görke [DIE LINKE]: Wer ist hier der Demagoge?!)

Diese Zeiten gibt's nicht mehr. Ich schildere nur die Realität; es wird eben nicht gehen. Einfach so zu behaupten, wir müssten da einen Strukturwandel hinkriegen, ist falsch. Das ist eine Forderung, wie sie schon vor zwanzig Jahren in Nordrhein-Westfalen erhoben wurde, und trotzdem sind die Kumpel, die damals in der Kohle gearbeitet haben, noch lange nicht beruflich so gewandelt, dass sie wieder Arbeit haben. Ich prophezeie - ich weiß, wie schwer das ist -, dass es eben nicht so einfach gehen wird, in der Lausitz in den nächsten 13 bis 20 Jahren 11 000 Jobs zu ersetzen. Das wird so leicht nicht gehen.

Ich verstehe - das ist sehr schwierig, der Ministerpräsident hat das vorhin wunderbar, auch emotional herübergebracht -, dass es für Menschen, die in Attawasch, Kerkwitz und anderen betroffenen Orten wohnen und die ihr Dorf verlassen müssen, hart ist, aufzugeben, was man sich in zig Jahren aufgebaut hat, dass es schwer ist, seine Freunde zu verlassen, in eine andere Schule gehen zu müssen usw. - Was aber geschieht jenen Menschen, die, weil an ihrem Wohnort keine Jobs mehr zu finden sind, das Land verlassen? Der eine geht nach Baden-Württemberg, der nächste nach Hamburg oder nach Bayern. Ihnen stellt niemand ein Haus hin. Sie werden ihre Kirche nicht sehen. Sie werden ihre Freunde nicht bei sich haben, ihre Kinder werden mit anderen Kindern in die Schule gehen. Auch das müssen wir uns vor Augen führen, wenn wir über Versorgungssicherheit, wenn wir über Arbeitsplätze in der Lausitz reden. Ich wollte es noch einmal auf diese Art verdeutlichen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Bevor die Abgeordnete Kaiser das Wort erhält, stelle ich richtig: Die Schüler aus Sachsenhausen haben abgesagt. Ihr seid aus Guben. - Herzlich willkommen!

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Herr Thiel spricht!)

- Es spricht also der Abgeordnete Thiel für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, in mir ist während Ihrer Rede wirklich das Bedürfnis gewachsen...

(Zurufe von der SPD: Mikro! - Schulze [SPD]: Der Strom ist abgeschaltet! - Heiterkeit bei SPD und CDU)

- Ich wollte dem Herrn Ministerpräsidenten in die Augen schauen, weil in mir während seiner Rede das starke Bedürfnis gewachsen ist, unbedingt mit ihm über Fragen der Energiebzw. der Klimaschutzpolitik zu diskutieren.

Herr Minister Junghanns, Sie wissen, dass ich als Mitglied des Wirtschaftsausschusses seit Monaten darum kämpfe, dass wir endlich wenigstens mit den energiepolitischen Sprechern auch einmal eine Runde drehen, und zwar nicht nur im Rahmen der stark begrenzten Zeit von Wirtschaftsausschusssitzungen, sondern uns ernsthaft unterhalten, worüber wir hier überhaupt reden.

(Schulze [SPD]: Wer hindert Sie daran?)

- Herr Schulze, Folgendes, weil Sie mich gerade auf einen Gedanken bringen: Herr Baaske hat gerade gesagt, es werde nicht behauptet - ich glaube, in Martina Gregor-Ness’ Redebeitrag klang es auch an -, dass der vorliegende Antrag zustimmend zur Kenntnis genommen werden soll. Sie haben ausdrücklich in einer Pressekonferenz - das ist in den Medien nachlesbar; unterstellen Sie den Journalisten nicht, dass sie etwas schreiben, was sie nicht gehört haben...

(Starkes Gelächter bei SPD und CDU)

Sie haben ausdrücklich darauf bestanden, dass darin steht: Zustimmend zur Kenntnis zu nehmen!

Weil ich gerade bei Ihnen bin: Ich bitte alle, die sich hier aus unterschiedlichen Positionen zu einer Volksinitiative äußern: Bitte diskreditieren Sie nicht diese plebiszitären Elemente, die laut Verfassung jeder Bürgerin und jedem Bürger zustehen!

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Schulze [SPD]: Das machen Sie doch!)

- Hören Sie auf mit solchem Quatsch!

(Schulze [SPD]: Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!)

Die Diskussion, die wir hier führen, findet in einer Umbruchsituation statt, die historische Dimensionen hat. Wir befinden uns tatsächlich - da bin ich beim Grundsatzprogramm Ihrer Partei, das in der Diskussion steht - in der Umbruchsituation von der fossilbasierten Energiewirtschaft zur solaren! Dies wird nicht ohne Brüche abgehen. Hier muss man sich von alten Vorstellungen konsequent trennen. Ich bitte Sie, weil auch die Betriebsräte aus dem betroffenen Bereich hier sitzen, zur Kenntnis zu nehmen: Wir haben niemals gefordert, von heute auf morgen aus der Kohle auszusteigen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir haben ein Konzept in die Diskussion geworfen, nach dem man mit klugem Management sogar noch einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren zur Verfügung hat, nämlich dann, wenn in Jänschwalde die 500-Megawatt-Blöcke oder die 1 600 Megawatt von Schwarze Pumpe vom Netz gehen. Wir haben sogar das noch nicht errichtete Kraftwerk bzw. den neuen Block im Boxberger Raum - weil wir Sachsen immer in die Überlegungen einbeziehen müssen - dabei ins Auge gefasst. Es geht darum: Ich habe vorhin Vattenfall eingeladen, sich weiter in der Lausitz zu engagieren. Wir können nachlesen - das sind doch keine Unterstellungen von uns -: Vattenfall ist bereit, wenn die Kohle nicht mehr zur Sicherung ihres Profits dient, auf neue Produkte zu setzen, und diese neuen Produkte sind vorhanden. Wenn ihnen die Politik weiterhin erlaubt, Braunkohle zu verstromen, dann werden sie es natürlich tun; denn das andere kostet Geld.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)