Protokoll der Sitzung vom 11.10.2007

Übrigens ist die von Herrn Minister Woidke auf seiner gestrigen „Rückruderpressekonferenz“ für November angekündigte Potenzialanalyse „Erneuerbare Energien in Brandenburg“ in ihren Eckpunkten längst bekannt. Ich darf daraus zitieren:

„Das Land Brandenburg ist mit seiner traditionellen Energiewirtschaft, die durch die Förderung und Veredelung heimischer Braunkohle sowie die Verarbeitung großer Mengen an Erdölimporten geprägt ist, ein Bundesland mit überdurchschnittlichen Emission an energiebedingten Treibhausgasen, insbesondere CO2. Die Bereitstellung des Landesbedarfs an Strom und Mineralölprodukten und die erheblichen Lieferungen dieser Energieträger in andere Bundesländer beeinflussen maßgeblich die Emissionsentwicklung. Im Jahr 2003 betrug der Anteil Brandenburgs am Primärenergieverbrauch Deutschlands 4,4 %, an den energiebedingten CO2-Emissionen jedoch 7,7 %. Mit diesem überdurchschnittlichen Emissionsanteil steht das Land in der besonderen Verantwortung, Maßnahmen zu unterstützen, die zu einer Senkung der Treibhausgasemissionen führen.“

(Dr. Klocksin [SPD]: Weltweit, genau!)

„Das erschließbare Potenzial für die erneuerbaren Energien in Brandenburg bis zum Jahr 2020 beträgt nach gegenwärtigen Schätzungen zwischen 21 212 und 23 158 GWh/a. Von diesem Potenzial erneuerbarer Energien können gemittelt“

- also schon unter Einbau einer Redundanz

„ca. 15 460 GWh/a in die Stromerzeugung fließen. Bei einem prognostizierten Inlandsverbrauch von 17 792 GWh/a in 2020 könnten weit mehr als zwei Drittel des Stromes bei den Endverbrauchern aus erneuerbaren Energien bereitgestellt werden. 2004 war es jede vierte Kilowattstunde. Dies geht einher mit einer erheblichen Reduzierung der CO2-Emissionen.“

Nach Adam Riese, meine Damen und Herren, sind das, korrekt gerechnet, ca. 87 % des Brandenburger Inlandstromverbrauchs. Nimmt man die 9 % Zielstellung der Endenergieeinsparung aus dem von Bundeswirtschaftsminister Glos gerade verkündeten nationalen Energieeffizienzplan dazu, kommen wir im Jahr 2020 tatsächlich an die 100 % heran.

Deshalb, Herr Minister Woidke, habe ich Ihre gestrige übereilte Pressekonferenz nicht verstanden, auch wenn ich mich von der durch Sie am Dienstag verkündeten „zu 100 % möglichen

Versorgung mit erneuerbaren Energien“ im Jahr 2020 doch ein wenig von links überholt fühlte.

(Heiterkeit und Zurufe von der SPD)

Voraussetzung für die Nutzung dieser Potenziale ist aber selbstverständlich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine entschieden größere Bereitschaft politischer Verantwortungsträger in unserem Land, sich mittelfristig von den überkommenen Energieversorgungsstrukturen zu lösen.

(Zwischenrufe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es war für einen, der sich seit vielen Jahren auch in diesem Landtag mit Energie- und Klimaproblemen herumschlägt, geradezu eine Wohltat, kürzlich in einem wichtigen politischen Dokument folgende Sätze nachlesen zu können:

„Wir wollen die natürlichen Lebensgrundlagen auch für kommende Generationen sichern.“

„Energie ist ebenso wie Luft und Wasser Lebensgrundlage unserer Zivilisation.“

„Erneuerbare Energien sind überall die jeweils größten und auf Dauer verfügbaren heimischen Energiepotenziale. Effizienzsteigerungen, Ressourceneinsparungen und der Wechsel zu erneuerbaren Energien... schaffen zahlreiche neue Arbeitsplätze in Industrie, Handwerk und Dienstleistungsberufen sowie in der Land- und Forstwirtschaft.“

„Für uns ist deshalb die Energiewende... eine Schlüsselaufgabe für das 21. Jahrhundert. Wir treiben den Wechsel von erschöpflichen zu unerschöpflichen und von schadstoffhaltigen zu schadstofffreien Ressourcen konsequent voran. Unser Ziel ist ein solares Energiezeitalter.“

„Das Prinzip Nachhaltigkeit bedeutet: Von der Zukunft her denken; dem Primat der Kurzfristigkeit widerstehen und ebenso der Dominanz des Ökonomischen, der rein betriebswirtschaftlichen Logik, von der Idee der Gesellschaft her die Politik konzipieren und demokratische Vielfalt, ökologische Dauerhaftigkeit, soziale Integration und kulturelle Teilhabe als Leitideen sozialdemokratischer Politik verstehen.“

Das ist ein Zitat aus dem neuen Grundsatzprogramm der SPD. Ich bitte die Genossinnen und Genossen der SPD-Fraktion: Entfernen Sie sich nicht so weit von Ihrem neuen Grundsatzprogramm.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Karney.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussionen in den vergangenen Wochen um den einstigen subventionsfreien Energieträger Braunkohle hat viele Menschen emotional

und ehrlich bewegt. Niemand kann abstreiten, dass es bei einer solchen Debatte auch Verlierer gibt. Die Aufgabe der Politik ist es, die Lasten gerecht zu verteilen. Genau daran müssen wir uns messen lassen.

Die Bürger und die Unternehmer im Land stöhnen schon lange unter den enorm gestiegenen Energiepreisen. 1998 kostete das Öl auf dem Weltmarkt etwa achtmal weniger als heute. Im letzten Jahr lag der Preis pro Kilowattstunde bei ca. 19 Cent, das waren 4 Cent über dem EU-Durchschnitt. Dass dies viele Ursachen hat, ist jedem bekannt. Manche können wir beeinflussen, manche aber auch nicht.

Was wir tun können, werden wir auch in Angriff nehmen. Wirtschaftsminister Junghanns wird in den nächsten Wochen seine Energiestrategie vorstellen. Darin wird mit Sicherheit ein zukunftsfähiger Energiemix, in dem auch die Braunkohle ihre Rolle spielt, aufgezeigt werden. Wir müssen weg vom rein ideologischen Denken und hin zu konstruktiven Gesprächen über unsere Energiezukunft kommen. Wem nützt es denn, wenn die lieben Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei auch bei diesem Thema nur ein Nein herausbringen, aber keine eigenen konstruktiven Konzepte haben. Niemandem nützt es.

(Zwischenrufe bei der Fraktion DIE LINKE - Beifall bei der SPD)

Bei der gesamten Debatte hier in Brandenburg kommen mir immer wieder zwei Aspekte zu kurz. Zum einen müssen wir auch in Zukunft darauf achten, dass die Versorgungssicherheit bei uns gewährleistet bleibt. Es interessiert kaum einen Menschen, woher der Strom kommt. Sie wollen ihr Kabel in die Steckdose stecken und erwarten - zu Recht - dass daraus Tag und Nacht schwankungsfrei Strom fließt. Außerdem haben wir eine Verantwortung für die betroffenen Menschen, die im Bereich des Bergbaus und der Energiegewinnung ihren Arbeitsplatz haben. Das betrifft allein in der Lausitz ca. 5 500 Menschen. Die zählen auf uns. Nach wie vor ist die gesamte Energiebranche ein wichtiger Wirtschaftszweig in Brandenburg.

Meine Damen und Herren, nach der Bekanntgabe der Bau- und Technologieplanung durch Vattenfall ebbte die Debatte um die grundsätzliche Braunkohleverstromung nicht ab. Wir befürworten einen breiten Diskussionsprozess in der Öffentlichkeit. Denn nur so können wir aufklären, für Verständnis werben und berechtigte Ängste der Menschen mit aufnehmen.

Der Beginn der Diskussion ist gerade im Bezug auf die Öffentlichkeit etwas schiefgelaufen. Als der Wirtschaftsminister seine Studie vorstellte, haben ihn viele verteufelt. Nun, da Vattenfall seine Absichten erklärte, wird vieles in ein anderes Licht gerückt. Hat denn hier wirklich jemand ernsthaft geglaubt, dass 33 Gemeinden mit insgesamt über 11 000 Einwohnern in der heutigen Zeit wegen der Abbaggerung der Braunkohle umgesiedelt werden? Das wäre schon rein wirtschaftlich in keiner Weise zu vertreten. Dazu brauchte man sich nur die Landkarte anzuschauen. Ich möchte es an dieser Stelle noch einmal betonen: Das ist und war eine Studie - nicht mehr und nicht weniger. Wenn Sie unter Ihrem Haus eine Wasserader haben, reißen Sie es doch auch nicht weg und bauen einen Staudamm.

Den drei jetzt betroffenen Gemeinden und ihren Bürgern muss unsere gesamte Aufmerksamkeit gelten. Hier müssen wir einen schonenden und für alle Beteiligten annehmbaren Weg finden.

Die CDU wird sich jedenfalls dafür einsetzen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Der Abgeordnete Norbert Schulze spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ökonomische Erfolge sind ohne eine sichere und stabile Energieversorgung nicht erreichbar. Unsere DVU-Fraktion erachtet es daher als dringend erforderlich, sich hier und heute und immer wieder mit diesem Thema zu beschäftigen und vor allem für unsere Bürger klare Signale zu setzen.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande etwas brauchen, dann ist das Sicherheit. Sie sind zutiefst verunsichert durch eine von den Medien geschürte Hysterie einer kurz bevorstehenden Klimakatastrophe mit all ihren möglichen dramatischen Auswirkungen, aber auch durch fehlende klare Aussagen der Regierungskoalitionen sowohl in Berlin als auch in Brandenburg. Wir jedenfalls lehnen jeglichen hektischen Aktionismus kategorisch ab.

(Beifall bei der DVU)

Zielstellung ist für uns - darüber dürften sich wohl alle einig sein - eine sichere, umweltgerechte und wettbewerbsfähige Energieversorgung von Industrie und privaten Haushalten. Dazu benötigt Brandenburg eine langfristige, zukunftsorientierte Energiepolitik mit Augenmaß. Zu einem Energiemix aus konventionellen und regenerativen Energieträgern sehen wir derzeit keine Alternativen. Meine Fraktion warnt hier nicht zum ersten Mal vor einer Zerstörung der nahezu letzten in Südbrandenburg verbliebenen Industrie.

Rund 15 000 Arbeitsplätze sichert die Energie- und Braunkohlewirtschaft in der Lausitz. Die Braunkohle ist der einzige heimische Energieträger, der ohne Subventionen auskommt. Sie wird damit auf absehbare Zeit der wichtigste Rohstoff für die Brandenburger Energieerzeugung bleiben, was gerade durch die derzeitigen enormen Steigerungen der Öl- und Gaspreise auf dem Weltmarkt von besonderer Bedeutung ist.

Damit wir uns hier nicht falsch verstehen, meine Damen und Herren: Selbst wenn es deutschlandweit bis zum Jahr 2020 zu schaffen ist, 25 % unseres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien zu decken, bleiben immer noch 75 % übrig. Ich hoffe, Herr Minister Dr. Woidke, dass Ihre Aussagen von Cottbus zutreffen. Dann hätten sich diese verbleibenden 75 % wenigstens für unser Land Brandenburg erledigt.

Selbstverständlich ist es auch für unsere DVU-Fraktion von oberster Priorität, vor allem durch Einsparungen, insbesondere durch eine Steigerung der Energieeffizienz, die Eingriffe in unsere Natur erheblich zu reduzieren. Auf die entsprechenden Handlungsmöglichkeiten wie auf die technologische Verbesserung von Heizungsanlagen sowie auf Wärmedämmungen haben wir bereits in früheren Diskussionen ausführlich hingewiesen.

Als Alternative zu fossilen Energieträgern halten wir eine verstärkte Nutzung der sogenannten erneuerbaren Energien wie Sonnenlicht und -wärme, Windenergie, Wasserkraft, Biomasse und Erdwärme für notwendig. Das bedeutet, die erneuerbaren Energien müssen weiterhin gefördert, vor allem aber technologisch weiterentwickelt werden.

Wir halten es daher für erforderlich, den erneuerbaren Energien weniger durch direkte Subventionierung, als verstärkt durch Bereitstellung entsprechender Mittel für Forschung und Entwicklung einen notwendigen technologischen Schub zu verleihen. Dies betrifft natürlich auch die Förderung der Entwicklung des CO2-freien Kraftwerks.

Letztlich werden die Effizienz und die Umweltverträglichkeit mit darüber entscheiden, ob und inwieweit die herkömmlichen Energieträger schrittweise gefördert werden können. Populismus, wie er jetzt von der Fraktion DIE LINKE praktiziert wird, hilft uns nicht weiter.

(Beifall bei der DVU)

Ich bin mir fast sicher, dass niemand hier in diesem Parlament solch gravierende Bekanntschaft mit der Braunkohle gemacht hat wie ich persönlich. In den 60er Jahren mussten meine Großeltern der Kohle weichen. Im Jahre 1987 wurden meine Eltern gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Der Tagebau hatte sie eingeholt. Hätte es nicht die Wende mit einer neuen Energiepolitik gegeben, hätte auch ich mit meiner Familie 1990 die Flucht vor der Braunkohle ergreifen müssen. Damit dieses Schicksal vielen Menschen erspart bleibt, kann es nur eine Energiepolitik mit Augenmaß geben. Dafür tritt unsere DVUFraktion ein.

(Beifall bei der DVU)

Für die Landesregierung setzt der Ministerpräsident die Debatte fort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte um die Energieversorgung und um die Energiesicherheit hat in den letzten Monaten unser ganzes Land durchdrungen. Das ist ausgesprochen gut so, weil es eine der Zukunftsfragen - wenn nicht sogar die Zukunftsfrage - in diesem Jahrhundert ist. Ein Großteil des Schicksals der Menschheit wird sich daran entscheiden, ob wir sie vernünftig lösen können oder ob wir dazu nicht in der Lage sind.

Ich möchte dafür werben, diese Debatte sachlich, vernünftig und in ihrer ganzen Komplexität zu führen. Es macht keinen Sinn, sich einzelne Felder herauszunehmen und zu sagen, wir haben einen tollen Vorschlag, um sich gut zu fühlen, aber 85 andere Aspekte nicht zu berücksichtigen. So einfach ist die Welt leider nicht.

(Beifall bei SPD und CDU)

Welche Fragen stehen vor uns? Eine, die für mich eine der wichtigsten ist, ist völlig in den Hintergrund gerückt - das hat etwas mit der Situation zu tun -, nämlich die Frage nach der