Matthias Platzeck
Sitzungen
4/1
4/2
4/3
4/4
4/5
4/6
4/8
4/10
4/11
4/12
4/19
4/23
4/25
4/26
4/31
4/37
4/40
4/41
4/43
4/50
4/51
4/56
4/62
4/63
4/68
4/70
4/73
4/74
4/77
4/79
4/81
4/86
4/87
Letzte Beiträge
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Kaiser, Sie haben eben gesagt, mit der Aktuellen Stunde setze sich die SPD dem Verdacht aus, Wahlkampfgedanken im Hinterkopf zu haben. Ich muss ehrlich und in aller Zurückhaltung sagen: Ich habe in Ihrer Rede nicht einmal ein Komma gefunden, das nicht Wahlkampf war.
Seien wir doch einmal ehrlich miteinander! Ich habe Ihrer Rede aufmerksam zugehört und eine Summe gebildet. Wenn die Hälfte von dem, was Sie gesagt haben, stimmte, müssten wir längst dabei sein, eine Mauer um Brandenburg herum zu bauen, weil alle Menschen Koffer packen würden,
schießt heute den Vogel ab, wenn sie nicht nur den Titel einer SPD-Wahlkampfbroschüre zum Titel ihrer Aktuellen Stunde macht, sondern auch die Inhalte für die Aktuelle Stunde dieser Wahlkampfbroschüre entnimmt. Ich muss mich darauf beziehen, Herr Baaske, denn Sie haben heute noch nicht viel dazu gesagt.
Meine Damen und Herren! Die DVU-Fraktion begrüßt es außerordentlich, wenn zum Ende der 4. Wahlperiode eine kritische Bilanz dessen gezogen wird, was in diesem Zeitraum durch die Landesregierung für dieses Land und seine Bürgerinnen und Bürger erreicht wurde. Nun kommt es nicht von ungefähr, dass das, was wir heute hier gehört haben - auch wenn es wenig war, Herr Baaske -, durch die rosarote Brille der SPD-Fraktion gesehen wird. Denn zum einen ist die SPD seit 1990 an der Regierung, zum anderen hat der Wahlkampf für die bevorstehenden Landtagswahlen im Herbst begonnen. Es wundert mich nicht, dass sich die SPD hier mit einem hellleuchtenden Glorienschein präsentieren möchte. Aber das verstehen wir, Herr Baaske, denn in einer Zeit, in der sich die SPD in der Gunst der Wähler im freien Fall befindet, muss man etwas für sein Image tun; sonst folgt im September eine unangenehme und harte Bauchlandung für die Genossen in Rot.
Ja, meine Damen und Herren, es hat sich von 2004 bis heute in unserem Land ohne Zweifel etwas getan. Die Frage ist jedoch, wie man das, was man erreicht oder auch nicht erreicht hat, den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes verkauft. Ich habe mir die Mühe gemacht, Ihre Broschüre zu lesen, meine Damen und Herren von der SPD. Sie liest sich wie ein Roman von Rosamunde Pilcher. Alles rosarot, alles schön, alles gut. Kein Wort der Kritik, von Selbstkritik ganz zu schweigen.
Nehmen wir die Thematik Kita, Jugend, Bildung. Sicherlich könnte man es als Erfolg werten, dass Brandenburg im bundesweiten Vergleich bei der Versorgung mit Kita-Plätzen einen dritten Platz innehat. Dummerweise können wir uns jedoch noch gut daran erinnern, dass SPD und CDU alles getan haben, damit Brandenburg nicht auf Platz 1 steht. Ich erinnere an die Abschaffung des unbedingten Rechtsanspruchs auf einen KitaPlatz. Das ist nicht vergessen, nur weil es schon in der 3. Wahlperiode war. Ist uns mit vielen Plätzen in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung wirklich geholfen, wenn die Zahl der dafür erforderlichen Erzieherinnen und Erzieher nicht ausreicht? Auch sei die Frage gestattet, ob ein Land wirklich attraktiver wird, wenn es viele Kita-Plätze für Kinder hat, die später ewig lange Schulwege vor sich haben oder mit ihren Eltern das Land verlassen, weil es keine wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven gibt.
Bleiben wir bei den Schulen. Nachdem maßgeblich Sie, meine Damen und Herren von der SPD, seit der Wende das Schulsystem in diesem Land permanent umgekrempelt haben, behaupten Sie jetzt, dass durch Ihre Initiativen nun alles besser wird. War es nicht maßgeblich der SPD-Bildungsminister, der unzählige Schulen - vor allem im ländlichen Raum - geschlossen und damit sehr vielen Schülern stundenlange Busfahrten zur nächsten Schule zugemutet hat? Sie loben sich allen Ernstes dafür, dass Sie der Volksinitiative zur Schülerbeförderung
um aus diesem fürchterlichen Land, das Sie beschreiben, die Flucht zu ergreifen. Das ist das Bild, das Sie hier zeichnen.
Bei aller selbstkritischen Sicht, die auch wir auf unser Land und seine Entwicklung haben, ist das ein völlig falsches Bild. Es hat nichts mit der Realität und glücklicherweise auch nichts mit dem Lebensgefühl der Menschen zu tun. Sonst würde nämlich nicht eine so hohe Prozentzahl von Menschen sagen, dass sie gern in diesem und in keinem anderen Land leben.
Frau Kaiser, Sie sprechen über Demonstranten. Ich bin heute zu allen Demonstrationen gegangen - wie ich es immer tue -, weil ich es gut finde, dass in diesem Land demonstriert wird.
Ich finde es gut, dass demonstriert werden kann. Ich finde es gut, dass Menschen das Selbstbewusstsein haben, das Demonstrationsrecht, das es in dieser Region nicht immer gab, zu nutzen und sich zu artikulieren.
Die Gespräche übrigens, die ich heute Morgen mit den Demonstranten geführt habe, waren sehr kollegial. Da kann man überhaupt nicht über das meckern - sage ich einmal märkisch -, was da im demokratischen Miteinander möglich ist. Dass die Interessen manchmal unterschiedlich sind, gehört dazu.
Sie bewerten Demonstrationen als Ausweis der Politik. Ich kann mich daran erinnern, weil ich öfter im Senat und im Roten Rathaus bin: Dort hat ver.di ein halbes Jahr demonstriert, und zwar jeden Tag.
Es liegt vielleicht auch ein bisschen daran, wer da mitregiert oder auch gar nicht. Ich weiß es nicht, meine Damen und Herren.
Wenn das der Ausweis für gute oder schlechte Politik ist, sollten Sie sehr vorsichtig sein.
Ich will Ihnen noch etwas zu dem Thema sagen: „Da bist du von den Kita-Erzieherinnen und den Eltern ausgepfiffen worden!“ Meine Damen und Herren, wenn Politik nicht mehr den Rücken hat, sich auspfeifen zu lassen, kann sie aufhören.
Wenn Politik nur noch hingeht und sagt: „Ich erfülle euch alle Wünsche, die ihr habt“, kann Politik aufhören. Deshalb werde ich mich auch weiter auspfeifen lassen und meine Meinung sagen. Ich respektiere die Meinung der Demonstranten. Aber ich werde auch vor Wahlen nicht sagen: Wir erfüllen euch alle Wünsche. - Dann nämlich würde dieses Land wirklich untergehen, meine Damen und Herren.
Es ist in einer Demokratie nun einmal so - das ist das Schöne und das Gute -, dass sie die einzige Gesellschaftsordnung ist, die versucht, alle Interessen ernst zu nehmen, zu respektieren, in einen Topf zu tun. Dann ist Regierung gefragt, herauszudestillieren, was nötig und was möglich ist, und daraus Politik zu machen. Weil Regierung das zu tun hat, Frau Kaiser, bin ich nicht Ihrer Meinung, dass es so geht: An schlechten Entwicklungen im Land ist allein die Regierung schuld, an guten Entwicklungen hat sie keinen Anteil. So kann man Politik auch nicht definieren.
Im Herbst 2004 befand sich das Land in einer eklatant schwierigen Situation. Das wissen wir alle. Wir hatten eine hohe Arbeitslosigkeit, wir hatten eine schlechte Haushaltslage. Wir, die Koalition, haben uns damals vorgenommen, eine ehrliche Bestandsaufnahme durchzuführen. Das haben wir auch getan. Wir haben aus dieser Bestandsaufnahme Schlussfolgerungen gezogen. Wir haben gesagt, wir wollen dieses Land aus eigener Kraft erneuern. Wir wollen dies tun, indem wir Stärken des Landes stärken, um Schwächen künftig nicht mehr zuzulassen.
Wir haben eine strategische Neuausrichtung vorgenommen. Wir haben drei klare Prioritäten gesetzt, die wir bis heute durchgehalten haben. Bildung war die erste Priorität, Wissenschaft und Forschung die zweite Priorität und moderne Technologien in diesem Land die dritte Priorität. Wir haben als Instrumentarium eine neue Förderstrategie aufgelegt. Wir haben uns ganz klar vorgenommen, den Haushalt zu konsolidieren. Wir haben uns das Energiethema als ein Hauptthema vorgenommen, und wir haben uns die Familienpolitik als ein ganz wichtiges Thema auf die Fahne geschrieben.
Ich sage noch einmal bei aller Selbstkritik: Ich weiß, dass dieses Land mitnichten ein ideales ist. Ich glaube, das wird es auch nie geben. Aber dieses Land ist in den letzten fünf Jahren vorangekommen, wir sind gerade bei unseren Prioritäten vorwärtsgekommen, weil wir sie ernst genommen haben - übrigens gegen Widerstände, Frau Kaiser. Es gab von Anfang an Widerstände. Das hat es mit Prioritäten eben so auf sich. Wer eine Priorität setzt, muss den Widerstand der Posteriorität einfach in Kauf nehmen. Sonst kann er nicht mit Prioritäten umgehen.
Das gehört zur Politik. Das gehört auch zu dem Mut, den Politik braucht.
Ich bewerte es nicht über, aber ich bewerte es auch nicht unter, dass die PISA-Macher unser Land „Aufsteiger des Jahres“ genannt haben. Das heißt, der Kurs ist richtig. Wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns. Aber der Kurs stimmt, und das zum Wohle unserer Kinder. Ich nehme sehr wohl zur Kenntnis und kann dem durchaus etwas abgewinnen, was die Betreuungsrelation in unseren Kitas angeht. Wir haben die höchste Betreuungsquantität, aber zu einer höheren Qualität gehört eine noch bessere Relation. Wir nehmen das auf, und wir nehmen das ernst. Aber ich kann das nur insoweit aufnehmen, wie ich es bezahlen kann. Es geht hier nämlich um Kinder. Eines werde ich, solange ich Politik in diesem Land vom Bürger legitimiert machen darf, nicht machen, nämlich dass ich diese Wünsche
erfülle, indem ich einfach nur neue Schulden aufnehme. Das müssen dann nämlich die Kinder abtragen und abzahlen. Damit versaue ich ihnen das Leben. Das muss ins Gleichgewicht kommen.
Ja, wir haben Schulen schließen müssen. Das war an jedem einzelnen Ort ein hochgradig schmerzlicher Prozess. Die Schließung jeder einzelnen Schule tat weh. Aber wenn sich die Schülerzahl halbiert, wird das am Schulnetz nicht vorbeigehen. Ich bin froh, dass wir heute ein zukunftsfähiges Schulnetz haben. Das Schulsterben ist vorbei.
Ich danke all denen, angefangen beim Bildungsminister und vielen anderen, die daran beteiligt waren, die die Kraft und das Durchhaltevermögen hatten, dieses zukunftsfähige Schulnetz in diesem Land durchzusetzen. Es wird nämlich den Kindern zugute kommen. Da bin ich mir ganz sicher.
Wir haben uns vorgenommen, dafür zu sorgen, dass keine Region abgehängt wird. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, nicht nur drei Leuchttürme zu definieren.
Das hätte man ja auch tun können: Cottbus, Frankfurt, Potsdam, und der Rest muss irgendwie sehen.
Heute habe ich ein Interview von Ihnen, Frau Kaiser, gelesen ich weiß, Sie machen ja keinen Wahlkampf; ich weiß -: Die Küken werden im Herbst gezählt. - Ich kann vertragen, wenn im Wahlkampf Holzschnitt gemacht wird, wenn es ein bisschen derber wird. Der Bürger muss auch sehen, wo die Kanten und die Profile sind, aber wir sollten uns bemühen, zumindest ein Stückchen bei der Wahrheit zu bleiben. Sonst kommt er durcheinander und weiß am Ende auch nicht, was wahr ist. Wir sollten ein Stückchen bei der Wahrheit bleiben. Sie schreiben, Umstellung auf RWK und neue Förderstrategien sei alles in das Umland von Berlin gegangen. Ich schlage vor, jetzt einmal eine kleine Geografiestunde zu machen: Schwedt liegt nach meiner Kenntnis an der polnischen Grenze.
Frankfurt liegt an der polnischen Grenze. Eisenhüttenstadt liegt an der polnischen Grenze. Spremberg liegt an der sächsischen Grenze, Lauchhammer, Großräschen genauso. Wittenberge geht schon gen Westen. Mehr draußen geht nicht mit den Regionalen Wachstumskernen.
Das ist einfach die Unwahrheit, wenn man sagt, sie konzentrieren sich auf das Umland von Berlin.
Man sollte wenigstens ein Stück bei der Ehrlichkeit bleiben, auch wenn man Situationen kritisch würdigt.
Es ist kein Zufall, dass wir mit dieser Strategie bei der Arbeitslosenzahl, die mir genau wie Herrn Baaske, Frau Funck und anderen, die geredet haben, noch viel zu hoch ist, mittlerweile stabil noch vor Sachsen liegen. Das hat durchaus auch etwas mit der Politik zu tun. Das sollte und das darf man dann auch einmal erwähnen, Frau Kaiser, weil es für die Menschen des Landes eine gute Entwicklung ist, dass wir von fast 19 % auf jetzt 12,2 % runter sind. Ich weiß um die Schwächen auf dem Arbeitsmarkt, aber es ist eine gute Entwicklung für die Menschen in diesem Land, weil das etliche Prozent mehr Perspektive, mehr Zukunftssicherheit bedeutet.
Wenn Sie sagen, ABM-Stellen könne man neben KommunalKombi an einer Hand abzählen, sage ich nur: Dann müssen Sie aber viele Hundert Finger an einer Hand haben. Auch da sollten Sie sich die Zahlen wirklich einmal holen.
Es hieß immer, die ländlichen Räume sterben aus. Auch dies ist nicht eingetreten. Wir haben glücklicherweise eine - darum hat sich die Landesregierung in den letzten fünf Jahren auch vehement bemüht - stabile, moderne und wettbewerbsfähige Landwirtschaft. Wir haben mittlerweile, was erneuerbare Energien angeht, neue Einkommensquellen auf dem Land. Wir haben auf der Fläche des Landes einen florierenden Tourismus. Das soll man bei allem, was zu tun ist, auch wenigstens anmerken. Es ist nämlich die Leistung der Menschen, dies in den letzten fünf Jahren erarbeitet und geschafft zu haben.
Wir sind ein modernes Energieland geworden. Auch da wird gern einmal dieses und jenes behauptet. Prof. Schellnhuber hat gesagt, wir seien das Innovationslabor für moderne Energietechnik. Das wollen wir gern bleiben. Wir haben von der Bundesregierung den Leitstern 2008 für das modernste Bundesland, was erneuerbare Energien angeht, bekommen, und wir werden uns weiter bemühen. Fossile Brennstoffe werden, wie Prof. Edenhofer im „Spiegel“ am Montag sehr eindrücklich gesagt hat, auf dieser Welt in diesem Jahrhundert noch die Hauptrolle spielen. Deshalb werden wir uns auch bemühen, dass die CCS-Technik ins Leben gesetzt wird, weil sie eine Technik ist, ohne die, wie alle Klimaforscher sagen, der Klimawandel nicht aufzuhalten ist. Dazu gehören auch Kompromisse im Leben. Da muss man auch die Kraft haben, um diesen Kompromiss zu kämpfen. Sich einfach nur zurückzuziehen wird der Welt nicht helfen, weder Brandenburg noch darüber hinaus.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im gesamten öffentlichen Dienst Brandenburgs ein ausdrückliches Dankeschön auszusprechen. Wir haben einen modernen öffentlichen Dienst, der bürgerorientiert ist, der bürgernah ist. Wir wissen, dass wir den Kolleginnen und Kollegen durch die Umstrukturierung und auch den Stellenabbau eine Menge zugemutet haben. Ich bin dankbar dafür, dass trotzdem die Qualität der Arbeit eine exzellente ist. Wir haben als Landesregierung unser Versprechen gehalten, dass dieser Stellenum- und -abbau sozialverträglich passiert. Das haben wir seit 1990 gemacht, und das werden wir auch in den kommenden Jahren machen.
Wir haben noch einen anderen Erfolg, den ich auch erwähnen will, gerade nach der Rede von Frau Hesselbarth. Vor fünf Jahren gab es in Brandenburg noch die Gefahr von und die Diskussion
über No-go-Areas für anders aussehende Menschen, für anders denkende Menschen, für anders religiöse Menschen usw. Die Zivilgesellschaft in unserem Lande ist inzwischen eine wehrhafte. Keine Tat, keine Untat der Nazis bleibt unbeantwortet. Auf alles gibt es in jeder Ecke unseres Landes aus der Bürgerschaft heraus eine klare und deutliche Antwort. Jung und Alt stehen dafür.
Ich möchte, dass wir alles dafür tun, dass dieses Land ein Nogo-Area wird, und zwar ab dem 27. September für Nazis, meine Damen und Herren.
Ich bin froh und dankbar - auch das möchte ich noch sagen -, dass sich mittlerweile deutlich mehr Menschen im Ehrenamt betätigen; denn auch das ist ein Ausweis dafür, dass man gerne in diesem Land lebt. Ehrenamt ist der Kitt unserer Gesellschaft, und dass heute so viele in unterschiedlichsten Bereichen diesen Kitt bilden, das ist ein wirklich wichtiger Bestandteil für die Zukunft unseres Landes. Auch da danke ich sehr herzlich.
Ich sage hier am Schluss: Wir haben noch viel zu tun. Das wird übrigens in offenen Gesellschaften immer so sein. Man ist nie am Ziel. Es gibt neue Fragen, es gibt neue Probleme. Darauf müssen wir neue Antworten finden. Das werden wir auch mit aller Kraft tun.
Ich habe übrigens gerade gelesen: Wir haben wesentlich mehr Adler in diesem Lande.
Auch das ist ein gutes Zeichen. Es ist ja immerhin unser Wappentier. Ich bin froh, dass der rote Adler Brandenburgs selbstbewusster und höher fliegt als vor fünf Jahren. Ich wünsche mir, dass er das in den nächsten fünf Jahren auch weiter tut. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst dafür bedanken, dass dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Es hat sich gezeigt, auch in der Diskussion, wie viele Facetten es hat, wie drängend und wie aktuell es ist.
Wir werden heute Nachmittag - das klang in mehreren Reden an, und der Planungsminister hat es gerade noch einmal gesagt einen empfohlenen Abstand von 1 000 m diskutieren und, wie ich annehme, auch beschließen. Es gehört aber zur Vollständig
keit der Situationsbeschreibung, zu erwähnen, dass die Initiative, die mir auch gestern einen Brief übergeben hat, schon ganz klar gesagt hat, ohne Wenn und Aber, das sei in keiner Weise das Ziel ihrer Wünsche, in keiner Weise befriedigend, und es werde sie in keiner Weise dazu verleiten, in den Aktivitäten nachzulassen.
Meine Damen und Herren, warum sage ich das? Ich schließe hier an Frau Gregor-Ness ganz kurz an. Ich glaube, dass Energiepolitik, die Konzipierung und am Ende auch die Ausgestaltung und Durchsetzung einer der Härtetests für unsere Demokratie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden wird. Uns steht ein überschaubarer Strauß von Quellen zur Verfügung: Atom, Fossile, Biomasse, Sonne und Wind. Das ist es im Wesentlichen, wenn man eventuell noch Geothermie dazunimmt. Wenn ich „Demokratie“ sage, dann wird es eine ganz wichtige Frage werden: Wie entscheiden wir uns? Denn wir müssen uns für irgendetwas entscheiden. Der Energiebedarf der Welt wird bei allen Sparbemühungen nicht abnehmen, sondern zunehmen.
Am Dienstag waren Prof. Schellnhuber, Prof. Edenhofer und Prof. Lucht, also die Crème der Klimaforschung, im Kabinett. Sie haben ganz klar gesagt: Auf uns wird die größte Herausforderung zukommen, nämlich Energie zu erzeugen und zu verteilen, ohne die Welt kaputt zu machen.
- Ich komme gleich zu CO2. - Dazu müssen wir uns entscheiden. „Kaputt machen“ heißt: über 2 Grad Temperaturanstieg zum vorindustriellen Zeitalter würde diese Welt an die Grenze der Belebbarkeit bringen.
Nun müssen wir einmal ganz klar darlegen: Was können wir den Bürgern anbieten? Atom? Ich will nicht alles wiederholen, was ich im Landtag schon oft genug gesagt habe. Ich erlebe es jetzt gerade: Immer, wenn Atomenergieerzeugung konkret wird - es gibt ja im Parteienspektrum unterschiedliche Sichten auf diese Energieerzeugungsart -, weil unsere polnischen Nachbarn uns androhen, in Gryffino eventuell ein Atomkraftwerk zu errichten, sind sich plötzlich alle Parteien einig. Einstimmig werden Resolutionen verabschiedet: Das auf keinen Fall! - Ich teile das, stehe voll dahinter und habe es dem polnischen Energieminister auch 1 : 1 so gesagt. Machen wir einmal einen Haken dran, denn immer, wenn es konkret wird, können wir es vergessen.
Fossile: Es sind mindestens zwei Dinge, mit denen wir uns im Moment herumplagen. Zum einen muss Kohle im Tagebau aus der Erde, zumindest Braunkohle; Steinkohle könnte man zu Teilen anders fördern. Damit sind Menschen eklatant beeinträchtigt: durch Verlust ihrer Heimat mit allen Folgeproblemen. Zum anderen haben wir bei der CCS-Technologie, der Abscheidung von CO2, noch das Problem: Wohin damit, und wer duldet, dass es bei ihm verbracht wird?
Bei Biomasse haben wir eine ethische Diskussion ganz genereller Art - der Bauernpräsident kennt sie genau -, und wir haben eine Diskussion dort, wo Biogasanlagen entstehen. Im Süden unseres Landes sagt die Initiative: Aus verschiedensten Erwägungen hier bitte so nicht: Güllefahren, Maissilage, Geruchsbelästigungen und alles, was dazugehört.
Wir diskutieren hier gerade über Wind. Die Sonnen-Debatte ist noch nicht so umfangreich. Wir werden sie bekommen, wenn
der erste große Spiegel, 150 Fußballfelder groß, in Lieberose in der Landschaft liegt. Dann werden wir - das ist so sicher wie das Amen in der Kirche - mindestens eine naturschutzgeleitete Debatte über die Frage bekommen, ob man damit das Land überziehen kann.
Es gibt ein weiteres Problem: Erneuerbare Energien entstehen zum großen Teil an den Orten, wo die Verbraucher nicht sind. Also bekommen wir ein Leitungsproblem par excellence. Die Vorboten sind gerade schon erkennbar. In der Uckermark und in der Prignitz laufen die Debatten auf Hochtouren. Alles verständlich, alles nachvollziehbar, und trotzdem war mein Ausgangspunkt: Wir müssen einen demokratischen Prozess führen, an dessen Ende aber eine Entscheidung stehen muss. Energie muss erzeugt werden.
Prof. Schellnhuber hat uns am Dienstag noch einmal ins Stammbuch geschrieben: Wir werden keine Energieerzeugung organisieren können, von der keiner beeinträchtigt wird, von der keiner etwas merkt, die keinen einschränkt, von der nichts zu spüren ist. Das wird schlicht nicht funktionieren. - Hier ist meine Bitte - das wollte ich heute klipp und klar sagen -: Wir sollten die Diskussion ehrlich führen. Es wird Einschränkungen in Lebensgefühlen, im Optischen und in vielen anderen Dingen für bestimmte Menschengruppen in bestimmten Gegenden, an bestimmten Orten geben. Ich kann mir nicht vorstellen, wie dies organisierbar wäre, ohne dass es zu diesen Einschränkungen kommt.
Wir sollten dafür werben - es muss ja nicht gerade Verliebtheit in Windmühlen sein, obwohl das ideal wäre -, dass es in den nächsten Jahrzehnten so bleiben wird, dass es Probleme beim Energieerzeugen gibt. Es wird spürbare, für Menschen erlebbare Probleme geben. Wir haben abzuwägen, was zumutbar ist. Wir haben wegzuwägen, was nicht zumutbar ist. Wir haben am Ende aber zu entscheiden, was geht, und dann müssen wir es machen, weil wir in der Verantwortung für die gesamte gesellschaftliche Entwicklung stehen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir auch noch einige Sätze zu diesem für das Land nicht nur unser Land - wichtigen, bewegenden Thema. Wir haben in den vergangenen Minuten viel an interessanten Sichten und Gedanken gehört. Dass die Sichten etwas unterschiedlich sind, kann in einer solch außergewöhnlichen Situation aus meiner Sicht auch nicht anders sein. Frau Kollegin Kaiser, Sie haben - das ist Ihr Recht - eine richtige Oppositionsrede nach dem Motto gehalten: Von allem das Doppelte und manchmal auch noch ein bisschen mehr. - Ich habe aber sehr wohl wahrgenommen, dass Sie nicht bestritten haben, dass die eingeschlagene Richtung, dass die ergriffenen Maßnahmen im Grunde angesagt und richtig sind.
Meine Damen und Herren, der Ruf nach einem dritten, vierten oder fünften Programm - schlicht nach noch mehr Geld in den Kreislauf - ist bereits in der Debatte und nicht jetzt erst aufgebracht worden. Er ist verständlich, dennoch bitte ich darum, dass wir sehr genau hinschauen, ob es hilft und ob es langfristig sinnvoll ist. Wir dürfen bei allen Konjunkturanstrengungen, Stabilisierungsanstrengungen, Investitionsanstrengungen nicht vergessen, dass, wer sich mit weltwirtschaftlichen Abläufen beschäftigt, ja zu der Erkenntnis kommen musste, dass die hohe Verschuldung von öffentlichen Haushalten, nicht nur in Deutschland, eine der Ursachen der weltweiten Krise und der Vehemenz der Krise war.
Das dürfen wir nicht aus den Augen lassen. Eines dürfen wir bei aller Not bzw. empfundenen Not vor allen Dingen nicht machen: das Kind jetzt mit dem Bade ausschütten und uns die Probleme für die Zeit in fünf oder zehn Jahren heute schon konstruieren und bauen. Deshalb bitte ich, sehr genau darauf zu achten: Wie viel Geld kann der Kreislauf wirklich noch vertragen? Gepumptes Geld wohlgemerkt; es ist kein erarbeitetes.
Wer die gestern von Obama gehaltene Rede gehört hat: Bei aller Begeisterung, bei mir stellen sich da auch nicht wenige Bedenken ein, wenn ich von dem Vorhaben höre, die Staatsschulden in Höhe von 1,3 Billionen US-Dollar in den kommenden vier Jahren zu halbieren. Ich sage nur: Alles Gute auf den Weg! Ich hoffe, dass uns da nicht etwas zusammenbricht, was wir jetzt gerade mit den Händen aufbauen.
Wir müssen auch sehr genau beobachten - das sage ich an der Stelle auch -, dass das, was jetzt an zusätzlichen Mitteln in den Kreislauf hineinkommt, nicht einen durchaus üblichen Effekt erzielt: dass nämlich nur die Preise, aber nicht die Leistungen in gleichem Maße steigen.
Ich gehöre zu denen, die vehement dafür sind, dass mindestens zwei Drittel - ich sage ganz bewusst: mindestens zwei Drittel in den Bildungssektor, in Kitas, in die Schulen, in Hochschulen gesteckt werden. Wir wissen, dass auch damit eine Krux verbunden ist: Schulen rekonstruiert man gemeinhin - das liegt in der Natur eines Schuljahres - im Juli und August. Auch das wird Engstellen erzeugen und auch Preisbildungen zur Folge
haben, auf die wir sehr genau ein Auge haben müssen, damit die Effekte, die wir haben wollen - alle zusammen, das unterstelle ich allen demokratischen Parteien -, auch wirklich eintreten.
Ich stimme an der Stelle zu - wie es vorhin hieß -, dass hier in den letzten 20 Jahren eine Entwicklung zugelassen wurde, die mit Neoliberalismus beschrieben wurde. Man kann sie auch mit „laissez faire“ beschreiben, man kann sie damit beschreiben, dass es Mainstream war, dem Staat anzuraten, sich zurückzuziehen; manche waren der Meinung, er sollte sich am besten in Luft auflösen. Diese Krankheit schüttelt im Moment die Welt, meine Damen und Herren. Ich hoffe, wir können sie abschütteln, und ich hoffe, wir werden den Heilungsprozess gründlich durchlaufen und nicht irgendwann einen Rückfall erleiden. Das wäre für die Welt, glaube ich, wirklich sinnvoll und gut.
Ich habe schon bei der letzten Rede gesagt: Auch wir, auch meine Partei, waren davon nicht frei. Auch das gehört zur historischen Wahrheit. Wir waren davon nicht frei und haben auch entsprechende Lehren zu ziehen.
Wer nachvollziehen will, in welchem Tempo sich derzeit Weltgeschichte entfaltet, braucht nur die Zeitungen der letzten zwölf Monate zu lesen. Wer sich das einmal am Sonntag vornimmt und dabei auf Wirtschafts- und Finanzseiten, auf Analysen, auf Vorschläge, auf Wegweisungen schaut, der meint, er liest etwas aus einer anderen Welt. Das hat mit der Welt am Beginn des Jahres 2009 nichts mehr zu tun. Daraus müssen wir schließen, meine Damen und Herren, dass wir heute nicht wissen, was wir in zwölf Monaten lesen werden, wenn wir die Zeitungen aufschlagen. Ich glaube, niemand weiß es, auch Norbert Walter weiß es in Wirklichkeit nicht. Wer vor zwölf Monaten gesagt hätte, dass ein Teil der tradierten deutschen Privatbanken zu Staatsbanken mutiert, wer gesagt hätte, dass Edgar Most, der letzte Chef der DDR-Staatsbank, mittlerweile einer der gefragtesten Interviewpartner in Funk und Fernsehen ist und erklärt, wie eine Staatsbank zu organisieren ist, wer die Debatte um Opel in allen ihren Verästelungen erlebt - die fängt ja gerade erst an, und es fängt auch mit Opel erst an -, wie will der hundertprozentig ausschließen, dass „VEB Daimler-Benz“ für alle Zeiten auf dieser Welt undenkbar ist?
Das meine ich jetzt nicht so ernst, aber ich glaube, wir müssen daraus lernen. Wir sollten lernen, uns für neue Lösungen und neue Wege offenzuhalten. Da wir in einer Situation sind, für die es kein Beispiel gibt, für die es kein Modell und keine Vorlage gibt, sollten wir uns die Fähigkeit erhalten, auf das, was passiert, adäquat zu reagieren, vielleicht auch Wege einzuschlagen, an die wir bisher noch nicht gedacht haben, auf jeden Fall nicht zu sagen: Wir haben das einmal beschlossen, das muss jetzt gelten. - Nein, die Welt verändert sich rasant schnell, und vielleicht müssen wir in einem halben Jahr zu neuen Schlüssen kommen. Ich plädiere dafür, dass wir uns diese Fähigkeit einfach bewahren.
Zweitens sollten wir nicht mehr so sehr auf das hören, was bisher gemeinhin als Ultima Ratio angesehen wurde, und zwar auf den Rat der Fünf Wirtschaftsweisen, denn er wisse, wie es komme. Wir sollten ihm weiter zuhören, keine Frage, es sind ja kluge Leute. Aber wir sollten daneben- und dagegenstellen, was wir an eigenen Erkenntnissen, an eigenen Erlebnissen ha
Lassen Sie mich noch zwei Worte zu dem sagen, was uns derzeit an Stimmung umgibt. Ich glaube, dass das wichtig und wesentlich ist. Denn wir werden dieses Konjunkturpaket nur zum Wirken bringen, wenn es von einem gewissen Grundoptimismus und dem Mut zum Handeln gekennzeichnet ist. Wenn Frau Kaiser vorhin sagte, Frohsinn sei nicht angebracht, dann unterschreibe ich, dass dieser Gegenstand wahrlich nicht zum Frohsinn verleitet. Das ist wohl so. Ich glaube aber, dass es auch nicht angebracht, dass es falsch ist, ja dass es schädlich wäre, Angst zu verbreiten. Deshalb finde ich diesen Wettlauf der Kundigen nicht gut, die sagen, sie kämen nur noch ins Fernsehen, wenn sie 5 % Minuswachstum voraussagten, und ab morgen sei man nur noch mit 7 % dabei. Ich lasse mir auch Folgendes nicht ausreden: Schwierige Probleme lassen sich nicht schlechter lösen, wenn man optimistisch herangeht, statt pessimistisch, leicht gebeugt und ängstlich heranzugehen. Da passiert nämlich nichts Gutes.
Deshalb wünsche ich mir auch, dass wir uns nicht bange machen lassen. Unser Vorvater und Dichter hat schon gesagt: „Am Mute hängt der Erfolg.“ Das ist in dieser Situation ganz intensiv so.
Ich verstehe dabei aber auch, dass sich gerade in den letzten Tagen die Menschen in diesem Lande noch mehr an den Kopf gefasst haben als vorher und dass dies in Enttäuschung und Entgeisterung, teilweise auch in Wut umschlägt. Ich meine damit das ganze Thema der Bonizahlungen, dem wir uns auch widmen müssen. Es war schon schlimm genug, was in den letzten Jahren damit passiert ist. Aber wenn jetzt - vielleicht juristisch tragfähig, aber aus meiner Sicht restlos unmoralisch Fehlleistungen, die die Welt ins Wanken bringen, noch mit Forderungen versehen werden wie: „Aber ich muss meine 5 Millionen dafür noch abholen, weil das in einem Vertrag steht“, dann sprengt das den Deckel vom Topf, meine Damen und Herren.
Vor diesem Hintergrund - und damit müssen wir auch umgehen, denn es ist eine Frage, wie das auf die Demokratie in unserem Lande wirkt - ist auch zu verstehen, dass ein Gericht eine Verkäuferin zu Recht nicht positiv begleitet, wenn sie 1,30 Euro unterschlägt; denn es ist bei solchen Unterschlagungen gleich, ob es 1 Euro oder 100 Euro sind. Wenn das aber im Kontext zu dem steht, was in den Banken passiert ist, dann ist völlig klar, dass dies niemand mehr in dieser Gesellschaft nachvollziehen kann. Das kann man von niemandem verlangen.
Das Leben spielt sich in Relationen ab. Wenn man eine Frau für eine Fehlhandlung minimalen Ausmaßes ihrer Lebensgrundlage beraubt und ein anderer, der dazu beigetragen hat, dass die Weltfinanzen ins Rutschen kommen, noch 5 Millionen zusätzlich haben will, dann schlägt das dem Fass den Boden aus. Das kann in dieser Welt nicht mehr funktionieren!
Ich wünsche mir, dass wir als Erkenntnis mitnehmen - da stehen wir als Land Brandenburg nicht schlecht da -, dass die Zukunft der Welt nicht auf Konstrukten gebaut sein darf, die nicht mit wirklicher Wertschöpfung verbunden sind.
ben, an eigenen Wegstrecken zurückgelegt haben - mit den dazugehörigen Schlussfolgerungen -, manchmal auch die eigenen Bauchgefühle. Denn ich glaube, das ist in dieser Situation nicht viel schlechter und nicht weniger belastbar als das, was wir von den Fünf Weisen ab und zu auf den Tisch gelegt bekommen, von dem man nicht weiß, ob in einem halben Jahr nicht das Gegenteil davon zu lesen ist.
Es ist kritisiert worden, dass es Streit gegeben hat. Ich setze einmal komplett dagegen: Ich finde, wenn wir zu einem so wichtigen, für die Entwicklung des Landes existenziellen Thema nicht sieben Tage Streit zwischen unterschiedlichen Ebenen mit unterschiedlichen Interessen aushalten, dann sind wir auch nicht an tragfähigen, neuen Lösungen interessiert.
Denn um eine gute Lösung zu finden, muss man sich auch auseinandersetzen dürfen. Die Auseinandersetzung darf, wenn es um eine halbe Milliarde geht, auch einmal ein Wort schärfer sein. Wichtig ist, dass man sich dabei die Fähigkeit erhält, von den gemachten unterschiedlichen Vorschlägen, die aus unterschiedlichen Interessen resultieren, am Ende ein vernünftiges Paket zu schnüren. Wenn am Ende des Weges, des kurzen Weges - wir waren vor der Bundesratsbefassung am Ende des Weges angekommen - alle beteiligten Seiten sagen, dass sie mit diesem Kompromiss sehr gut leben können, dann hat dieser Streit Sinn gehabt. Eine Kontroverse gehört zur Demokratie; daran müssen wir uns vielleicht noch etwas gewöhnen.
Ich glaube, der Hauptteil der Arbeit, vielleicht sogar die wirkliche Arbeit, liegt erst vor uns. Es herrscht immer noch in Teilen Unkenntnis. Deshalb sage ich es noch einmal: Wir handeln hier nicht in einem Zuweisungsverfahren. Das heißt, das Geld wird jetzt nicht überwiesen. Es gibt diesen und jenen Kämmerer, der mich schon gefragt hat, ob er dies die zwei Jahre auch gut hinlegen kann. Es ist legitim, so zu denken. Aber es geht hier um ein Abrufverfahren. Das heißt, das Geld fließt erst, wenn das Projekt im Gange ist. Das muss man auch noch einmal in alle Richtungen und Verästelungen sagen. Und wir haben nicht unendlich Zeit - bis 2011 -, denn das soll zügig wirken. Wir wollen ja Arbeitsplätze jetzt, in dieser schwierigen, nicht genau vorhersehbaren Phase, stabilisieren. Deshalb ist dabei wirklich Zügigkeit angesagt. Ich sage noch einmal: nicht Zuweisungsverfahren, sondern Abrufverfahren.
Wir hatten - das war auch ein Gegenstand des Streites, und ich bin froh, dass wir so entschieden haben - finanzschwache Kommunen sehr wohl mit in der Debatte und im Denkmodell. Finanzschwache Kommunen müssen nur, damit sie nicht außen vor sind bei dem, was jetzt hoffentlich durch das Land geht, 10 % Eigenleistung tragen, und diese werden im Ernstfall vom Land sehr günstig vorfinanziert.
Ich will jetzt nicht referieren - das hat es schon oft genug gegeben und das kann jeder nachlesen -, was für Effekte wir uns versprechen. Ich sage nur für die generelle Marschrichtung: Mir ist es lieber, statt 20 Kitas malermäßig instand zu setzen, sich fünf Kitas vorzunehmen, sie malermäßig und energietechnisch instand zu setzen; denn davon haben am Ende alle etwas, weil der jeweilige Träger, wenn die Betriebskosten sinken, das Geld für andere Zwecke zur Verfügung hat. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir ein Hauptaugenmerk auch darauf legen, mit diesem Geld möglichst langwirkende Effekte zu erzielen.
Ich kann mich erinnern, dass wir in den 90er Jahren als altmodisch beschimpft wurden, weil wir solche Dinge wie das EKO Eisenhüttenstadt als Stätte der Wertschöpfung erhalten wollten, dass wir als altmodisch empfunden wurden, weil wir einige andere Betriebsstätten der herkömmlichen Industrie - das war Ende der 90er Jahre, wo man dachte, das brauche man alles nicht mehr - unterstützt und erhalten haben, weil wir sagten: Ein Großteil der Dienstleistungen siedelt sich um solche industriellen Kerne an und nicht ohne industrielle Kerne.
Ein Land, das damals auf einem völlig anderen Trip war, nämlich Großbritannien, hat die industriellen Kerne geschleift ohne Ende. Es hat gesagt: Das brauchen wir nicht mehr, wir leben von den neuen Sphären, wir leben von Dienstleistungen, wir leben vom Finanzmarkt. Das sind die Sphären, die die Welt ernähren. - Ich kann - allerdings nur Leuten, die nicht zu Depressionen neigen - nur empfehlen, den „Spiegel“-Artikel vom Montag über die Entwicklungen in Großbritannien zu lesen. Wer zu Depressionen neigt, wird, wenn er das zu Ende gelesen hat, depressiv.
Es war ein völlig falscher Weg. Das zeigt, wenn wir uns für die Zukunft aufstellen: In der Vielfalt liegt die Stabilität. Eingleisigkeit führt immer in die Irre. Deshalb sollten wir mit Augenmaß und Vernunft unsere gewerbliche und industrielle Entwicklung der Zukunft sehr ausgewogen gestalten und nicht irgendwelchen Leuten zuhören, die einen Modetrend entdeckt haben und sagen: Das andere brauchen wir nicht mehr. - Das gilt für alle Bereiche und für alle Sektoren. Wir sollten nicht auf Strohfeuer setzen, sondern solide, manchmal langweilig wirkende, aber langfristig besser wirkende Wege gehen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass künftig nur Gesellschaften Krisen wie diese einigermaßen gut überstehen werden, die ganz konsequent auf Demokratie, auf Soziales und auf Gerechtigkeit setzen. Nur das birgt langfristig Stabilität in sich, auch in schwierigen Zeiten.
Meine Damen und Herren! Sie gestatten mir noch eine kleine Genugtuung am Ende meiner Rede. Ein Zitat, was das alles, was ich zu sagen versucht habe, fasst, lautet:
„Der Staat ist der Hüter der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung.... Der Wettbewerb ist notwendig, braucht aber Augenmaß und soziale Verantwortung.... Deshalb muss die Freiheit des Einzelnen begrenzt sein.... Diese Ordnungsfunktion können Märkte ohne staatliche Ordnung nicht erfüllen. Das ist das, was man als den dritten Weg bezeichnen kann, den wir weltweit brauchen, im Unterschied zu einem ungezügelten Kapitalismus und in Abgrenzung zum Staatssozialismus.“
Originalton Kanzlerin Angela Merkel auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos.
Ich sage das nur der Vollständigkeit halber.
Ich habe fast wortgleich, ohne dass wir voneinander wussten, dasselbe hier im Landtag gesagt. Ich bin vom Kollegen Dom
browski danach in die Nähe von Hugo Chávez und Fidel Castro gestellt worden.
Ich rechne jetzt mit einem flammenden Protestbrief an die Bundeskanzlerin. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Lieske, mit dem jetzt vorliegenden Konjunkturpaket II hat die Große Koalition in Berlin aus meiner Sicht ihre Handlungsfähigkeit bewiesen. Das vorgesehene Mittelvolumen von insgesamt 50 Milliarden Euro wird nach unserer Einschätzung wirksame Impulse zur Steigerung der Nachfrage auslösen. Das wird die konjunkturelle Situation stabilisieren.
Die Landesregierung begrüßt es daher, dass im Konjunkturpaket II - Sie haben es in der Fragestellung erwähnt - sowohl Investitionen in die Zukunft als auch Entlastungen bei Abgaben und Steuern für die Menschen vorgesehen sind. Besonders wichtig ist dabei, dass mit dem Konjunkturpaket in erheblichem Maße Zukunftsinvestitionen der öffentlichen Hand vorgesehen sind.
Das Land Brandenburg wird aus den Mitteln ca. 343 Millionen Euro für investive Zwecke erhalten. Wir werden zu dem Investitionspaket einen Landesbeitrag von 115 Millionen Euro zusätzlich zu diesen 343 Millionen Euro leisten. Klar ist, dass diese Mittel zu ca. 65 % im Bildungs- und Hochschulbereich investiert werden sollen. Die verbleibenden 35 % sollen in Infrastrukturmaßnahmen, beispielsweise den Ausbau und die Modernisierung von Krankenhäusern, aber auch den Stadtumbau oder in Informationstechnologien investiert werden.
Von großer Bedeutung sind für uns darüber hinaus die beschlossenen Maßnahmen zur besseren Nutzung des Kurzarbeitergeldes. Die Übernahme von mindestens der Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit übrigens, wenn gleichzeitig Qualifizierungsmaßnahmen durchgeführt werden, werden die Beiträge zu 100 % von der Bundesagentur übernommen - macht die Nutzung von Kurzarbeit gerade für kleinere und mittlere Unternehmen einfacher. Bisher gab es diese Regelung so nicht, da mussten die Unternehmen diese Beiträge weiter zahlen.
Ich freue mich, dass ein entsprechender Vorschlag, der auch von uns gemacht wurde, bei dem Konjunkturpaket aufgegriffen wurde. Auch begrüße ich sehr, dass im Rahmen des Konjunkturpakets die Förderung von Kindern, deren Eltern Arbeitslosengeld II empfangen, um 10 % erhöht worden ist. Gerade für diese Familien ist das eine wichtige Entlastung.
Wie werden wir das innerhalb des Konjunkturpakets vorgesehene Investprogramm in Brandenburg umsetzen? Zunächst zu den vom Bund vorgesehenen Zeitabläufen.
Wie Sie wissen, liegt die Entscheidung des Koalitionsausschusses seit dem 13. Januar vor. Gegenwärtig wird im Bund daran gearbeitet, die verabredeten Vorhaben - das muss ja nun passieren - in Gesetzesform zu gießen. Über den Großteil der gesetzlichen Änderungen soll das Bundeskabinett am 27. Januar beschließen. Die 1. Lesung im Bundestag ist dann bereits für den 30. Januar vorgesehen. Die 2. und 3. Lesung soll am 13. Februar stattfinden. Das ist also ein sehr kompakter Ablauf. Noch am selben Tag, also am 13. Februar, wird das Gesetzespaket in den Bundesrat eingebracht. Der Bundesrat wird aller Voraussicht nach auch noch im Februar in einer Sondersitzung endgültig darüber abstimmen. Damit werden die rechtlichen Vorgaben für die Umsetzung des geplanten Investprogramms voraussichtlich Ende Februar gegeben sein.
Derzeit ist die Landesregierung durch die Mitte Dezember eingerichtete Arbeitsgruppe „Stabilisierung der Konjunktur“ dabei, die konkrete Umsetzung in unserem Lande vorzubereiten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die zwischen Bund und Ländern zu schließende Verwaltungsvereinbarung. Der erste Entwurf soll uns in den nächsten Tagen zugeleitet werden. Dabei werden wir, verehrte Frau Lieske, insbesondere darauf achten - ich nehme an, dass Ihre Frage auch dahin zielt -, dass der Handlungsspielraum der Länder sowohl mit den zu erarbeitenden Gesetzestexten als auch über die Verwaltungsvereinbarung nicht übermäßig eingeschränkt und die Umsetzung der Investitionen vor allem nicht durch zu viele bürokratische Hemnisse erschwert wird. Der Abschluss der Verwaltungsvereinbarung soll bis Ende Januar, spätestens jedoch bis zur Entscheidung des Bundesrats erfolgen. Dabei wollen wir die aus dem Investitionsprogramm für Brandenburg zur Verfügung stehenden Mittel zentral und mit klaren Prioritäten, die ich vorhin schon grob umrissen habe, einsetzen. Die Koordinierung wird über die Arbeitsgruppe der Staatssekretäre erfolgen. Das Kabinett wird dazu beschließen.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass die rechtlichen Grundlagen des Pakets bis Ende Februar vorliegen sollen. Danach soll mit der Umsetzung zügig begonnen werden. - Danke schön.
Da können Sie sich auf die Landesregierung verlassen, Frau Lieske!
Genau damit wird sich die Arbeitsgruppe beschäftigen. Wir wollen es ermöglichen, dass Kommunen, die zum Beispiel mit einem Haushaltssicherungskonzept arbeiten, von dem Programm nicht ausgeschlossen sind. Vielmehr sollen auch diese Kommunen daran teilnehmen können. Es ist auch vom Bund so intendiert, dass sich auch diese Kommunen an dem Investitionsprogramm beteiligen können. Gerade für diese Kommunen ist es ja auch wichtig, in der Zukunft besser dazustehen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die energetische Sanierung von Gebäuden, wodurch die Betriebskosten für die Gebäude später dann vermindert werden. Das soll ja auch ein Schwerpunkt des Programms werden.
Verehrte Frau Kaiser, wir haben im Rahmen unserer Landesmöglichkeiten bekanntlich bereits erste Schritte eingeleitet. Wir haben ein 400-Millionen-Programm zur Sicherung von Unternehmen aufgelegt. Mit dieser Sicherung von Unternehmen sollen ja Arbeitsplätze in diesem Land gesichert werden. Das halte ich für ein hochsoziales Ziel.
Das sollte man also nicht in irgendeinen anderen Topf tun.
Das wichtigste Ziel ist, dass wir durch die Krise kommen und dabei möglichst vielen Menschen die Möglichkeit erhalten, in Arbeit zu bleiben. Deshalb sage ich, wie ich es auch gestern Abend bei einer Veranstaltung der Unternehmensverbände gesagt habe: Passt in dieser Krise auf eure Leute auf! Es wird eine der wichtigsten und höchsten Aufgaben sein, Menschen in Arbeit zu halten. Deshalb halte ich auch die Kurzarbeiterregelung - um einen zweiten Punkt anzusprechen, das heißt die Verlängerung der Bezugsdauer auf 18 Monate, die jetzt von Olaf Scholz eingeleitet wurde - für eine hochsoziale Maßnahme, verehrte Frau Kaiser, weil dadurch ermöglicht wird, dass Menschen ihre Perspektive durch den Arbeitsplatz weiter erhalten.
Im Übrigen werden wir das Investitionspaket des Bundes nicht anders als in dem Rahmen nutzen können, in dem es angelegt ist.
Wenn auch bestimmte Erscheinungen zu verzeichnen sind - das sehe ich ja auch; in der Debatte befinden wir uns -, was beispielsweise den Betreuungsschlüssel in Kitas angeht, so werden wir eine Kita doch nicht etwa deshalb nicht reparieren bzw. nicht sanieren. Die Reparatur bzw. Sanierung ist doch schon für sich genommen eine wichtige Aufgabe. Wenn auch über den Betreuungsschlüssel noch diskutiert wird, so ist doch eine sanierte Kita allemal besser als eine nicht sanierte Kita, verehrte Frau Kaiser.
Die nächste Frage!
Die Arbeitsgruppe unterliegt keinerlei Tabus im Denken und Handeln. Aber ich sage noch einmal: Wichtig ist für mich, dass die Maßnahmen zügig und zielgenau umgesetzt werden; denn die Maßnahmen sollen in den anstehenden schwierigen Zeiten, die in diesem Jahr auf uns zukommen, stabilisierend wirken. Mein Hauptziel ist, dabei Arbeitsplätze zu sichern und zu er
halten. Das steht als Überschrift über unserem Handeln. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zeiten sind zweifelsohne ernst. Die internationalen Finanzmärkte sind in diesem Herbst in eine Krise geraten, wie sie die Welt seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Die Folge dieser Krise ist ein scharfer Wachstumseinbruch, ein qualitativ ganz anderer Wachstumseinbruch, als wir ihn in einem auslaufenden Konjunkturzyklus normalerweise hätten erwarten können. Die Weltwirtschaft steht mit Sicherheit vor der schwersten Bewährungsprobe seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die Krise macht um unser Land, um Brandenburg, selbstverständlich keinen Bogen; denn auch unsere Unternehmen agieren auf offenen Weltmärkten. Es ist deshalb logisch, dass unsere Wirtschaft von den konjunkturellen Folgen der internationalen Finanzkrise in Mitleidenschaft gezogen wird. Mitten hinein
in die besinnliche Vorweihnachtszeit müssen wir also am heutigen Nachmittag über ein Thema sprechen, das alles andere als erbaulich ist. Sie können sicher sein, auch mir wäre es lieber, heute eine andere Erklärung abgeben zu können bzw. dass eine solche nicht nötig gewesen wäre.
Die Politik steht in diesen Wochen und Monaten vor erheblichen Herausforderungen. In dieser Lage haben die Brandenburger ein Recht, zu erfahren, was ihre Landesregierung zur gegenwärtigen Krise sagt, und die Landesregierung hat die Pflicht, Orientierung zu geben. Die Bürger in unserem Lande wollen wissen, ob die Regierung in den kommenden Monaten mit Entschiedenheit an ihrer Seite steht, und sie wollen wissen, welchen Beitrag wir leisten, um die Konsequenzen der Krise abzufedern. In dieser Situation darf eine Regierung weder schweigen, noch darf sie schönfärben. Sie können sicher sein, wir werden weder das eine noch das andere tun.
Allerdings will ich auch gleich am Anfang sagen: Bangemachen gilt auch in einer solchen Situation nicht. Mit Bangemachen ist niemandem wirklich gedient. - 2009 wird nach allem, was absehbar ist, kein einfaches Jahr. Aber ob es gleich ein Jahr der durchweg schlechten Nachrichten wird, wie es die Kanzlerin angekündigt hat, bin ich mir nicht sicher. Ich glaube, eine solche generelle Ankündigung nimmt ein Stück zu viel Motivation und Zuversicht. Beides werden wir in diesem Jahr dringend brauchen, um die Herausforderungen gut meistern zu können.
Meine Damen und Herren! Unser gemeinsames Ziel darf nicht sein, diese Krise irgendwie zu überstehen. Unser Ziel muss es sein, mit neuen Chancen auf den Weg des Wachstums zurückzukehren. Mit dieser Art von Herausforderungen haben wir in unserem Land einige Erfahrungen. Jeder, der sich an die Situation von 1990 und die schweren Jahre danach erinnert, kann das - denke ich - bestätigen. Hier wurde länger gearbeitet als anderswo. Hier wurden weitere Wege zur Arbeit in Kauf genommen als anderswo. Wir haben nicht wenige Rückschläge erlitten und sind wieder aufgestanden. Das macht uns auch stärker, als wir in den Jahren vorher waren. Wir haben außerdem gelernt, dass andere auf dieser Welt auch nur mit Wasser kochen.
Ich glaube, wir haben keinen wirklichen Grund für Furcht oder Kleinmut, sondern wir haben in diesem Land auch gute Voraussetzungen, um die Krise zu meistern. Wir haben in Brandenburg in den vergangenen Jahren durchaus beträchtliche Erfolge erzielt. Wir haben in der Förderpolitik die Weichen richtig gestellt. Die Arbeitslosenzahl im Lande ist erheblich gesunken. Unsere Industrie ist wettbewerbsfähig und exportstark. Moderne Unternehmen haben in Brandenburg investiert und Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben inzwischen einen wirklich vitalen Mittelstand, und wir haben - im Vergleich gesehen - eine hervorragende Infrastruktur. Auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien sind wir weiter als die anderen Bundesländer. Wir sind dabei, unser Bildungssystem systematisch zu verbessern. Wir haben in den vergangenen Jahren den Landeshaushalt konsequent in Ordnung gebracht. Ich glaube, wir können mit Fug und Recht am Ende dieses Jahres sagen: Brandenburg ist zu einem Land im Vorwärtsgang geworden.
Wir haben vor vier, fünf Jahren auf die Erneuerung aus eigener Kraft gesetzt, und wir haben in Brandenburg alle zusammen gezeigt, dass diese Erneuerung aus eigener Kraft gelingen kann.
Daran haben viele mitgewirkt: unsere gut ausgebildeten, leistungsbereiten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aktive Unternehmer, tatkräftige Handwerker, Betriebsräte, Gewerkschaften, Verbände, engagierte Lehrer und Forscher in unserem Lande, Studenten, Schüler und Eltern und - nicht zu vergessen tatkräftige Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker aus allen demokratischen Parteien.
All das hat dazu beigetragen, dass sich in Brandenburg eine Kultur des Zusammenhalts entwickelt hat. Immer mehr Menschen haben erkannt: Wir sitzen in Brandenburg im selben Boot. Genau diese kollektive Einsicht macht durchaus eine Stärke unseres Landes deutlich. Das, was in Brandenburg an neuem Zusammenhalt entstanden ist, wird uns dabei helfen, die vor uns liegende schwierige Wegstrecke zu bewältigen.
Was genau liegt vor uns? - Meiner Ansicht nach lässt sich das gesamte Ausmaß, mit der sich die Volkswirtschaften der Welt auseinandersetzen müssen, gegenwärtig noch nicht einschätzen. Helmut Schmidt hat erklärt, wir hätten es mit einer Weltrezession zu tun. Diese weist einen Unterschied zu vergangenen Rezessionen auf: Wenn heute etwas geschieht, ereignet es sich per Internet ist man überall innerhalb einer Stunde informiert auf der ganzen Welt. Derjenige, der am Morgen die Börsennachrichten verfolgt, kann dies gut beobachten. Schließlich wird darauf geschaut, was einige Stunden zuvor auf der anderen Seite der Weltkugel geschehen ist.
Fakt ist: Bis die Finanzmärkte in geordneten Bahnen verlaufen, wird es noch längere Zeit dauern. Niemand kann seriös prognostizieren, wie drastisch die Rezession ist und wie lange sie andauern wird. Dennoch ist Angst niemals ein guter Berater. Was uns dabei klüger macht, sind die gesammelten eigenen Erfahrungen. Aus diesem Grund müssen wir darüber sprechen, was in Brandenburg als Nächstes zu tun ist, um die Krise so gut wie möglich zu bewältigen.
Der Erkenntnisgewinn mit Blick auf das große Ganze ist eindeutig. Die Rezession, die nun die Realwirtschaft erfasst, ist kein Naturereignis - dies sollten wir uns verdeutlichen -, sondern wurde von Menschen gemacht und ist das Resultat der Ideologie vollständig freier Märkte. Diese Ideologie hat sich aus meiner Sicht ein für allemal endgültig als untauglich erwiesen.
Was waren denn die Botschaften? - Die Botschaften der vergangenen Jahre lauteten immer gleich: Wirtschaft wird von der Wirtschaft betrieben! Staat, halt' dich heraus! - Dies hat - bis das dicke Ende kam - vor allem den Lehman Brothers dieser Welt genutzt. Sie haben uns immer wieder erklären wollen, wie Wirtschaft tatsächlich funktioniert. Jetzt, in der Krise sind sie jedoch kleinlaut geworden. Sie sind fast nicht mehr zu vernehmen. Die Folgen ihres Handelns sind jedoch dramatisch und müssen von anderen ausgebadet werden.
Von unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern erwarten wir allenthalben und überall ganz selbstverständlich Vernunft, Anstand und Verantwortungsgefühl. In einigen der Etagen der Lehman Brothers dieser Welt wurden jedoch die Worte Vernunft, Anstand und Verantwortungsgefühl in den vergangenen Jahren zu Fremdwörtern. Die Bürger haben nicht zu Unrecht das Gefühl - das hört man von früh bis spät an allen Ecken des Landes -, die Zeche zahlen zu müssen. Dies macht sie wütend, was sehr verständlich ist.
Die Finanzkrise zeigt, was geschieht, wenn Geld versucht, die Welt zu regieren, und wenn der ungehemmte Wettbewerb sowie die Ideologie der rücksichtslosen Gewinnmaximierung herrschen. Die Herrschaft der marktradikalen Ideologie ist mit lautem Knall zu Ende gegangen. Ich wünsche mir, dass sie nie wiederkehrt.
Diese Ideologie führte dazu, dass den Bürgern in Amerika - ohne Rücksicht auf deren Leistungsfähigkeit - bis vor kurzem komplett kreditfinanzierte Hauskäufe - natürlich mit Blick auf damit verbundene Provisionen für die Kreditvermittler - aufgeschwatzt wurden. Diese Ideologie führte dazu, dass im Bankgeschäft Eigenkapitalrenditen in Höhe von bis zu 25 % die normale Messlatte des Geschäftserfolgs wurden, auch wenn Volkswirtschaften zugleich nur um 2 bis 3 % gewachsen sind. Diese Ideologie führte auch dazu, dass Bankmanager vor allem dann erfolgsorientierte Bonuszahlungen erhalten haben, wenn sie besonders waghalsige, kurzsichtige und abstrakte Geschäfte abgeschlossen haben.
In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten haben viele Investorengruppen ausgesprochen ruppig - völlig unbeeindruckt von den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - agiert. Ich erinnere nur an die McKenzies dieser Welt: Egal, wohin sie kamen, wurde stets davon gesprochen, 10 % Rendite reiche nicht aus, schließlich könne man auch 20 % herausholen. - Dies haben wir in unserem Land leider erleben müssen. Hier sei an den Verkauf von Grohe in Herzberg erinnert. Dort reichten 15 % Rendite angeblich nicht aus, weil man auch 20 % hätte bekommen können.
Diese Ideologie führte auch dazu, dass sich in Deutschland der Kapitalmarkt auf extrem komplizierte Finanzprodukte wie Zertifikate stürzte, deren Funktionsweise - wie wir heute wissen nicht einmal die damit handelnden Banker verstanden und durchschaut haben. Sie haben Anlageempfehlungen ausgesprochen, für die sich ein ehrlicher Kaufmann hätte schämen müssen. Jedoch gehört zur Ehrlichkeit der Situationseinschätzung dies muss klar sein -, dass Käufer den Zusammenhang von hoher Renditeerwartung und hohem Risiko zu leichtfertig verdrängt haben. Schließlich können gierige Banker nur erfolgreich sein, wenn gierige Kunden vorhanden sind - dies muss so deutlich gesagt werden -, denn sonst würde das System nicht funktionieren.
Die Konsequenz aus all dem ist heute unübersehbar. Wir befinden uns - ich denke, mit der Aussage greift man nicht zu hoch mitten in einem epochalen Umbruch. Ein Zurück zur alten Tagesordnung des zügellosen Kapitalismus wird es nicht geben. Es ist die Zeit des Neubeginns, es ist auch die Zeit des neuen Denkens. Aus dem Kollaps eines Finanzsystems, das Altbundeskanzler Helmut Schmidt zutreffend als Raubtierkapitalismus bezeichnet, müssen wir nun - das ist unsere Pflicht - die richtigen, zukunftsträchtigen Schlüsse ziehen. Helmut Schmidt schreibt in seinem jüngsten Buch:
„Keine Marktwirtschaft und kein Markt schafft automatisch Marktordnung, Wettbewerbsordnung und soziale Gerechtigkeit. Überall muss die Regierung für Ordnung sorgen, nirgendwo kommt Ordnung von selbst.“
„Nirgendwo kommt Ordnung von selbst.“ - Diese grundlegende Einsicht haben die Anhänger der Deregulierung in den ver
gangenen Jahren systematisch verdrängt und vergessen. Ich wünsche mir und uns allen, dass sie aus den Erfahrungen der vergangenen Wochen und Monate neue Schlüsse ziehen.
An dieser Stelle möchte ich jedoch davor warnen, der Versuchung nachzugeben, das Kind jetzt - weil die Situation ist, wie sie ist - mit dem Bade auszuschütten. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass in diesen Tagen an einigen Stellen auch klammheimliche Freude - zum Teil offen ausgelebte Freude - über den Ausbruch der Krise herrscht. Da und dort erhoffen sich einige, dass an die Stelle der marktwirtschaftlichen Ordnung nun doch wieder eine Form des real-staatssozialistischen Systems treten könnte.
Wir müssen uns bewusst machen, dass es Marktideologen und absoluten Verstaatlichungsideologen um etwas anderes geht: Es geht inzwischen längst um das Rechtbehalten.
Es geht darum, Recht zu behalten, statt um das Wohlergehen wirklicher Menschen aus Fleisch und Blut. Beide Seiten verkünden sogenannte ewige Einsichten, ewige Wahrheiten, was einen immer skeptisch machen sollte, wenn so etwas verkündet wird. Wenn dann verheerende Folgen eintreten - das haben wir auf dieser Welt mehrfach erlebt und erleben es jetzt gerade wieder -, erklären sie sich für deren Eintreten für restlos unzuständig; damit haben sie nichts zu tun bzw. haben es nicht gewollt.
So leicht darf und wird es sich diese Landesregierung nicht machen. So leicht werde ich es mir auch selber nicht machen. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die wir für die Bürger dieses Landes tragen. Darum müssen wir gründlich, sehr gründlich hinsehen und die Konsequenzen unseres Handelns so gut wie irgend möglich ab- und einschätzen.
Das, was wir heute wissen, ist: Unrettbar in die Krise geraten ist eine bestimmte Form von regellosem Kapitalismus. Ich sage genauso klar: In der Krise steckt ausdrücklich nicht das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. In die Krise geraten ist auch nicht das Prinzip eines sozial verantwortlichen Unternehmertums, das glücklicherweise auch bei uns im Land Brandenburg breit vertreten ist. Im Gegenteil, das sozial verantwortliche Unternehmertum werden wir in den kommenden Jahren dringend brauchen, um die Fehlentwicklungen in der vergangenen Zeit zu korrigieren. Denn eines steht, glaube ich, für uns alle fest: Der Markt darf kein Selbstzweck sein, er darf kein Ort sein, an dem sich Rücksichtslose durchsetzen können. Wirtschaft ist nicht alles, und eine Wirtschaft, die nicht den Menschen dient, hat schlicht und einfach ihre Bedeutung, ihre wirkliche Bestimmung verfehlt.
Die richtige Antwort auf die jetzige Entwicklung liegt aber in der Luft, wir können sie spüren; man hat sie im Bauch, aber auch im Kopf. Das Soziale und das Demokratische sind die Richtschnüre für die künftige Entwicklung, für unser Handeln. Sozial und demokratisch muss unsere Gesellschaft organisiert und geführt werden, sonst funktioniert sie nicht, meine Damen und Herren. Das haben die letzten Jahre ganz klar gezeigt.
Ich bin mir sicher, das gilt für unser Land, das gilt für Europa, das gilt für die ganze Welt.
Wir brauchen künftig eine wirksame Kontrolle auf den Finanzmärkten. Das heißt, alle Bankrisiken müssen transparent werden. Selbstverständlich wird es viele Geschäfte nicht ohne Risiko geben. Die Frage ist, ob diese Risiken auch transparent erkennbar dargestellt werden. Die nationale und die europäische Aufsicht müssen gestärkt werden. Wir sollten - ich halte das für dringend überfällig - wirklich eine internationale Bankenaufsicht schaffen. Rating-Agenturen müssen strengen Standards und Maßstäben unterworfen und schärfer kontrolliert werden.
Man muss sich mal überlegen, dass Rating-Agenturen eingerichtet wurden, um Wirtschaftsabläufe sicher zu machen, um zu sagen, wenn einer mit dreimal A geratet ist, kann man vertrauen. Genau sie waren mit die Achillesferse für die Entwicklung, weil vorwiegend Einrichtungen gegen die Wand gefahren sind, die dreimal A geratet waren.
Es muss verboten werden, riskante Finanzprodukte zu verkaufen, ohne die Risiken selbst abzusichern. Meinetwegen soll jemand solche Produkte herstellen und verkaufen, aber er muss die Risiken bei sich absichern und darf sie nicht neben die Bilanz stellen. Auch das haben wir massenweise gehabt. Ich bin auch der festen Überzeugung - auch wenn das mancher als einen schönen Sport sieht -, spekulative Leerverkäufe sollten schlicht und einfach verboten werden, nicht konditioniert, sondern einfach verboten werden, meine Damen und Herren.
Neben einem regulierten Finanzmarkt brauchen wir einen vorsorgenden Sozialstaat, einen Sozialstaat, der systematisch in die Fähigkeiten der Menschen investiert, ihnen aber zugleich auch verlässlichen Schutz bietet. Das alles sind Konsequenzen, die wir aus der Krise ziehen müssen.
Lassen Sie mich zur deutschen und auch zur brandenburgischen Sicht kommen. Nicht nur - auch das gehört zur Komplexität, aber auch zur Ehrlichkeit - amerikanische Banken, auch deutsche Banken haben in den vergangenen Jahren erhebliche Fehler gemacht. Risiken sind falsch eingeschätzt worden oder wurden übersehen. Das Vertrauen in die Branche hat erheblich gelitten. Nur 22 % der in einer Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Banken Befragten haben gesagt, dass ihr Vertrauen in die Banken in den letzten Monaten nicht gelitten habe - nur noch 22 %. Es muss also den Banken auch daran gelegen sein, Vertrauen zurückzuerlangen.
Es ist nicht einfach, den Menschen zu erklären, warum nun ausgerechnet für Banken über Nacht milliardenschwere Rettungspakete geschnürt worden sind, für Banken, die in den vergangenen Jahren Milliardengewinne gemacht haben. Das fällt schwer zu erklären, und das wird uns weiter schwerfallen zu erklären, meine Damen und Herren.
Aber wem auch immer wir die Verantwortung zuweisen, wir alle, die gesamte Volkswirtschaft können auf Banken und auf Finanzmärkte nicht verzichten. Ich glaube, das hat sich auch bei allen hinreichend verklart. Sie versorgen Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger mit Kapital, sie stellen Spar- und Anlageformen auch für die Alterssicherung bereit; letztlich sind sie der Blutkreislauf des Wirtschaftssystems. Das muss man sich auch in dieser schwierigen Situation klarmachen. Wenn der nicht mehr funktioniert, ist der Organismus am Ende. Es geht ohne Banken nicht.
Das Rettungspaket ist deshalb nicht für Banker gemacht, sondern es ist für die Volkswirtschaft gemacht und eben auch für viele kleine, mittlere und große Unternehmen und für Sparerinnen und Sparer. Dafür ist das Rettungspaket gemacht. Die Alternative wäre gewesen, Montag früh um 9 vor der Bank zu stehen und keinen Pfennig Geld mehr ausgezahlt zu kriegen, weil alles weg ist.
Wir werden allerdings in Zukunft auf die Seriosität der Banken genauer achten müssen. Vertrauen können sich die Banken zurückerwerben, wenn sie ihrer Aufgabe wieder nachkommen, nämlich, schlicht und einfach die Wirtschaft mit Darlehen zu bedienen.
Wir hören mittlerweile von Wirtschaftsvertretern, Kammern und Unternehmern Bedenkliches genau in dieser Frage und in dieser Richtung. Geldinstitute sind zurückhaltend, der Interbankenverkehr funktioniert immer noch nicht, und es werden zu wenig Kredite vergeben. So tragen aus meiner Sicht die Banken momentan dazu bei, die Realwirtschaft noch zusätzlich in Bedrängnis zu bringen. Die Kanzlerin hat mit ihrer Kritik Recht:
„Erst hat die Regierung die Banken mit einem Rettungspaket gestützt, jetzt kommen sie ihrer Aufgabe nicht nach.“
Ich möchte auch von hier aus noch einmal an alle Banken, auch an die Banken in unserem Land, sehr deutlich appellieren: Leisten Sie Ihren Beitrag in dieser komplizierten Situation, leisten Sie Ihren Beitrag zum Gemeinwohl, und kommen Sie Ihrer Aufgabe nach, stärken Sie der Wirtschaft vor Ort den Rücken! Die Wirtschaft braucht es gerade jetzt, meine Damen und Herren.
Vertreter der Deutschen Bank haben vor wenigen Stunden genau dies zugesagt. Darüber bin ich froh. Mir wurde auch gesagt, man habe aus den Fehlern, die auch diese große Bank Anfang des Jahrzehnts gemacht habe, unter anderem der Rückzug aus der Fläche - das muss man ja auch mal klar sagen -, gelernt und wolle ihn nicht wiederholen.
Lassen Sie mich ein Wort zu den Sparkassen sagen. Die Sparkassen zeichnen sich auch in diesen Zeiten als verlässliche Partner gerade der mittelständischen Wirtschaft aus. Sie werden als kommunal verankerte Kreditinstitute ihrer Verantwortung in der Region gerecht, sie kümmern sich um die Region, damit die Menschen etwas davon haben. Wir sehen heute sehr deutlich, dass das deutsche Bankenmodell mit starken Sparkassen und Genossenschaftsbanken ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der Finanzkrise in unserem Land ist. Wir sollten daran auch nicht mehr rütteln lassen, meine Damen und Herren.
Die Stabilisierung des Geldkreislaufs ist unser wichtigstes Instrument, um die Wirtschaft insgesamt durch die Krise zu führen. Das Erfolgskriterium kann man ganz klar beschreiben, Vizekanzler Steinmeier hat es mit drei Begriffen beschrieben: Beschäftigung, Beschäftigung, Beschäftigung.
Das Maßnahmenpaket des Bundes, Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung, soll in diesem Sinne Impulse für
Investitionen geben. Es geht darum, mit gezielten Förderungen Unternehmen, Kommunen, aber auch Privathaushalte zu Investitionen in Höhe von rund 25 Milliarden Euro anzuregen.
Ich verhehle auch nicht, dass man sich vortrefflich darüber streiten kann, ob die verbesserte Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen und eine zeitlich befristete Kfz-Steuerbefreiung wirklich so wirkungsvoll, so impulsgebend sind oder einfach an manchen Stellen auch nur Mitnahmeeffekte auslösen. Vielleicht hätte man sinnvollerweise eine Verschrottungsprämie für Autos einführen sollen. Auch die Debatte ist ja gelaufen und läuft weiter. Aber, meine Damen und Herren, das ist schon ein bisschen Beckmesserei; das sehe ich auch ein. Das Paket bleibt trotzdem ein richtiges Signal in dieser Zeit. Deshalb haben wir im Bundesrat auch zugestimmt.
Unser Beitrag - der brandenburgische Beitrag - zu diesem Impulspaket für die Periode bis 2012/13 beläuft sich dabei - auch das darf man nicht verschweigen - auf ca. 250 Millionen Euro. Das ist für uns kein kleiner Betrag. Das will ich ganz klar sagen. 250 Millionen Euro ist, wie ich denke, an der Stelle richtig eingesetztes Geld. Lassen Sie mich, wenn wir bei den Finanzen sind, auf das schöne, viel diskutierte Thema - wir werden Weihnachten auch noch Emotionen erleben - Steuern eingehen.
Ich sage hier ganz klar: Ich bin gegen Konsumgutscheine, weil ich glaube, dass sie eher Strohfeuer auslösen. Man muss nur einmal Einzelhändler fragen, wie das Handling sein sollte: Wenn ein 500-Euro-Schein mit 200 Euro Zuzahlung nicht komplett eingelöst wird, sondern nur 320 Euro mit 124 Euro Zuzahlung eingelöst werden, wie soll man dann zum nächsten gehen? Ich halte nichts davon.
Ich halte aber auch nichts davon, wenn der Staat heute auf Steuereinnahmen verzichten soll. Wir werden gerade in den nächsten ein, zwei Jahren dringend einen handlungsfähigen Staat brauchen. Man kann sagen: So wertvoll war er selten. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, und ein handlungsfähiger Staat muss konzentriert und aktiv agieren können. Dieses Geld würde uns für wichtige Investitionen an vielen Stellen fehlen, würde aber bei nicht wenigen nur zur Erhöhung der Sparquote führen. Auch das muss man ganz nüchtern sagen.
Dieser Entlastungseffekt würde sich mit Sicherheit auch nur auf einen Teil der Bevölkerung konzentrieren. Rentner, einkommensschwache Familien, Familien mit Kindern würden davon am wenigsten profitieren. Sie wären diejenigen, die das Geld als erste ausgeben und in den Kreislauf bringen würden. Deshalb halte ich diese Idee nicht für eine wirklich zielführende.
Viel besser kann das Geld am Markt wirken, wenn wir damit wirklich nachhaltige Investitionen tätigen. Ich glaube aber nicht, dass es unbedingt vieler neuer Programme bedarf. Wir sollten die vorhandenen Strukturen nutzen und Finanzmittel gezielt einbringen. Das Erfinden komplett neuer Programme würde zu viel Zeit verstreichen lassen, die wir im Moment nicht haben.
Meine Damen und Herren, wir bereiten uns im Moment auf eine Marktschwäche vor, die Brandenburg erst in einigen Monaten wahrscheinlich mit voller Kraft erreichen wird. Dann müssen Maßnahmen laufen. Dann dürfen wir nicht mehr in der Fin
dungs- oder Erfindungsphase sein. Deshalb sollten wir - auch das halte ich für zeitgemäß - bei den gesetzten Prioritäten bleiben: Bildung, Wissenschaft, Klimaschutz, Energieeffizienz und Infrastruktur.
Die Neuausrichtung unserer Förderpolitik - das Stichwort lautet regionale Wachstumskerne - hat uns deutlich vorangebracht und hat sich bewährt. Wir müssen aus meiner Sicht angesichts der Herausforderungen der Krise nicht weniger, sondern noch stärker auf Zukunftsbranchen setzen.
Ich bin überzeugt: Mit Investitionen in Energieeffizienztechnologien, in erneuerbare Energien, in Recycling und Abfallwirtschaftstechnologien, aber auch in Mobilität und Verkehrstechnologien werden wir die Märkte der Zukunft erobern. Wenn wir schon die Krise haben, sollten wir sie so nutzen, dass wir danach besser aufgestellt sind als vorher, weil es ein Leben nach der Krise geben wird. Wir sollten heute Investitionen tätigen, die keine Strohfeuer entfachen, sondern durch die wir danach besser aufgestellt sein werden.
In einigen Bereichen, zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien oder auch der CO2-Abscheidungstechnologie, sind wir heute schon - das gilt europa- und teilweise weltweit - ganz vorn. Das müssen wir aufbauen.
Außerdem kommt es uns zugute, konsequent auf den Aufbau einer leistungsstarken Wissenschaftslandschaft gesetzt zu haben: Innovation, neue Technologien, wirtschaftliche Entwicklung brauchen Wissenschaft. Hier beginnen wir nicht bei null. Bereits in den vergangenen Jahren haben wir auf den Schwerpunkt Energieforschung und Förderung der Energietechnologie gesetzt.
Lassen Sie mich nur das Verbundprojekt Geoenergie nennen, in dem die Forschungskompetenzen der BTU, des GFZ und der Universität Potsdam gebündelt sind. Auch die in Brandenburg geschaffene Klimaplattform als bundesweit derzeit einmaliges Netzwerk von Forschungseinrichtungen und Hochschulen ist ein herausragendes Beispiel für zukunftsorientierte Forschung.
Ich möchte mit diesen wenigen Beispielen nur zeigen: Wir tun, was in unserer Kraft steht. Unsere Kraft ist nicht unendlich groß. Wir sind kein großes Land. Dazu gehört alles. Dazu gehört vor allem, weiterhin in die Zukunft unseres Landes zu investieren. Ich finde, es ist keine Nebenbemerkung, wenn wir feststellen, dass im nächsten Jahr in unserem Landeshaushalt 1,8 Milliarden Euro für Investitionen bereitstehen. 1,8 Milliarden Euro! Das ist pro Kopf gerechnet - das sind ungefähr 700 Euro pro Bürger - mehr als in den meisten Ländern der Bundesrepublik - deutlich mehr, wie man an dieser Stelle sagen muss.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Stärken in unserem Land. Jetzt müssen wir diese Stärken mobilisieren. Wir haben ein Investitionspaket geschnürt. Jetzt müssen wir es umsetzen. Die Landesregierung hat unter Federführung von Ulrich Junghanns gemeinsam mit der Investitionsbank bereits konkrete Sofortmaßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft auf den Tisch gelegt. Die Maßnahmen beinhalten erstens ein Sonderkreditprogramm zur Liquiditätssicherung auf der Basis des von der ILB des Landes angebote
nen Brandenburg-Kredits. Es geht uns darum, den Unternehmen zu helfen, Gesamtfinanzierungen für Investitionsvorhaben darzustellen. Deshalb wird die ILB Hausbanken bei der Investitionssicherung unterstützen.
Zweitens: Globaldarlehen und Einzelfinanzierung zur Investitionssicherung. Die Investitionsbank wird das Bürgschaftsinstrumentarium zur Überbrückung von Finanzierungsengpässen bei Betriebsmitteln und Anschlussfinanzierung verstärken.
Drittens: Die Bereitstellung von Risikokapital und Nachrangdarlehen zur wichtigen Eigenkapitalstärkung der brandenburgischen Unternehmen.
Viertens: Ein Darlehensprogramm für Klimaschutz und Infrastrukturinvestitionen.
Diese vier Maßnahmen haben ein Volumen von 400 Millionen Euro. Ich will an dieser Stelle sagen: Es ist gut, dass wir die ILB - das ist nicht überall, nicht in jedem Bundesland derzeit so - als verlässlichen, vertrauenswürdigen Partner an unserer Seite haben.
Dies waren erste Schritte. Weitere werden folgen. Wir haben unter Leitung des Chefs der Staatskanzlei dazu eine Arbeitsgruppe gebildet. Ich sage aber noch einmal: Es geht nicht um Aktionismus. Diese Arbeitsgruppe wird länger arbeiten müssen, denn die Wirkungen der Krise, die heute noch nicht alle absehbar sind, werden uns länger begleiten. Es wird leider nicht in wenigen Wochen oder Monaten vorbei sein.
Wir wollen unsere Erkenntnisse und Analysen - auch die der anderen Bundesländer und der Bundesregierung - zusammenbringen und ausarbeiten, wo und wie wir sinnvoll wirtschaftsund beschäftigungspolitisch Maßnahmen auf den Weg bringen können. Wir ziehen geplante Investitionsvorhaben des Landes zeitlich vor und beschleunigen die Planungsarbeiten. Anfang Dezember hat das Kabinett 25 prioritäre Maßnahmen in den regionalen Wachstumskernen beschlossen. Wir haben hier - auch das ist nötig, wenn man Wirkungen erreichen will - einen ausreichenden Vorrat an umsetzungsreifen Vorhaben. Das sind die bereits in den Vorjahren beschlossenen, aber noch nicht fertigen Maßnahmen. Wir werden nach Wegen suchen, die Umsetzung nochmals zu beschleunigen.
Wir werden übrigens auch darauf drängen, dass es der Bund bei seinen Investitionen in Brandenburg genauso macht. Solche Projekte sind zum Beispiel der Neubau des Schiffshebewerks Niederfinow oder der lang ersehnte und nun endlich kommende Ausbau der Zugstrecke Berlin-Cottbus. Außerdem erhalten wir in den nächsten zwei Jahren 54 Millionen Euro extra für den Bau und die Erhaltung von Bundesfernstraßen - auch kein kleiner Betrag, der auch erst einmal sinnvoll umgesetzt werden muss.
Wir werden uns verstärkt um Investitionen in Schulgebäude, Kindertagesstätten und Schulsportstätten kümmern. Nach wie vor gibt es solche Gebäude, die in einem deutlich sanierungsbedürftigen Zustand sind. Nach allem, was man hört, wird der Bund ein Schulsanierungsprogramm über mehrere Jahre auflegen. Das werden wir, wenn es denn kommt, kofinanzieren. Das Gleiche gilt für das Programm zur energetischen Gebäudesanierung. Sollte dieses Bundesprogramm wider Erwarten nicht zustande kommen, werden wir die Neuauflage des Landespro
gramms zur Förderung von Investitionen in Schulgebäude und Schulsportstätten anpacken.
Für ländliche Räume prüfen wir derzeit die Möglichkeit, bereits vorhandene Programmmittel aus ELER zusätzlich für Investitionen in Kindertagesstätten zu nutzen.
Wir werden auch die Breitbandstruktur ausbauen. Breitbandversorgung ist heutzutage eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wachstum und Arbeitsplätze. Es ist so etwas wie eine infrastrukturelle Lebensader, genauso wie Straßen und Stromleitungen. Die Versorgung in unserem Land ist noch nicht flächendeckend. Wir haben uns deshalb zum Ziel gesetzt, die weißen Flecken auf der Landkarte bis Ende 2009 im Wesentlichen zu beseitigen.
Das ist technisch realistisch. Durch den in Brandenburg bereits abgeschlossenen Umstieg auf die digitale Verbreitung des Antennenfernsehens sind Frequenzen frei geworden. Diese werden den Aufbau von Breitbandinternet in ländlichen Regionen wesentlich erleichtern. Die Landesregierung wird dabei auch die Sendemasten zur Verfügung stellen, die für den digitalen Polizeifunk errichtet werden.
Wir werden sicherstellen, dass das Konjunkturprogramm und andere aktuelle Investitionsprogramme des Bundes wie das Klimaschutzprogramm gänzlich ausgeschöpft werden. Das gilt auch für europäische Programme. Wir werden alles dafür tun auch das ist nicht nur eine Fußnote -, dass die Förderprogramme des Bundes, des Landes, aber gerade auch die der EU noch besser in Brandenburg ankommen. Dazu gehört aber auch, dass die EU in Brüssel jetzt wirklich ernst macht, endlich ernst macht - die Zeichen stehen gut -, und ihre Verfahren vereinfacht und beschleunigt. Da hat sich etwas eingeschwungen, was einfach aus guten Zeiten heraus viel zu lange dauert und viel zu undurchsichtig ist. Wir werden auch unsere eigene Öffentlichkeitsarbeit zu den Förderprogrammen deutlich verbessern.
Ich mache immer wieder die Erfahrung, dass manches Programm in den Kommunen, aber auch bei Unternehmen und gerade bei Bürgern unbekannt ist. Auch wenn sie dem Titel nach bekannt sind, kommen sie nicht zur Anwendung, weil sie schlicht und ergreifend für den Alltag zu umständlich angelegt sind.
Wir wollen, dass Unternehmer auch in dieser schwierigen Zeit weiterhin in unserem Lande investieren; wir konnten ja gerade eine große Investition in Höhe von 630 Millionen Euro in Eisenhüttenstadt begrüßen. Deshalb garantieren wir, dass die förderfähigen GA-Anträge aus dem Landeshaushalt kofinanziert werden. Wir werden die Verwaltungsverfahren der Landesbehörden beschleunigen.
Lassen Sie mich zu einem weiteren Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt, einige Sätze sagen: Arbeitsplätze und deren Sicherung. Wir werben für Qualifizieren statt Entlassen und arbeiten an einem entsprechenden Programm. Das heißt, dass die Zeit der Kurzarbeit von Unternehmen und Mitarbei
tern für Fort- und Weiterbildung genutzt werden soll. Mir ist es wichtig, dass sich sowohl Unternehmen als auch Gewerkschaften und Betriebsräte Folgendes deutlich vor Augen halten: Ohne qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es keine wettbewerbsfähigen Unternehmen. Wer Fachkräfte jetzt gehen lässt, wird ein großes Problem dabei haben, sie später wiederzubekommen. Nach dem Abschwung kommt der Aufschwung. So funktioniert die Marktwirtschaft. Das sollten wir nicht aus den Augen lassen.
Damit meine ich Qualifizierung nicht nur unmittelbar arbeitsplatzbezogen. Nicht nur für die Beschäftigten in unseren Unternehmen ist Weiterbildung wichtig, sondern wir brauchen auch an sich gebildete Bürger. Wir brauchen Bürger, die ihr Wissen immer wieder aktualisieren und erweitern. Deshalb prüfen wir auch die Förderung für arbeitsplatzunabhängige Qualifizierung. Ich habe die Arbeitsministerin gebeten, mit der Bundesregierung nach Möglichkeiten zu suchen, zur Vermeidung von Entlassungen und Kurzarbeit auch in kleinen und kleinsten Betrieben so etwas realistisch nutzbar zu machen. Dort sind nämlich noch viele Barrieren, sodass man vor diesem Instrument noch zurückschreckt.
Es ist gut, dass im Rahmen des kommenden Konjunkturpakets des Bundes über weitere positive Veränderungen beim Kurzarbeitergeld nachgedacht wird. Im ersten Paket ist die Bezugsdauer auf 18 Monate verlängert worden. Das war ein sinnvoller, ein richtiger Schritt, der auch ein ganzes Stück Sicherheit für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit sich bringt. Aber ich denke, das war nur ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen; denn das Kurzarbeitergeld ist eine gute, eine wichtige Brücke zwischen konjunkturschwachen und -starken Phasen, eine Brücke, um Entlassungen vermeiden zu können. Manchem Arbeitgeber, gerade den kleineren, wäre schon geholfen, wenn er bei den von ihm zu tragenden Sozialversicherungsbeiträgen Unterstützung fände. Das werden wir mit der Bundesregierung auch bereden.
Lassen Sie mich noch zu einem anderen Stichwort ein paar Sätze sagen: ländlicher Raum. Die EU hat bekanntlich die schrittweise Kürzung von Agrardirektbeihilfen für landwirtschaftliche Betriebe beschlossen. Diese zusätzliche Kürzung der Direktzahlungen in Höhe von 4 % für unsere Großbetriebe ist eine wahrlich bittere Pille und bedeutet gleichzeitig einen Paradigmenwechsel. Auch nach 2013 - da müssen wir realistisch sein - sind weitere einschneidende Veränderungen im Agrarbereich zu erwarten. Deshalb müssen wir auch unsere Arbeitgeber im ländlichen Raum unterstützen, sodass unsere Betriebe wettbewerbsfähig bleiben und die Arbeitsplätze gesichert werden. Dabei müssen wir uns auch den neuen Herausforderungen, Klimawandel, Wassermanagement und Erhalt der biologischen Vielfalt, selbstverständlich stellen. Wir wollen deshalb die Modulationsmittel so einsetzen, dass wir beide Aufgaben erfüllen und die Investitionen insbesondere in landwirtschaftliche Betriebe unterstützen.
Neben den Einzelmaßnahmen müssen wir uns übergreifend auch auf das besinnen, was man so schön „unternehmerische Verantwortung“ nennt. Marktwirtschaft braucht Menschen, die im Wortsinn etwas unternehmen, Menschen, die Ideen, den Mut und die Risikobereitschaft haben, das umsetzen zu wollen, und die nicht bei Rückschlägen sofort aufstecken. Solche Menschen brauchen wir in allen Lebensbereichen, vor allem und gerade in der Wirtschaft. Ich weiß sehr gut, dass wir in Bran
denburg sehr viele sehr verantwortungsvolle Unternehmer haben, und zwar insbesondere im Mittelstand. Sie haben mit ihrer Leistung den Löwenanteil am Aufschwung der vergangenen Jahre erarbeitet. Brandenburg baut jetzt auf ihre Kraft.
Was muss man aber konkret noch dazu sagen? Verantwortungsvolle Unternehmer trennen sich nicht vorschnell von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wenn es wirtschaftlich schwierig wird, und schon gar nicht in Zeiten großen Fachkräftebedarfs. In Betrieben herrscht nicht selten auf beiden Seiten auch Verständnis füreinander. Die Unternehmer wissen, dass sie auf ihre Mitarbeiter angewiesen sind, und umgekehrt.
Einige Unternehmen haben in den vergangenen Wochen Kurzarbeit anmelden müssen. Besonders hart betroffen sind bekanntlich die Automobil- und die Automobilzulieferbranche, aber auch Große in Brandenburg wie ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt und Mercedes-Benz in Ludwigsfelde. Ich weiß sehr gut, dass es sich keine der Geschäftsführungen mit diesem Schritt leicht gemacht hat. Ich habe unternehmerische Entscheidungen dieser Art auch niemandem abzunehmen. Aber meine Empfehlung möchte ich auch an diesem Nachmittag noch einmal klar und deutlich aussprechen, und zwar adressiert auch und gerade an solche großen Unternehmen: Halten Sie Ihre Fachkräfte auch in Krisenzeiten! Sie werden Sie in Bälde dringend wieder brauchen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die gegenwärtige Krise ereilt Brandenburg - man kann wahrscheinlich sagen: ganz Ostdeutschland - in einer ungünstigen Situation. Sie trifft viele Menschen in einer Situation, in der sie gerade begonnen hatten, Vertrauen zu fassen und Boden unter die Füße zu bekommen. Hunderttausende Brandenburgerinnen und Brandenburger haben sich in den vergangenen Jahren aus den gröbsten Schwierigkeiten der Nachwendezeit herausgearbeitet. Viele haben erst vor kurzem einen neuen Arbeitsplatz und damit Zukunft und Perspektive gefunden, eine Familie gegründet, ein Eigenheim erworben oder ein Auto gekauft - und das alles in Verhältnissen, die noch nicht gefestigt sind. Darum ist die Sorge gerade vieler Menschen in Ostdeutschland groß, dies alles könnte jetzt wieder bedroht sein. Umso größer sind ihre Erwartungen an Staat und Politik. Umso größer sind ihre Befürchtungen in der Krise, erneut ins Hintertreffen zu geraten. Umso labiler ist die Stimmung hier im Osten. Ein Land, zwei Gesellschaften: Die neueste Untersuchung des Sozialwissenschaftlers Wilhelm Heitmeyer hat soeben erst gezeigt, wie verbreitet dieses Lebensgefühl auch fast zwei Jahrzehnte nach der deutschen Vereinigung immer noch ist.