Protokoll der Sitzung vom 12.12.2007

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich die Rentner wieder mehr in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken. Im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung stehen wir vor der Herausforderung, älteren Menschen, die der Hilfe bedürfen, nicht nur Plätze in Altenheimen anzubieten, sondern neue Wohnformen zu schaffen, die eher einem häuslichen Umfeld entsprechen. Die seniorenpolitischen Leitlinien sehen das auch vor.

Wie schwierig sich der Prozess der Umsetzung gestalten kann, erleben wir. Die Reform der Pflegeversicherung soll dazu beitragen, die Pflege im Alter zu verbessern. Das Geld, das in Form von Pflegeversicherungsbeiträgen entrichtet wird, soll bei den Menschen ankommen, die der Pflege bedürfen. Was wir nicht brauchen, ist zusätzliche Bürokratie, die eher behindert als hilft.

Auch dieser Diskussionsprozess wird weiterzuführen sein. Die Gesamtdiskussion um soziale Gerechtigkeit und um soziale Notwendigkeiten wird uns immer wieder vor neue Herausforderungen stellen. Es ist ein Prozess, der nie abgeschlossen sein wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. - Das Wort erhält die Abgeordnete Wöllert.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Schlagzeile, die kurz vor unserer Sitzung vor der Sommerpause grassierte. „Louis und Luna sind vom warmen Schulessen ausgeschlossen.“, und „Eine Lösung für die achtjährige Luna und ihren zehnjährigen Bruder Louis ist nicht in Sicht.“, hieß es in einer Sendung. Das war der Ausgangspunkt für unseren Antrag „Gesundes Mittagessen für Kinder“.

Es gab aufseiten der Koalitionsfraktionen für diesen Antrag wenig Verständnis. Frau Dr. Münch - jetzt ist sie leider gerade hinausgegangen - stellte fest:

„Ich kann nicht akzeptieren, dass Sie Geschichten dahin gehend zitieren, Kinder hätten kein Geld zum Essen.“

An anderer Stelle, als es um die Verdopplung der Zahl übergewichtiger und adipöser Kinder zwischen Einschulung und Beendigung der Sekundarstufe I ging, sagte sie, wir wissen nicht, was in den zehn Jahren passiert ist. Aber sie wusste dann wieder ganz genau, welche Lösung nicht infrage kommt. Ich zitiere sie noch einmal:

„Wir wissen lediglich, dass es nicht die Lösung sein kann, ein kostenloses Schulmittagessen zur Verfügung zu stellen.“

Liebe Kollegin - vielleicht übermitteln Sie es Ihrer Kollegin Dr. Münch, aber ich habe das ja auch aus der Fraktion der SPD genauso wie aus der Fraktion der CDU so vernommen -: Der Lernprozess, der seit dem Sommer bei Ihnen stattgefunden hat, ist äußerst erfreulich; denn am 7. Dezember erklärte Frau Dr. Münch in ihrer Pressemitteilung:

„Es ist unerträglich, dass viele Schülerinnen und Schüler mit leerem Magen die Schulbank drücken...“

Sie sage weiter: 40 Euro, die das Mittagessen im Monat kostet, seien „für viele Arbeitslose zu viel“. Damit ist die Wende komplett. Ich gratuliere Ihnen herzlich dazu.

Herr Minister Rupprecht, auch Sie möchte ich noch einmal daran erinnern, was im Juli Ihre Meinung zu unserem Antrag war und was zur Lösung des Problems beitragen sollte. Sie wollten allen brandenburgischen Schulen eine Informationsbroschüre des Dortmunder Instituts für Kinderernährung zur Verfügung stellen und meinten, wir „brauchen keinen neuen und dirigistischen Eingriff des Landes in die Kompetenzen der Kitas und der Schulträger“.

Heute nun liegt wieder ein Antrag unserer Fraktion vor, der zum Inhalt hat, den Landkreisen und kreisfreien Städten 10 Millionen Euro als Zuschuss zu den Kosten des Mittagessens in Kindertagesstätten und Grundschulen zuzuweisen. Als ersten Schritt zu einem beitragsfreien Mittagessen für alle Kinder betrachten wir einen Kostenzuschuss für Kinder aus einkommensschwachen Familien, der nicht davon abhängig sein darf, ob ein Kind in einer finanzstarken Kommune, die sich ei

ne solche Aufgabe freiwillig leisten kann, oder in einer finanzschwachen Kommune, die sich eine solche freiwillige Aufgabe nicht leisten darf, weil sie ein Haushaltssicherungskonzept hat, lebt. Deswegen sehen wir das Land in der Pflicht.

Louis und Luna leben übrigens in Jüterbog. Ausgerechnet in Jüterbog hat nun die CDU erklärt, sie will das kostenfreie Mittagessen für alle Schülerinnen und Schüler. Jüterbog liegt im Landkreis Teltow-Fläming, wo auch Frau Hartfelder zu Hause ist. Frau Hartfelder ist aus Krankheitsgründen verständlicherweise nicht mehr hier. Schade! Anlässlich der Forderung der Fraktion DIE LINKE nach einem kostenfreien Mittagessen sah sie schon das Gespenst des Kommunismus umgehen. So gespenstisch fand sie es dann doch nicht; denn sie sagte:

„Toll! Kommunismus! Jeder nach seinen Bedürfnissen!“

Das haben die Kollegen der CDU in Jüterbog wohl wörtlich genommen. Das nenne ich überholen ohne einzuholen. Vielleicht bringen Sie das nächste Mal einen Antrag ein und sagen dann wieder, Sie hätten das ja schon immer so gewollt.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Eine Lösung für Louis und Luna könnte jetzt sehr schnell in Sicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen: Sie brauchen heute einfach nur unserem Antrag zuzustimmen.

Obwohl gerade gegenwärtig wieder aufgrund von tragischen Vorfällen landauf landab von frühen Hilfen für Familien geredet wird, bleibt das Handeln der politisch Verantwortlichen in letzter Konsequenz halbherzig. So geschehen bei der finanziellen Ausstattung der Schwangerenkonfliktberatungsstellen, von denen meine Kollegin Schier hier schon gesprochen hat. Bereits bei der Diskussion zum Ausführungsgesetz wies ich für meine Fraktion darauf hin, dass die Ausstattung mit mindestens 80 % der Personal- und Sachkosten nicht ausreicht. Auch jetzt die getroffene finanzielle Ausstattung wurde aufgrund des Antrags der Koalitionsfraktionen nur als Übergangsregelung beschlossen - bleibt im Vergleich zum Vorjahr immer noch ein Defizit von 260 000 Euro. Wer immer von Kinderschutz von Anfang an spricht, sollte auch so handeln. Das muss auch im Haushalt deutlich werden.

Leider fand der Antrag meiner Fraktion, der das sichergestellt hätte, weder im Fachausschuss noch im Haushaltsausschuss die erforderliche Mehrheit. Es macht schon nachdenklich, wenn das gerade in einer Zeit geschieht, in der die Politikerinnen und Politiker einander an Betroffenheit und guten Ratschlägen für Kinderschutz nur so übertreffen. Ich bitte Sie also: Überdenken Sie das noch einmal! Vielleicht können wir gemeinsam im Laufe des Jahres dann doch noch etwas daran ändern.

Ein Letztes zum Stichwort Entscheidungsfreudigkeit der Regierungsverantwortlichen: Als im Jahr 2003 die Finanzierung für die Beratungsstruktur für ehrenamtliche Betreuer eingestellt wurde, hat man wohl nicht damit gerechnet, dass die Folgekosten für wesentlich mehr jetzt hauptberuflich tätige Betreuer im Bereich des Justizministeriums enorm wachsen. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der zu betreuenden Personen nahezu verdoppelt. Das hat übrigens auch mit dem demografischen Wandel zu tun. Die anerkannten Betreuungsvereine weisen selbst darauf hin, dass sie finanziell nicht in der Lage sind, die notwendigen Schulungen für ehrenamtliche Betreuer

zu übernehmen. Ehrenamtliche wiederum fühlen sich ohne Weiterbildung nicht in der Lage, ihre verantwortungsvolle Aufgabe in hoher Qualität zu leisten, und ziehen sich zurück, weil sie verunsichert sind. Nun wurde im Fachausschuss durchaus bestätigt, dass das Problem erkannt wurde. Nach dem Protokoll zu urteilen ist es sogar schon seit zwei Jahren bekannt. Denn zwischen den beiden Fachministerien geht das Problem jetzt schon seit dieser Zeit hin und her, bislang ohne Ergebnis.

Wir finden es gut, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, das Thema nach Ihren Angaben jetzt auf die parlamentarische Ebene gehoben haben und nun noch einmal alles prüfen lassen. Noch besser aber wäre es, wir könnten heute eine Mehrheit für unseren Antrag gewinnen. Wir sind überzeugt, dass wir damit zwei Ziele erreichen. Zum einen wird die stetig steigende Kostenentwicklung für diesen Bereich im Justizministerium zumindest gestoppt und zum anderen erhöhen wir die Qualität der ehrenamtlichen Betreuung und stärken damit auch das Ehrenamt.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Das wiederum wollen Sie doch auch, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Also stimmen Sie doch bitte unseren Anträgen zu!

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Wöllert. - Es spricht jetzt die Abgeordnete Lehmann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Wöllert, wenn es für das Ego Ihrer Partei wichtig ist und wenn Sie davon ausgehen, dass für die Koalition die Partei DIE LINKE wichtig ist, damit wir überhaupt das Leben verstehen und begreifen und damit wir in der Adventszeit überhaupt auf Ideen kommen, will ich Ihnen das heute zubilligen.

(Beifall des Abgeordneten Karney [CDU])

Aber vielleicht sind es auch die 186 Millionen Euro, die Sie im Haushaltsplan 2008/2009 umschichten oder zusätzlich ausgeben wollten. Da fällt mir in Anlehnung an ein bekanntes Lied Folgendes ein: Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt? Die Linkspartei will alles haben. Die Linkspartei druckt sich das Geld selbst. - Keine Sorge, die Weihnachtslieder hatten wir heute Morgen schon. Ich bin jetzt auch wieder lieb zu Ihnen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das passt gar nicht zu Ihnen!)

- Doch, das passt zu mir.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Partei DIE LINKE, kommen Sie doch bitte von Ihrer Geldverteilungsmentalität weg!

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Och, das ist doch nicht wahr!)

Kommen Sie bitte davon weg, Themen zu besetzen. Ich glaube, Politik kann mehr und muss auch mehr. Allein mit Geldverteilen und mit der Herangehensweise, „ganz schnell und ganz wichtig“ dieses und jenes Thema zu besetzen, werden wir die Probleme in unserem Land nicht lösen.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Mit leeren Verspre- chungen auch nicht!)

Es wird alles gut.

(Lachen bei der Fraktion DIE LINKE)

Natürlich verstehen wir Ihre Intention, einen Zuschuss für das Mittagessen an Schulen, die Einführung eines Sozialtickets und eine kostenlose Schülerbeförderung zu erwirken. Es geht darum - das ist klar -, Kinder und insbesondere Kinder aus armen Verhältnissen nicht auszugrenzen. Ob Sie es glauben oder nicht, das ist auch unser Wunsch.

Frau Lehmann, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Liebe Frau Lehmann, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das Land Brandenburg einen Schuldenberg von über 18 Milliarden Euro angehäuft hat, wir jedes Jahr 800 Millionen Euro Zinsen zahlen und in der ganzen Zeit kein Finanzminister der LINKEN am Ruder war. Das heißt Geldverteilungspolitik? Ich weiß nicht.

(Schulze [SPD]: Sonst wären es 28 Milliarden!)

Unter anderem bedingt durch die Mehrwertsteuererhöhung kommen Steuermehreinnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro zusätzlich in Brandenburgs Kassen. Es haben also alle Menschen, auch die Bezieher von Arbeitslosengeld II, einen Anteil an dieser Entwicklung. Meinen Sie nicht auch, dass es opportun ist, den Menschen ein klein wenig zurückzugeben, zum Beispiel in Form des Essengeldes für die ärmsten Kinder und die Möglichkeit, den ÖPNV zu benutzen?

Dass wir Schulden haben, nehme ich zur Kenntnis. Das ist richtig. Insofern kann ich die Umverteilungsaktion bzw. die Ausgabementalität erst recht nicht verstehen. Es steht außer Frage, dass wir über diese Themen diskutieren müssen. Dazu komme ich in meinen weiteren Ausführungen.

(Beifall des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Zu all den Diskussionen, die wir auf Landesebene führen, kommt hinzu, dass auf Bundesebene derzeit die Regelsätze und deren Bemessungsgrundlage überprüft werden. Es ist bekannt, dass das Bundesarbeitsministerium über ein Schuleingangspaket in Höhe von je 150 Euro nachdenkt. Wir wissen auch, dass

sich viele Kommunen in puncto Schülerbeförderung und Schulspeisung auf den Weg gemacht haben.