Ganz ehrlich: Das „Herr Abgeordneter“ kommt mir nur schwer über die Lippen - aber, wenn es hier einen falschen Knopf gibt, dann sind es wohl Sie, der hier wieder einmal derartigen Schrott erzählt hat.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, mit dem vorgelegten Doppelhaushalt und der heutigen 2. Lesung im Parlament des Landes Brandenburg beschließen wir finanzpolitisch eigentlich komplett die Schwerpunkte für die laufende 4. Legislaturperiode. Insgesamt sind noch 13 Kollegen unter uns im Landtag Brandenburg, die schon in den 90er Jahren hier Politik mitgestaltet haben. Wenn ich an die 90er Jahre denke, erinnere ich mich an meine eigene Heimatstadt, an die Situation, wie die Plattenbauten, die Kitas, die Krankenhäuser und die Schulen
ausgesehen haben. Ich erinnere mich an Blicke in die psychiatrischen Einrichtungen, in Pflegeeinrichtungen etc. Der Beginn der 90er Jahre war auch stark von einer sprunghaften Schuldenaufnahme geprägt, von der wir von Anfang an gesagt haben, dass dieser Zustand beendet werden muss. Es ist kein auf Dauer angelegter Weg, ständig auf Pump und Kredit zu leben.
Diese konsequente Zielsetzung heißt für die Zukunft aber auch, drei Anforderungen nicht aus den Augen zu verlieren. Erstens muss man sich als Abgeordneter ganz allgemein die Frage stellen, wie sinnvoll eine Kreditaufnahme überhaupt ist. Ich möchte hierzu einige bemerkenswerte Zahlen nennen - ich hoffe, Sie können mir noch Ihre Aufmerksamkeit schenken -: Allein bis zu dem Haushaltsjahr, das wir mit dem Doppelhaushalt beschließen werden, also bis 2009, wird der Landtag Brandenburg 11,3 Milliarden Euro Zinsen für 18 Milliarden Euro geborgtes Geld, Kredite also, gezahlt haben. Einmal angenommen, die Kollegen schafften es mit der herzhaften Unterstützung unseres Finanzministers, ab dem Jahr 2010 jährlich 100 Millionen Euro zu tilgen, dann würden wir 180 Jahre lang tilgen. Wir wären dann in der 40. Wahlperiode. Und wenn, so Gott will, der Landtag neu gebaut wird, wäre er inzwischen wahrscheinlich bereits zum zweiten Mal saniert.
Ich sage Ihnen einmal, wie viel Zinsen wir für die 18 Milliarden Euro gezahlt haben werden: Bei 4 % sind das locker 64 Milliarden Euro. Zählt man die 18 Milliarden Euro Schulden hinzu, werden wir für diesen Kredit 82 Milliarden Euro zurückzahlen. Das ist das vierfache der Summe, die wir Anfang der 90er Jahre brauchten, um die Missstände aus DDR-Zeiten teilweise zu beheben.
Meine Schlussfolgerung ist gleichzeitig ein Appel, auch an die Opposition: Wir müssen einen Mentalitätswechsel einleiten: weg von dem alten Credo, dass Schulden einfach dazugehören, hin zu der Überlegung und der klaren Überzeugung, die in Politik umgesetzt werden muss, dass Schulden tilgen unsozial ist. - Das ist unser Credo. Ich gebe wie meine Kollegin Funck zu bedenken, dass der Aufschwung, der uns im Moment steuertechnisch trägt - im Moment haben wir nicht mehr Steuereinnahmen, als wir im Jahr 2000 hatten -, früher oder später zurückgehen wird.
Zur zweiten Anforderung an die Zukunft: Wir hatten im Jahre 2004 zu Beginn der Legislaturperiode Landespensionen in Höhe von genau 26 Millionen Euro. Am Ende der Legislaturperiode werden die Pensionszahlungen innerhalb von nur fünf Jahren auf 122 Millionen Euro angestiegen sein. Die Steigerung nimmt ständig zu, bis im Jahr 2030 750 Millionen Euro erreicht sein werden.
Die politische Schlussfolgerung heißt für die SPD-Fraktion: Erstens keine neuen Verbeamtungen mehr, außer in dem streng abgegrenzten hoheitlichen Bereich, zweitens eine hundertprozentige Vorsorge für neue Beamte und drittens die Vorlage und Erarbeitung eines Gesetzes zur Errichtung einer allgemeinen Versorgungsrücklage. - An dieser Stelle bitte ich um Unterstützung und Zustimmung für den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen.
Herr Bischoff, es werden immer die steigenden Pensionslasten für die Beamten angeführt. Gibt es eine schlüssige Begründung dafür, warum die Landesregierung nicht bereits mit der Einführung der Verbeamtung im Jahr 1991 die entsprechenden Rücklagen gebildet hat, um genau diesen Aufwuchs zu verhindern?
Vielen Dank, Herr Kollege. Natürlich geht mir an der Stelle ich kann die Frage gleich beantworten - durch den Kopf: Warum hat man zu DDR-Zeiten für die Zusatzversorgungssysteme für die DDR-Renten keine Vorsorge betrieben? - Wir zahlen in diesem Landeshaushalt 300 Millionen Euro und mehr pro Jahr für Pensionen aus DDR-Zeiten, für die keinerlei Vorsorge getroffen worden ist. Ich sage Ihnen ganz offen: Das sind Milliardenbeträge. - Wir reden hier über Ansprüche für Kolleginnen und Kollegen, die auch erfüllt werden. Es stellt sich schon die Frage, ob man die Vorsorge mithilfe von Krediten finanzieren soll oder nicht. Wir werden jetzt, wenn die Kreditaufnahme beendet wird, unabdingbar sofort, auf die Sekunde damit beginnen, die Pensionsvorsorge zu leisten. Ich denke, dass wir alte und neue Zeiten nicht miteinander aufrechnen sollten.
Aber die Zusatzversorgungssysteme für DDR-staatsnahe Dienstleistungen, wie ich sie ganz vorsichtig nennen möchte...
- Das sagen Sie. Sie müssen sich aber auch einmal gefallen lassen, dass man hier eine Meinung äußert.
- Frau Kollegin, ich habe die Frage ausreichend beantwortet. Wenn Sie das nicht verstehen wollen oder können, dann tut mir das an dieser Stelle ganz besonders leid.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen ganz offen: Wenn man die Zahlen zusammenrechnet, kommt man auf Milliardenbeträge, die inzwischen für die DDR-Sonder- und -Zusatzversorgungssysteme ausgegeben worden sind. Übrigens sind das Gelder, die wir in diesem Land auf Kredit finanziert haben. Auch daher haben wir eine massive Verschuldungssituation. Ich denke, in diesem Punkt sollte man offen und ehrlich miteinander umgehen.
Ein dritter und letzter Punkt ist die Tatsache, dass die Einwohnerzahlen sinken werden. Das ist neben dem Solidarpakt II,
wie die Kollegin schon gesagt hat, eine ganz klare Tatsache. 10 000 Einwohner pro Jahr weniger bedeuten allerdings auch, wenn wir die Kreditlinie pro Einwohner einigermaßen stabil halten wollen, dass wir zusätzlich Geld sparen müssen, nämlich weitere 70 Millionen Euro pro Jahr.
Das sind also die Anforderungen, die auf uns zukommen. Ich sage es einmal ganz nüchtern: Zu Beginn dieser Legislaturperiode hat das Land Brandenburg von 1 Euro Einnahmen insgesamt nur 48 Cent selbst verdient. Am Ende dieser Legislaturperiode werden wir von 1 Euro Einnahmen insgesamt 55 Cent verdient haben. Die Lücke dazwischen sind nur ein paar Cent, hochgerechnet ist das aber ein Milliardenbetrag.
Zu Beginn der Legislaturperiode reichte das eigene Geld des Landes zum Beispiel für die Schüler, für die Schulen, die Lehrer und die anderen Landesbediensteten genau bis zum 8. Juli, 19.22 Uhr - das wäre also kurz vor „RBB Aktuell“. Im Jahr 2009 reicht das, was wir an selbst verdientem Geld zur Verfügung haben, 13 Tage länger, nämlich bis zum 21. Juli, 22.54 Uhr - das ist gerade das Ende der „Tagesthemen“.
Für uns als SPD-Fraktion ist Sparen kein Selbstzweck; das will ich an dieser Stelle ausdrücklich unterstreichen. Unser Anspruch ist, hart zu sparen, aber natürlich mit sozialem Augenmaß. Wir stellen dies mit den sehr knapp bemessenen finanziellen Mitteln auch ständig unter Beweis. Dabei liegen die Prioritäten auf Bildung, Wissenschaft und Technologie. Ich erinnere an dieser Stelle auch noch einmal daran, dass wir als SPD-Fraktion in der Koalition das 510-Stellen-Programm finanzieren, viel für die Musikschulunterstützung aus der Landeskasse tun und auch beim Blinden- und Gehörlosengeld, das heute ebenfalls Thema ist, immer noch einen eigenen Landesanteil leisten.
Das Leben spielt sich heutzutage nicht in der Landespolitik allein ab. Das wirkliche Leben spielt sich im Dorf, in der Gemeinde, in der Stadt ab. Die Steuereinnahmen für die gemeindliche Ebene sind zwischen 2004 und 2009 um 35 % gestiegen. Eigene Steuereinnahmen plus Zuweisungen vom Land ergaben von 2004 bis 2009 dieses satte Plus von 35 %. Das sind in der Summe 670 Millionen Euro.
Nun möchte ich noch etwas zur Frage der Beamtenpensionen sagen. Darüber können wir gern in der Mittagspause diskutieren.
- Falls es hier in den nächsten Jahren noch einmal eine Mittagspause geben wird, können wir darüber diskutieren.
Ich möchte aber zur Oppositionsfraktion DIE LINKE noch einige Worte finden. Ich denke, bei der Beratung des Haushalts in der Vorweihnachtszeit neigt man stets dazu, ein paar Geschenke einzupacken bzw. einzuwickeln; das hat die Fraktion DIE LINKE, mein Kollege Christoffers, schon vor langer Zeit auch öffentlich gesagt. Die Fraktion DIE LINKE hat fünf Finanzpakete geschnürt. Ich sage es einmal ganz grob: Motto Nr. 1 bei der Fraktion DIE LINKE lautet „Wir machen es jedem recht.“, und Motto Nr. 2 bei der Fraktion DIE LINKE ist „Wir machen es auf Kredit.“.
Ich sage Ihnen ganz offen: Wir von der SPD-Fraktion machen Ihnen überhaupt keinen Vorwurf, dass Sie hier sozialpolitische Maßnahmen beschließen wollen; das haben Sie früher auch schon getan, das ist auch nicht finanziert gewesen. Wir werfen Ihnen aber vor, dass Sie aus einer Steuersituation, die jetzt gerade einmal wieder das Niveau des Jahres 2000 erreicht hat, strukturelle Ausgaben herauspumpen wollen. Sie wollen mehr Personal bei der Polizei, mehr Personal bei Kitas, mehr Personal bei Lehrern.
- Lassen Sie mich bitte ausreden; wir haben genügend Redezeit, Sie können also nachher über alles reden, was Sie wollen. - Hier redet man aus meiner Sicht schlicht und ergreifend den Leuten nach dem Mund und streut ihnen Sand in die Augen. Das funktioniert überhaupt nicht.
Unsere Linie als Koalitionsfraktion ist ganz klar und eindeutig: Wir machen erstens sozialverträgliche Anpassungen beim Landespersonal; die Zahlen sind allen Kolleginnen und Kollegen bekannt. Zweitens haben wir die Schüler-Lehrer-Relation verbessert, und statten die Hochschulen besser aus. Das Dritte ich sage noch einmal: das wirkliche Leben spielt sich in der Gemeinde, im Landkreis, in der Kommune ab - ist die Finanzausstattung der Kommunen, die um 35 % gestiegen ist.
Nun zu einem anderen Thema - ich hätte es am liebsten umschifft -, zwei oder drei Worte zu der mit der NPD verbündeten, rechtsradikalen Fraktion hier im Landtag, dieser DVU. Ich sage es Ihnen ganz offen: Sie sind der Wolf im Schafspelz. Alles, was Sie hier ablassen, ist jedes Jahr dasselbe. Ihre Anträge sind uns inzwischen schon ziemlich bekannt, wir machen darüber heute auch noch einige Abstimmungsrunden. Aber Ihr vermeintlicher sozialer Anstrich und Ihr Gehabe vom Sozialstaat, dieses und jenes, der „bessere Abgeordnete“ - das ist eine kleine und sehr beschränkte Welt. Drei Beispiele. Erstens: Sie wollen den Verfassungsschutz abschaffen. Zweitens: Sie wollen die Integrationsbeauftragte infrage stellen. Drittens: Sie wollen die Stiftung für die Hilfe für die Opfer der NS-Willkürherrschaft schon wieder kürzen. Das ist purer Zynismus, der mit uns nicht zu machen ist.
Manchmal kann man sich überlegen, in welcher Scheinwelt Sie eigentlich leben und wofür Sie hier dieses Theater aufführen. Ich glaube auch gar nicht, dass Ihr Gegner, also der Gegner der DVU-Fraktion, wirklich die Regierung ist; Ihr
Dem werden wir uns natürlich sehr vehement, sehr entschlossen und auch über die Parteigrenzen bis hin zur linken Opposition hinweg gemeinsam entgegenstellen.
Ich sage zum Abschluss Folgendes: Die SPD-Fraktion hat gemeinsam mit dem Koalitionspartner drei Schwerpunkte im Doppelhaushalt gesetzt: Arbeit für ältere Menschen. Wir reden über Bürgerarbeit, über den Kommunal-Kombi, den wir aus dem Haushalt unterstützen werden. Wir werden mehr Geld für den Klimaschutz ausgeben; ich glaube, das ist das Gebot der Stunde. Außerdem konzentrieren wir unsere Fördermittel insgesamt, um auch eine hohe Investitionsquote zu halten.