Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Außerdem hat es in der Vergangenheit - auch dies wurde bereits angesprochen - unseres Wissens keine besonderen Probleme gegeben. Deshalb sind wir auf der richtigen Seite.

Hinzu kommt, dass Berlin - Sie haben es angesprochen, Herr Holzschuher - ähnlich verfährt. Auch das ist richtig.

Zum Schluss noch kurz bemerkt: Der Rechtsausschuss hat den vorgeschlagenen Entwurf ohne Gegenstimmen akzeptiert. Ich denke, Herr Sarrach, es ist ein gutes Gesetz. - Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Landesregierung spricht Ministerin Blechinger. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der 1. Lesung bereits mehrfach über das Gesetz ausgetauscht und seine Vor- und Nachteile analysiert. Außerdem haben wir dazu noch eine Anhörung durchgeführt. Insofern, glaube ich, sind sowohl die Interessen der Richterverbände als auch die der Abgeordneten an einer Meinungsbildung genügend berücksichtigt worden.

Was ich nicht nachvollziehen kann, ist Herrn Sarrachs Argument, dass die Abgeordneten das Richtergesetz aus Bequemlichkeit ändern wollten, statt die Verordnung von der Landesregierung ändern zu lassen. Hier leuchtet mir das Argument der Bequemlichkeit nicht ganz ein; aber vielleicht können Sie das noch einmal erläutern.

Dass die Abstimmung im Rechtsausschuss - bis auf drei Enthaltungen - einvernehmlich war, wurde ebenfalls bereits gesagt.

Die Landesregierung ist dem Einwand nachgegangen, dass das Verfahren auf der Basis der Verordnung so kompliziert sei,

dass es zwangsläufig zu Verfahrensfehlern kommen müsse. Dieser Einwand ist sowohl vom Präsidenten des Oberlandesgerichts als auch vom Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts sowie vom Präsidenten des Finanzgerichts abgewiesen worden. Die auf der Basis der Verordnung dort durchgeführten Wahlen von 1994 und 1999 sind ohne Beanstandungen durchgeführt worden. Es gab keine Anfechtung der Wahlen, sodass auch dieser Einwand nicht stichhaltig ist.

Dass das Berliner Richtergesetz ebenfalls eine Personen- und Mehrheitswahl vorsieht, ist bereits erwähnt worden.

Insofern glaube ich, dass das ein gutes Gesetz ist, und ich begrüße, dass die Verabschiedung dieses Gesetzes heute bereits auf der Tagesordnung steht, damit wir möglichst bald einen funktionierenden Richterwahlausschuss haben, der wiederum den Nachwuchs für die Richterschaft wählen kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich schließe damit die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung.

Zuvor habe ich eine Bitte. Das Präsidium hat beschlossen, etwas differenzierter festzustellen, welche Fraktion wie abgestimmt hat. Dazu möchte ich Sie bitten, uns hilfreich zur Seite zu stehen und den Arm zwei Sekunden länger erhoben zu lassen. Dies wird probeweise eingeführt. Das Präsidium wird dann entscheiden, ob wir immer so verfahren oder nicht.

Ich komme damit zur Abstimmung. Erstens liegt die Beschlussempfehlung, Drucksache 4/217, vor. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Keine Enthaltungen. Ich stelle fest, dass die Koalitionsfraktionen mehrheitlich sowie die DVU-Fraktion zugestimmt haben. Die PDS-Fraktion hat einstimmig abgelehnt.

Ich komme damit zum Entschließungsantrag der PDS-Fraktion, Drucksache 4/274. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen der Mehrheit aller Abgeordneten abgelehnt worden, die rechts von der PDS-Fraktion sitzen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 3 und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetz zur Weiterentwicklung der Schulstruktur im Land Brandenburg (Schulstrukturgesetz)

Gesetzentwurf des Abgeordneten Schulze (SPD) und der Abgeordneten Funck (CDU)

Drucksache 4/12

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport

Drucksache 4/215

2. Lesung

in Verbindung damit:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Schulen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Schulge- setz - BbgSchulG)

Gesetzentwurf der Fraktion der PDS

Drucksache 4/19

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport

Drucksache 4/216

2. Lesung

Ich eröffne die Aussprache und gebe der Abgeordneten Große das Wort, die für die PDS-Fraktion spricht. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute soll ein Gesetzentwurf den Landtag passieren, von dem etwa 350 Schulen, ungefähr 15 000 Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern, ca. 10 000 Lehrkräfte und mindestens 190 Kommunen, Städte und Gemeinden direkt betroffen sind. Das ist ein gigantisches Ausmaß an Betroffenheit. Die mit beiden Gesetzentwürfen beabsichtigten Veränderungen sind tief greifend und weit reichend.

Natürlich sind Veränderungen notwendig und längst überfällig. Wir sind durch PISA I und II gefordert, die Qualität unserer Bildung grundlegend zu verbessern. Auch wir können nicht auf die Kinder verzichten, die zu den 22 % gehören, die im Bereich der untersten Kompetenzstufen zu den Verlierern gehören werden, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht grundsätzlich ändern. Auch in Brandenburg sind wir gefordert, den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen durch individuelle Förderung in der Schule aufzulösen und nicht etwa noch zu verstärken. Unser spezifisches Problem ist natürlich, angesichts der demographischen Entwicklung für ein wohnortnahes Angebot sorgen zu müssen, um somit die Chancengleichheit zu gewährleisten.

In der Anhörung zu den beiden Gesetzentwürfen hat Herr Wilfried Steinert, Vorsitzender des Bundeselternrates und völlig unverdächtig, in irgendeinem PDS-Zusammenhang zu stehen, Folgendes zu Protokoll gegeben:

„Wir können es uns einfach machen. Der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion entspricht weitgehend den Anforderungen einer zukunftsfähigen Bildung und Erziehung. Der Vorschlag der PDS entspricht dem, was Ministerpräsident Platzeck...“

- der gerade telefoniert

„... nach seinem Besuch in Finnland im Wahlkampf verkündet und was die SPD am 6. Mai in Groß Dölln beschlossen hat.“

Sie, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, haben heute noch einmal die Möglichkeit, entweder unserem Entwurf zuzustimmen, der auch die Rahmenbedingungen für eine bessere Qualität regelt, oder wenigstens den Koalitionsentwurf durch unsere Änderungsanträge auf den richtigen Weg zu bringen.

Zunächst einmal zum Verfahren: Herr Minister Rupprecht hat in der 1. Lesung gesagt, es sei schon fünf nach zwölf. Dagegen ist gar nichts zu sagen. Das berechtigt aber nicht dazu, Mitwirkung nur formal zu gewährleisten. Die entscheidenden Gremien konnten unmöglich in der Kürze der Zeit die Diskussion mit den entsprechenden Vertreterinnen und Vertretern führen. Der Landeselternrat konnte sich also nicht mit den Kreiselternräten oder mit den Schülern und Lehrern rückkoppeln. Das hat zur Folge, dass zurzeit täglich ablehnende Schreiben von Kreiselternräten, Kreisschulbeiräten, Stadtverordnetenversammlungen, Ausschüssen und betroffenen Bürgern eingehen. So bringt man wieder einmal ein Gesetz über die Bürger dieses Landes und gestaltet es nicht mit ihnen, was mit Sicherheit zu größerer Akzeptanz führen könnte. Es wurde wieder eine Chance verpasst, Demokratie glaubhaft zu leben.

(Beifall bei der PDS)

Der Landesschulbeirat sah sich zu Recht außerstande, die notwendige Verordnung parallel zum Gesetzgebungsverfahren und ohne Kenntnis des veränderten Entwurfs zu bewerten.

Von den 15 am 18.10. Angehörten haben 14 das Gesetz aus unterschiedlichen Gründen kritisiert oder abgelehnt. Im veränderten Text findet sich das kaum wieder. Ihr Argument, es habe einen jahrelangen Vorlauf zu diesem Gesetzentwurf gegeben, kann ich nicht akzeptieren. Damals war nie die Rede von Hauptschulklassen und Hauptschulabschlüssen und von A- und B-Kursen. Viele Eltern haben das bestehende Schulsystem bis heute noch nicht richtig verstanden und - bis auf die Gymnasialklientel und einige Real- und Gesamtschulen - nicht wirklich angenommen. Dies wäre eine Chance gewesen, die Beteiligten mitzunehmen. Diese Chance wurde vertan.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Ihr Gesetzentwurf ist die falsche Antwort auf die vorhandenen Defizite. Es schafft weder personell noch organisatorisch die Rahmenbedingungen dafür, dass die Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, individuell zu fördern. Im bildungsgangbezogenen Unterricht, den es hoffentlich kaum geben wird - die demographische Situation, dass Hauptschulklassen gebildet werden können, wird es hier selten geben; insofern greift Ihr Argument von der großen Freiheit der Schulen nicht -, werden Bildungsbiografien ganz frühzeitig stigmatisiert und vielleicht sogar abgebrochen. Immerhin soll die Entscheidung nach einem halben Jahr Unterricht in Klasse 7 in einer Schule für Schüler, die 12, 13 Jahre alt sind, an einer neuen Schule getroffen werden. Die Problematik der Durchlässigkeit ist nach wie vor trotz des Einschubs, dass auch individuell vertiefte Bildung möglich ist, nicht klar, vor allem nicht angesichts der noch ausstehenden Verkürzung der Zeit bis zum Abitur und angesichts der im Koalitionsvertrag angekündigten Ausweitung der Möglichkeit, das Gymnasium nach Klasse 4 zu besuchen.

Sie haben den Bildungsgang, der zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife führt, gekappt. Das ist vor allem für die Oberschulen im ländlichen Raum ein verheerendes Signal. Der Zulauf zu den Gymnasien wird sich erhöhen. Sie werden dem mit

verschärften Zugangsbedingungen begegnen und damit wieder soziale Auslese befördern.

(Beifall bei der PDS)

Die Elternrechte sind erheblich eingeschränkt worden. Für die Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe gibt es aufgrund des Wegfalls der Kooperationsmöglichkeiten nur noch geringe Chancen zu überleben.

Zum Erhalt wohnortnaher Angebote wird die Einführung der Oberschule, so, wie sie bisher aufgestellt ist, nichts leisten können. Genau das zu sichern war aber die Aufgabe der Schulstandortkommission. Die Landesregierung bekennt sich in ihrer Power-Point-Präsentation weiterhin dazu, 207 weiterführende Schulen schließen zu wollen. Damit ist die Oberschule, sehr verehrter Herr Kollege Senftleben, die falsche Antwort auf die demographische Entwicklung in Brandenburg.

Herr Minister Rupprecht, Sie sind in dieses Verfahren hineingestolpert. Das Gesetz ist vor Ihrer Zeit entstanden. Sie haben es in der Hand, zumindest einen zeitlichen Aufschub von einem Jahr durchzusetzen. Das so genannte Ü-7-Verfahren der jetzigen Sechstklässler würde dann für die Schüler der jetzigen 6. Klassen noch einmal nach geltenden Regeln verlaufen können. Die künftigen Sechstklässler und deren Eltern könnte man besser vorbereiten. Die Lehrkräfte hätten die Möglichkeit, ihr Schulprofil und die Unterrichtsorganisationsformen zu diskutieren. Die Mitwirkungsgremien könnten wirklich beteiligt werden. Den Aufschub fordern inzwischen sehr viele Betroffene. Sie würden als Minister durch eine solche Entscheidung mit Sicherheit gestärkt. Halten Sie es einfach mit Bertolt Brecht, der gesagt hat: „Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war.“ - Wir bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.