Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

(Beifall bei der PDS)

Ich danke den Rednern für Ihre Debattenbeiträge. Wir sind damit am Ende der Aktuellen Stunde.

Bevor ich Sie bis 13 Uhr in die Mittagspause entlasse, bitte ich Sie, bei der Wahl des Menüs zu bedenken, dass heute Abend eine Bulettenparty stattfindet, und zwar gleich im Anschluss an die Plenarsitzung.

(Unterbrechung der Sitzung: 12.03 Uhr)

(Fortsetzung der Sitzung: 13.02 Uhr)

Meine Damen und Herren, ich eröffne die Nachmittagssitzung und begrüße ganz herzlich Gäste von der Tandem GmbH in Bernau. Seien Sie willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3:

Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetzes und zur Geltung der Richterwahlausschuss-Vorschlagsverordnung

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD der Fraktion der CDU

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

Drucksache 4/217

2. Lesung

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 4/274, vor.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Sarrach von der PDS-Fraktion das Wort. Bitte, Herr Sarrach.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Den Gesetzgeber, so meine ich, trifft die Pflicht zur Verabschiedung guter Gesetze, für die ein Bedarf bestehen sollte. Wäre dabei die Überweisung und Behandlung von Gesetzentwürfen in Ausschüssen nur rein formal zu verstehen, wären auch Anhörungen Sachverständiger in Ausschüssen schöne „Förmelei“, die auf den weiteren Gang des Gesetzgebungsverfahrens keinen Einfluss haben.

Vorwürfe dieser Art hat es freilich oft und, wie ich meine, dann auch berechtigt gegeben. Wie ernst der Landtag sachgerechte Hinweise und Kritik aus einer Anhörung nimmt, kann heute beim Gesetzentwurf zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetzes bewiesen werden.

Mit der Drucksache 4/106 - Neudruck - wurde dem Rechtsausschuss vom Landtag ein Gesetzentwurf der Koalition überwiesen, der die Änderung des § 16 Abs. 1 Satz 1 des Brandenburgischen Richtergesetzes zum Gegenstand hat. Es soll damit dem Zustand abgeholfen werden, dass die Richterwahlausschuss-Vorschlagsverordnung seit 1993 mit dem Wortlaut des Brandenburgischen Richtergesetzes nicht übereinstimmt und insofern von der Ermächtigungsnorm des § 16 Abs. 3 in Verbindung mit Absatz 1 des Richtergesetzes auch nicht gedeckt ist, da auf der Grundlage der Verordnung ein nicht vorgesehenes Mehrheitswahlverfahren praktiziert wurde. Insbesondere die Anhörung der Vertreter von Vereinigungen der Richterschaft vor dem Rechtsausschuss am 2. Dezember 2004 ergab jedoch, dass die einfacher erscheinende Übernahme des nach der Verordnung praktizierten Mehrheitswahlverfahrens in das Gesetz, also die Anpassung des Gesetzes an die Verordnung, nicht vorzugswürdig sei.

Für die Frage der Übernahme des in der Verordnung geregelten Mehrheitswahlverfahrens in das Gesetz kommt es aber nicht vorrangig darauf an, ob es sich bewährt hat. Entscheidend ist, ob sich das Mehrheitswahlverfahren im Übrigen in das System des Wahlverfahrens bei Wahlen zu den Richtervertretungen einfügt oder ob es gar als ein Systembruch erscheinen muss. Das ist hier vorliegend der Fall.

Sämtliche Wahlen zu Richtervertretungen erfolgen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und haben sich ebenso bewährt. Die jetzt beabsichtigte Gesetzesänderung stellt somit einen Fremdkörper in der Gesetzesdogmatik des Richtergesetzes dar, da der Landtag als Gesetzgeber Anfang der 90er Jahre eine einheitliche Vorgehensweise im Sinne eines Verhältniswahlverfahrens entwickelt hatte, von der nun aus Bequemlichkeit, finde ich, abgewichen werden soll.

Dabei gewährleistet nur das Verhältniswahlverfahren, dass auch Richterinnen und Richter der im Verhältnis zur ordentlichen Gerichtsbarkeit richteranzahlmäßig kleinere Gerichtszweige, zum Beispiel Sozialgerichte und Arbeitsgerichte, die Chance haben, über eine Listenwahl auf die Vorschlagsliste zu gelangen.

Somit besteht aus unserer Sicht kein Bedarf, das Richtergesetz zu ändern. Vielmehr ist die Richterwahlausschuss-Vorschlagsverordnung endlich gesetzeskonform auszugestalten und unverzüglich zu ändern. Ein entsprechender Entwurf liegt im Ministerium seit längerer Zeit vor und war auch schon Gegenstand von Diskussionen.

So wird auch derzeit - das ist entscheidend - nicht der Weg verbaut, das Brandenburgische Richtergesetz überhaupt grundlegend zu novellieren und mit den Regelungen des Landes Berlin zu harmonisieren. Nicht zuletzt der Staatsvertrag beider Länder über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte macht eine Änderung des Richtergesetzes erforderlich, was in diesem Gesetzentwurf keine Berücksichtigung fand, worüber aber auch nicht übereilt entschieden werden sollte.

Im Ergebnis kann daher die Unterscheidung der ständigen und nichtständigen Mitglieder der Richterschaft im Richterwahlausschuss in Brandenburg entfallen und allen Gerichtszweigen und der Staatsanwaltschaft eine Präsenz im Richterwahlausschuss eingeräumt werden, wie es im Land Berlin praktiziert wird. In diesem Sinne sollte daher die Landesregierung im ersten Halbjahr 2005 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetzes vorlegen. Bis dahin ist auf eine Änderung des Gesetzes wie vorliegend zu verzichten und der Gesetzentwurf der Koalition abzulehnen. Hierzu fordern wir Sie mit unserem Entschließungsantrag auf und bitten um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der PDS)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Glaubt man dem Entschließungsantrag der PDS-Fraktion, ist der Entwurf zur Änderung des Brandenburgischen Richtergesetzes in der Anhörung im Ausschuss durchgefallen. Diese Darstellung ist nicht richtig. Zwei der angehörten Verbände haben sich kritisch zum Gesetzentwurf geäußert. Das ist aber nicht die Mehrheit; letztere wären drei von vier gewesen. Die Stellungnahmen der beiden anderen, größeren Vereinigungen stützen den Gesetzentwurf. Auch die SPD-Fraktion hält weiterhin an diesem Vorschlag fest, weil sie ihn für gut und richtig hält.

Die im Ausschuss geäußerten Einwände nehmen wir selbstverständlich ernst. Das heißt nicht, dass man denjenigen, die ernsthafte Einwände äußern, immer gleich folgen muss. Nach genauer Betrachtung stellt man nämlich fest, dass die Einwände nicht überzeugen. Sie stützen sich insbesondere auf das Argument, im Bereich der Richterschaft müssten die Wahlsysteme zu den Personalvertretungen einerseits und zum Richterwahlausschuss andererseits vereinheitlicht werden.

Beides hat aus unserer Sicht nichts miteinander zu tun. Beim Richterwahlausschuss geht es um drei Positionen, die zu besetzen sind. Bei den Personalvertretungen hat eine Listenwahl sehr wohl Sinn; denn hier ist eine ganz andere Zahl von Vertretern in die jeweiligen Gremien zu entsenden. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass die Personenwahl das einzig Richtige

ist, wenn nur drei Vertreter zu bestimmen sind; eine Listenwahl führte hier zu Verzerrungen.

Darüber hinaus bewirkt unser Vorschlag eine Vereinheitlichung der Gesetzeslage mit dem Landesrecht in Berlin. An dieser Stelle sei mir die grundsätzliche Anmerkung gestattet: Die Koalitionsfraktionen sind weiterhin bestrebt, eines Tages die Fusion beider Länder zu erreichen. Deshalb sollten wir es unter allen Umständen vermeiden, landesrechtliche Vorschriften auseinander fallen zu lassen, und stattdessen, wo es möglich und sinnvoll ist, wie in diesem Fall, eine Vereinheitlichung anstreben.

Der weitere Kritikpunkt, unbekannte Persönlichkeiten könnten keine Berücksichtigung finden, überzeugt noch weniger. In einer Demokratie - wahrscheinlich nicht nur hier, sondern überall - setzen sich diejenigen durch, die bekannter als andere sind. Genies bleiben manchmal unerkannt und dämmern im Verborgenen vor sich hin. Das müssen wir hinnehmen.

Bekannte Persönlichkeiten haben durchaus die Chance, Mehrheiten für sich zu gewinnen. Jeder Verein, jeder Verband hat die Möglichkeit, solche Mitglieder bekannt zu machen, die dann im Rahmen einer Persönlichkeitswahl gewählt werden können. Im Übrigen orientiert sich auch die Aufstellung der Listen innerhalb der Verbände und Vereine an den Grundsätzen der Persönlichkeitswahl. Auch dort kann sich nur derjenige durchsetzen, der bekannt ist. Das Argument, unbekannte Persönlichkeiten könnten sich nicht durchsetzen, überzeugt also nicht. Im Gegenteil, es ist falsch.

So bleibt letzten Endes unser Vorschlag als der einzig praktikable übrig; er wird von der überwiegenden Zahl der Richter im Land gutgeheißen. Es liegen Stellungnahmen der Obergerichte des Landes vor, die den Entwurf befürworten und die im Übrigen darauf hinweisen, dass es in der Vergangenheit keine Probleme mit der Handhabung der Verordnung gegeben hat. Daher geht auch der Einwand fehl, die Verordnung führe zu einer Verzerrung im Wahlverfahren. Bisher hat niemand die Wahlen angefochten oder sonstige Bedenken gegen den Wahlvorgang vorgetragen. Das wäre aber nahe liegend gewesen, wenn das aus der Sicht der Vereinigungen rechtswidrig oder unpraktikabel gewesen wäre.

Nach Prüfung aller Gegenargumente kommen wir zu dem Ergebnis: Die Einwände, die Sie vorgetragen haben, sind entkräftet. Es bleibt nur, dem Gesetzentwurf zuzustimmen; denn das ist das allein richtige und gute Gesetz. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Für die Fraktion der DVU spricht der Abgeordnete Schuldt. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits in der vergangenen Sitzung hat unsere Fraktion ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf signalisiert. Daran hat sich nichts geändert. Wir sehen uns vielmehr durch die zwischenzeitlich im Rechtsausschuss erfolgte Anhörung in unserer Einschätzung bestätigt.

Kurzum: Wir halten es für richtig, die Richterwahl nach dem Prinzip der Mehrheitswahl und nicht anhand einer Listenwahl vorzunehmen. Anzupassen ist das Richterwahlgesetz an die Richterwahlausschuss-Vorschlagsverordnung, nicht umgekehrt. Zudem sollte diese Änderung nicht auf die lange Bank geschoben werden, sondern umgehend erfolgen. Die Frage, ob im Bereich des Brandenburgischen Richtergesetzes weiterer Änderungsbedarf besteht, kann hier getrost außer Betracht bleiben.

Meine Damen und Herren, die Regierungsfraktionen von SPD und CDU haben endlich einmal einen vernünftigen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir von der DVU-Fraktion stimmen dem natürlich zu; denn wir sind keine Blockadefraktion.

(Beifall bei der DVU)

Ich möchte auf die Anhörung im Rechtsausschuss und die Vorzüge des Prinzips der Mehrheitswahl gegenüber der Verhältniswahl anhand von Listen eingehen. Als Bedenkenträger hiergegen traten im Verlauf der Anhörung im Rechtsausschuss die Vertreter der Gewerkschaft ver.di und die Neue Richtervereinigung auf.

Hauptargument: Durch die Mehrheitswahl, die an die Person des einzelnen Richters anknüpft, würden Minderheiten benachteiligt. Vor allem die kleinen Gerichtsbarkeiten würden wegen der Mehrheitsverhältnisse nicht hinreichend Berücksichtigung finden. Dies könne durch eine Listenwahl im Sinne der Verhältniswahl vermieden werden.

Meine Damen und Herren, wir von der DVU-Fraktion sehen hier insoweit keine Zwangsläufigkeit. Entscheidend ist für uns aber, dass gerade im Bereich der Richterschaft die Vorteile einer Mehrheitswahl gegenüber der Listen- oder Verhältniswahl so weit überwiegen, dass uns nur die Mehrheitswahl angemessen erscheint.

Vergegenwärtigen wir uns zunächst einmal Folgendes: Die Listenwahl knüpft bekanntlich nicht an die Person an, sondern wie sollte es anders sein - an die Liste. Aus diesem Grund ist die Listenwahl ein typisches Produkt der Verbandsdemokratie, der wir als DVU-Fraktion ohnehin kritisch gegenüberstehen. Da verwundert es natürlich nicht, dass sich die vom Schwund geplagten Vertreter der Gewerkschaftsseite für diese Listenwahl aussprechen, um ihren Einfluss zu sichern. Auch die hier gezeigte Haltung der PDS-Fraktion, Herr Sarrach, wundert uns deshalb natürlich nicht, ist doch dieses Wahlsystem bekanntlich ein Instrument der Einflusssicherung der Linken schlechthin.

Demgegenüber knüpft die Mehrheitswahl unmittelbar an die Persönlichkeit des Richters an. Nach Meinung unserer DVUFraktion ist das von entscheidender Bedeutung; denn das Amt des Richters ist unlösbar mit dem besonderen Vertrauen in die Persönlichkeit des einzelnen Richters - nicht nur in die Richterschaft insgesamt - verbunden. Das muss auch im Bereich der Richterwahl seinen Niederschlag finden. Im Grunde wählt nämlich die Persönlichkeit eines amtierenden Richters die Persönlichkeit eines künftigen Richters. Dem kann aus unserer Sicht nur durch eine Persönlichkeitswahl als Mehrheitswahl angemessen Rechnung getragen werden. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete von Arnim.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das wirklich Wichtige von Herrn Holzschuher im Grunde genommen bereits gesagt wurde, bleibt mir, dies lediglich zu bekräftigen oder kurz zu ergänzen.

Wir hatten in der Tat eine Anhörung im Rechtsausschuss. Ich muss feststellen, dass ich eine etwas andere Wahrnehmung hatte als Herr Sarrach. Natürlich wurde dort kontrovers diskutiert. Jedoch haben diejenigen, die dort dagegen gesprochen haben, für mein Empfinden nicht unbedingt überzeugt; denn, wie Herr Holzschuher schon richtig ausführte, haben wir es hier mit der Besetzung eines kleinen Gremiums zu tun. Dafür ist das von uns vorgeschlagene Wahlverfahren in der Tat besser geeignet. Wenn wir über andere Gremien sprechen, könnten wir unter Umständen anderer Meinung sein.