Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Besonders habe ich mich gefreut, dass nicht nur der Umfang des Angebots, sondern auch die Bemühungen zur Qualitätsentwicklung in Brandenburg die besondere Anerkennung der OECD gefunden haben. Die eingeleiteten Prozesse haben sich in den vergangenen Jahren sehr positiv entwickelt. Leider wurden sie bisher außerhalb der Fachöffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Umso erfreulicher ist nun die internationale Wahrnehmung.

Obwohl es bei dem OECD-Bericht nicht wie bei der PISA-Studie um einen Leistungstest für Kinder, sondern um eine Beschreibung von Strukturen und Entwicklungen geht, gibt die Untersuchung den Beteiligten Ländern Anregungen für die Weiterentwicklung der Kinderbetreuung. Von den Experten der OECD werden mit Blick auf Gesamtdeutschland zentrale Empfehlungen formuliert, von denen ich einige nennen möchte.

An die westdeutschen Länder richtet sich die Forderung nach einer Ausweitung der Angebote für Kinder unter 3 Jahren und für Schulkinder zwischen 6 und 10 Jahren. Gefordert wird außerdem die Anhebung des Ausbildungsniveaus der Erzieherinnen - das ist hier schon mehrfach genannt worden -, das heißt eine Ausbildung an Fachhochschulen. Zumindest soll aber ein umfassendes Angebot der Weiterbildung ermöglicht werden. Die praktische Arbeit soll durch berufsbegleitende Weiterbildung, Fachberaterinnen und Fachberater und weitere erprobte Qualitätsmaßnahmen, zum Beispiel mehr Konsultationszentren, unterstützt werden. Auch wenn wir in diesem Bereich schon ganz gut dastehen, haben auch wir noch erheblichen Entwicklungsbedarf. Darin sind wir uns einig.

Dem Bereich „Standards, Entwicklung und Qualität in Bran

denburg“ messen die OECD-Experten eine so hohe Bedeutung bei, dass sie das vorhandene System im Länderbericht gesondert als einen besonders weit gefassten und dynamischen Ansatz darstellen, der zeigt, wie die verschiedenen Möglichkeiten aufgenommen und umgesetzt werden können. Das sollte uns Mut machen.

Die wichtigsten Elemente des vorhandenen Systems zur Förderung der pädagogischen Qualität möchte ich nun aufzeigen, bevor ich auf einige Perspektiven der Weiterentwicklung eingehe.

Das sozialpädagogische Fortbildungswerk des Landes Brandenburg bietet eine große Anzahl von Fortbildungen an. Entsprechende Aktivitäten gibt es auch bei den freien und den kommunalen Trägern. Festzustellen ist ein sehr hohes Fortbildungsinteresse der Fachkräfte, das mit den vorhandenen Ressourcen leider nicht immer befriedigt werden kann. Die Jugendämter der Landkreise und kreisfreien Städte, Kommunen und freie Träger beschäftigen etwa 60 Fachberaterinnen und Fachberater. Diese Praxisberater erhalten einen - wenn auch geringen - Landeszuschuss.

Der OECD-Bericht unterstreicht die Bedeutung der Praxisberatung und hebt zusätzlich die besondere Brandenburger Variante dieser Beratungsaufgabe, die so genannten KonsultationsKitas, positiv hervor. Zurzeit sind im Land Brandenburg acht Kindertageseinrichtungen als Konsultationskitas tätig. Für diese Aufgabe erhalten sie einen Landeszuschuss in Höhe von immerhin 10 000 Euro im Jahr. Brandenburg hatte diese Form der Praxisunterstützung in den 90er Jahren eingeführt. Inzwischen folgen immer mehr Bundesländer diesem Weg.

Von 1997 bis 2000 fand ein von Brandenburg initiiertes und zusätzlich in Thüringen und Schleswig-Holstein durchgeführtes Bundesprojekt zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen des Instituts für angewandte Sozialisationsforschung „Frühe Kindheit“ statt. Das Projekt hat laut OECD-Bericht ein Verständnis von Bildung geschaffen, das die Mitwirkung des Kindes und des Erwachsenen an seinen Bildungsund Erziehungsprozessen betont. Das Projekt wird inzwischen als 10-Stufen-Projekt Bildung mit 30 Kitas in Brandenburg und weiteren Einrichtungen in Baden-Württemberg fortgesetzt. Die Ergebnisse werden im kommenden Jahr veröffentlicht.

Im Jahr 2004 wurden mehrere der am Projekt beteiligten Kitas in Brandenburg mit den Instrumenten der Qualitätsmessung getestet. Ihre Ergebnisse liegen deutlich über den Referenzdaten aus dem Kita-Qualitätswettbewerb. Gerade die bildungsorientierten Elemente der Arbeit nehmen dabei einen hervorragenden Platz ein.

Die Grundsätze der elementaren Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung im Land Brandenburg wurden von Ende 2002 bis Juni 2004 in einem Dialog von Wissenschaft, Praxis, Trägerverbänden und Verwaltung entwickelt. Sie setzen einen normativen Rahmen für den Bildungsauftrag in der Kindertagesbetreuung und sollen sicherstellen, dass allen Kindern in den Tageseinrichtungen des Landes die erforderlichen Bildungsmöglichkeiten eröffnet werden.

Über die Anerkennung durch die OECD habe ich mich sehr gefreut. Sie bestätigt die politische Schwerpunktsetzung der Landesregierung für eine qualifizierte Kindertagesbetreuung. Diese Schwerpunktsetzung ist auch im Koalitionsvertrag und war

auch in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten dokumentiert.

Das System unserer Kindertagesbetreuung ist in einem Entwicklungsprozess hin zu einer höheren Bildungs-, Erziehungsund Betreuungsqualität. Dieser Prozess ist noch nicht flächendeckend sichtbar. Die Expertengruppe der OECD weist zu Recht auf die begrenzten Ressourcen hin, mit denen dieser Prozess unterstützt wird, da wir zum Beispiel für 1 700 Kindertageseinrichtungen bisher nur die von mir schon erwähnten 60 Fachberaterinnen und Fachberater haben.

Auch in Zukunft muss der Schwerpunkt unserer Anstrengungen darauf liegen, den Alltag der Kindertagesbetreuung zu qualifizieren. Unsere besondere Aufmerksamkeit wird dabei dem Übergang von der Kita in die Grundschule gelten. Dabei geht es nicht darum, Vorschule zu machen, sondern darum, die besonderen Lernformen des Kindergartens zu stärken und weiterzuentwickeln. Trotz knapper Kassen planen wir für die kommenden Jahre insbesondere folgende zusätzliche Maßnahmen:

Brandenburg hat die Federführung für ein BLK-Verbundprojekt zur Stärkung der Bildungs- und Erziehungsqualität in Kita und Grundschule und zum Übergang übernommen. In diesem Zusammenhang werden wir die Verbreitung der Erfahrungen aus dem 10-Stufen-Projekt Bildung ab dem kommenden Jahr durch drei weitere Konsultations-Kitas unterstützen.

Ebenfalls im Rahmen des BLK-Projekts werden mithilfe des Projekts „Ponte - Kindergärten und Grundschulen auf neuen Wegen“ Brücken zwischen Kindergärten und Grundschulen gebaut.

Wie von der OECD vorgeschlagen, möchte die Landesregierung die Ausbildung eines Teils der Erzieherinnen, vor allem der Kita-Leiterinnen, auf Fachhochschulniveau heben. Ab dem Wintersemester 2005/06 will die Fachhochschule Potsdam einen entsprechenden Studiengang einführen.

Schließlich bereiten wir eine Verbesserung der Sprachförderung vor. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf ein Instrument zur Feststellung von Defiziten bei Vorschulkindern, die Grenzsteine der Entwicklung. Hierbei werden durch die Kitas sechs Entwicklungsbereiche der Kinder beobachtet, zum Beispiel als ganz wichtiger Bereich der Spracherwerb.

Erlauben Sie mir noch einige Worte zu den Trägern der Kindertagesbetreuung. Als sehr positiv sehe ich das Engagement der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege bei der Erarbeitung und Umsetzung der Grundsätze der elementaren Bildung in Einrichtungen der Kindertagesbetreuung an. Bei den Verbänden der Liga sind beeindruckende Anstrengungen zum Thema Qualitätsentwicklung vorhanden.

Aber auch bei den Kommunen gibt es herausragende Beispiele. Woltersdorf, Vetschau, Hennigsdorf - diese drei Ortsnamen stehen beispielhaft für Kommunen, die mit ihren Kindertagesstätten qualifizierte Standortpolitik machen und Trägerverantwortung übernehmen. Die Stadt Hennigsdorf zum Beispiel hat bereits im Mai 2002 Leitlinien der pädagogischen Arbeit in den kommunalen Kindertagesstätten beschlossen. Anschließend haben die kommunalen Kindertagesstätten ihre pädagogischen Konzepte überarbeitet. Woltersdorf und Vetschau können als

Ergebnis ihres Engagements zwei Konsultations-Kitas als Leuchttürme in der Bildungsarbeit aufweisen.

Der OECD-Länderbericht macht allen im System der Kindertagesbetreuung engagierten Menschen, den Fachkräften genauso wie den Eltern, Mut, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Unterstützen wir sie dabei; denn ohne das Engagement dieser Menschen hätte unsere politische Schwerpunktsetzung in der Kindertagesbetreuung keine Aussicht auf Erfolg. - Danke.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich danke Minister Rupprecht für seinen Beitrag. - Wir setzen die Beratung mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort, die noch über siebeneinhalb Minuten Redezeit verfügt. Frau Abgeordnete Siebke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auf einige Dinge, die hier gesagt worden sind, eingehen. Ich hoffe, die verbleibenden siebeneinhalb Minuten werden dazu ausreichen.

Frau Große, Sie haben Ihren Redebeitrag mit dem Satz begonnen: „Wir wollen den Erfolg, der uns hier bescheinigt worden ist, nicht kleinreden.“ Aber ein Großteil Ihrer Rede haben Sie dann doch dazu genutzt, genau dies zu tun.

(Beifall bei der SPD - Frau Große [PDS]: Nein!)

Ich nenne in diesem Zusammenhang einige Stichworte: die Elternbeiträge, die gestiegen sind, die Schließung von Kitas, die natürlich erfolgt ist. Aber Sie haben nicht dazu gesagt, dass, wenn weniger Kinder da sind, natürlich auch weniger Kitas gebraucht werden und dass das nicht über den Betreuungsanspruch begründet war. Wir haben einen hohen Betreuungsgrad.

Ich möchte auch dem entgegenwirken, was von Ihnen wieder als Drohgespenst an die Wand gemalt worden ist: dass KitaBetreuung von qualifiziertem Personal durch 1-Euro-Jobs ersetzt werden soll, die von Hartz-IV-Empfängern für Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren gemacht werden sollen. In Schule und Kita - ich sage noch einmal, was hier schon mehrfach ausgeführt worden ist - können das nur ergänzende Angebote zu dem sein, was hier besteht.

Sie haben über Kita-Standards zu DDR-Zeiten gesprochen. Ich kenne mich da aus, denn ich habe zehn Jahre lang Kindergärtnerinnen ausgebildet und war zu DDR-Zeiten durchaus in Kitas. Die Standards, die dort galten, ob räumlich oder personell, kenne ich sehr genau. Ich weiß auch, wie viele Kinder zu DDR-Zeiten durch eine Erzieherin betreut werden mussten und wie es dort zuging. Mit einem haben Sie natürlich Recht: Erzieherinnen hatten vom Fachlichen her, wenn wir die ideologische Bildung weglassen, eine qualifizierte Ausbildung, zum Beispiel auch zur Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit bei Kindern usw. usf.

Wenn Sie sagen, dass 70 % dieser Erzieherinnen heute noch in unseren Kitas tätig sind, dann erschließt sich mir nicht - und hat sich mir in all den vergangenen Jahren nicht erschlossen -,

warum die Erzieherinnen diese Bildungsarbeit, die sie einmal gelernt haben, einfach nicht mehr gemacht haben. Das hat ihnen schließlich niemand verboten. Trotzdem vielen Dank für das, was dort geleistet worden ist. Das ist etwas, worauf man sehr gut aufbauen kann. Wenn wir uns alle einig sind - das schien jetzt hier so zu sein -, dass die Ausbildung neuer Erzieherinnen auf einem höheren Niveau stattfinden soll, dann ist das doch gut. Der Minister hat dies auch nicht in weite Ferne gerückt, sondern gesagt, dass das zeitnah erfolgen soll. Ich meine, dass Bildungs- und Erziehungsarbeit dann auf der Basis der 70 % der vorhandenen und der neu ausgebildeten Erzieherinnen eine sehr gute Chance hat, sich weiter positiv zu entwickeln.

Noch eines zu Herrn Senftleben: Niemand in diesem Saal will bestreiten, dass die Familie eine ganz wichtige Institution ist, besonders für die Erziehung und Bildung von Kindern, aber auch für ein Gefühl von Geborgenheit. Aber vorschulische Erziehung kann das sehr gut ergänzen. Ich muss dazu sagen, dass es auch Familien gibt, die dieser Aufgabe nicht gerecht werden, weil sie dies nicht wollen oder nicht können, aus welchen Gründen auch immer.

Die Gesellschaft hat die Aufgabe, für die Entwicklung auch dieser Kinder zu sorgen. Sie dürfen nicht auf der Strecke bleiben, nur weil ihre Familie versagt.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich denke, wir sollten das Geleistete anerkennen. Es ist nicht leicht gewesen; denn es war teuer, die Kita-Strukturen aufrechtzuerhalten, und es gab auch Widerstände. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, dass es nach der Wende die SPD und in Person - ich will es hier noch einmal erwähnen, weil es oft vergessen wird - Regine Hildebrandt gewesen sind, die sich dafür stark gemacht haben,

(Beifall bei der SPD)

dass dieses System erhalten bleibt. Ob Sie es nun wollen oder nicht, wir sind darauf stolz, dass das so ist,

(Beifall des Abgeordneten Schulze [SPD])

trotz aller Einschränkungen. Wir sollten auf dieser Basis an der Verbesserung der Qualität weiterarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Frau Abgeordnete Siebke. - Es gibt noch Redezeit für die Landesregierung. Herr Minister Rupprecht? - Kein Bedarf. Es gibt noch etwa zweieinhalb Minuten für die SPD-Fraktion. - Es gibt noch eine gute Minute für die PDS-Fraktion. Frau Große, bitte.

Wegen des roten Fadens und der Qualitätspakte, die wir hier schließen wollen, möchte ich doch noch etwas sagen.

Ich bedanke mich für die ausgewogene Rede der Landesregierung, weil darin Reserven benannt, Defizite erkannt und auch

Steuerungsmechanismen dafür dargelegt wurden, wie man den Defiziten begegnen sollte. Das ist nicht so selbstverständlich in diesem Hause. Insofern herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der PDS)

Herr Senftleben, auch die PDS will die Kinder den Eltern und auch den Familien nicht wegnehmen. Auch wenn Sie das nicht glauben mögen, in genau den Leitlinien, die Herr Minister Rupprecht benannt hat und welche Hennigsdorf als Stadt erarbeitet hat, wird die ganz enge Beziehung zwischen der Kindertagesstätte und der Familie erörtert. Richtig gute Kitas machen genau dies. Sie führen Elternbildung durch, sie finden die Möglichkeit, dass Eltern in Kitas ihre Professionalität einbringen und diese Kitas auch befördern können. Genau darum muss es doch gehen. Lösen Sie sich einfach von dem Familienbild, von dem Sie meinen, dass wir es hätten. Das ist Ihr Denkfehler in der ganzen Struktur.

(Beifall bei der PDS)

Insofern: Vorwärts zu dem, was zu machen ist!