Die Landesregierung und der Landtag dürfen sich nicht nur mit der Aufklärung der sogenannten Bodenreformaffäre beschäftigen, sondern müssen gerade im Umgang mit der aktuellen Lage Professionalität beweisen. Aufklärung und Beratung sind also zwei Seiten derselben Medaille. Die Menschen in unserem Land sind durch die Berichterstattung der letzten Wochen verunsichert und befinden sich mehr denn je in einer Situation, die mehr Fragen als Antworten aufwirft. Wenn ich ehrlich bin: Mir geht es momentan genauso.
Bis vor kurzem hat das Land sprichwörtlich um jeden Hektar Ackerland gekämpft - Herr Holzschuher, Sie haben die Rechtsgeschichte des Bodenreformlandes hier eindrucksvoll geschildert -, und nun gibt es mir nichts, dir nichts Tausende Grundstücke zurück. Dieser Kurswechsel um 180 Grad ist nur schwer vermittelbar. Auch über mögliche Fristen und Einspruchsgrundlagen wird im kurzen zeitlichen Wechsel der Rechtsauffassungen diskutiert.
In meinem Wahlkreis habe ich in den letzten Tagen viele Anfragen zu dieser unübersichtlichen Situation erhalten, und ich muss ganz ehrlich sagen, dass mich die Emotionalität, mit der in dieser Frage auf mich zugegangen wird, tief betroffen macht. Es ist daher dringend geboten und höchste Zeit, ein vernünftiges Beratungs- und Informationssystem einzurichten, auf das die Menschen zurückgreifen können. Dabei sind Transparenz und Verlässlichkeit die Tugenden, auf die es maßgeblich ankommt.
Meine Damen und Herren, es gibt für Politiker sicherlich angenehmere Aufgaben, als einen sogenannten Skandal oder eine Affäre im eigenen Verantwortungsbereich aufzuklären. Aber eben diese Kontrollfunktion ist ein wesentliches Element unserer Demokratie und des parlamentarischen Regierungssystems. Lassen Sie uns also die Verantwortung wahrnehmen und mit Ehrlichkeit, mit Bedacht und Besonnenheit zum Wohle Brandenburgs und seiner Menschen handeln. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schönen guten Morgen! Eigentlich wollte ich mich gar nicht mehr äußern. Frau Kaiser, Sie haben aber so viele Hüte in den Ring geworfen, da muss ich einfach zugreifen. Ich glaube, es sind ein paar Sachen stehen geblieben, über die wir noch einmal reden müssen.
Wenn ich Ihre Worte zum Untersuchungsausschuss richtig verstanden habe, geht es Ihnen eigentlich gar nicht mehr um Auf
Herr Holzschuher hat darauf hingewiesen, dass es sich bei dem ganzen Komplex der Bodenreform um eine sehr schwierige Rechtsmaterie handelt. Er hat auch darauf hingewiesen, dass selbst der BGH mehrfach anders geurteilt und seine Urteile revidiert hat. Ich habe den Eindruck, dass nur die PDS immer wusste, was das Richtige ist.
Sie haben gesagt, der Ministerpräsident habe in seiner Rede nicht die Frage des Wie - also wie das Land übertragen wurde - beantwortet. Sie haben gesagt, man hätte mit der Arbeit eher beginnen können. Sie haben im Wesentlichen die Modrow-Regelung gerühmt. Sie haben auf Mecklenburg-Vorpommern verwiesen und die Dimension in Brandenburg als Dämonisierung bezeichnet.
- Doch, das haben Sie. Sie haben das Wort Dämonisierung gebraucht. Dass wir in Brandenburg aufgrund der geschichtlichen Ereignisse mehr von diesen Flächen haben und es mehr Übertragungen gab, hat der Ministerpräsident sehr wohl dargestellt. Im Großen und Ganzen erschien mir all das, was Sie hier dargestellt haben, zu selbstgerecht und mit Blick auf die Geschichte Ihrer Partei auch zu vergesslich.
Ich habe in der vergangenen Woche mit einigen Bürgermeistern Gespräche geführt. Ich habe mit Menschen gesprochen, die zu DDR-Zeiten in Grundbuchämtern beschäftigt waren. Ich habe mit Menschen gesprochen, die im Katasteramt arbeiten. Ich habe auch mit einigen ehemaligen LPG-Vorsitzenden gesprochen. Ich möchte hier zwei Beispiele nennen, die illustrieren sollen, wie es damals ablief.
Ich möchte einmal Walter Fridolin nennen. Den Namen darf man ruhig nennen, denn wir suchen seine Erben. Walter Fridolin war ein Flüchtling. Er kam 1945 in die Gegend, in der ich wohne, und hat dort Bodenreformland erhalten. Ich weiß nicht mehr, wie viel Morgen Land es waren; das habe ich vergessen.
Fridolin ist 1949 - so haben es die Recherchen ergeben - nach Hamburg zu Verwandten oder Bekannten gezogen. Ich weiß es nicht. Normalerweise hätte daraufhin nach der Besitzwechselverordnung, die es in der DDR gab, eine Reaktion im Grundbuch der DDR erfolgen müssen. 1999 wurde recherchiert; Walter Fridolin stand noch im Grundbuch - nach 50 Jahren. Frau Kaiser, Sie sagen, da hätte man suchen müssen.
Der Kerl ist vor 50 Jahren nach Hamburg gegangen. Sie haben wirklich tief geforscht und irgendjemanden gefunden, der mein
te, da sei einmal jemand gewesen, aber der sei schon lange nicht mehr hier. In Hamburg wurde kein Fridolin aufgefunden.
- Das ist überhaupt nicht zynisch. Das ist die einfache Realität, und fast alle diese Fälle - hören Sie sich das gut an; das wird der Untersuchungsausschuss ergeben - handeln solche Schicksale ab.
Er war nicht aufzufinden; es gab in Hamburg keinen Fridolin. Das Land hat sich gesagt: Wenn wir jetzt nicht handeln, wird man uns womöglich Untreue vorwerfen, denn am 03.10.2000 ist Stichtag. - Also hat man sich entschlossen, sich auf diesem Wege, der unrechtmäßig war - in Ordnung -, eintragen zu lassen.
Sie nennen es Diebstahl. Ich frage: Wie gehen wir mit denen um, die massenhaft geflohen sind, als die LPG Typ III eingeführt wurde, wodurch ihnen quasi jegliches Recht auf Nutzung ihres Bodenreformlands entzogen wurde? Auch diese Frage müsste man einmal beantworten.
Ich nehme das Schicksal des Bauern Otto Kubicek aus meinem Nachbardorf. Der arme Kerl ist 1987 verstorben, drei Jahre nach seiner Frau. Die Tochter war zu dem Zeitpunkt - ich glaube, sie ist es heute noch - Lehrerin in Jena. Der Sohn war damals NVA-Offizier. C'est la vie. Sie hatten 1945 eine eigene Hofstelle. Dort betreibt der Enkel heute eine Kneipe. Die Tochter kam 1987 aus Jena zurück und hat den Erbschein verlangt und bekommen. Sie ist damit zum - Herr Vietze, Sie wissen es besser, wie es damals hieß
amtlichen Notariat gegangen. Das amtliche Notariat hat geprüft, ob es ein Testament gibt, und hat dann gesagt: Ja, da ist noch Bodenreformland. Um das Bodenreformland kümmert sich die Abteilung Landwirtschaft des Rates des Kreises. - Sie haben sich verpflichtet gesehen zu reagieren. Dieses Grundstück hätte damals eigentlich an den Bodenfonds der DDR zurückgeführt werden müssen, Herr Vietze, weil die Kinder nicht in der Landwirtschaft tätig waren. Es gab eine glasklare Regelung in der Besitzwechselverordnung. Als sich die beiden aber vor einigen Jahren erkundigten, was tatsächlich im Grundbuch steht und ob sie nicht irgendwelche Ansprüche hätten, stand noch immer Otto Kubicek in dem Grundbuch. Als das Land recherchierte, was denn nun Sache ist, stand Otto Kubicek im Grundbuch. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill?
(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Nein, nein! - Gör- ke [DIE LINKE]: Sie haben uns jetzt verwirrt!)
- Nein, weil Frau Kaiser vorhin gefragt hat, warum man nicht früher angefangen hat. Im ersten Fall hatten Sie 40 Jahre Zeit, das Grundbuch richtigzustellen - 40 Jahre und nicht nur zehn Jahre! Das Zweite war nach wie vor ein klarer Fall von - na ja, sagen wir einmal - Schlamperei im Umgang mit der Besitzwechselverordnung. Uns jetzt zum Vorwurf zu machen, dass
man nicht schnell genug habe Erben finden können - das sind fast alle dieser 10 000 Fälle -, weil nämlich über 40 Jahre lang versäumt wurde, ordentlich mit Grundbüchern und ordentlich mit der Besitzwechselverordnung umzugehen, ist einfach eine Sauerei!
Ich will hier auf keinen Fall das eine Unrecht mit dem anderen Unrecht aufwiegen, erklären oder gar rechtfertigen. Zur Erklärung und zum Verständnis dessen, was von 1990 bis heute passiert ist oder noch passiert, ist aber auch wichtig, sich einmal anzuschauen, was von 1945 bis 1989 passiert ist. Diese Beispiele sind in der Tat Musterbeispiele - so haben mir das die Kollegen aus den Grundbuchämtern gesagt - für einen Großteil der Fälle, über die wir hier reden.
Wenn damals der Rechtsstaat bezüglich der Besitzwechselverordnung gewirkt hätte, der nicht da war - das wissen wir alle -, wenn sich die DDR aber wenigstens an ihr eigenes Recht gehalten hätte, die Grundbücher in Ordnung gewesen wären, hätten wir heute mit Sicherheit nicht diese Regelung.
Frau Kaiser, die Modrow-Gesetze, so kurz vor Inkraftsetzung der Demokratie in Brandenburg bzw. in Deutschland, sollten nichts anderes bewirken, als diesen unterschiedlichen und ungerechten Rechtsstatus auszugleichen - weil man in allen Landkreisen unterschiedlich mit dieser Besitzwechselverordnung umgegangen ist -, indem man den Mantel des Schweigens und dicken Filz darübergelegt hatte. Nichts anderes sollten die Modrow-Gesetze bewirken.
Kohl hat später erkannt, dass das, was dort gemacht wurde, ungerecht war, und hat darum das zweite Gesetz dazu erlassen. Herr Holzschuher hat wunderbar dargestellt, dass das alles nicht wesentlich gerechter wurde. Ich glaube aber, dass die Zeit vor 1989 genauso wie die Zeit nach 1989 zu betrachten ist. So ganz unschuldig werden Sie dabei auch nicht von dannen kommen. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, wir sind vom vorgesehenen Zeitplan abgewichen und haben die Möglichkeit, jetzt in die Mittagspause zu gehen oder vorher die Fragestunde aufzurufen. Wozu neigen Sie mehrheitlich?
Ich schließe vorsichtshalber erst einmal Tagesordnungspunkt 1. - Ich bitte diejenigen die Hände zu heben, die jetzt in die Mittagspause möchten, -
und jetzt diejenigen, die erst noch die Fragestunde machen möchten. - Das ist eine Mehrheit. Ich danke Ihnen für dieses klare Votum.