Protokoll der Sitzung vom 09.04.2008

(Beifall bei der DVU)

Denn das Problem ist nicht die nichtvorhandene Konzentration bei den Reisegebieten, sondern die Tatsache, dass von 13 untersuchten Reisegebieten sage und schreibe neun chronisch unterfinanziert sind. Auf Reisegebietsebene sind in ganz Brandenburg lediglich 73 Personen beschäftigt, allerdings nur 38 Personen in Vollzeitbeschäftigung. Damit sind mehr als 50 % der Reisegebiete mit einer Beschäftigungszahl von lediglich ein bis drei Personen personaltechnisch stark unterbesetzt.

Also, Herr Minister und meine Damen und Herren von der Landesregierung, statt noch mehr Geld in die Tourismus-Marketing Brandenburg zu buttern, stocken Sie lieber den personellen und materiellen Etat der einzelnen Reisegebietsstrukturen in Brandenburg auf. Das wäre regional gesehen wesentlich effektiver und würde dem flächendeckenden Tourismus in Brandenburg einen wirklichen Aufschwung bringen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der DVU)

Wir runden die Debatte mit dem Beitrag des Abgeordneten Karney von der CDU-Fraktion ab.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon vieles gesagt worden, nur nicht von allen. Die Koalition hat im Sommer des letzten Jahres einen Antrag in dieses Parlament eingebracht, wonach die Landesregierung in Zusammenarbeit mit dem Landestourismusverband eine Bestandsaufnahme der Leistungsfähigkeit der Reisegebietsstrukturen vornehmen und dem Landtag einen Bericht über eine Neuordnung der Reisegebietsstrukturen in Brandenburg vorlegen soll. Aus dem Bericht des LTV geht hervor, dass 9 der 15 Reisegebiete als „unterfinanziert“ bzw. „stark unterfinanziert“ eingestuft werden. Zusätzlich gelten 50 % der Reisegebiete als personell unterbesetzt. Auch das haben wir heute schon gehört.

Durch die Organisationsstruktur der Reisegebiete steht dem Land bei der Neustrukturierung leider nur eine moderierende Rolle zu. Wir müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass das Land hier keine direkte Einflussmöglichkeit hat. Wir können Verbände, in denen wir noch nicht einmal Mitglied sind, weder rechtlich auflösen noch neu ordnen. Das Problem der notwendigen Neuordnung ist auch in den Reisegebieten bekannt, und viele halten dies für erforderlich. Genau hier müssen wir anknüpfen. Eine Neustrukturierung können wir nur gemeinsam mit den Reisegebieten und dem Fachverband erreichen. Das

bedarf einer Vielzahl von Gesprächen und einer dementsprechenden Überzeugungsarbeit. Das geht auch aus dem Bericht der Landesregierung hervor: Kooperation ja, Fusion nein. - Eine Ausnahme hierbei bilden die Tourismusverbände MärkischOderland und Oderspree-Seengebiet. Hier wurde eine auch aus Sicht des Marktes sinnvolle Fusion beschlossen.

Wir haben zu verzeichnen, dass die Neustrukturierung der Reisegebiete in Brandenburg nicht mit einem Bericht abgeschlossen sein kann. Wir wissen aber nun genau, welche Region finanzielle und personelle Defizite hat. Das liefert uns noch mehr Argumente, auf eine Neuordnung zu drängen. Angesichts der Tatsachen, die aus dem Bericht des Landestourismusverbandes hervorgehen, müssen wir in den Landkreisen verstärkt für sinnvolle Fusionen werben. Damit könnte zum einen die Arbeit der regionalen Verbände effektiver gestaltet werden. Zum anderen würde die konsequente Ausrichtung auf Themenprodukte weiter vorangetrieben werden. Es interessiert doch keinen potenziellen Gast, ob er nun in Elbe-Elster oder in der Niederlausitz wandern geht. Er möchte ein qualitativ hochwertiges Produkt angeboten bekommen, um die Regionen im Süden des Landes zu erkunden. Im Zweifelsfall verlässt er so nicht nur die regionalen Gebiete des jeweiligen Tourismusverbandes, sondern unter Umständen überquert er auch die Landesgrenze zu Sachsen. Die Lausitz endet eben nicht an unserer Landesgrenze und schon gar nicht an der Grenze eines regionalen Tourismusverbandes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit wir die Tourismusbranche in Brandenburg weiter voranbringen können, müssen alle Akteure an einem Strang ziehen. Der Bericht der Landesregierung kann dazu nur der erste Schritt gewesen sein. Ich erwarte, dass wir im zuständigen Ausschuss das Thema weiter auf der Tagesordnung haben werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren! Damit beende ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 11. Sie haben den Bericht der Landesregierung in der Drucksache 4/6058 hiermit zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 11 und rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Volksinitiative nach Artikel 76 der Verfassung des Landes Brandenburg „Kostenfreie Schülerbeförderung ist machbar!“

Beschlussempfehlung und Bericht des Hauptausschusses

Drucksache 4/6119

Wir beginnen die Debatte mit dem Beitrag der Abgeordneten Große für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Dies ist ein guter Tag für Brandenburg.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Diesen Spruch haben wir vonseiten der Landesregierung sehr, sehr häufig in diesem Haus gehört. Ich meine, heute ist wirklich ein guter Tag für Brandenburg. Es ist die erste Volksinitiative, die möglicherweise heute zum Erfolg geführt wird. So sind zumindest die Vorsignale. Wie nicht anders zu erwarten, wird die LINKE für die Annahme der Volksinitiative und damit für die Aufhebung der bisherigen Pflicht der Kreise, Elternbeiträge zur Schülerbeförderung zu erheben, stimmen.

Wir gratulieren dieser Volksinitiative, deren Funke aus dem Kreis Ostprignitz-Ruppin auf das Land übertragen wurde. Wir gratulieren Ihnen, die Sie heute als Vertreterinnen und Vertreter dieser Initiative hier sind, zu Ihrem mühevollen Engagement, das sich also gelohnt hat. Wir sind froh, dass dies zu einem positiven Ergebnis geführt hat. Möge es also zu einer Ermunterung zur Wahrnehmung der demokratischen Rechte führen.

Das Umdenken der Koalition in dieser Frage nehmen wir mit Befriedigung zur Kenntnis. Im Gegensatz zu den Koalitionsfraktionen und zur Landesregierung, die noch vor gut einem Monat die Ziele der Volksinitiative abgelehnt haben, hat die LINKE die Volksinitiative von Anfang an aktiv unterstützt. Wir sollten uns dennoch darüber im Klaren sein, dass die heute möglicherweise erfolgende Annahme der Forderung der Volksinitiative das Problem der Schülerbeförderung im Land noch nicht in Gänze lösen wird. Es werden Voraussetzungen geschaffen, die dazu führen könnten, dass es mehr Gerechtigkeit in der Schülerbeförderung geben wird, wenn der Landtag dies mit flankierenden Maßnahmen unterstützen und weiterführen wird. Dazu - das haben wir zumindest vernommen - gibt es vonseiten der Koalitionsfraktionen ja auch Bereitschaft. Es ist zumindest über eine Summe nachgedacht worden, die hier eingestellt wird.

Die Anhörung im Hauptausschuss hat ziemlich eindeutig eine allseitige Zustimmung zu den Zielen der Volksinitiative ergeben. Gleichzeitig wurde von allen Anzuhörenden mit unterschiedlichem Nachdruck betont, dass der Gesetzgeber die Landkreise in die Lage versetzen muss, keine Elternbeiträge erheben zu müssen.

Zum Hintergrund der heutigen Situation: 2003 wurden den Kommunen im Zusammenhang mit dem ersten Kommunalentlastungsgesetz die Mittel um rund 140 Millionen Euro gekürzt, was unter anderem dazu geführt hat, dass die Landkreise und kreisfreien Städte gezwungen wurden, unabhängig von ihrer finanziellen Situation Elternbeiträge für die Schülerbeförderung zu erheben. Wenn die Folge der Annahme der Volksinitiative ist, den § 112 nun neu zu formulieren, und dann also der alte Zustand von 2003 wiederhergestellt wird, impliziert das logischerweise auch einen Ausgleich für die Landkreise. Deutlich wurde in der Anhörung formuliert: Je niedriger der Ausgleich sein wird, desto geringer wird der Handlungsspielraum der Landkreise sein. Mit anderen Worten: Desto höher werden die Elternbeiträge sein müssen, die die Landkreise aufgrund ihrer finanziellen Situation erheben müssen. Denn wie wir wissen, sind von 18 Landkreisen und kreisfreien Städten 14 in der Situation, keinen ausgeglichenen Haushalt zu haben.

Zur Verdeutlichung noch einige konkrete Zahlen: Die gegenwärtigen Einnahmen der Landkreise aus der Schülerbeförderung liegen bei 10 Millionen Euro. Gegenwärtig nehmen 110 000 Schülerinnen und Schüler an der Schülerbeförderung teil. Das sind etwa 40 % aller Schülerinnen und Schüler. Wie

wir wissen, ist die Beteiligung am Schülerverkehr durch die Folgen des Entlastungsgesetzes um etwa ein Drittel zurückgegangen.

Das bedauern wir sehr, denn der öffentliche Personennahverkehr ist das sicherste Mittel, um Schülerinnen und Schüler zu ihren Schulen zu befördern. Wir sollten also nicht sagen, wir befürchten, dass es mehr Nutzer sein werden, wenn wir die Elternbeiträge freistellen, sondern wir sollten uns freuen, wenn dies passiert.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Sowohl vom Landkreistag als auch vom VBB wird eingeschätzt, dass der Wegfall der Elternbeteiligung dazu führen wird, dass wesentlich mehr Schülerinnen und Schüler den ÖPNV nutzen. Das muss in unserem Interesse sein.

Daraus könnte noch einmal eine Mehrbelastung für die Landkreise von bis zu 10 Millionen Euro erwachsen. Es steht also auf jeden Fall fest, dass die von der Koalition zur sozialen Staffelung in Aussicht gestellten 4 Millionen Euro das Problem noch nicht lösen. Diese 4 Millionen Euro wären im Übrigen in etwa die Summe, die der Landkreis Oberhavel allein brauchte, um die Schülerbeförderung elternbeitragsfrei zu gestalten. Außerdem ist die Frage, wie hoch der Beitrag des Landes nach 2009 sein wird. Bisher hat sich ja die Koalition offensichtlich lediglich für die 4 Millionen Euro für 2009 ausgesprochen.

Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass es die Landkreise derzeit natürlich überfordert, die Staffelung nach Einkommen der Eltern - das wäre sicherlich die erstrebenswerte Lösung einer gerechten Gestaltung - verwaltungsmäßig in den Griff zu bekommen.

Aus unserer Sicht ergeben sich aus der Annahme der Volksinitiative, die wir heute als Unterstützerinnen und Unterstützer unbedingt mit auf den Weg bringen werden, folgende Aufgaben: Die Änderung des § 112 sollte als erster Schritt begriffen werden, die Zugänge zu Bildung so gerecht wie möglich und die Elternbeiträge so gering wie möglich zu halten. Es bedarf landesweiter Regelungen, um die gegenwärtigen Ungerechtigkeiten bei der Schülerbeförderung zu minimieren. Dazu müssen die unterschiedlichen Bedingungen der einzelnen Landkreise beachtet werden. Eltern müssen vor allem dort entlastet werden, wo es ausschließlich um die Finanzierung der Beförderung zur Schule geht und wo keine Angebote vorgehalten werden können, die über die Schülerbeförderung hinausgehen. Das ist vor allen Dingen in ländlichen Regionen der Fall.

Darüber hinaus bedarf es der Festlegung von Obergrenzen bezogen auf die Schulwege und auch der Zeiten. Die Zumutbarkeit von Wege- und Wartezeiten muss genau definiert werden.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Satzungen dürfen aus unserer Sicht nicht benutzt werden, um Schülerströme zu lenken. Die Schülerbeförderung muss so gestaltet werden, dass für alle Schülerinnen und Schüler die Teilnahme an den Angeboten am Nachmittag und im Ganztagsbetrieb ermöglicht wird. Das Land wird sich nicht weiter vor der Gestaltung einer Rahmensetzung oder untergesetzlicher Regelungen drücken können. Mustersatzungen reichen nicht. Es bedarf gesetzlicher Regelungen.

Meine Damen und Herren von der Koalition, lassen Sie uns die Annahme der Volksinitiative dazu nutzen, die Chancengleichheit der Schülerinnen und Schüler in diesem Land zu erhöhen. Dazu bedarf es des erweiterten Engagements von uns allen. Das sind wir allen Betroffenen, vor allem aber auch den Akteuren vor Ort, die in den letzten Wochen und Monaten mehr als 26 000 Unterschriften gesammelt haben, schuldig. - Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Abgeordnete Baaske setzt die Aussprache für die SPDFraktion fort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat ist heute quasi ein historisches Datum. Zum ersten Mal wird der Landtag eine Volksinitiative annehmen: Das passiert in Landtagen nicht allzu häufig; dazu darf man den Initiatoren der Volksinitiative schon einmal ganz herzlich gratulieren und sie beglückwünschen.

(Beifall bei der SPD)

Wir nähern uns der Normalität. Frau Große, ich halte es für völlig berechtigt... Jetzt gehen Sie weg! Ich habe Ihnen noch ein paar Worte zu sagen.

(Frau Große [DIE LINKE]: Ich muss weg! Ich habe noch eine internationale Veranstaltung! - Zuruf: Zum Zahnarzt!)

- Der Zahnarzt muss warten.

Ich halte es durchaus für gerechtfertigt und normal, dass Eltern keine Beiträge zahlen, damit ihre Kinder in die Schule kommen. Ich denke, das ist der Normalfall, genauso wie es im anderen Fall normal sein sollte, dass Politik hinhört, wenn Menschen Bedürfnisse haben, und auf Änderungswünsche reagiert.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Oh, oh!)

- Ich habe nicht gesagt DIE LINKE, sondern Menschen im Lande.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Sie sind eine kleine Teilmenge, aber nicht die Menschen im Lande.

(Zuruf des Abgeordneten Vietze [DIE LINKE])

Ich muss vielleicht kurz auf das zurückkommen, was im Jahr 2002 und 2003 passiert ist. Ich kann mich gut an die Landtagssitzung im Herbst 2002 erinnern. Frau Ziegler hat hier am Pult gestanden und auf die Frage, wie es denn mit der Haushaltssituation aussehe, geantwortet: Wir werden uns wahrscheinlich im Jahr 2002 mit 1 Milliarde Euro verschulden. - Wir brauchten einen Nachtragshaushalt, und wir haben auch im Jahr 2003 ziemlich tief in die Röhre geguckt, was die öffentlichen Haushalte anging.

Das hat natürlich eine Rückwirkung auf die kommunalen