Protokoll der Sitzung vom 10.04.2008

Jährlich gibt es in der Notfallrettung rund 180 000 Einsätze der Rettungswagenmannschaften. Notärztinnen und Notärzte leisten über 80 000 Einsätze.

Aber wir sehen auch, dass sich seit 1992 die Bedingungen im Gesundheitswesen und damit auch für den Rettungsdienst deutlich gewandelt haben. Mit dem Gesetz reagieren wir darauf und wollen speziell die notärztliche Versorgung im Land zukunftssicher machen.

Unstrittig ist zwischen den Trägern des Rettungsdienstes, also den Landkreisen und kreisfreien Städten, und den Krankenkassen als Kostenträger, dass wir die vorhandenen 55 bodengebundenen Notarztstandorte in der Fläche erhalten müssen. Problematisch ist schon heute die ärztliche Rund-um-die-Uhr-Absicherung einiger Notarztstandorte. Dieses Problem wird sich - darin sind sich alle Experten einig - in den nächsten Jahren weiter zuspitzen.

Notärztemangel ist kein brandenburgtypisches Problem; diesen gibt es auch in Rheinland-Pfalz, Hessen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Die Ursachen liegen, so glaube ich, auf der Hand. Unter den niedergelassenen Ärzten gibt es nur wenige mit der erforderlichen Qualifikation für den Rettungsdienst.

Bei den Krankenhäusern wirken sich unter anderem die Einführung der pauschalierten Kostensätze - DRGs - und die Rechtsprechung zur Arbeits- und Bereitschaftszeit aus.

Da wir in Brandenburg bei der Notarztgestellung auf die Krankenhäuser angewiesen sind, wollen wir die Bedingungen für die Häuser verbessern. Die Teilnahme am Notarztdienst darf sich nicht nachteilig auf die stationäre Versorgung auswirken. Das bedeutet: Die Krankenhäuser müssen ihre Aufwendungen für die Notarztgestellung neben ihren Budgets komplett erstattet bekommen, um das notwendige Personal überhaupt vorhalten zu können.

Wichtig ist ein weiterer Aspekt: Die Krankenhäuser tragen bisher - ohne entsprechenden Kostenausgleich - die Hauptlast der notärztlichen Weiterbildung. Das soll sich auch ändern, zumal die Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“ ausschließlich im Rettungsdienst zum Tragen kommt. Das neue Gesetz setzt also einen klaren Impuls in Richtung Gewinnung notärztlichen Nachwuchses. Wir sind uns sicherlich darüber einig, dass das seinen Preis hat.

Zu einigen weiteren Aspekten des Entwurfs: Wir wollen das Zusammenwirken des Rettungsdienstes mit dem Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verbessern, um die knappen Ressourcen beider Systeme der vorklinischen Versorgung gerade in den ländlichen, dünn besiedelten Gebieten unseres Landes sparsam und effizient einzusetzen.

Wir stellen die Planungsgrundlagen für den Rettungsdienst durch Aufnahme der Hilfsfrist in das Gesetz klar. Die Hilfsfrist von 15 Minuten ist notfallmedizinisch noch vertretbar, zumal unser Rettungsdienst im Länderdurchschnitt die längsten Fahrwege zu den Notaufnahmen der Krankenhäuser hat. Die Hilfsfristbestimmung stellt lediglich objektives Recht dar, das sich an die Verantwortlichen für die Rettungsdienstplanung wendet. Ein subjektives Recht für den Einzelnen wird dadurch nicht begründet.

Im Bereich der Finanzierung des Rettungsdienstes sind einige Klarstellungen erforderlich, um zwischen seinen Trägern und den Kostenträgern strittige Punkte auszuräumen. Das betrifft zum Beispiel die Kosten für die ärztliche Leitung des Rettungsdienstes und für die Qualitätssicherung. Gerade wenn es um höhere Wirtschaftlichkeit geht, muss die Qualitätssicherung der Notfallrettung Priorität haben. Hier wollen wir mit allen Beteiligten im Lande einen breiten Diskussionsprozess anstoßen.

Sicherlich haben alle noch die Bilder des schrecklichen Busunglücks auf der A 14 am 18. Juni letzten Jahres vor Augen. Derartige Ereignisse fordern den Rettungsdienst aufs Höchste personell, technisch und organisatorisch. Die Träger müssen darauf vorbereitet sein. Im neuen Gesetz verankern wir deshalb wichtige Vorgaben, etwa für ein integriertes Hilfeleistungssystem aus Rettungsdienst, Feuerwehr, Katastrophenschutz und Krankenhäusern, aber auch für die Qualifikation des rettungsdienstlichen Personals für die Einsatzführung bei Massenunfällen.

Noch ein Wort zur Wirtschaftlichkeit unseres Rettungsdienstes: Den Kritikern, die meinen, der Rettungsdienst sei zu teuer, muss man deutlich sagen, dass wir im Hinblick auf den Rettungsdienst absolut nicht über unsere Verhältnisse leben. Er be

findet sich ständig in einem Spagat zwischen den Kostenträgern und der optimalen Versorgung der Patienten. Hinsichtlich der rettungsdienstlichen Vorhaltungen sind wir im Vergleich aller Länder, bezogen auf die Fläche, am sparsamsten ausgestattet. Zum Beispiel versorgt ein Notarztstandort bei uns im Durchschnitt eine Fläche von 536 km2; in Sachsen sind es 283 km2, im Saarland nur 190 km2.

Abschließend schlage ich Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuss zu überführen. Mal sehen, ob der Präsident dem folgt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ich werde mir das gut überlegen, Frau Ministerin. Dafür habe ich noch ein bisschen Zeit; denn wir hören zunächst einmal die Kollegin Wöllert. Sie spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rettungsdienst erfüllt eine Aufgabe, die in der Öffentlichkeit mit hoher Sensibilität beobachtet und zur Kenntnis genommen wird. Bei uns im Land Brandenburg kann sich jeder darauf verlassen, dass der Rettungsdienst funktioniert. Das ist gut so. Für uns ist das Anlass, uns bei allen am Rettungsdienst beteiligten Kräften noch einmal ausdrücklich für ihre Arbeit und ihren Einsatz zu bedanken, was ich an dieser Stelle gern tun möchte.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und vereinzelt bei der SPD)

Gleichwohl gibt es bei der Organisation und der Finanzierung des Rettungsdienstes Veränderungsbedarf. Das ist in der Gesetzesbegründung zutreffend beschrieben und auch in der Rede von Frau Ziegler deutlich geworden. Darüber ist sachlich zu reden, wobei die Opposition gelegentlich andere Vorstellungen und Vorschläge als die Regierung hat. Aber ich denke, das sollten wir als normal betrachten.

Träger des Rettungsdienstes sind für die Luftrettung das Land und für den bodengebundenen Rettungsdienst die Kreise und kreisfreien Städte. Allerdings sind an der Wahrnehmung des Rettungsdienstes eine ganze Reihe von Akteuren beteiligt. Die Beteiligten haben naturgemäß unterschiedliche Interessenlagen, die mit dem Gesetz so austariert werden müssen, dass der Rettungsdienst auch zukünftig in hoher Qualität funktioniert.

Probleme haben sich insbesondere dadurch aufgebaut, dass es für die Krankenhäuser schwieriger wird, ausreichend Notärztinnen und Notärzte bereitzustellen und dies auch finanziert zu bekommen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes, wenn ein Einsatz im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus medizinischen Gründen notwendig ist. Das heißt nichts anderes, als dass die Finanzierung des Rettungsdienstes zu 90 % zulasten der Krankenkassen geht. Vor diesem Hintergrund muss man durchaus Verständnis haben, wenn die Krankenkassen monieren, dass ihre Beteiligung an der Festlegung von Benutzungsentgelten quasi ausgeschlossen ist. Darüber sollte man vielleicht nachdenken. Aber wir haben uns in Ge

sprächen mit den Kassen dazu schon verständigt. Das wird sicherlich weiterhin ein Thema sein.

Die Kassen erheben schon seit Jahren die Forderung nach einer Verhandlungslösung. In allen anderen Bundesländern gibt es, soweit ich es überblicke, ein qualifiziertes Mitspracherecht natürlich nicht das Recht, die Beiträge festzulegen; das kann auch nicht so sein -, in Brandenburg nicht. Wir müssen überlegen, wie wir mit diesem Fakt umgehen. Darüber sollten wir im Rahmen der weiteren Beratung über dieses Gesetz sprechen.

Ein Dauerbrenner in der Diskussion um den Rettungsdienst ist die Wasserrettung. In der gestrigen Aktuellen Stunde haben wir gehört, welch wichtige Rolle der Wassertourismus in Brandenburg spielt und dass er ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist. In dem Sinne sollten wir auch überlegen, wie wir den Wasserrettungsdienst so in das Rettungsdienstgesetz einbinden können, dass eine verlässliche Finanzierung überall gewährleistet ist, ohne dass das Merkmal „freiwillig“ berührt würde. Im ehrenamtlichen Bereich sollte er schon bleiben; ich denke, das ist nicht das Thema. Dies alles sollten wir in unserer Diskussion berücksichtigen.

Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft, die Freiwilligenorganisation in der Wasserrettung, rekrutiert ihre Leistungen hauptsächlich aus Spenden. Damit ist eine zielgerichtete finanzielle Planung oftmals nicht so gut möglich. Ich denke, dass wir in unserem Ausschuss genug Möglichkeiten haben, auch einmal über unsere Landesgrenzen hinauszusehen. Wie mir bekannt ist, ist in das Rettungsdienstgesetz in Bayern zum Beispiel der Wasserrettungsdienst aufgenommen worden. Wir sollten ausloten, welche Möglichkeiten wir dabei haben. Wir haben also eine Menge zu tun, und ich freue mich auf eine gute Diskussion. Vielleicht schaffen wir es einmal, zu einheitlichen Standpunkten zu kommen. - Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Frau Wöllert. - Also mit Blaulicht voran! Dazu spricht für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Dr. Münch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wöllert, unsererseits steht dem nichts entgegen, einen Konsens gerade bei dem Thema Rettungsdienstgesetz zu finden; denn ich denke, dass das kein Spielfeld für parteitaktische Interessen ist. Frau Ministerin Ziegler hat schon dargelegt, warum es notwendig ist, das Rettungsdienstgesetz zu verändern. Es hängt vor allem auch mit den Finanzierungsproblemen zusammen, weil die Krankenhäuser sich mittlerweile sehr stringent über das sogenannte DRG-Modell finanzieren und kein Platz ist, zusätzlich den Rettungsdienst zu finanzieren. Deshalb war es auch notwendig, die Finanzierung der unterschiedlichen Träger in einer Novelle zu regeln.

In Brandenburg kommen ungefähr 220 Mal am Tag Notärztinnen und Notärzte zum Einsatz. Das sind etwa 80 000 Einsätze pro Jahr. Davon, dass der Rettungsdienst gut und verlässlich funktioniert und die notärztliche Versorgung letztendlich eine hohe Qualität hat, hängt die anschließende Hilfe in den Krankenhäusern ab und letzten Endes auch das Überleben unserer

Mitbürgerinnen und Mitbürger. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Rettungsdienstgesetzentwurf sorgfältig beraten, auch eine Anhörung durchführen und über die verschiedenen noch strittigen Punkte sehr intensiv miteinander diskutieren und Lösungen zu finden versuchen; denn es geht auch - wie Sie schon erwähnt haben, Frau Wöllert - um die Finanzierungsbeteiligung der Krankenkassen, die zumindest ein qualifiziertes Anhörungsrecht haben sollten, denn sie sind diejenigen, die letzten Endes die Kosten tragen.

Im Gesetzentwurf hat man sich für eine Satzungsregelung entschieden, weil damit bisher von den Trägern des Rettungsdienstes und den Erbringern der Rettungsdienstleistungen gute Erfahrungen gesammelt wurden. Die Krankenkassen werden frühzeitig eingebunden. Wir werden in einer Anhörung klären müssen, inwieweit das praktikabel ist und welche anderen Möglichkeiten es gibt.

Richtig ist, dass wir auch über den Wasserrettungsdienst nachdenken müssen. Das sind ehrenamtliche Leistungen, die erbracht werden. Aber wenn tatsächlich lebenserhaltende Maßnahmen eingeleitet werden, die dann anschließend im Rettungsdienst übernommen werden, sollte man auch darüber nachdenken. Im Gesetzentwurf ist angedacht, dass das in diesen Fällen tatsächlich auch gewürdigt werden kann.

Frau Ministerin Ziegler hat schon darauf hingewiesen, dass die Hilfsfrist in unserem Land bei 15 Minuten liegt. Das ist nicht kurz, aber durchaus im Rahmen dessen, was in einem Flächenland üblich ist. In anderen Flächenländern ist das ähnlich. In Brandenburg - ich möchte die Zahl noch einmal erwähnen, damit uns auch klar ist, um welche Dimensionen es geht - kommt auf 20 000 Einwohner eine Rettungswache, während entsprechende Werte in Sachsen-Anhalt bei 25 000 und in SchleswigHolstein bei 33 000 liegen. Das heißt, der Rettungsdienst muss eine riesige Fläche, die relativ wenig Einwohner zählt, bewirtschaften und muss trotzdem in 95 % der Fälle die Hilfsfrist einhalten. Hilfsfrist meint die Frist vom Absetzen des Notrufs bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes vor Ort.

Es ist gut und wichtig, dass wir in diesem Rettungsdienstgesetz die Qualität mit sichern, dass wir die Ausbildung der Rettungsärzte thematisieren, dass die Strukturen geklärt werden und auch klar wird, was passiert, wenn sich Massenunfälle ereignen oder es einen Massenanfall von Verletzten gibt. Insofern brauchen wir dieses Gesetz. Es ist ein guter Entwurf, und wir werden ihn in den nächsten Wochen im Ausschuss thematisieren sowie Anhörungen durchführen und dann hoffentlich auch gemeinschaftlich ein gutes Gesetz verabschieden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wir danken Ihnen, Frau Dr. Münch. - Für die DVU-Fraktion erhält die Abgeordnete Fechner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor sechs Wochen hat Brandenburg einen weiteren letzten Platz bescheinigt bekommen: Unser Land ist nun auch bei der Anzahl der Rettungswachen und Notarztstandorte bundesweit Schlusslicht. So konnte man es der „MAZ“ vom 21. Februar 2008 entnehmen.

Wer dafür die Verantwortung trägt, wurde allerdings nicht beim Namen genannt. Die Betroffenen haben sich ja schon gemeldet; denn die Landesregierung hat uns inzwischen einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Rettungsdienst und die Notfallversorgung in Brandenburg verbessern soll.

So sieht der Gesetzentwurf unter anderem vor, dass bei gesundheitlichen Notfällen überall im Land nach spätestens 15 Minuten ein Rettungswagen vor Ort ist. Das klingt gut; denn bei vielen Erkrankungen wie etwa Schlaganfällen und Herzinfarkten kommt es auf jede Minute an. Doch was hilft eine solche Vorschrift, wenn man aufgrund der Infrastruktur des Landes überhaupt nicht in der Lage ist, eine solche Zeitvorgabe flächendeckend zu realisieren! Wie sieht es denn in den verarmten ländlichen Regionen wie der Uckermark aus, aus der die Menschen wegziehen, weil es weder Arbeit noch Zukunft gibt?

(Bischoff [SPD]: Oh Mann, oh Mann! - Zuruf der Abge- ordneten Hackenschmidt [SPD])

- In diesen Landstrichen wohnen Menschen, Herr Bischoff, die auch versorgt werden möchten.

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Welcher Arzt lässt sich denn schon in einer Gegend nieder, in der es keine Schulen und keine Infrastruktur gibt!

(Zuruf des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Deshalb hat sich die DVU-Fraktion in der Vergangenheit auch immer dafür stark gemacht, dass die Infrastruktur erhalten bleibt und in den ländlichen Gebieten ausgebaut wird.

(Bischoff [SPD]: Ja, ja!)

Wer wie Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, einfach mal so die 15-Minuten-Frist festlegt, vergeht sich nicht nur an den Notfallpatienten, sondern auch am medizinischen Personal, das in Brandenburg ohnehin schon völlig überlastet ist. Sie bestrafen mit Ihrer Politik die Menschen, die Sie vertreiben und verarmen lassen, und jetzt auch noch die Ärzte und Sanitäter, denen Sie die Pistole auf die Brust setzen.

(Unruhe bei der SPD)

Der DVU-Fraktion geht es dagegen um eine wirklich bürgernahe Notfallversorgung, die nicht auf einem gesetzlichen Zwang basiert, sondern die dort ansetzt, wo die etablierte Politik versagt, nämlich die Menschen im Land zu halten, ihnen Arbeit und Heimat zu geben und damit auch den Gesundheitsstandort Brandenburg zu verbessern.

Es handelt sich heute um die 1. Lesung, es werden mehrere Ausschusssitzungen stattfinden, und es wird dazu - Frau Dr. Münch erwähnte es bereits - auch eine Anhörung geben. Vielleicht wird es ja doch noch die eine oder andere Änderung geben. Die DVUFraktion wird der Überweisung an den Ausschuss zustimmen.

(Beifall bei der DVU)