Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Der Verfassungsschutzbericht 2007 besagt, die gemeinsame Auseinandersetzung von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Strukturen habe dafür gesorgt, dass neonazistische Gruppierungen vorerst keine bedeutenden Kameradschaftsorganisationen mehr bilden können. Der Anstieg der Gesamtfallzahlen in den Jahren 2005 und 2006 hat sich nicht fortgesetzt. Rechtsex

trem motivierte Straftaten gingen 2007 zurück. Diese Gewaltdelikte haben eine deutlich höhere Aufklärungsquote als die übrigen Straftaten.

Meine Damen und Herren, wir haben gemeinsam wirklich etwas erreicht. Deshalb möchte ich an dieser Stelle allen Beteiligten im Land, die dazu beigetragen haben - von den Kirchen über Gewerkschaften, Vereine, Institutionen, auch denen, die im Landtag dafür gesorgt haben, und der Landesregierung herzlich danken.

(Beifall bei CDU, SPD und der Fraktion DIE LINKE)

Dieses Konzept ist nicht nur gegen etwas, sondern es ist für etwas. Genau das ist etwas Besonderes. Es ist für Toleranz, für Freiheit und Demokratie.

Es gab in unserer Geschichte auch Zeiten, da genügte es einfach, Antikommunist oder Antifaschist zu sein. Gegen Kommunismus oder gegen Nationalsozialismus zu sein ist ganz sicher etwas Gutes, aber es genügt eben nicht. Es war und ist häufig plump und geistig flach. Für etwas zu sein ist erheblich anspruchsvoller als pure Ablehnung.

(Beifall bei der CDU)

Es bedeutet, sich selbst zu vergewissern und sich mit den Dingen auseinanderzusetzen.

Meine Damen und Herren, in der Tradition unseres Landes Brandenburg und insbesondere unserer Hauptstadt Potsdam hat Toleranz eine sehr hohe Bedeutung. Ein erster Meilenstein dieser Tradition war das Edikt von Potsdam, das Kurfürst Friedrich Wilhelm am 8. November 1685 im Potsdamer Stadtschloss unterzeichnete - in dem Gebäude also, das in den Diskussionen der letzten Monate und Jahre viel geschmäht wurde. Deshalb bin ich stolz, dass wir dieses Gebäude wieder aufbauen, dort als Parlament einziehen und damit auch ein Zeichen setzen, dass wir uns in die Tradition dieser Toleranz stellen.

Das Toleranzedikt aus dem Jahr 1685 zog Tausende von Menschen an, die nach dem 30-jährigen Krieg halfen, unser zerstörtes Land wieder aufzubauen. Auch heute ist es so, dass Menschen, die hierherkommen, um etwas voranzubringen, bei uns herzlich willkommen sind. Intoleranz gefährdet aber die Integration ausländischer Bürger und die verschiedenen Anstrengungen, die wir unternehmen, zum Beispiel das zentrale Einbürgerungsfest, das der Landtag beschlossen hat und das am 22. Juni stattfindet.

Ich möchte noch etwas sagen, was für mich zu Toleranz gehört bzw. Ausdruck von Toleranz ist. Am Dienstag dieser Woche sollte eine Veranstaltung stattfinden, zu der das Historische Institut der Universität Potsdam eingeladen hatte. Gastreferentin sollte Erika Steinbach sein, Abgeordnete des Deutschen Bundestages der CDU/CSU-Fraktion und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen - eine Organisation, die sich immer für Gewaltfreiheit und für Aussöhnung eingesetzt hat. Das konnte man gleich nach ihrer Gründung Anfang der 50er Jahre nachlesen.

(Frau Lehmann [SPD]: Da wäre ich vorsichtig!)

Sie wird vom Bund und vom Land Brandenburg gefördert. Eine solche Veranstaltung mit Gewalt zu verhindern ist nicht mit Toleranz vereinbar, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Wer so etwas macht, dem gehen die Argumente aus. Es ist bezeichnend, dass ein Abgeordneter Ihrer Fraktion, Frau Kaiser, das öffentlich rechtfertigt.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen Intoleranz, Extremismus und Rechtsextremismus bleibt eine andauernde Aufgabe.

In diesen Tagen sind wir beispielsweise im Barnim - in der Nähe meines Wahlkreises - wieder herausgefordert, und zwar in Biesenthal; denn die NPD plant dort nach sehr festen Indizien, ein Schulungszentrum einzurichten. Wir haben uns zusammengesetzt - alle Kräfte, die vor Ort dagegenwirken wollen - und ein Vorgehen koordiniert. Zwei Tage später - am letzten Sonntag - haben wir zu einem Gottesdienst bzw. zu einem Friedensgebet in die evangelische Kirche vor Ort eingeladen. Die Kirche fasst vielleicht 180 Menschen. Ich sage Ihnen: Die Kirche war so voll, dass die Menschen auf den Rängen stehen mussten. Das hat mich tief beeindruckt. Das heißt, die Brandenburger sind nicht für Extremismus, sondern sie sind für Toleranz und für Freiheit, und sie wollen diese Rechtsextremen dort nicht haben.

Meine Damen und Herren, Fremdenfeindlichkeit zeugt von mangelndem Respekt anderen Menschen gegenüber und auch von mangelndem Selbstbewusstsein. Das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ zielt als einer der wesentlichen Punkte auf die Mobilisierung der Gesellschaft gegenüber Fremdenfeindlichkeit. Es mobilisiert genau diese Selbstverantwortlichkeit für das eigene Handeln und stärkt damit unsere Demokratie; denn diese Aktivierung des Bürgersinns ist Lebenselixier für unsere freiheitliche Gesellschaft.

Die übergroße Mehrheit der Brandenburger ist weltoffen und gastfreundlich. Den Extremen - egal von welcher Seite - müssen wir uns entgegenstellen. Wir Brandenburger hatten zu lange Unfreiheit und Intoleranz zu ertragen. Wir haben Sorge zu tragen, dass Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Demokratie fest verankert sind und auch für die Zukunft Bestand haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die DVU-Fraktion erhält die Abgeordnete Fechner das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Schippel [SPD]: Aus Anstand hätten Sie auf Ihr Rede- recht verzichten müssen!)

Meine Vorredner, Frau Kaiser und Herr Baaske, haben wieder einmal

(Frau Lehmann [SPD]: Sie haben alles gesagt!)

über die Schreckgespenster - Rechtsextremismus und Antisemitismus - gesprochen. Ich muss sagen: Sie haben Recht. Das nimmt hier wirklich beängstigende Ausmaße an. Sogar in der Landesregierung sitzen Antisemiten.

(Frau Lehmann [SPD]: Was?)

Das konnte ich vor kurzem in der Zeitung lesen. So zum Beispiel möchte die Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde am 24. Juni demonstrieren, weil sie der Meinung ist, dass diese Landesregierung eine antisemitische Politik betreibt. Das steht in der Zeitung.

(Zuruf von der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Antisemiten kann wahrscheinlich jeder werden. Damit komme ich

(Dr. Klocksin [SPD]: Zum Schluss!)

zum Thema dieser Aktuellen Stunde. Bei den Koalitionsfraktionen ist es ja bereits seit längerem Brauch, Aktuelle Stunden zu beantragen, um die Politik der von ihnen getragenen Regierung ausgiebig zu beweihräuchern.

(Zuruf der Abgeordneten Alter [SPD])

Wirklich aktuelle Landespolitik, welche den Bürgern auf den Nägeln brennt, spricht die SPD-Fraktion niemals freiwillig an.

(Zuruf von der SPD: So ein Schwachsinn!)

Das würde auch ein schlechtes Bild auf die Regierungspolitik werfen. So wurde kürzlich erst der Armutsbericht veröffentlicht. Die darin aufgeführten Tatsachen passen nicht so recht in das Konzept Ihrer Landesregierung. Ebenfalls vor wenigen Tagen wurde eine Studie veröffentlicht, welche das Sozialministerium in Auftrag gegeben hat. Der eine oder andere erinnert sich bestimmt noch an die eingängige Schlagzeile: Kluge Mädchen verlassen Brandenburg.

(Frau Lehmann [SPD]: Darum sind Sie hier! - Weitere Zurufe)

Diese Studien wären wirklich aktuelle Themen für eine Aktuelle Stunde gewesen, meine Damen und Herren. Doch stattdessen müssen wir uns heute an dieser Stelle mit dem „Toleranten Brandenburg“ beschäftigen.

In der Begründung zu dieser Aktuellen Stunde steht: Die Aktuelle Stunde soll dazu beitragen, eine Bilanz zu ziehen.

(Bischoff [SPD]: Sind Sie für oder gegen Toleranz?)

Meine Damen und Herren, ich ziehe jetzt einmal eine Bilanz, die natürlich etwas anders ausfällt. Meine DVU-Fraktion stellt bereits seit Jahren die Frage: Was bringt dieses kostenintensive Handlungskonzept,

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

außer dass eventuell einige Genossen ihr Einkommen dadurch sichern können? - Aus Sicht Ihrer Genossen, meine Damen und Herren der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE, star

tete dieses komische Konzept doch mit einem katastrophalen Misserfolg, den es fünf Jahre später wiederholte. Trotz aller steuerfinanzierter Hetze und Lügenpropaganda sitzt seit 1999 die national-freiheitliche Deutsche Volksunion hier in diesem Landtag,

(Beifall bei der DVU - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

konnte im Jahr 2004 bei gestiegener Wahlbeteiligung mehr Wähler von sich überzeugen und sogar noch ein Mandat hinzugewinnen.

(Bischoff [SPD]: Das kostet uns Geld, und jeder Euro ist zu viel! )

Die staatlich finanzierten Unruhestifter - um nicht zu sagen: Hetzer - konnten auch nicht verhindern, dass die Deutsche Volksunion seit den letzten Kommunalwahlen unter anderem in sechs Kreistagen und in der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt vertreten ist.

(Beifall bei der DVU - Zurufe)

Dieses Handlungskonzept taugt also noch nicht einmal dazu, die Ihnen verständlicherweise unbequeme nationale Opposition aus den Parlamenten zu halten.

(Holzschuher [SPD]: Dann werden wir die Gelder wohl aufstocken müssen! - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)