Protokoll der Sitzung vom 09.07.2008

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Immer nur Halbheiten. So ist es auch hier wieder bei diesem Nachtragshaushalt; denn nachdem diese Landesregierung einst die kostenfreie Schülerbeförderung in Brandenburg abgeschafft hatte und

auch sonst immer mit Blick auf die klamme Haushaltssituation durch soziale Grausamkeiten glänzte, hat sie nun auf Druck der Volksinitiativen und natürlich auch mit Blick auf den 28. September, also den Wahltag, ein 8,8 Millionen Euro teures Sozialpaket verabschiedet. Unter anderem wird ein Mobilitätsticket eingeführt und mit 2,3 Millionen Euro jährlich finanziert. Man nimmt das Geld nicht etwa von zu erwartenden Mehreinnahmen aufgrund der Mai-Steuerschätzung von immerhin über 54 Millionen Euro, nein, man schichtet beim ÖPNV um; also weitere Kürzungen in anderen Bereichen des ÖPNV zugunsten des Mobilitätstickets. Aus der einen Tasche raus und in die andere Tasche wieder rein.

Außerdem löst der Beschluss zur Einführung eines Mobilitätstickets zum 1. September 2008 bei den Betroffenen keine Jubelstimmung aus; denn dieses Mobilitätsticket hat wenig mit dem von der Volksinitiative geforderten Sozialticket zu tun und wird von den Anspruchsberechtigten in diesen Preiskategorien voraussichtlich keine große Nachfrage erfahren, weil das Ticket mit einem Preis von 17,50 Euro bis 64,20 Euro eindeutig zu teuer ist. Insbesondere in den ländlichen, strukturschwachen Regionen unseres Landes mit ihrem ausgedünnten oder bereits nicht mehr vorhandenen ÖPNV-Netz kann das überteuerte Ticket ohnehin nicht oder nur eingeschränkt genutzt werden.

Lächerlich ist auch, dass Sie argumentieren, ein Mobilitätsticket geschaffen zu haben, welches einkommenschwachen Brandenburgerinnen und Brandenburgern zugute kommt. Zu fordern wäre stattdessen ein Sozialticket auf lokaler, regionaler und Landesebene zu einem Preis von höchstens 50 % der jeweiligen Umweltkarte.

Wie schaut es nun mit der kostenlosen Schülerbeförderung aus? Zwar hat hier die Volksinitiative insofern Erfolg, als per Gesetzesänderung die Verantwortung dafür auf die Kreise und kreisfreien Städte verlagert wurde. Doch die von der Landesregierung jährlich zur Verfügung gestellten 4 Millionen Euro reichen dazu bei weitem nicht aus. Weitere mindestens 5 Millionen Euro jährlich wären nötig, um die Landkreise und die kreisfreien Städte in die Lage zu versetzen, eine wirkliche Kostenfreiheit der Schülerbeförderung zu gewährleisten.

Schlussendlich zur Deckung: Obwohl laut jüngster Steuerschätzung die gesamten Mehrausgaben für den Nachtragshaushalt aus den zu erwartenden Steuermehreinnahmen zu finanzieren gewesen wären, nimmt man stattdessen die höchst unsichere Deckungsquelle Kreditmarktmittel - und das trotz der weltmarktbedingten enormen Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten.

Übrigens, meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU, schaut man sich Ihren Änderungsantrag zur Finanzierung des BBI an, so muss man sagen: Das spricht wirklich Bände. Denn auf der einen Seite - das haben Sie ja auch hier getan - beklagen Sie die Turbulenzen an den Kreditmärkten, und auf der anderen Seite nehmen Sie genau diese als eine in meinen Augen höchst unsichere Deckungsquelle für diesen Nachtragshaushalt. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Eigentlich müsste ich meiner Fraktion die Ablehnung dieses Nachtragshaushaltes empfehlen. Aber auch wir sehen, dass er ein halber Schritt in die richtige Richtung ist, und deswegen werden wir uns hier der Stimme enthalten.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält die Abgeordnete Dr. Funck, der ich hiermit meinen Glückwunsch für ihren Titel aussprechen möchte. Herzlichen Glückwunsch!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass wir jetzt in der 3. Lesung ohne Debatte über den BBI verhandeln können. Denn der BBI ist inzwischen hinreichend ausdiskutiert worden; die Aussprache dazu sollte eigentlich im Ausschuss stattfinden. Er wird auch morgen Diskussionsgrundlage sein. Vielleicht können wir uns auf dieses Verfahren einigen. Ich jedenfalls spare mir an dieser Stelle Ausführungen dazu; das ist von meinem Kollegen Herrn Bischoff hinreichend erläutert worden.

In dieser Legislatur sind wir deutlich besser; denn wir haben erst den zweiten Nachtragshaushalt. Der Grund ist, dass wir im Gegensatz zur letzten Legislatur, in der wir aufgrund von wegbrechenden Steuereinnahmen insgesamt vier Nachträge hatten, es diesmal mit mehr Geld zu tun haben, Geld, das wir ausgeben wollen. Ich möchte jetzt keine Debatte dazu anstoßen, ob es richtig oder falsch ist, diesen Nachtrag so zu verabschieden das ist innerhalb der Koalition beschlossen worden, und deswegen wird unsere Fraktion dem natürlich zustimmen. Aber ich möchte an der Stelle schon noch ein paar Worte darüber verlieren, wie wir Politik machen.

Politik heißt gestalten, heißt Prioritäten setzen, vor allem unseren Bürgern Rahmenbedingungen schaffen oder erhalten, in denen sie sich selbstbestimmt um ihre Familie und ihr Leben kümmern können. Wenn die Politik der Meinung ist, eine neue soziale Leistung beschließen zu müssen, sollte das mit dem Überprüfen bestehender Leistungen und der Konsequenz einhergehen, sich zumindest von einer Aufgabe zu verabschieden, um das benötigte Geld freizubekommen. Aber wie wir gehört haben - das werden wir von der Opposition immer wieder hören; egal, von welcher Seite -, handelt es sich dann um soziale Grausamkeiten. Das ist natürlich keine Art, Politik zu machen. Vielmehr müssen wir ganz klar sagen, wo wir Prioritäten setzen wollen. Was wir seit Jahren erleben, ist ein Draufsatteln, wobei die Opposition die von mir beschriebene Keule immer schwingt und auch die regierenden Parteien der Meinung sind, wir müssten zusätzliche Leistungen erbringen. Aber das geht auf Dauer nicht.

Denn was ist die Konsequenz? Unsere Bürger haben immer mehr an den Staat abzuführen, damit wir Politiker entscheiden können, was für sie gut ist. Ich persönlich frage mich, wie viele von Ihnen überzeugt davon sind, in Ihrem Leben immer die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben und vor allen Dingen vor jeder privaten Entscheidung auch gewusst zu haben, ob sie richtig oder falsch ist. Mit diesem Gedanken mögen Sie sich einmal der Frage nähern, ob Politik tatsächlich besser weiß, was für die Bürger gut oder schlecht ist. Wir als Politiker oder als Parlamentarier - dieser Einwand würde vom Minister sofort kommen müssen - müssen lernen, uns zu begrenzen. Wenn der politische Wille auf kostenlose Schülerbeförderung, das Mobilitätsticket - für das es gute Argumente gibt - zielt, dann muss es auf der anderen Seite heißen: Schluss mit Arbeitsfördermaßnahmen in diesen Größenordnungen! Denn die Arbeitslosigkeit in unserem Land hat einen wirklich vorzeigba

ren, niedrigen Wert erreicht. Bevor Unmut aufkommt, möchte ich sagen: Das ist natürlich nur ein Beispiel. Aber man muss darüber diskutieren dürfen.

Lassen Sie mich zur Verantwortung der Politik zurückkommen. Wir alle wissen, dass unser Land noch lange nicht finanziell gut aufgestellt ist. Wir haben eine große Verantwortung, die Gelder aus dem Bund, aus anderen Bundesländern, aber auch das Geld jedes einzelnen Bürgers in der Form des Solis entsprechend einzusetzen. Wir sollten die Solidarität nämlich auch nicht überstrapazieren.

Gefühlte Gerechtigkeit oder tatsächliche Gerechtigkeit - um die Worte unseres Finanzministers zu benutzen -: Wer entscheidet darüber? Sicherlich bekommen wir hier mindestens 88 verschiedene Versionen dazu. Unsere Aufgabe ist es, unser Land fit für die Zukunft zu machen. Wenn wir im Namen unserer Kinder diese schon verschulden, bevor sie überhaupt geboren sind, dann frage ich mich: Gefühlte oder tatsächliche Gerechtigkeit? Wir nehmen unseren Bürgern bereits mehr als die Hälfte ihres Einkommens weg und machen trotzdem neue Schulden, die unsere Kinder enorm belasten werden. Deswegen möchte ich auch keine weiteren Ausführungen zu den zusätzlichen Forderungen machen, die von der Linkspartei und von der DVU erhoben werden; mein Kollege Mike Bischoff hat das hinreichend erläutert.

Aber um das noch einmal deutlich zu machen, was ich meine, möchte ich eine Passage aus dem „Handelsblatt“ vom 4. Juli 2008 zitieren:

„Es wird nach ein paar... Jahren des Aufschwungs in der Tat ungemütlich in Europa.“

Und damit natürlich auch in Brandenburg.

„Die Phase, in der billige Zinsen Regierungen und Parlamenten tiefgreifende Schritte für eine echte Sanierung der Staatshaushalte ersparten, geht zu Ende. Der Anteil der Staatsausgaben, der für Zinsausgaben aufgewendet werden muss, droht nun wieder zu steigen. Der Spielraum für Wahlgeschenke wird damit kleiner. Jetzt sind mehr denn je Führungsstärke und Mut zu unpopulären Entscheiden gefragt.“

Unser Finanzminister ist bekannt für seine Führungsstärke und für seinen Mut.

(Minister Junghanns: Zweifellos! - Heiterkeit - Vereinzelt Beifall bei CDU und SPD)

Auch wenn er an der Stelle nachgegeben hat, bin ich mir sicher, dass er die von mir beschriebene Situation fest im Blick hat. Wir haben keine Spielräume für konsumtive Mehrausgaben. Dieser Nachtrag wird in dieser Art der letzte sein; er muss es sein. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Herzlichen Dank. Frau Abgeordnete, Sie haben gemerkt: Sie haben den Minister jetzt stark verunsichert.

(Heiterkeit - Bischoff [SPD]: Ja, das Zuhören ist nicht so einfach!)

Das Wort erhält Minister Speer. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, Frau Präsidentin, und vielen Dank, Frau Dr. Funck. - Dieser Nachtragshaushalt - das ist ja jetzt mehrfach gesagt worden - ermöglicht einen Zuschlag, Herr Christoffers, um sozialen Problemen, die wir in diesem Land zweifelsfrei haben, begegnen zu können. Ob das ausreichend ist oder nicht, dazu gibt es unterschiedliche Wertungen. Ich habe schon in der Schule in der DDR gelernt: Nach Hegel schlagen Qualitäten in Quantitäten um.

(Christoffers [DIE LINKE]: Quantitäten in Qualitäten!)

- Quantitäten in Qualitäten.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau!)

Das ergibt dann eine Problemlage im Haushalt, die wir zweifelsfrei schon haben. Der Überschwang, den Sie mit Ihren Vorschlägen regelmäßig an den Tag legen - diesen Vorwurf mache ich -, würde dazu führen, dass wir die Probleme, die wir im Haushalt angehäuft haben, nicht mehr abtragen können. Wir sind optimistisch, dass dies gelingt. Herr Bischoff hat gesagt, dass die Haushaltskonsolidierung kein Selbstzweck ist. Ich will es anders formulieren, und zwar positiv: Die Haushaltskonsolidierung ist ein soziales Projekt, ein zentrales soziales Projekt in diesem Land.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Denn wir wissen mit Blick auf die nächsten 15 Jahre, vor welchen Herausforderungen der Osten Deutschlands steht. Das kann man nicht wegbeschließen. Man kann es sich wegwünschen, aber man kann es nicht wegbeschließen. Deswegen muss es möglich sein, mit Blick auf die Generation, die nach uns kommt, die nach uns in diesem Land Politik macht und mit diesen Problemen fertig werden muss, darauf zu reagieren. Wenn wir ihr den finanziellen Spielraum auf null oder sogar minus x einengen, dann sind wir unsozial.

Diese Koalition arbeitet nicht nur in diesen Fragen an einem sozialen Brandenburg, sondern die gesamte Politik ist auf ein soziales Brandenburg ausgerichtet, und zwar nach vorn schauend. Wir reden über Bildungschancen und über Bildungsergebnisse, über Ausbildung, Weiterbildung von jungen Menschen, wir reden von Forschung, Lehre und Innovation - alles zielt darauf, dieses Brandenburg auf eigenen Füßen, mit eigenen Steuereinnahmen wirtschaften und leben zu lassen. Das ist die Zielprojektion für 2020. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir sämtliche Anstrengungen unternehmen müssen, um eine leistungsfähige, effiziente Infrastruktur zu errichten.

Jetzt komme ich kurz zum BBI. Sie haben es angesprochen. Eigentlich ist der Antrag erst nachher im Ausschuss an der Reihe. Das Flughafenprojekt, sowohl das Neubauprojekt als auch das bestehende Flughafensystem, sind in den letzten Jahren stabilisiert worden. Die Flughafengesellschaft erwirtschaftet Jahr um Jahr eigene Einnahmen, um den Neubau mit eigenem Geld mitzufinanzieren. Dieses Projekt, Frau Tack, ist voll im Zeitplan und bisher auch im Kostenrahmen. Auch wenn Sie darüber spekulieren, dass der Bahnhof sehr teuer wird,

(Zuruf der Abgeordneten Tack [DIE LINKE])

sage ich Ihnen hier ganz offen: Dieser Bahnhof ist von der Bahn konzipiert worden. Wir haben das Projekt zu einem Festpreis mit Festpreisgarantie übernommen, und wir werden am Ende des Tages Geld über haben, wir werden ihn billiger gebaut haben, als die Bahn prognostiziert hat, um den Flughafen aus diesen Überschüssen zu finanzieren.

(Frau Tack [DIE LINKE]: Bahnfahren ist immer gut!)

Wir sind uns sicher, dass die derzeitigen Finanzturbulenzen, die dazu führen, dass Banken nervös sind, dass Banken selbst Liquiditätsschwierigkeiten haben, nicht kurzfristig zu überwinden sind. Wir haben aber auch - selbst wenn die Liquidität des Unternehmens bis zum III. Quartal 2009 gesichert ist - ein Zeitfenster zu beachten, das sich langsam schließt. Wenn wir Probleme mit der EU bekommen sollten - die hier niemand wegredet, Herr Christoffers, sondern wir haben dazu eine Stellungnahme eingereicht, die womöglich falsch sein kann -, werden wir ein Prüfungsverfahren haben, das mehrere Monate, im Zweifelsfall eineinhalb Jahre in Anspruch nimmt. Deswegen schließt sich das Zeitfenster langsam.

Nun fügt es sich, dass wir nach der Beratung, die wir Anfang der Woche hatten, morgen hier einen Nachtragshaushalt in 3. Lesung verabschieden werden. Die Frage stand an: Macht es Sinn, nach dem Sommer mit einem zweiten Nachtrag zu kommen, um eine Zahl im Haushaltsgesetz zu verändern? Wir haben im Hauhalts- und Finanzausschuss mehrfach über die Finanzstruktur des Flughafens geredet. Ich habe offen angekündigt, dass zumindest meine Position als Gesellschafter Brandenburgs ist, dass wir den hohen Zinsforderungen der Banken nicht entsprechen und einen eigenen Weg gehen sollten, im Zweifelsfall über eine 100%ige Garantie. Das ist zumindest nicht im Verborgenen geblieben. Diese Einschätzung der Landesregierung ist Ihnen bekannt. Deswegen habe ich einmal bei Wikipedia nachgesehen, was man eigentlich unter Erpressung versteht, Frau Kaiser. Da stehen drei Begriffe: Erpressung unter Androhung von Gewalt - ich garantiere Ihnen, das scheidet aus -, Erpressung im Zusammenhang mit einer Entführung - na ja -,

(Heiterkeit)

Produkterpressung gibt es als Drittes - wenn man Salzsäure in den Senf mischt und das in die Regale stellt.

(Görke [DIE LINKE]: Zeitliche Erpressung!)

Also diese drei Arten von Erpressung gibt es. Im Strafgesetzbuch steht in § 253:

„Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt...“

usw. usf. Ich sehe das nicht.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Es ist doch gut, dass Sie mal nachgeschlagen haben!)

Ich will weder an Ihr Vermögen noch an Ihr Leben, noch will

ich Sie entführen, Frau Kaiser. Das kann ich hier deutlich ausschließen.

(Heiterkeit bei der Fraktion DIE LINKE)