Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Die wenigen Vernünftigen in Ihrer Fraktion können sich leider nicht durchsetzen; denn sie unterliegen primär der Parteistrategie und -taktik. Ein so polarisierendes Thema ist natürlich ein ideales Fressen für Strategen und Taktiker. Ich frage Sie ernsthaft: Darf man mit Gefühlen von so oder so Betroffenen so umgehen? Darf man sie politisch missbrauchen?

(Beifall bei SPD und CDU)

Darf man Menschen Hoffnungen machen, die man nicht erfüllen kann?

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Die Volksinitiative, liebe Frau Kaiser, ist richtig und wichtig. Wir brauchen den Widerstand in der Region. Die Region muss sich definieren. Wenn Volksinitiativen allerdings missbraucht werden, ob von außerparlamentarischen oder von parlamentarischen Parteien, dann frage ich mich: Was sind diese Volksinitiativen noch wert? - Sie fallen ihrem Kalkül zum Opfer und dienen nicht dem Selbstverständnis der eigentlich Betroffenen, die diese Volksinitiative gegründet haben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Am Dienstagabend gab es in Cottbus eine Talkrunde zum Thema Umsiedlung. Diese Talkrunde war selbstverständlich geprägt von Emotionen, genau wie die Debatte in diesem Hause. Was mich am allermeisten verunsichert hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, war ein Diskussionsansatz, der sich darauf bezog, dass es auf Verlässlichkeit, Wahrheitsliebe und Sozialverträglichkeit im Sinne von Planungssicherheit ankommt.

Es ist wichtig, an dieser Stelle anzumerken, dass von allen Betroffenen - es waren Umsiedlungsbetroffene, die dort diskutiert haben - gesagt worden ist: Nicht Vattenfall ist unser Problem, nicht die Kohle ist unser Problem. Vattenfall ist ein verlässlicher Partner und löst für uns die Probleme. Es gilt das gesprochene Wort. Unser eigentliches Problem ist die Politik, die sich um klare und schnelle Entscheidungen drückt, die Menschen verunsichert, mit ihren Gefühlen spielt und sie nachher im Stich lässt.

Sicherlich hat ein Versprechen, das in Horno gegeben wurde, einen gewissen Anteil daran. Nur bitte ich alle, die damals schon in der Verantwortung standen, sich daran zu erinnern,

warum dieses Versprechen gegeben werden konnte. Als wir das Braunkohlegrundlagengesetz beschlossen haben, haben alle gesagt: Ihr seid Utopisten. 40 Millionen Tonnen Jahresförderung erreicht ihr niemals. - Wir sind heute, wenn ich mich nicht ganz täusche, schon bei fast 60 Millionen Tonnen. Die Nachfrage steigt; wir werden sie befriedigen müssen, und zwar zu vertretbaren Preisen und jederezeit versorgungssicher. Das sind wir den Menschen schuldig.

Niemand hier kann mir und den Lausitzern insgesamt ein gleichwertiges Rückgrat bieten, wie es die Kohle für uns darstellt. Es ist stark, es ist verlässlich, es bildet unsere Basis. Ich verlange von Ihnen auch nicht den Plan B und die Lösung unserer Probleme. Wir in der Lausitz verlassen uns immer noch auf unsere eigenen Kräfte. Unsere Regionale Planungsgemeinschaft hat sich gefunden und sich ein Leitbild gegeben, das Leitbild einer innovativen Energieregion.

Wir lösen unsere Tagesaufgaben und auch die Zukunftsaufgaben. Dabei bauen wir auf einen ausgewogenen Energiemix. Im Gebiet der Regionalen Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald finden Sie alle Segmente der Stromerzeugung, ob konventionell, ob regenerativ; selbst Wasserkraft. „Vattenfall“ heißt ja eigentlich nichts anderes als „Wasserkraft“. Vattenfall hat in seinem Konzern alle Module einer vernünftigen Energieerzeugung. Wenn Brandenburg morphologisch und geologisch anders gestrickt wäre, könnten wir mehr auf Wasserkraft setzen. Das ist bei den natürlichen Voraussetzungen aber nicht möglich.

Sie stellen alle unsere guten Ansätze und den Weg, auf den wir uns gemacht haben, infrage. Auch ich hätte gerne das Grußwort des Beigeordneten Herrn Nicht zur Energietagung in Cottbus zitiert, weil er nämlich genau das alles zusammengefasst hat. Er hat zusammengefasst, was ist und was in Zukunft sein wird. Eines ist klar: Es gibt hier keinen Entweder-oderWeg, sondern nur einen Sowohl-als-auch-Weg. Dessen müssen wir uns bewusst sein.

Ich bin als Umweltpolitikerin nicht der Fraktion zugehörig, die versucht, sich den Menschen über Missionierung zu nähern und von ihnen Verzicht zu verlangen. Wir Menschen sind viel zu sehr Mensch, als dass wir freiwillig auf unseren Wohlstand verzichten würden. Ich baue als Umweltpolitikerin auf technologischen Fortschritt und technischen Umweltschutz. Das ist der Weg, der global gegangen werden muss.

Wichtig ist für uns, dass die Debatte nicht weiter von Lobbyisten und Ideologen geführt wird, sondern dass wir Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler einbeziehen. Es gibt keinen seriösen Wissenschaftler, der den Ausstieg aus der Kohle jetzt, sofort verlangt; auch nicht in 40 Jahren. Das ist, global gesehen, völlig unrealistisch.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Ein Szenario ist ein Szenario. Es ist nicht einmal so verlässlich wie eine Prognose, liebe Frau Tack, mit Verlaub gesagt. Die 5 Millionen, die im Szenario stehen, sind durchaus zu hinterfragen; denn sie setzen voraus, dass wir in hohem Maße auf das Wohlstandsniveau, das wir heute haben, verzichten. Anderenfalls sind solche Ziele nicht erreichbar.

Ich bitte die Initiatoren der Volksinitiative, auch zu beachten, dass es keine Planung gibt, die aus einem Planungs- und Betei

ligungsprozess so herauskommt, wie sie hineingegangen ist. Am Tagebaurand von Jänschwalde haben wir es bereits einmal erlebt. Hier wird immer nur Horno angeführt. Aber es gibt auch einen Ort, der Grießen heißt. In Grießen war von Bergwerkseigentümern der Abriss beantragt worden - Grießen ist nach der Planung nicht mehr zum Abriss vorgesehen. Auch das gehört zur Wahrheit, und das kann man nur wissen, wenn man in der Region wohnt.

Was wir brauchen, lieber Herr Nord, ist nicht eine qualifizierte Minderheit, sondern wir brauchen eine qualifizierte Mehrheit und eine Mehrheit von Qualifizierten.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns einen Dialog führen. Glück Auf!

(Beifall bei SPD und CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Debatte zu Tagesordnungspunkt 4 angelangt.

Ihnen liegt die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses in der Drucksache 4/6472 vor. Wer dieser Beschlussempfehlung Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei wenigen Stimmenthaltungen ist die Beschlussempfehlung angenommen, das heißt, die Volksinitiative abgelehnt worden.

Mir liegt noch eine Wortmeldung zu einer persönlichen Erklärung zum Abstimmungsverhalten vor. Bitte, Frau Schulz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich mache von meinem demokratischen Recht Gebrauch. Vor 1989 wäre mir das verwehrt geblieben.

Ich bin bei der Bürgerinitiative, weil ich für einen breiten Dialog bin. Ich möchte aber gleichzeitig sagen: Wir sind keine Träumer. Auch ich bin keine Träumerin. Ich bin nicht gegen die Arbeitsplätze, und ich bin nicht gegen die notwendige Verstromung von Braunkohle. Aber ich bin der Meinung, dass es nicht mehr zeitgemäß und auch nicht mehr zumutbar ist, dafür heute noch Gemeinden abzubaggern. Auch die Notwendigkeit ist für mich nicht nachgewiesen.

Ich möchte im Übrigen dringendst davor warnen, die berechtigten Interessen der Betroffenen, egal, von welcher Seite, aber besonders von links, zu instrumentalisieren. Das halte ich für äußerst unangemessen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei CDU und SPD)

Danke.

Damit schließe ich Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Energiestrategie 2020 des Landes Brandenburg (gemäß Beschluss des Landtages vom 18.05.2006 - Drucksache 4/2893-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 4/6292

in Verbindung damit:

Landespolitischer Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (gemäß Beschluss des Landtages vom 07.06.2007 - Drucksache 4/4639-B)

Konzept der Landesregierung Drucksache 4/6294

Außerdem liegt Ihnen in Drucksache 4/6484 (Neudruck) ein Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE vor.

Da die Fraktionen des Hohen Hauses zu der Meinung gelangt sind, die Thematik Energie mit dem vorherigen Tagesordnungspunkt weitgehend erschöpft zu haben, wurde vereinbart, keine Debatte zu führen.

Ich lasse also über den Entschließungsantrag - Drucksache 4/6484 (Neudruck) - der Fraktion DIE LINKE abstimmen. Wer diesem Entschließungsantrag Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung ist dieser Entschließungsantrag mehrheitlich abgelehnt. - Sie haben das Konzept der Landesregierung zur Kenntnis genommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 5 und rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Weiterentwicklung der Gleichstellungspolitik des Landes (gemäß Beschluss des Landtages vom 24.01.2008 - Drucksache 4/5742-B)

Bericht der Landesregierung

Drucksache 4/6416

Wir eröffnen die Debatte mit dem Beitrag der Landesregierung. Es spricht Frau Ministerin Ziegler.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mädchen, weiß man, sind in vielem besser als Jungen. Sie lernen fleißiger und sind erfolgreicher dabei. Sie sind sozial kompetenter, sie machen die besseren Abschlüsse in Schule und Berufsbildung

(Senftleben [CDU]: Wo steht denn das geschrieben?)

- gute Voraussetzungen für den Weg ins Leben, sollte man meinen. Aber: Frauen - das weiß man auch - haben häufig noch wenig von diesen Vorteilen. Sie werden für gleiche Arbeit schlechter bezahlt, sind in Führungspositionen benachteiligt und tragen schwer an beruflichen und familiären Pflichten; diese tragen sie oft allein.

Nach wie vor ist es so: Gleichstellung von Frauen und Männern vergleichbare Chancen für alle tun not. Mit dem vorliegenden Bericht unterstreichen wir die Notwendigkeit dafür. Er zieht eine Zwischenbilanz über das Programm der Regierungskoalition zum Abbau struktureller Benachteiligung von Frauen, zur Anwendung des Gender-Mainstreaming-Prinzips, zur Umsetzung des Aktionsplans „Keine Gewalt gegen Frauen“. Dabei zeigt er die lichten Seiten, listet das bisher auf dem Weg dahin Erreichte auf. Das ist nicht wenig, und so manches wurde schwer erkämpft. Doch weil es noch nicht reicht, verschweigt unser Bericht auch nicht die Schattenseiten. Die Habenseite ist gut, im Vergleich mit anderen Bundesländern an vielen Punkten besser gefüllt.

Unser arbeitspolitisches Programm zielt auf Chancengleichheit und orientiert sich an Lebensumständen und Potenzialen von Frauen. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist hoch. Berufstätige Mütter sind akzeptiert.

Die Hochschulen haben die Frauenförderung im Blick. Der Professorinnenanteil liegt national in der Spitzengruppe. Überhaupt haben junge Frauen und Mädchen überdurchschnittliche Bildungserfolge.