Protokoll der Sitzung vom 15.10.2008

Die Banken vertrauen sich gegenseitig nicht mehr - es ist dargestellt worden, wie diese Situation entstanden ist -, und das ist das eigentliche Hauptproblem. Durch dieses Misstrauen ist die Finanzierung und die Kreditabsicherung nicht mehr wie gewohnt gegeben. Der Großteil der in Europa mit Schwierigkeiten kämpfenden Institute hat diese Schwierigkeiten eben nicht durch die Übernahme zu hoher Risiken, sondern durch die Liquiditätskrise auf dem Geldmarkt.

Durch das beherzte Handeln der Bundesregierung konnte verhindert werden, dass die Menschen Angst um ihre Einlagen und Ersparnisse haben müssen, sich lange Schlangen vor den Banken bilden und die Krise durch den kompletten Vertrauensverlust einzelner Institute zum Zusammenbruch unseres Finanzsystems führt.

Es sollte von Brandenburg heute ein klares Zeichen ausgehen, dass wir uns an dem Rettungspaket beteiligen werden. Brandenburg hat seit der friedlichen Revolution mehr als 20 Milliarden Euro Unterstützung der alten Bundesländer allein an Sonderbedarfsergänzungszuweisungen erhalten. Was hat sich unser Land in der Zwischenzeit alles geleistet! Ich erinnere nur an die LEG, Ziel-II-Gebiet, Wohnungsbauvermögen und einiges mehr. Die Zahlen erspare ich Ihnen; alles verschwendete Steuergelder. Jetzt geht es um unsere Leute, es geht um Deutschland, und tatsächlich: An dieser Stelle ist jetzt der Staat gefragt.

Wir stehen vor einer nationalen Kraftanstrengung. Die Leute verstehen es nicht, wenn es jetzt ein Hickhack zwischen Bund und Ländern gibt. Selbstverständlich sollten wir im Nachhinein den Umgang zwischen Bund und Ländern in der Krisensituation bereden, wir dürfen aber keiner Lösung im Wege stehen. Es sollte uns auch wichtig sein, den Menschen zu erklären, dass die staatlichen Interventionen notwendig sind, um den Wohlstand in Deutschland und Brandenburg in der Krise zu sichern, und nicht, um rücksichtslose Kreditmarktgeschäfte staatlich zu subventionieren.

Hier greife ich die Worte von Außenminister Steinmeier auf:

„Das Rettungspaket schützt nicht irgendwelche Banker oder Banken, die sich verzockt haben, sondern schützt die Bürger mit ihren Ersparnissen und die deutsche Wirtschaft.“

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Unsere nach Wohlstand strebende Volkswirtschaft ist ohne einen funktionierenden Finanzsektor nicht denkbar. Wir brauchen ihn auch zu dem Preis von rund 500 Milliarden Euro, wie von der Bundesregierung abgesichert. Wir brauchen ihn auch

zu dem Preis, dass sich Brandenburg an dem Rettungspaket mit 200 Millionen Euro beteiligen muss. Sollte der Höchstfall von 3,3 Milliarden Euro eintreten, würde es bedeuten, dass das Rettungspaket seine Wirkung verfehlt hat, und genau das müssen wir verhindern. Durch kluges Agieren bzw. Reagieren ist es möglich, diese Situation, was den Landeshaushalt angeht, sogar noch in ein Positives zu drehen. Ich möchte an dieser Stelle auf Schweden verweisen, wo man in den 90er Jahren in einer ähnlichen Situation war und wo durch kluges Agieren der Haushalt nicht belastet wurde.

Natürlich ist der Gedanke ärgerlich, dass unsere Sparbemühungen durch verantwortungsloses Handeln Einzelner und fehlende ordnungspolitische Vorgaben konterkariert werden. Hier erwarte ich für die Zukunft klare Vorgaben, gerade im Bankenbereich, bei den Finanzprodukten. Im Bereich der Wirtschaft wird jedes neue Produkt zig Verfahren und Prüfungen unterzogen - denken Sie an die Pharmaindustrie -, bevor es verkauft werden darf. Ich denke da auch an die Tausenden von DINVorschriften, die den einen oder anderen bei der Statik und beim Bau eines Hauses nerven. Da frage ich mich ernsthaft: Warum gibt es so etwas nicht für Finanzprodukte?

Der Staat darf aber auch nicht dauerhaft die Verantwortung für den Finanzsektor übernehmen. Es ist eine Sondersituation, die solche hohen finanziellen Anstrengungen und Garantien erforderlich macht. Die kritische Prüfung der verfügbaren Instrumente hat bereits stattgefunden, und wir sind uns bewusst: Nach den Erkenntnissen können nur staatliche Garantien oder Beteiligungen den Vertrauensverlust verhindern. Langfristig ist der Staat weder der bessere Finanzier, wie an den Beispielen der KfW, der sächsischen Landesbank oder der IKB belegbar ist, noch sollten wir ansatzweise in die Versuchung kommen, die Hoheit für die Regulierung des Marktes und die Geschäftstätigkeit zusammenzuführen. Es gibt noch weitere Beispiele; wir brauchen nur nach Berlin zu schauen.

(Görke [DIE LINKE]: Bei allem waren Sie dabei!)

Noch fataler wäre es, die soziale Marktwirtschaft infrage zu stellen. Sie ist die einzige, die solche Krisen meistern kann.

(Vietze [DIE LINKE]: Die uns erst in die Krise führt!)

- Ihr Part, Herr Vietze, kommt gleich.

Staatswirtschaft und sozialistische Lösungen können den Finanzsektor dauerhaft genauso wenig stabilisieren wie die Wirtschaftsprozesse in den anderen Sektoren. Die von der Partei DIE LINKE - ich meine die europäische Linke, aber wir haben es heute von Ihnen auch gehört - formulierte Forderung, der Stabilitätspakt müsse zu einem Solidaritätspakt werden, ist nichts anderes als die Forderung nach weiteren Staatsschulden.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion der CDU)

Aber Staatsschulden - ich hoffe, wir haben hierzu einen breiten Konsens - schränken unsere Handlungsfähigkeit ein, schränken unsere Reaktionsmöglichkeiten bei Krisen, wie wir jetzt eine haben, ein und gehen langfristig insbesondere zulasten der Hilfebedürftigen unserer Gesellschaft.

Es bedrückt mich sehr, dass viele Brandenburger sich durch die Finanzkrise und den damit verbundenen Ängsten den Sozia

lismus zurückwünschen. Neben Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen, die mit einer Diktatur verbunden sind, möchte ich daran erinnern, dass der Sozialismus wirtschaftliche Probleme nicht mal im Ansatz lösen konnte.

(Beifall bei der CDU - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Wir wünschen uns den Sozialismus auch nicht zurück, wir wollen bloß den Kapitalismus anders haben!)

- Wissen Sie, Frau Kaiser, wenn wir über Kapitalismus reden, dann kann ich Ihnen nur sagen, dass wir hier in Deutschland eine Staatsquote von 44 % haben und ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes ausschließlich für soziale Maßnahmen ausgegeben wird. Und da erzählen Sie mir etwas von Reinform des Kapitalismus? Das ist nämlich soziale Marktwirtschaft.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE sowie vereinzelt Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich aus dem sogenannten Schürer-Gutachen, das im Oktober 1989 vom ZK in Auftrag gegeben wurde, um die wirtschaftliche Lage des Landes zu analysieren, zitieren:

„Auch wenn alle diese Maßnahmen...“

Hier möchte ich etwas einschieben, um Ihnen die Maßnahmen einmal deutlich zu machen: Es ging zum Beispiel darum, alle Elemente der Subventions- und Preispolitik abzuschaffen, die dem Leistungsprinzip widersprechen, um die Abschaffung der zentralen Planung, die Reduzierung des Staatsapparates und darum, die Steuergesetzgebung für Handwerk und Gewerbe sofort zu überarbeiten.

„Auch wenn alle diese Maßnahmen in hoher Dringlichkeit und Qualität durchgeführt werden, ist der... für die Zahlungsfähigkeit der DDR erforderliche NSW-Exportüberschuss nicht sichtbar. 1985 wäre das noch mit großen Anstrengungen möglich gewesen. Heute besteht diese Chance nicht mehr. Allein ein Stoppen der Verschuldung würde im Jahr 1990 eine Senkung des Lebensstandards um 25 bis 30 % erfordern und die DDR unregierbar machen.“

(Zwischenrufe bei der Fraktion DIE LINKE)

Der Markt kann nicht besser sein als die Marktteilnehmer. Daher sollten wir gerade im Bereich des Finanzsektors nicht naiv auf das Gute im Menschen vertrauen, sondern strikte Rahmenbedingungen und Regulierungen vorgeben, die falsches und egoistisches Handeln und die Übernahme zu hoher Risiken, welche die Allgemeinheit belasten, verhindern.

Der Staat und die internationale Gemeinschaft haben im Finanzsystem eine feste Rolle. Ich begrüße die Anstrengungen und Ankündigungen seitens der EU-Institutionen für ein abgestimmtes Vorgehen zur Bewältigung der Krise. Ich freue mich auch, dass unserem Europaangeordneten Christian Ehler die Verantwortung im Europäischen Parlament für die Änderung der Rechtsgrundlage für Einlagensicherung übertragen wurde und wir somit einen direkten Ansprechpartner in Brandenburg für die künftigen Regelungen haben. Wir sollten als Land - abgestimmt mit anderen Bundesländern - gegenüber der Europäischen Kommission nochmals die Bedeutung unserer Sparkassen für die Stabilität des deutschen Finanzsektors deutlich machen.

Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute haben ihre Wachstumsprognosen für das kommende Jahr drastisch nach unten korrigiert. Im besten Fall dürfen wir gesamtdeutsch auf eine wirtschaftliche Leistungszunahme von 0,2 % hoffen. Das wäre aber auch ohne Finanzkrise passiert. Ich darf an unsere letzten Haushaltsdebatten erinnern, in denen wir immer wieder darauf hingewiesen haben.

Wir dürfen nicht auf zusätzliche Einnahmen vertrauen. Ich warne davor, dass wir dadurch in eine erneute Schuldenaufnahme rutschen. Die Forderungen nach höherer Schuldenaufnahme - das ist meine feste Überzeugung - werden uns nicht helfen, Brandenburg in den kommenden Jahren auf den Wachstumskurs mit einer stabilen Inflationsrate zurückzuführen.

Meine Damen und Herren, die Auswirkungen der Finanzkrise für die Menschen im Land werden wir umso geringer halten können, je konsequenter und entschlossener wir handeln. Dazu gehört auch, dass Brandenburg nicht der Versuchung einer Schuldenpolitik nachgeben darf. Hohe Inflationsraten wären unweigerlich die Folge, konjunkturell würden wir nichts bewegen. Der Beitrag zum Rettungspaket, das die Bundesregierung über einen Sonderfonds realisieren will, bietet die Möglichkeit, den Kernhaushalt ausgeglichen zu halten.

Wir sollten diese Krise aber auch dazu nutzen, unser aller Handeln, unsere Einstellungen und unser Wertegerüst zu überprüfen. Wir sollten uns auf unsere alten Traditionen rückbesinnen. Dazu gehören die Traditionen des hamburgischen Kaufmanns und die Grundlagen unseres Handelsgesetzbuches genauso wie die humanistischen Werte unseres alten Europas: Moral, Anstand, Verantwortung für den Nächsten und sein Land. - Eine patriotische Einstellung bedeutet, für sein Land das Beste zu wollen und auch so zu handeln.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Lesen Sie mal im Grundge- setz: Eigentum verpflichtet!)

- Ganz genau, Frau Kaiser. Und wie viele Gesetze sind danach noch entstanden!

Allzu oft wurde derjenige beklatscht, der kurzfristig das dicke Geld gemacht und seinen Partner dabei noch übervorteilt hat. Anstand, Respekt und würdevoller Umgang sind auch die Maxime erfolgreicher, traditioneller Firmen und Unternehmer. Diese müssen wir wieder als Vorbild nach außen vermitteln, und wir müssen sie auch würdigen. Das ist unsere Aufgabe als Unternehmer, als Politiker.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich freue mich aber auch sehr, dass die beiden Volksparteien in dieser Situation zusammenstehen und unsere Bürger zu Recht davon ausgehen können, dass diese Situation gemeinsam gemeistert wird. Politisches Hickhack ist hier fehl am Platze. Ich sage es noch einmal ganz deutlich: Der Finanzminister wird uns, die CDU, in dieser Situation für die nötigen Entscheidungen, die damit verbunden sind, an seiner Seite wissen. Der Staat ist für genau solche Fälle da.

Und schließlich - ich komme zum Ende, Herr Präsident - müssen wir den Menschen die Krise erklären, sonst profitieren Provokateure, Populisten und Schuldenmacher. Es ist nicht die erste Krise ihrer Art, und es wird höchstwahrscheinlich auch

nicht die letzte sein. Krisen, mehr oder weniger schwer, gehören zur Menschheit. Es gilt sie zu meistern und daraus zu lernen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Abgeordnete Hesselbarth spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Finanzkapitalismus ist am Ende, und das ist auch gut so; denn sosehr wir uns als DVU-Fraktion und Vertreter der Interessen der mittelständisch geprägten Wirtschaft hier in Brandenburg auch zu einer sozialen Marktwirtschaft bekennen, sosehr lehnen wir das derzeit herrschende globale und unkontrollierte Finanzsystem ab. In dieser Ablehnung stimmen wir mit über zwei Dritteln aller Deutschen überein, die ebenfalls von einer tief empfundenen antikapitalistischen Sehnsucht beseelt sind. Die Gefahr einer weltweiten Wirtschaftskrise ist so groß, wie sie seit 1929 nicht mehr gewesen ist. Banken brachen vor unseren Augen wie Kartenhäuser zusammen, und die Globalisierung verabschiedet sich mit einem lauten Knall. Mit ihren hektischen Rettungsplänen rennen die Regierungen immer mehr neuen Hiobsbotschaften hinterher und wissen nicht, wann die Meldung über den finanzpolitischen Super-GAU kommt.

Die von der Bundesregierung und anderen europäischen Regierungen geschnürten sogenannten Rettungspakete für die Bankwirtschaft haben die Märkte zwar derzeit etwas beruhigt. Doch kein Experte kann derzeit mit Sicherheit sagen, ob sie halten werden. Die Folgen des Verzockens von Milliardenwerten - der IWF schätzt die Verluste aus der Finanzkrise mittlerweile auf 1,4 Billionen Dollar - sind längst in Brandenburg angekommen. So hat die ILB eine einstellige Millionensumme beim Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers verloren. Der deutsche Aktienindex DAX befand sich im freien Fall. Das Emissionsgeschäft neuer Aktien war fast vollständig zum Erliegen gekommen und natürlich auch auf die in Brandenburg agierenden börsennotierten Unternehmen durchgeschlagen. Die Brandenburger kleinen und mittelständischen Firmen mit ihren minimalen Eigenkapitaldecken haben praktisch wenig Chancen, private oder auch öffentliche Kredite, beispielsweise bei der von der Finanzkrise besonders betroffenen KfW, zu bekommen.

Die Wohnungswirtschaft ist von der Finanzkrise hier in Brandenburg ebenso betroffen, wie die Sparer es sind, allen Beteuerungen von Frau Merkel und Herrn Steinbrück zum Trotz. Auch Großprojekte wie der Hauptstadtflughafen BBI sind aufgrund der Bankenkrise wieder gefährdet. Alle Wirtschaftsexperten erwarten einen rasanten wirtschaftlichen Abschwung. Die Wachstumsprognosen für das Jahr 2009 werden mit null bewertet. Der DGB sieht durch die Finanzkrise zehntausende Stellen in Deutschland gefährdet und fordert daher einen Notfallfonds für in Not geratene Unternehmen.

Niemand von den Experten des Bundes und der Landesregierung hat dieses Unheil kommen sehen. Sitzen nicht auch genügend führende Politiker aller Couleur in Aufsichtsräten großer deutscher Banken? Es muss die Frage gestattet sein, wie diese Personen ihren Aufsichts- und Kontrollpflichten nachgekommen sind. Angesichts der Ergebnisse der Arbeit mancher Ban

kenmanager und -vorstände ist die Frage relevant, ob denn die fachliche Qualifikation dieser Personen überhaupt ausreicht, die Komplexität der weltweiten Finanzaktionen der Banken zu verstehen.

Das, was wir in den letzten Wochen und Tagen erleben mussten, spricht eher weniger für deren Qualität.

Was ist nun zu tun, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist? - Der Ruf nach einer Verstaatlichung der betroffenen Institute wird immer lauter, und die Bürger wollen auch sehen, dass Verantwortliche ihre Posten räumen müssen, und zwar ohne millionenschwere Abfindungen und Pensionen.

Das Gebot der Stunde lautet: verschärfte staatliche Kontrolle der besonders kritischen Einrichtungen, die mit Milliarden von Steuergeldern vor dem Kollaps bewahrt werden. Manager, die dilettantische Fehler begangen haben, müssen auch in Haftung genommen werden. Rettungsaktionen darf es nicht zum Nulltarif geben.