Protokoll der Sitzung vom 18.12.2008

„Der Landtag möge beschließen:

Gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks wird Frau Bärbel Romanowski zum Mitglied des Medienrates gewählt.“

Ferner liegt Ihnen ein Antrag des Präsidenten in der Drucksache 4/7063 vor. Er lautet:

„Gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks wird Frau Prof. Dr. Jutta Limbach zur Vorsitzenden des Medienrates gewählt.“

Ich muss Ihnen leider noch einmal die Verfahrensweise verlesen. Die Wahl der Vorsitzenden und der Mitglieder des Medienrates erfolgt gemäß § 72 Abs. 1 der Geschäftsordnung geheim. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks sind die Kandidaten gewählt, die jeweils eine Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl erhalten; das entspricht bei uns 59 Jastimmen. Das Mitglied, das zugleich den Vorsitz innehat, wird gemäß Satz 2 von beiden Parlamenten mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl gewählt.

Die Ausgabe der Wahlunterlagen erfolgt nach dem jeweiligen Namensaufruf durch die Schriftführer am Stenografentisch und die Stimmabgabe rechts und links von mir auf den Regierungsbänken.

Sie erhalten einen Stimmzettel mit dem Namen der Kandidatin für die Wahl als Vorsitzende des Medienrates und einen Stimmzettel mit dem Namen der Kandidatin für die Wahl eines Mitgliedes des Medienrates, auf denen Sie Ihre Wahl kenntlich

machen können. Dabei bitte ich Sie, nur die im Wahlpult ausliegenden Kopierstifte zu benutzen. Ungültig sind Stimmzettel, die Zusätze enthalten, deren Kennzeichnung den Willen des Abstimmenden nicht zweifelsfrei erkennen lässt, die die Identität des Abstimmenden erkennen lassen, bei denen die Stimmabgabe nicht erfolgt ist und wenn die Anzahl der abgegebenen Stimmen die Anzahl der zu vergebenden Stimmen übersteigt.

Soviel zum Wahlverfahren. Wird dazu noch einmal das Wort gewünscht? - Ich kann keine Wortmeldung feststellen.

Dann kommen wir zur Wahl. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Wahlhandlung)

Hatten alle Abgeordneten Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? - Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Wahlhandlung und bitte die Schriftführer auszuzählen, und Sie bitte ich um etwas Geduld.

Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung bekannt - eine klarstellende Auszeit vermag doch Wunder zu wirken -:

An der Wahl einer Vorsitzenden des Medienrates haben sich 79 Abgeordnete beteiligt. Es wurden 79 Stimmzettel abgegeben. 79 Stimmzettel waren gültig. Für den Wahlvorschlag Dr. Limbach stimmten 65 Abgeordnete. Damit ist sie gewählt.

(Beifall bei SPD und CDU sowie bei der Fraktion DIE LINKE)

An der Wahl eines Mitglieds des Medienrates haben sich ebenfalls 79 Abgeordnete beteiligt. Es wurden 79 Stimmzettel abgegeben. 79 Stimmzettel waren gültig. Für den Wahlvorschlag Frau Romanowski haben sich 63 Abgeordnete ausgesprochen. Damit ist sie gewählt.

(Beifall bei SPD und CDU sowie bei der Fraktion DIE LINKE)

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf.

Lebenslagen in Brandenburg - Chancen gegen Armut

Bericht der Landesregierung

Drucksache 4/6980

Die Debatte wird durch Ministerin Ziegler eröffnet.

(Allgemeine Unruhe)

Meine Damen und Herren, wenn Sie geneigt sind, der Ministerin zuzuhören, dann bitte ich Sie um etwas Ruhe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Vertreter der Landespolitik beschäftigen wir

uns in aller Regelmäßigkeit mit der Lebenssituation in Brandenburg. Aber in den letzten Wochen haben wir dies besonders intensiv getan, und zwar auch besonders öffentlich. Ausgangspunkt der teils hitzigen und manchmal auch unsachlichen Debatten war unser Lebenslagenbericht. Auseinandersetzungen waren zu erwarten, und wir haben zu verschiedenen Gelegenheiten über die Daten und Fakten des Berichts debattiert. Mittlerweile kann festgestellt werden, dass die Debatte Gott sei Dank wieder mit größerer Sachlichkeit geführt wird.

Warum haben wir aber nun diesen Bericht in die Welt gesetzt? Wenn Politik erfolgreich handeln und vor allem vorausschauend gestalten will, muss man sie an den Ursachen erkennen. Ohne genaue Kenntnis der Wirklichkeit lässt sich diese nicht verändern. Zwar haben wir in den letzten Jahren spezielle Themen immer wieder aufbereitet, aber eine Gesamtbetrachtung gab es bisher nicht. Die möglichst umfassende Darstellung der Lebenslagen ist notwendig, um konzentrierte und wirksame Maßnahmen ergreifen zu können. Wir müssen aus Sicht verschiedener Politikbereiche wissen, wie politisches Handeln auf die Lebenslagen in unserem Lande wirkt. Deshalb hatte ich mein Haus mit der Erstellung eines umfassenden Sozialberichts beauftragt. Ich sehe dies auch als wichtigen Auftrag an die Politik, öffentlich und transparent zu sein und die Dinge beim Namen zu nennen. Das haben wir getan, und dazu stehe ich.

Mein besonderer Dank im Zusammenhang mit der Erstellung dieses ersten und sehr ausführlichen Lebenslagenberichts gilt der Liga der Spitzenverbände des Landes Brandenburg, die im Rahmen einer sehr freundschaftlichen und unkomplizierten Zusammenarbeit einen eigenständigen Berichtsteil eingebracht hat. Anhand vieler Einzelschicksale wird damit eine andere Sicht der Dinge über die verschiedenen und individuellen Lebenssituationen in Brandenburg offenbart.

Manche fragen, warum der Name „Lebenslagenbericht“ und nicht „Armutsbericht“ lautet, und vermuten dahinter die Absicht, Armut verschleiern zu wollen. Das ist natürlich blanker Unsinn. Diese Thematik ist viel komplexer und wäre mit einem Armutsbericht gar nicht zu erfassen. Schließlich geht es bei allem nicht allein um das Arm-Sein an sich, also um den Mangel an finanziellen und materiellen Mitteln; vielmehr hat Armut viele Gesichter und viele Ursachen. Nicht allein die Einkommensarmut ist ein Gradmesser dafür, sondern es sind auch die mangelhaften Möglichkeiten, chancenreichen Zugang zu allen gesellschaftlichen Bereichen zu bekommen.

In dem vorliegenden Bericht wird demnach unter dem Armutsrisiko eine kritische Grenze der Teilhabechancen verstanden. Auch die Vermeidung und die Bekämpfung von Armut zielen eben nicht allein auf materielle Versorgung ab, sondern auf gleiche Chancen auf Teilhabe an allem, was die Gesellschaft ausmacht, Bildung, Arbeit, Gesundheit, Soziales, Wohnen, Infrastruktur usw., und es geht um das Beseitigen von Ungleichheiten. Jeder soll die selbstverständlichen Freiheiten unserer demokratischen Gesellschaft auch nutzen können.

Wer in Deutschland von Armut spricht, meint meist nicht jene Armut, die in vielen Entwicklungsländern das Überleben gefährdet. Diese Absolutheit der Armut kennen wir Gott sei Dank nicht. Dagegen stehen auch unsere leistungsfähigen Systeme einer sozialen Sicherung.

Allerdings leben auch in Brandenburg Personengruppen, für die Teilhabe und Chancengleichheit zum Teil erschwert sind. Davon betroffen sind insbesondere kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose, zugewanderte Familien und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Die Europäische Union hat eine weitgehend anerkannte Definition von Armut aufgestellt. Danach liegt die Schwelle des Armutsrisikos bei 60 % des mittleren Vergleichseinkommens. Dies definiert nicht die absolute Armutsschwelle, sondern eine kritische Grenze der Teilhabechancen. Nach der neuen OECDSkala lag das mittlere Vergleichseinkommen in Brandenburg im Jahre 2007 bei 1 169 Euro.

Danach ergeben sich eine Armutsrisikoschwelle bei 60 % von 701 Euro für einen Alleinstehenden und eine Armutsgefährdung für 13,7 % der brandenburgischen Bevölkerung. Natürlich variieren die Werte für die Armutsrisikogrenzen je nach Familiengröße. Beispielsweise beträgt der Wert für einen Erwachsenen mit einem Kind unter 14 Jahren 911 Euro. Ein anderes Beispiel: Für zwei Erwachsene mit einem Kind unter 14 Jahren und zwei über 14 Jahren liegt er bei 1 612 Euro.

Der Bericht listet erstmals solche Daten der relativen Einkommensarmut auf und stellt sie in einen Gesamtzusammenhang der Lebenssituation bestimmter Gruppen. Er leitet aus der wirtschaftlichen Situation der Menschen wichtige Bestimmungsfaktoren für soziales Wohlbefinden und für Lebensqualität ab. Bestimmte Personengruppen benötigen besondere Unterstützung von Staat und Gesellschaft. Sie brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit, um Chancengleichheit herzustellen.

Die verlässlichen Sozialstandards auf EU- und Bundesebene, kombiniert mit kommunaler Unterstützung und der Hilfe zur Selbsthilfe, sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung. Der Bericht ist deshalb auch eine gute Grundlage für das Handeln der Verantwortlichen in Landes- und Kommunalpolitik.

Wir nutzen unsere landespolitischen Gestaltungsspielräume vor allem für Bildung und Ausbildung, für die Schaffung von Arbeitsmarktzugängen, für eine bessere Infrastruktur, für die Förderung des sozialen Zusammenhalts. Wenn das gut und immer besser gelingt, gibt es weniger Ausgrenzung und mehr Chancen auf eine gerechtere Teilhabe.

Die Lebenssituation hat sich für die Menschen in Brandenburg seit der Wende nachhaltig verändert. Die Lebenserwartung ist gestiegen. Gesundheitliche Versorgung, die Wohnsituation, die Infrastruktur, die Umweltbedingungen zum Beispiel haben sich deutlich verbessert. Das sind Fakten, die untermauern: Der Sozialstaat wirkt. Er erfüllt seine Aufgaben und schafft so die Voraussetzungen für eine umfassendere Teilhabe.

Das ist natürlich kein Grund, sich zurückzunehmen, denn die Lebenslagen sind differenzierter geworden und kumulieren eben auch in solchen Entwicklungen, wie sie uns mit dem Armutsrisiko beschäftigen. Es gibt mehr Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten. Die Verantwortung des Einzelnen dafür ist gewachsen. Doch nicht jeder kann mithalten und braucht deshalb Unterstützung.

So gehen mit den positiven Entwicklungen eben auch Risiken einher. Die Risiken des Arbeitsmarktes verteilen sich nicht in

gleicher Weise auf alle Personengruppen. Die demografische Entwicklung - vor allem der Geburtenrückgang und die zunehmend alternde Gesellschaft - verlangt neue Wege und neue Antworten.

Das Land entwickelt sich in seinen zentralen und peripheren Räumen unterschiedlich. Hier hängt alles mit allem zusammen. Wo die Aussichten auf Arbeit schlecht sind oder schlechter vermutet werden, steigt die Abwanderung und wächst die Überalterung. Betrieben fehlt der Fachkräftenachwuchs, weil Stammbelegschaften verschwinden. Junge Menschen verlassen das Land, oder der Nachwuchs ist nicht kompatibel ausgebildet für die Bedürfnisse der lokalen Unternehmen.

In einem älter werdenden Land brauchen Gesundheits- und Sozialeinrichtungen einen neuen Zuschnitt. Die Infrastruktur muss diesen Entwicklungen angepasst werden. Da sind Disparitäten programmiert, und es wächst die Pflicht einer eng verzahnten Zusammenarbeit von Land und Kommunen.

Nötig sind funktionierende Netzwerke für Bildung, Ausbildung, Erziehung und soziale Belange - eine konzertierte Aktion, die alle Verantwortlichen einbezieht. Dies gilt vor allem bezüglich der zukunftsfesten Ausgestaltung der überwiegend ländlichen Räume in unserem Land und der Schaffung bzw. Erhaltung von Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten gerade in den peripheren Regionen.

Die gegenwärtigen Krisen in der Finanz- und Wirtschaftswelt machen die Sache gewiss nicht leichter, aber sie dürfen uns nicht daran hindern, den Dingen weiter auf den Grund zu gehen und angemessen mehr für die Menschen zu tun, vor allem für jene, die vom bisherigen Aufschwung nicht profitiert haben und jetzt zunehmend an den Rand der Gesellschaft zu geraten drohen. Mehr zu tun und allen gleichermaßen Chancen zu bieten - damit meine ich vor allem die Chancen auf dem Bildungssektor, in der Kinderbetreuung und in den Beschäftigungsmöglichkeiten. Dies sind die prioritären Felder, auf denen die entscheidenden Weichen für die Zukunft gestellt werden müssen.

Beschäftigung, Einkommen, Wohlstand, Armutsrisiko - zu diesen Zusammenhängen trifft der Bericht erstmals detailliert fundierte Aussagen für unser Land. Seit 2003 ist die Arbeitslosenquote um fast 4 % gesunken. Das ist gut, aber sie ist immer noch viel zu hoch. Nach wie vor haben Erhaltung und Schaffung wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze eine hohe Priorität. Es geht um eine bessere Qualifikationsstruktur auch mit dem Ziel, das Einkommensniveau zu verbessern. Natürlich geht es um höhere Beschäftigungschancen für Arbeitsuchende.

Festzuhalten ist: Die Einkommenssituation hat sich für viele Menschen in Brandenburg verbessert. So ist das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen seit 1998 um fast 6 % von 1 480 Euro auf 1 566 Euro in 2007 gestiegen. Allerdings - und das ist wichtig zu wissen - verläuft dies in den Regionen sehr differenziert und mit 10 % im engeren Verflechtungsraum drei mal so stark wie in den Randregionen.

Erfreulich ist, dass in der konjunkturellen Aufschwungphase der beiden Jahre 2005 und 2006 die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erstmals wieder gestiegen ist - von 698 915 auf 705 763 -, während sie in den Jahren zuvor von 2000 bis 2005 - stetig gesunken ist. Dennoch können wir nicht die Augen davor verschließen, dass sich der Arbeitsmarkt

unterschiedlich entwickelt. Das ist aber bundesweit zu beobachten. So zeigt beispielsweise die geplante Ausweitung des Bundesprogramms „Kommunal-Kombi“, über das wir heute Morgen geredet haben, auf mehr Regionen, dass zwar überproportional viele strukturschwache Regionen in Ostdeutschland zu finden sind, aber eben auch anderswo und - selbst in Bayern - mit öffentlich geförderter Beschäftigung auf hartnäckige Arbeitsplatzdefizite reagiert werden muss.

Problematisch ist die hohe Zahl der Geringverdiener. Im Vorjahr waren mehr als 97 000 Menschen nur geringfügig beschäftigt, ein Anteil von 13,4 % an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das Land tut, was es kann. Doch Arbeitsmarktpolitik allein auf dieser Ebene reicht eben nicht aus. Wir brauchen vor allem fair bezahlte Arbeit, um hier die Situation nachhaltig zu verbessern. Deshalb unterstützen wir auch vehement alle dahingehenden Aktivitäten auf Bundesebene.

Das Land hat in jüngerer Zeit viel unternommen, um Menschen aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen bzw. sie über die Grundsicherung existenziell abzusichern. Unser Ziel wird es auch weiterhin sein, dies mit individuell zugeschnittenen Maßnahmen für die Wiedereingliederung in Arbeit zu verbinden. So haben wir unter anderem mit dem Regionalbudget die Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik eingeleitet, wodurch den unterschiedlichen Lebensverhältnissen viel besser Rechnung getragen werden kann. Denn der Sachverstand und die Verantwortung können nun einmal am besten vor Ort für einen besser funktionierenden Arbeitsmarkt genutzt werden. Ich verspreche mir auch in Zukunft noch eine wirksamere Integration vieler der mehr als 63 000 Langzeitarbeitslosen.