Gerade der Zweite Weltkrieg hat auf grausame Art bewiesen: Kriege werden in Herrschaftsinteressen geführt. Tod und Leid Unschuldiger werden dabei in Kauf genommen.
Der Vormarsch der Roten Armee setzte am 27. Januar in Auschwitz auch dem unmenschlichsten und hoffentlich niemals wiederkehrenden Auswuchs der Naziideologie ein Ende. Rassen- und Herrschaftswahn vernebelten Millionen Deutschen die Hirne. Der faschistische Krieg und der millionenfache Mord wären ohne eine von langer Hand geplante ideologische Vorbereitung, ohne das gezielte Schüren von Hass gegenüber Juden und anderen gemäß Nazipropaganda minderwertigen Rassen nicht möglich gewesen. Zuerst kam die Verfolgung der Juden, dann die der Sinti und Roma, der Homosexuellen und weiterer Minderheiten. Ihre von den Deutschen verschiedenen Religionen, Sitten und Lebensweisen mussten als Begründung herhalten, um die Deutschen zur besseren, gebildeteren, kulturvolleren und zur Herrschaft bestimmten Rasse zu überheben.
Täuschen wir uns nicht: Dieses Denken scheint heute in nur wenig abgeschwächter Form wieder gesellschaftsfähig zu sein. Wie frech die neue Rechte in Deutschland ihr Haupt erhebt, mussten wir erst jetzt wieder beim Neujahrsempfang der NPD im Sächsischen Landtag erleben. Unwidersprochen durfte dort der NPD-Vorsitzende Voigt schwadronieren: Ab jetzt werde gegen „jene gefochten“, die eine „Vasallenpolitik“ betrieben und in Deutschland eine „multikulturelle Gesellschaft“ haben wollten.
Seit der Zeit eines Hermann Göring als Reichstagspräsident gab es keine größere rechtsextreme Zusammenrottung in einem deutschen Parlament. In der Rechtsfront mit Unbelehrbaren vom Schlage eines Schönhuber vereint, präsentierte sich auch die Vorsitzende der hiesigen DVU-Fraktion. Wer immer noch Illusionen über den Charakter der DVU hatte, der sollte endlich die Augen öffnen. Die DVU ist wie NPD und Republikaner eine demokratiefeindliche, rechtsextreme
Was wir brauchen, ist eine für jeden Bürger erlebbare Mitwirkungsdemokratie, eine wirkliche Interessenvertretung durch die Parlamente und gewählten Abgeordneten sowie den Staat, der die sozialen Rechte und Besitzstände seiner Bürger auch als Schutzpanzer gegen fremdenfeindliches Gedankengut begreift. Eine Stärkung der Demokratie und ein Miteinander der Demokraten sind zweifellos gut geeignete Mittel, um dem Treiben der braunen Gefolgschaften wirksam zu begegnen.
Gerade die deutsche Nation, die die Völker zweimal in einen Weltkrieg stürzte, steht in besonderer Verantwortung für eine friedliche Welt. Nötig sind bewusstes Eintreten für Toleranz, für ein friedliches Miteinander von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Tradition. Vergessen wir nicht, dass Verantwortung, Toleranz und Verständigung nicht nur eine Frage des guten Willens sind. Appelle an Gedenktagen reichen nicht, um künftigen Generationen eine friedliche Welt zu hinterlassen, in der die Worte Nationalsozialismus und Holocaust wirklich nur noch in Gedenkstätten und Geschichtsbüchern zu finden sind. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute, am 19. Januar 2005, stellen wir uns vier Monate vor dem 60. Jahrestag des Kriegsendes einem wichtigen wie schwierigen Thema. Zurzeit werden in vielen Medien Dokumentationen über die Ereignisse der Kriegsjahre gezeigt, auch über die Verbrechen, die es im Zusammenhang mit dem Krieg und dem Regime des Nationalsozialismus gegeben hat.
Führen wir uns vor Augen, was damals geschah: Millionen und Abermillionen wurden aus ihrem Leben gerissen, in Konzentrationslager gesperrt. Sie wurden unter schlimmsten Bedingungen zu härtester Arbeit gezwungen, schlecht ernährt, medizinisch kaum versorgt. Der Tod dieser Menschen war nur eine Frage der Zeit. Auch die SS hat mit wenigen Monaten Lebenserwartung dieser Menschen kalkuliert. Sie wurden derart unmenschlich behandelt, weil sie jüdischer Abstammung oder homosexuell waren, weil sie Sinti oder Roma waren oder Widerstand gegen das System leisteten oder einfach nur im Verdacht standen, Widerstand gegen das System zu leisten, und weil sie denunziert wurden.
Die Nationalsozialisten teilten die Menschen in Rassen. Wer jüdischer Abstammung war, wurde verhaftet und in Vernichtungslager deportiert, darunter Frauen, Kinder, Junge und Alte.
Es ließe sich fortführen: die Euthanasie, die Zwangssterilisationen, die Folter von politischen Gefangenen.
Dann kam der größenwahnsinnige Eroberungs- und Vernichtungskrieg. Millionen Deutsche wurden zur Wehrmacht gezogen und an den Fronten ins sinnlose Töten oder ins Sterben getrieben - einige freiwillig, die große Mehrheit sicher unter Zwang. Die NS-Propaganda tat ein Übriges. Das Verbrechen des Krieges wurde zum Heldenepos verbrämt, die junge Generation verhetzt und verheizt und es gab Tote, immer wieder Tote.
In mir löst das damals Geschehene Abscheu aus. Für unsere Generation ist das damals durchlittene Leid kaum vorstellbar.
Der 27. Januar ist ein Tag des Gedenkens und der 8. Mai für Deutschland ein Tag der Befreiung von einer unmenschlichen Diktatur.
Wir wissen auch, dass dieser Tag von vielen nicht als Tag der Befreiung empfunden wurde. Für viele ging das Leiden weiter oder begann erst, beispielsweise durch die nach Ende der Kampfhandlungen einsetzenden Massenvergewaltigungen deutscher Frauen durch Soldaten der Roten Armee sowie die anschließende Ermordung vieler dieser Frauen. Des Weiteren ist die Vertreibung von mehr als 10 Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten zu nennen. Seriöse Schätzungen gehen von etwa 2 Millionen Todesopfern aus. Es handelte sich fast ausnahmslos um Zivilisten - Frauen, Kinder, Alte, Babys. All dies geschah während der Kampfhandlungen und noch lange danach.
Die NS-Diktatur hat den Krieg begonnen und vor allem im Osten - besonders in Polen und in der Sowjetunion - unglaubliche Verbrechen begangen. Der Krieg schlug dann zurück.
An dieser Stelle möchte ich an das Buch „Wolfskinder“ erinnern, das die Landeszentrale für politische Bildung auf Anregung und unter Mitwirkung des Abgeordneten Kuhnert von der SPD-Fraktion herausgegeben hat. Darin schrieben Bürger aus Kyritz ihre Erlebnisse nieder. Nach Kriegsende vegetierten sie als Kinder in ihrer Heimat Ostpreußen, weil sie von den sowjetischen Behörden nicht herausgelassen wurden. Sie verloren ihre Mütter und Geschwister, welche verhungerten oder durch Krankheit zu Tode kamen und von den Kindern verscharrt wurden. Es gab auch Kannibalismus. Ich las zwei Kapitel dieses Buches; dann schlug ich es zu, weil ich das Leid nicht mehr ertrug.
Meine Damen und Herren, auch das ist ein Teil der Geschehnisse. Der sowjetische Sozialismus stalinscher Prägung war ein verbrecherisches System, das viel Leid über die Menschen brachte und dem Millionen von Menschen zum Opfer fielen.
Während vor allem die Länder westlich und nördlich des Dritten Reiches befreit wurden, gerieten die Länder im Osten sofort wieder in Unfreiheit. In ihnen wurden neue Diktaturen errichtet. Nachdem die wenigen Überlebenden der Konzentrationslager befreit worden waren, wurde im Ostteil Deutschlands ein Teil dieser Todes- und Internierungslager als so genannte Speziallager weitergeführt, in denen wieder viele Menschen den Tod fanden.
Meine Damen und Herren, die nachfolgenden Generationen tragen für das damals Geschehene keine Verantwortung. Jedoch tragen wir Verantwortung dafür, welche Lehren daraus
gezogen werden. Deshalb müssen wir auf die Anfänge der Entwicklung zurückblicken. In den Anfängen der nationalsozialistischen Diktatur liegt die Ursache für Tod, Krieg und Vertreibung. Mit der zielgerichteten Zerstörung der Weimarer Demokratie durch Extremisten von rechts und links nahm das Unheil seinen Lauf. Dies ist uns Mahnung. So etwas dürfen wir, die Demokraten, nie wieder zulassen.
Heute sind wieder Hetzer in unserem Land unterwegs, die unsere Jugend verblenden wollen. Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass die Verantwortung für Freiheit und Demokratie Grundlage all unseres Handelns sein muss. Wir haben eine wehrhafte Demokratie. Wer die Demokratie beseitigen will, wird mit allen Mitteln des Rechtsstaats und der politischen Auseinandersetzung bekämpft. Die wehrhafte Demokratie sind wir - die Demokraten. Wir tragen diese Phalanx.
Meine Damen und Herren, im kollektiven Gedächtnis unseres Volkes ist dieser Abschnitt einer dunklen Zeit fest verankert. Unsere Aufgabe ist es daher, immer wieder auf die verheerenden Folgen totalitärer Diktaturen zu verweisen und Freiheit und Demokratie eine Heimat zu geben. Das gilt vor allem für uns in Brandenburg. Unsere Eltern und Großeltern haben die Alliierten-Bombardements durchlitten. Unsere Städte und Dörfer wurden beim Kampf um Berlin zu Schlachtfeldern. Später integrierten wir erfolgreich Zehntausende von Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten. Mehr als ein Viertel der brandenburgischen Einwohner waren Ende der 40er Jahre Vertriebene.
Wenn wir uns dem Thema der Aktuellen Stunde stellen, dürfen wir auch diejenigen nicht vergessen, die ihr Leben dafür gaben, den Nationalsozialismus von der europäischen Landkarte zu tilgen. Millionen junger Soldaten anderer Nationen ließen ihr Leben, damit wir heute in Freiheit leben können. Viele von ihnen hätten den Krieg überlebt und viel Leid hätte abgewendet werden können, wenn die Widerstandsgruppe um Stauffenberg bei ihrem Anschlag auf Hitler Erfolg gehabt hätte. Wir sind verpflichtet, diese Männer des 20. Juli 1944 zu ehren und in Erinnerung zu behalten. Sie sind ein fester Anker unserer Demokratie.
Meine Damen und Herren, wir Deutschen sammelten die Erfahrungen zweier Diktaturen und zogen die Konsequenzen daraus. Heute leben wir in Freiheit, fest in die westliche Werteordnung eingebunden. Zu dieser Einbindung gibt es keine Alternative. Wir stehen fest zur Demokratie und ihren Prinzipien, doch muss dafür immer wieder geworben werden.
Trotz unserer bewegten Vergangenheit haben wir Deutsche das Recht, uns positiv zu unserem Vaterland zu bekennen. Nationale Identität ist etwas Wichtiges und Gutes. Selbstachtung und nationale Identität haben nichts mit Intoleranz oder gar Missachtung zu tun. Toleranz gegenüber anderen erwächst erst aus Selbstbewusstsein. Nationale Identität dürfen wir nicht den Extremisten überlassen. Wir müssen unsere Kinder den richtigen Umgang mit der Verantwortung und der Geschichte lehren. Wir müssen ihnen den Wert dessen nahe bringen, was daraus erwuchs, nämlich die Völkerverständigung. Sie zeigt sich bei
Persönlichkeiten wie Adenauer und de Gaulle, Kohl und Mitterrand. Der Kniefall Willy Brandts steht ebenso dafür wie die Rede des Bundespräsidenten Johannes Rau vor der Knesset in Israel.
Aufgrund der Völkerverständigung in Europa entstand die Europäische Union. Aus ehemaligen Feinden sind Partner, oftmals sogar Freunde geworden. Die seit Kriegsende vergangenen 60 Jahre stehen auch für 60 Jahre Frieden in Europa. Darauf, meine Damen und Herren, können wir stolz sein. Das müssen wir mit aller Kraft bewahren. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gedenktage sind Tage der Besinnung, der Erinnerung und der Bilanz. Der 60. Jahrestag der militärischen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 ist zweifellos solch ein Jahrestag. Das gilt ebenfalls für den 27. Januar 1945, an dem das Konzentrationslager Auschwitz befreit wurde. Zweifellos war das Jahr 1945 mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Untergang des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland für viele Menschen ein Jahr der Befreiung. Hierbei denke ich insbesondere an die Häftlinge des nationalsozialistischen Konzentrationslagersystems und die Alliierten-Kriegsgefangenen.
Der 8. Mai 1945 war für große Teile des deutschen Volkes aber auch ein Tag des Elends, der Qual und der Trauer. Abermillionen von Deutschen brachte er in jenen Friedensjahren nach der Kapitulation die Hölle auf Erden. In diesen Jahren, die wir heute als Zeit der Befreiung und Wiege einer Zukunft feiern sollen, die uns angeblich zum ersten Mal in unserer tausendjährigen Geschichte Freiheit, Recht und Menschenwürde gebracht haben sollen, wurden Deutsche von Ostpreußen bis Jugoslawien erschlagen, hingemetzelt, vergewaltigt, gefoltert und vertrieben. Am 8. Mai denken wir auch daran; denn wir verfügen im Gegensatz zu Ihnen nicht über die Fähigkeit der selektiven Geschichts- und Gegenwartswahrnehmung. Neben jedem einzelnen Verbrechen, jedem einzelnen konkreten Leid bleibt uns - im Gegensatz zu Ihnen - die Gesamtheit der Geschichte und Gegenwart im Bewusstsein.
Es geht uns wahrlich nicht um eine Bagatellisierung des millionenfachen Mordes am jüdischen Volk durch ein verbrecherisches Regime. Wir können nur nicht nachvollziehen, warum eine indianische Familie, die von weißen Siedlern ermordet wurde, warum ein afrikanischer Negersklave, der auf dem Sklaventransport umkam, warum die russischen oder ukrainischen Bauern, die zurzeit der so genannten Entkulakisierung zu Millionen dem stalinistischen Terror zum Opfer fielen - das Nähere können Sie übrigens bei Solschenizyn nachlesen -, warum die Opfer der Roten Khmer in Kambodscha in den 70er Jahren oder die Opfer amerikanischer Napalmbomben während des Vietnamkrieges - oder auch heute im Irak oder in Afghanistan und schließlich warum die auf 3 bis 5 Millionen geschätzten deutschen Opfer des Vertreibungsterrors weniger zu bedauern sein sollen als die Opfer anderer Völker?
Den Nachgeborenen muss es auch erlaubt sein, auf die positiven Seiten der deutschen Geschichte hinzuweisen, ohne dass sie gleich als Nazis bezeichnet oder mit Nazis auf eine Stufe gestellt werden.
Ich sage es seitens meiner Fraktion klipp und klar: Die Nazis waren eine der größten Katastrophen der deutschen Geschichte.
Aber es kann nicht angehen, dass die Deutschen auch 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als einziges Volk der Welt keine nationalen Interessen haben dürfen und sich ständig Asche aufs Haupt streuen müssen. Das erwarten übrigens auch die Ausländer gar nicht von uns. Das fordern lediglich große Teile der so genannten intellektuellen und politischen Inländer, zu denen auch ein großer Teil der SPD-Mitglieder gehört.
Im Übrigen, Herr Baaske, benutzen Sie diese Aktuelle Stunde nicht, den 60. Jahrestag des Kriegsendes dazu zu missbrauchen, die Ihnen nicht genehmen politischen Überzeugungen zu diskriminieren! Das wäre sehr beschämend und - das möchte ich Ihnen noch sagen - ein Schlag ins Gesicht der damals Verfolgten.
Wenn Sie etwas für Toleranz, für Verständigung und gegen Völkermord tun wollen, so sorgen Sie erstens bei Ihren Berliner Parteifreunden dafür, dass die Bundeswehr aus Kriegsgebieten abgezogen wird, in denen sie nichts zu suchen hat,
und zweitens bei den amerikanischen Freunden dafür, dass deren Armee nicht ständig grundlos unschuldige Völker und deren Staaten angreift. Ansonsten setzen Sie sich dem Vorwurf der Heuchelei aus. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.