Protokoll der Sitzung vom 19.01.2005

Wie viel schlimmer muss es dann erst sein, wenn interaktive Spiele die Softwarenutzer einer Serie aussetzen, in der Kinder, Frauen oder Polizisten brutal gemordet und verstümmelt werden? Da nutzt es aber nicht viel, wenn Sie, Herr Minister

Schönbohm, gegenüber den Medien nur raten, dass allein die Eltern den Inhalt von Computerspielen prüfen sollten, bevor sie diese unter den Weihnachtsbaum legen. Die durchschnittlichen Bürgerinnen und Bürger sind nämlich nur bedingt in der Lage, die Prüfkriterien des Jugendschutzgesetzes ihrer Entscheidung darüber zugrunde zu legen, was sie kaufen sollen.

(Schippel [SPD]: Es gibt noch den gesunden Menschen- verstand!)

Wenn Sie, Herr Minister, feststellen, dass sich nach der Bluttat von Erfurt alle politischen Kräfte in Deutschland darüber einig gewesen seien, dass Gewaltspiele den geschilderten negativen Einfluss auf Kinder und Jugendliche nähmen, und sie außerdem zu dem Ergebnis kommen, dass die unabhängige Selbstkontrolle nicht funktioniere, weil sie Gewaltdarstellungen zu viel Raum lasse, dann bleibt Ihnen wohl nichts anderes übrig, als endlich durchzugreifen.

Ihre Aufgabe als Verantwortlicher für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Land Brandenburg ist hier bevorzugt geeignet, um die notwendigen Schritte zu gehen, denn nach unserer Einschätzung ist die Durchsetzung des Jugendschutzgesetzes eher der Gefahrenprävention als der allgemeinen Jugendpolitik zuzuordnen. Nach § 14 Abs. 6 Satz 2 Jugendschutzgesetz hat das Land hierzu die erforderliche Kompetenz, abweichende Entscheidungen bei der Freigabe und Kennzeichnung von Trägermedien zu treffen. Deshalb fordern wir Sie, Herr Innenminister, auf, Ihrer präventiven Aufgabe gerecht zu werden und aus Ihrem Ressort heraus die einschlägigen Prüfkriterien des § 14 heranzuziehen und notfalls Gewaltspiele mit strafrechtlich relevantem oder jugendgefährdendem Inhalt der angemessenen Kennzeichnung zuzuführen oder gegebenenfalls die Freigabe zu verweigern.

Wir als DVU-Fraktion halten nichts von schönen Reden in der Öffentlichkeit mit ethischen Ansätzen, wenn das postulierte Bekenntnis anschließend nicht auch in die Tat umgesetzt wird. - Ich bedanke mich vorerst.

(Beifall bei der DVU - Zuruf von der PDS: Was heißt vor- erst?)

Für die Koalitionsfraktionen spricht der Abgeordnete Schippel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DVU hat mit dem vorliegenden Antrag ein Thema aufgegriffen, das uns alle, das die Menschen in Brandenburg bewegt. Das ist für sich gesehen aber noch keine politische Leistung. Die Leistung der Politik wird daran gemessen, welche realistischen Lösungen gefunden werden. Hierbei, meine Damen und Herren von der DVU, versagen Sie allerdings erneut, da weder Ihr vorgeschlagener Lösungsansatz, Brandenburg solle für sich allein handeln, noch die Auffassung, der Staat könne durch alleiniges Handeln die alleinige Verantwortung übernehmen, zum Ziel führen wird.

Zu dem Erstgenannten: Brandenburg hat sich mit den anderen Bundesländern auf ein einheitliches Verfahren geeinigt, in dem durch eine gemeinsame Organisation der freiwilligen Selbst

kontrolle die Freigabe und die Kennzeichnung entsprechender Software geregelt ist. Welchen Sinn hätte eine besondere Regelung in Brandenburg, wenn nach jedem Überschreiten der Ländergrenzen zu Berlin, zu Sachsen, zu Sachsen-Anhalt oder zu Mecklenburg-Vorpommern andere Maßstäbe und andere Bestimmungen gälten?

Zu dem Zweitgenannten: Der Staat, also auch das Land Brandenburg, wird und kann nicht die alleinige Verantwortung übernehmen. Hier ist auch die Verantwortung der Eltern, die Verantwortung der Gesellschaft insgesamt gefragt. Sie müssen gegebenenfalls in den Kinderzimmern oder in den Jugendklubs schauen, was dort über die Monitore flimmert. Neue Medien bringen nicht nur Segen und Fortschritt; sie bergen - wie in diesem Fall die besagte Unterhaltungssoftware - auch Gefahren, denen allein durch Verbote nicht zu begegnen ist.

Gewaltverherrlichung ist generationsunabhängig. Das gesellschaftliche Engagement gegen Gewaltverherrlichung muss glaubhaft sein. Dies allerdings spreche ich Ihnen, meine Damen und Herren von der DVU, ab. Sie haben sich auch mit diesem Antrag die Maske von Biedermännern aufgesetzt, um von Ihrem wahren, gewaltbereiten Gesicht abzulenken.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Wie könnte es sonst ein, dass Sie sich höchstpersönlich mit der nachweisbar gewaltbereiten NPD vor allem in Sachsen, also mit jemandem, der öffentlich Gewalt predigt, verbünden? Ich zitiere auszugsweise Ihren neuen Verbündeten, NPD-Chef Voigt, der in München verkündete, auf Übergriffe politischer Gegner solle mit Gewalt reagiert werden. Weiter äußerte er wortwörtlich:

„Wer uns angreift, muss damit rechnen, verletzt zu werden.“

Solches predigen sie dann auch vor Jugendlichen. Das ist Gewaltverherrlichung im wahrsten Sinne des Wortes.

Solange die Brandenburger DVU mit solchen Leuten Verträge schließt, solange sie Ihre Verbündeten sind, sind Sie im Kampf gegen Gewaltverherrlichung nicht glaubhaft,

(Vereinzelt Beifall bei SPD und CDU - Schuldt [DVU]: Die Brandenburger DVU hat sich dem nicht ange- schlossen!)

und solange sind Ihre Anträge Mittel zum Zweck, um Ihr wahres Gesicht und Ihre wahren Absichten zu verbergen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der PDS spricht der Abgeordnete Krause.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grunde genommen hat Herr Schippel bereits auf die wesentlichen Punkte hingewiesen, aber ich unterstreiche es selbstverständlich noch ein

mal: Der Antrag der DVU muss und wird ins Leere laufen. Anhand von zwei Gründen werde ich zeigen, dass der Vorschlag absurd ist.

Das Jugendschutzgesetz schreibt eindeutig vor, dass die Landesjugendbehörden für die Indizierung und die Einstufung in die Altersfreigaben zuständig sind. Eine von der DVU-Fraktion geforderte Verwaltungseinheit innerhalb des Innenministeriums zur Kontrolle der Indizierung wäre rechtlich gar nicht in der Lage, die Indizierung zu verändern oder die Spiele vom Markt zu nehmen.

Würde man diesen Gedanken zu Ende spinnen, müsste der Brandenburger Landtag ein eigens für dieses Land entwickeltes Jugendschutzgesetz auf den Weg bringen und die Strukturen zur Einstufung von Filmen und Spielen gemäß FSK und USK selber vorhalten. Damit stünde uns ein immenser Verwaltungs- und Finanzaufwand ins Haus. Allein die bundesweit gemäß FSK tätigen Gremien benötigten im Jahr 2004 täglich drei bis vier Ausschüsse à sieben hauptamtlichen Prüfern, um alle Filme und Beiträge auf ihre Freigabe hin zu untersuchen. Brandenburg müsste dieses Personal zusätzlich bereitstellen, sofern wir uns nicht auf die bundesweit einheitliche Indizierung verlassen wollten.

Welche Auswirkungen hätte dies? Man könnte die Spiele oder Filme in Berlin oder Mecklenburg einkaufen, falls sie dort anders indiziert werden würden. Was passierte im Übrigen mit Filmen, die im Fernsehen bundesweit ausgestrahlt werden? Hätten wir in Brandenburg während dieser Zeit schwarze Bildschirme?

(Sarrach [PDS]: Das hat Bayern auch schon geschafft!)

Das kann es nicht sein. Zweitens frage ich mich angesichts Ihres Antrages, ob Sie das Verfahren nach FSK und USK eigentlich kennen. Es ist bereits jetzt mehrstufig und hat interne Kontrollinstanzen, sodass eine zusätzliche Stufe gar nicht nötig wäre. Ich werde es an dieser Stelle einmal kurz skizzieren:

Soll ein Videospiel in Deutschland neu auf den Markt gebracht werden, muss es so, wie es in den Verkauf kommen soll, dem USK-Prüfungsausschuss vorgelegt werden. Dort spielt ein Tester das gesamte Spiel durch und schreibt einen Bericht. Dieser Bericht geht in den Prüfungsausschuss; die Mitglieder des Prüfungsausschusses können einzelne Sequenzen oder das gesamte Spiel noch einmal durchspielen. Der Tester weist auf die Stellen hin, an denen Gefahren erkennbar sind, und schlägt eine Indizierung vor. Der Prüfungsausschuss gibt ein Votum ab. Dann kann die Landesjugendbehörde als dritte Instanz das Votum annehmen oder verwerfen. Wird es verworfen, kommt ein neuer Prüfungsausschuss ins Spiel, der ein weiteres Mal prüft und eine neue Bewertung abgibt. Wird dieses Votum abermals verworfen, tritt der USK-Beirat, besetzt mit Vertretern der PCSpieleindustrie, freien Trägern, den Landesjugendbehörden und dem Vorsitzenden der Bundesprüfstelle für Medien, auf den Plan. Dieses Verfahren wird für alle Spiele, sogar für gleiche Spiele, die für unterschiedliche Konsolen- und PC-Arten zugelassen werden, gesondert durchgeführt.

Die Prüfausschüsse der FSK wie der USK arbeiten nach Richtlinien der Bundesprüfstelle für Medien, haben jahrelange Erfahrungen und geben in ihren Bewertungen und Altersfreigaben überhaupt keinen Anlass zu Kritik. Die von ihnen geleiste

te Arbeit ist wichtig, korrekt und nicht zu beanstanden. Eine weitere Prüfinstanz im Innenministerium ist absolut nicht nötig und hätte auch rechtlich gar keine Handhabe.

Die PDS lehnt den Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS sowie des Abgeordneten Folgart [SPD])

Die Landesregierung hat Redeverzicht angekündigt. - Zum Abschluss dieser Debatte spricht erneut der Abgeordnete Schulze von der DVU. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie meine Vorredner versuchen, sich bei einem heiklen Thema aus der Affäre zu ziehen. Man versteckt sich hinter Bürokratie und Rabulismus.

(Schulze [SPD]: Das heißt Rabulistik!)

Immerhin geht es auch um die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden in unserem Lande sowie um die Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen. Herr Schulze, ich dachte, dass zumindest in diesem Punkt ein fraktionsübergreifender Konsens besteht. Man muss sich doch nur einmal die Ursachen des alarmierenden Anstiegs der Kriminalität und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen und Heranwachsenden in unserem Land ansehen.

Wir als DVU-Fraktion sind der Ansicht, dass Experten aus dem Bereich des Innenministeriums, namentlich aus den mit Jugendkriminalität befassten Bereichen der Polizei und des Landeskriminalamtes, aufgrund ihrer Erfahrungen mit Gewalttaten junger Menschen besonders geeignet sind, ihre Erfahrungen bei der Beurteilung jugendgefährdender Einflüsse durch Medienträger einzubringen. Deswegen sehen wir angesichts der mehr oder weniger gewissenhaften Wahrnehmung von Prüfpflichten durch die Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle gemeinsam mit den Jugendbehörden keine Alternative als die, diejenigen, die sich ganz originär mit Jugendgewalt beschäftigen müssen, in die Prüfung einzubeziehen. Solche Beamte besitzen aufgrund ihrer gefahrenabwehrenden Funktion im öffentlichen Dienst unseres Erachtens zumindest von der praktischen Seite her größere Kompetenzen als mancher Jugendpsychologe und Medienexperte. Hier geht es schließlich nicht darum, den künstlerischen und ästhetischen Wert einer Unterhaltungssoftware zu beurteilen, sondern darum, Datenträger auf gewaltverherrlichende, die Würde des Menschen verachtende und beleidigende oder pornographische Inhalte hin zu untersuchen, die geeignet sind, das Rechtsbewusstsein von Kindern und Jugendlichen oder dessen Entwicklung negativ zu beeinflussen. Die Tendenz zu einer unsittlichen, verrohend wirkenden und zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder menschenverachtenden Motivation ist diesen Leuten aufgrund ihrer Erfahrung im präventiven wie im repressiven Bereich nur zu gut bekannt.

Diese Erfahrung gilt es auch hier auszuschöpfen. Herr Innenminister Schönbohm, ich gehe davon aus, dass Ihr Ressort über genügend jugend- und sozialpsychologisch geschulte Kräfte

verfügt, die die Prüfungsergebnisse der USK erneut auf den Prüfstand stellen können und in der Lage sind, die zur Freigabe und Alterskennzeichnung führenden Korrekturen zu empfehlen. Sollten Sie das nicht leisten können, hätte Ihr Ministerium versagt und Ihre öffentlichen Postulate zur Verbesserung der Kontrolle von Gewaltspielen würden damit unglaubwürdig. Die Leidtragenden dieser politischen Spiegelfechtereien wären aber unsere Jugendlichen und Kinder. Deswegen sollten wir die von meinen Vorrednern dargebotenen Scheinargumente unterlassen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Damit ist die Aussprache beendet und wir kommen zur Abstimmung.

Die Fraktion der DVU beantragt die Überweisung des Antrages in der Drucksache 4/411 - Neudruck -, Verbesserung der Kontrolle von Unterhaltungssoftware auf Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz, an den Ausschuss für Inneres zur federführenden Beratung und an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport. Wer diesem Antrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag auf Überweisung mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/411 - Neudruck - in der Sache. Wer ihm zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/412

Für die beantragende Fraktion spricht die Abgeordnete Hesselbarth.