Protokoll der Sitzung vom 26.02.2009

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Während der Rede der Abgeordneten Fechner hat die Abgeordnete Wöllert den Wunsch nach einer Kurzintervention angezeigt. Sie erhält gleich das Wort. Während der Rede der Abgeordneten Hartfelder hat die Abgeordnete Fechner eine Kurzintervention angemeldet. Sie kennen das Prozedere: Kurzintervention, dann kann diejenige, deren Redebeitrag zur Diskussion steht, antworten. - Frau Wöllert erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es ungeheuerlich, dass die Abgeordnete Fechner in ihrem Redebeitrag die Bezeichnung Bombenholocaust im Zusammenhang mit der traurigen Bombardierung von Dresden gebraucht hat. Das zeigt, welches Geschichtsverständnis hinter dieser Partei steckt. Das zeigt auch, welche Geisteshaltung sie wirklich hat.

Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass ich es zutiefst verurteile, den Holocaust mit diesem Ereignis gleichzusetzen und dabei nicht zu beachten, dass der Krieg nach Deutschland zu

rückgekommen ist, von wo er ausgegangen ist. Das ist Geschichtsverfälschung.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE sowie bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank. - Die Abgeordnete Fechner erhält jetzt das Wort, um darauf zu reagieren, bevor sie dann für ihre Kurzintervention das Wort erhält.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was man zu der sinnlosen, menschenverachtenden Zerstörung Dresdens sagt, ob Bombenholocaust oder etwas anderes, ist letzten Endes egal.

(Zurufe: Es reicht!)

Daran möchte ich mich jetzt auch gar nicht beteiligen.

Etwas anderes: Frau Hartfelder, ist Ihnen eventuell entgangen,

(Zurufe)

dass ich nicht die Arbeit der Jugendbildungseinrichtungen irgendwie kommentiert habe? Mir ging es um die Träger dieser Jugendbildungseinrichtungen, und zwar sind die Träger die Kirche und der DGB. Ich war und bin nach wie vor der Meinung, dass diese sich

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE sowie von SPD und CDU)

ihren originären Aufgaben zu widmen haben.

(Weitere Zurufe)

Möchten Sie sich jetzt noch einmal äußern, oder war das jetzt auch Ihre Kurzintervention, Frau Abgeordnete?

Das war meine Kurzintervention.

In Ordnung. - Wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt der Antrag in der Drucksache 4/7258 vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt gegen diesen Antrag? - Wer enthält sich der Stimme? - Mehrheitlich ist gegen diesen Antrag gestimmt worden. Er ist somit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Evaluation und Modifizierung des Schulressourcenkonzepts

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/7259

Die Aussprache ist eröffnet. Frau Abgeordnete Große erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es sind turbulente Zeiten. Endlich rücken die Lehrerinnen und Lehrer in das Zentrum des politischen Interesses. Das ist aber auch das einzig Gute in diesen Tagen. Der Anlass für die Turbulenzen ist in höchstem Maße besorgniserregend. Wir rasen sozusagen in rasantem Tempo auf einen Lehrkräftemängel zu, und das bundesweit.

Meine Damen und Herren der Koalition, Sie haben bei der Föderalismusreform leider Ihre Hand dazu gehoben, dass sie so ist, wie sie ist, wir demzufolge ein wahnsinniges Rennen der einzelnen Bundesländer hinsichtlich der Lehrerbesoldung und der Vergütung haben. Das Ergebnis ist, dass wir in Deutschland jetzt diese unterschiedlichen Entlohnungen und Besoldungen haben. Heute demonstrieren - jetzt, zeitgleich - hier vor diesem Haus Lehrerinnen und Lehrer mit ihrer Gewerkschaft für die längst überfällige Ost-West-Angleichung. Das ist aber nur eine dieser sehr unterschiedlichen Geschichten, um die es heute geht.

Am gestrigen Tag haben wir Bildungspolitikerinnen und Bildungspolitiker mit der schönen Blumensamenaktion noch einmal signalisiert bekommen, dass etwa 6 000 Eltern, die das unterschrieben haben, mit dem, was hier im Lande passiert, sehr unzufrieden sind. „Lehrernotstand in Oberhavel“, „Mandalas statt Mathematik“, „Der Kampf um die Lehrer in Deutschland“ - das und noch viel mehr waren in etwa die Titel der Zeitungen in den letzten Wochen.

Es brennt auch in unserem Land, meine Damen und Herren der Koalition, und noch ist nicht wirklich eine Feuerwehr zu sehen. Auch Ihre, verehrte Kolleginnen der SPD, am Wochenende angekündigten Maßnahmen werden dem, was uns erwartet, nicht wirklich gerecht. Zumindest aber zeigt Ihr Vorhaben, 1 250 Lehrkräfte schnell einstellen zu wollen, dass Sie ahnen, was jetzt passiert.

Die Linke hat seit Jahren darauf verwiesen, dass das Schulressourcenkonzept weder die tatsächlichen Schülerzahlen noch die Bedarfe an Fachlehrerinnen und -lehrern in ihrer zukünftigen Entwicklung berücksichtigt. Wir haben dazu mehrere Anträge gehabt, wir haben immer darauf verwiesen, dass der Lehrkräfteüberhang nicht wirklich vorhanden ist. Wir haben Sie seit Jahren gedrängt, die Lehrkräfte in höherem Maße im System zu belassen und den Einstellungskorridor zu erweitern. Wir haben auf den langfristigen Ersatzbedarf verwiesen und die Ausbildungskapazitäten dafür angemahnt. Das alles haben wir auch in den Haushaltsberatungen untersetzt. Sie wollten das Problem nicht erkennen. Jetzt müssen Sie.

Das Schulressourcenkonzept wurde im Jahre 2002 erstellt und im Jahre 2007 fortgeschrieben. Minister Rupprecht sprach damals von einer „soliden Grundlage für die Personalausstattung der Schulen.“ Herr Minister, wo ist diese Personalausstattung solide? Der Unterrichtsausfall ist das, was die Eltern zuerst wahrnehmen. Das ist sozusagen der Seismograf für die Lehrkräfteausstattung. Wie hoch, meinen Sie hier alle in diesem Hause, ist eigentlich der Anteil an Bildung, der den Schülerinnen und Schülern entzogen wird, weil Förderunterricht ausfällt,

weil Teilungsunterricht gestrichen wird, weil Wahlpflichtunterricht nicht erteilt werden kann, weil Klassen, insbesondere im berlinnahen Raum und in den Städten dieses Landes, sehr groß sind? Das ist nämlich gar nicht richtig messbar. Dass in Brandenburg so viele Schüler ohne Abschluss die Schulen verlassen, hat aber damit zu tun.

Wie es um die Qualität des Unterrichts bestellt ist, der von engagierten, aber wirklich auch ausgepowerten Lehrkräften erteilt wird, das können Sie sich selbst beantworten. Der Altersdurchschnitt der Lehrerinnen und Lehrer liegt derzeit bei 49 Jahren. Auch hier haben Sie übrigens die in Ihrem Schulressourcenkonzept angestrebte Verjüngung - Sie wollten 43 Jahre mit dem darin vorgesehenen Einstellungskorridor erreichen - nicht geschafft. Wissen Sie eigentlich noch, Herr Minister - Sie kommen ja wie ich aus diesem Bereich und es ist noch gar nicht so lange her, dass Sie selber Schulleiter waren -, wie viel Selbstausbeutung Lehrerinnen und Lehrern zugemutet wird, und wissen Sie noch, wie es um deren Berufszufriedenheit bestellt ist? Das Schulressourcenkonzept sieht eine weitere Stellenkürzung - meine Damen und Herren der SPD, ich bitte Sie, jetzt wirklich zuzuhören - von 2 000 Stellen, von 18 000 auf 16 000, bis 2013 vor. Das ist der helle Wahnsinn, gemessen an den Bedarfen, die es ab 2013 gibt.

Sie selbst haben in diesem Schulressourcenkonzept einen langfristigen Einstellungsbedarf von jährlich 570 Stellen ab 2014 ermittelt. Ab dann steigt die Zahl sogar ganz schnell auf jährlich 1 000 Lehrerinnen und Lehrer, die wir einstellen müssen, um die in Altersteilzeit, Pension usw. gehenden Lehrkräfte zu ersetzen. Gegenwärtig schaffen wir es nicht einmal, die 200 Lehrerstellen, die im Einstellungskorridor vorgesehen sind, zu besetzen, weil der Lehrerarbeitsmarkt jetzt schon leergefegt ist.

Die Einstellungsoffensive der anderen Bundesländer - wir erleben alle, was Berlin macht, was Baden-Württemberg macht, was Hessen jetzt macht - wird noch ihr Übriges dazutun. Da wollen Sie, meine Damen und Herren von der SPD, 1 250 Lehrerinnen und Lehrer in fünf Jahren Legislatur einstellen, zugegebenermaßen, ein Stückchen eher, auf die ersten drei Jahre zusammengedrängt? Das ist viel weniger - das sage ich hier noch einmal -, als Sie in Ihrem Schulressourcenkonzept als Bedarf ausgewiesen haben. Das muss Ihnen doch bitte beim Erarbeiten Ihres Konzepts aufgefallen sein. Frau Kollegin Geywitz ist jetzt nicht anwesend.

(Zurufe)

- Gut, gut, dann bin ich beruhigt. - Sie waren doch dabei, als das gemacht wurde. Bis 2011 sollten im Übrigen nach diesem Schulressourcenkonzept 6 824 Stellen gekürzt werden. Sie haben jetzt, im Jahr 2009, aber schon einen Kürzungsstand von 6 672 erreicht. Sie haben also das, was Sie eigentlich bis 2011 kürzen wollten, jetzt schon herausgekürzt. Leider ist der Finanzminister jetzt nicht da. Er behauptet ja immer, wir kürzen nur proportional entsprechend den sinkenden Schülerzahlen. Genau das ist nicht der Fall. Sie haben sich vorgenommen, von 2007 bis 2012 3 128 Stellen einzusparen. 1 534 haben Sie dem System aber jetzt schon entzogen. Das bedeutet eine weitere jährliche Kürzung von 400 Stellen bis zum Jahre 2012. Das erzählen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern einfach nicht mit, dass Sie weiter kürzen, auch wenn Sie 1 250 Menschen einstellen wollen.

Dazu liest man nichts in Ihrem Eckpunktepapier, und von der CDU höre ich auch immer nur, dass Sie keine Ausfälle wollen, Herr Kollege Senftleben.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Für die Stellen, die dazu notwendig sind, kenne ich bisher keine Idee von Ihnen. Sie sagen: Liebe Schulen, managt das besser, Schulämter, managt das besser! - Aber die können es nicht besser managen. Kurzum, Sie können unmöglich erst 2011 ein neues Schulressourcenkonzept auflegen. Schon gar nicht können Sie weiter nach diesem verfahren. Die Schulämter hier vorzuschieben, wie es derzeit auch Praxis des MBJS ist, wenn es irgendwo gehäuft Probleme gibt, wie in meinem Schulamtsbereich in Perleberg, das finde ich in dem Falle unfair, und Sie wissen, dass ich die Schulämter selten verteidige.

Im Übrigen, Herr Minister Speer - auch wenn er nicht da ist -, es ist einfach nicht mehr proportional, gemessen an den sinkenden Schülerzahlen. Sie haben nicht einmal die im Schulressourcenkonzept 2007 schon als Problem dargelegten Fragen gelöst. In diesem Schulressourcenkonzept wurde darauf verwiesen, dass die Uni Potsdam - zwei Menschen aus dieser Uni sitzen dort hinten - derzeit nur 230 Lehramtsabsolventen jährlich verlassen. Abgesehen davon, dass es diesen auch noch unendlich schwer gemacht wird, hier zeitnah ein Referendariat zu bekommen und im schnellen Anschluss in eine Stelle zu kommen, reicht das vorn und hinten nicht.

In dieser Situation wird auch noch der Kunstbereich gekappt, die Ausbildung von Sonderpädagogen verzögert sich und die grundständige Ausbildung der Berufsschullehrer wird auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Sie schreiben jetzt schon seit acht Jahren in Ihre Wahlprogramme, dass Sie das wollen. Aber es ist bisher nicht passiert.

Wir brauchen einen neuen Ansatz, schnell, ohne Scheu vor ungewöhnlichen Maßnahmen, mit einer riesigen Kraftanstrengung - dessen sind wir uns auch bewusst - und einer endlich konstruktiven Haltung des Finanzministers, der gerade von den Demonstrierenden „verprügelt“ wird. - Vielen Dank.

Herzlichen Dank. - Die Abgeordnete Geywitz erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Große, Sie haben ganz viel gesprochen, und ich habe die ganze Zeit auf Ihren Antragstext geschaut - für alle Kollegen, die ihn nicht parat haben, halte ich ihn hier noch einmal hoch -, ein wirklich beeindruckender Vierzeiler. Sie haben die Sozialdemokratie heute Morgen halbwegs gelobt und zwischenzeitlich auch einige Male gescholten. Wir haben am Wochenende versucht, in unseren Eckpunkten zu skizzieren, wie wir uns ein solidarisches und zukunftsfestes Bildungssystem in Brandenburg vorstellen, und Sie haben in etwa gesagt: Ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber natürlich viel zu kurz und überhaupt viel zu wenig, zu wenig Lehrer, zu wenig Kitas; man müsse sich da etwas anderes ausdenken.

Die klassische Funktion der Opposition in einem Parlament besteht eigentlich darin, dass sie einen politischen Gegenentwurf

präsentiert. Wir machen hier etwas im Rahmen unserer Möglichkeiten, im Rahmen der Haushaltsmittel, die Rainer Speer freigibt, und die Opposition ist eigentlich frei, zu definieren, was ihrer Meinung nach passieren sollte, wie ihrer Meinung nach ein solidarisches Bildungssystem aussehen sollte, mit welchen Standards, mit welchen Festsetzungen.

Jetzt schaut man in Ihre Vision. Da beauftragen Sie die Landesregierung, ein Schulressourcenkonzept aufzustellen - das ist erst einmal keine schlechte Sache, das ist gut, das haben wir, das muss weitergeschrieben werden -, und dann heißt es da: „Es muss dem tatsächlichen aktuellen und künftigen Bedarf entsprechend angepasst und auf dieser Grundlage fortgeschrieben werden“, und dann bekommen wir noch eine Fristsetzung. Das ist die inhaltliche Vision, die Sie festgelegt haben als Auftrag für die Evaluation und Weiterentwicklung des Schulressourcenkonzepts - der aktuelle und künftige Bedarf. Aber wie viel Vertretungsreserve stellen Sie sich vor, was sind Ihre Klassenobergrenzen im Land, welche Schulstruktur, wollen Sie eine Ausweitung von FLEX, werden die Allgemeinen Förderschulen aufrechterhalten oder nicht, wollen Sie jetzt das zwölfjährige Abitur oder, wie Sie neuerdings vorschlagen, das Abitur doch ein Jahr später? Es handelt sich um viele Fragen, beispielsweise: Wird integrativ unterrichtet? Gibt es vielleicht hier oder da noch einmal individuelle Förderkurse? Wie viel Teilungsunterricht gibt es? Wie viel Zusammenlegungen? Nichts! Keine Beschreibung dessen. Woher soll denn jetzt der Bedarf kommen? Wer definiert denn diesen Bedarf?

(Frau Große [DIE LINKE]: Die Zahlen, die darin formu- liert sind! - Görke [DIE LINKE]: Ins Blaue hinein waren eure Zahlen!)

Diesen Bedarf definieren wir doch anhand von inhaltlichen Vorgaben, und da finde ich es dann schon ein bisschen traurig, wenn die Opposition die Freiheit, die sie nämlich hat - einfach mal Ideen und Visionen zu formulieren -, sich derart selbst verneint und uns einfach nur damit beauftragt, der Landesregierung zu sagen, sie soll mal nachrechnen, für wie viel es denn reichen würde.

Was ich zum Beispiel machen würde, wenn ich Oppositionspolitikerin wäre: Ich würde auch einmal die rechte Seite, auf der Prof. Wanka jetzt gerade nicht sitzt, mit in die Pflicht nehmen und sagen: Macht doch einmal ein integriertes Schulressourcenkonzept, wo ihr nicht nur sagt: Wie viele Lehrer wollen wir einstellen? - Die spannende Frage der Zukunft wird doch sein: Woher kommen die Lehrer? Macht doch einmal ein integriertes Schulressourcenkonzept mit dem Wissenschaftsministerium zusammen, wo das Wissenschaftsministerium eine Zielvereinbarung mit der Universität Potsdam über die Versorgung mit Fachlehrern in den nächsten Jahren schließt! Das fände ich eine spannende Sache. Daran würde die Landesregierung auch eine Weile knabbern. Da gäbe es sehr viel, was man an Festlegungen, an Fortschreibungen dieses Schulressourcenkonzepts machen könnte, was wesentlich origineller wäre als der Hinweis, dass es demnächst mal wieder fortgeschrieben werden muss - das wissen ja alle Beteiligten. Dass der Landtag es braucht, um den nächsten Haushalt zu beschließen, hat sich uns jetzt auch erschlossen.

(Frau Große [DIE LINKE]: Eher!)