Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Die Abgeordnete Schulz spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ministerin hat die Situation umrissen und noch einmal dargestellt, dass wir hier Veränderungen und auch Klarstellungen herbeiführen müssen.

An Frau Wöllert gerichtet möchte ich nur so viel sagen: Ich bin immer davon ausgegangen, es geht um beides. Es geht um den Schutz der Nichtraucher, aber auch um die Sensibilisierung dafür, wie schädlich Rauchen ist. Jedenfalls wäre das mein Anliegen.

Ich glaube nicht, dass es richtig ist, die gemeinsame Wirtschafts- und Tourismusregion Berlin-Brandenburg ganz aus dem Blick zu lassen. Ansonsten entscheiden die Leute mit den Füßen. Das sollten wir dabei nicht ganz vergessen. Sie vergleichen hier ein wenig Äpfel mit Birnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Das Präsidium empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs in der Drucksache 4/7371 an den Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen ist der Überweisung zugestimmt worden.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 12 und rufe Tagesordnungspunkt 13 auf, zu dem wir nun doch eine Debatte führen:

Gesetz zur Neuregelung der heimrechtlichen Vorschriften

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7372 einschließlich Korrekturblatt

1. Lesung

Ministerin Ziegler eröffnet die Debatte mit dem Beitrag für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetz verwirklicht die Landesregierung eines der zentralen Vorhaben im Bereich der Sozialpolitik. Nach der Föderalismusreform ging die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht auf die Länder über. Das haben wir uns nicht gewünscht, das war ein Ergebnis der Kompromissfindung. Aber wir haben darin auch eine Chance gesehen, nämlich die Chance, die wir nutzen wollen, für Brandenburg ein modernes und flexibles Heimrecht zu schaffen.

Unserem Entwurf ging ein transparentes Verfahren voraus, an dem Verbände und Organisationen des Landes breit beteiligt waren. Es waren zum Beispiel die Verbände der Freien Wohl

fahrtspflege, die Verbände der privaten Träger, die kommunalen Spitzenverbände, die Berufs- und Betroffenenverbände und die Vertreter von Heimbeiräten involviert. In den dazu von meinem Haus organisierten sieben Veranstaltungen wurden Wege diskutiert, wie Brandenburg die neu eröffnete Möglichkeit nutzen soll, das Heimrecht des Bundes durch ein eigenes Gesetz abzulösen, aber auch neu zu gestalten.

Die Verbände diskutierten die einzelnen Etappen des jetzt vorliegenden Entwurfs auf sehr hohem fachlichen Niveau mit. Sowohl bei den Verbänden der Betroffenen als auch bei den Trägern findet das Ergebnis weitgehende Zustimmung.

Pflegeheime und Wohnstätten sollen Orte sein, an denen sich die betreuten Menschen wohlfühlen können, denn oft sind sie für viele Jahre der Mittelpunkt ihres Lebens. Dies ist der Ausgangspunkt aller Überlegungen und unseres gesetzlichen Handelns. Ich meine, dieses Gesetz wird dem heutigen Anspruch von Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Behinderung auf Selbstbestimmung und Teilhabe gerecht.

Egal, ob wir nur so älter werden - davon sind wir ja alle betroffen - oder ob wir aus anderen Gründen unser Leben nicht mehr allein bewältigen können: Wir wollen unseren Alltag aktiv selbst gestalten und am Leben in der Gemeinschaft teilhaben. Also gehört dazu, dass die betroffenen Menschen in die Lage versetzt werden, dieses zu tun. Deshalb stehen dort, wo Leben und Alltag weitgehend selbstständig bewerkstelligt werden können, dem auch keine starren ordnungsrechtlichen Regelungen entgegen.

Dazu gehört weiter, dass die Heimbewohnerinnen und Heimbewohner ihre Rechte kennen, um ihre Interessen auch tatsächlich wahrnehmen zu können. Es ist daher ein Anliegen des Gesetzes, ihre Rechtsposition zu stärken und den Betroffenen ein souveräneres Auftreten zu ermöglichen.

So regelt dieses Gesetz erstmals individuelle Mitwirkungsrechte bei der Planung und Durchführung der persönlichen Pflegeund Betreuungsprozesse. Auch die Veränderung des unmittelbaren Wohnumfeldes braucht grundsätzlich das Einverständnis der Nutzerinnen und der Nutzer.

Ebenso wurden die Akzente des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes zu mehr Transparenz und verstärkter Qualitätssicherung in der Pflege aufgegriffen.

Das neue Heimrecht soll auch gewährleisten, dass besondere Gefahren frühzeitig erkannt und wirksam abgestellt werden. Es soll eine fachgerechte Versorgung sicherstellen und die Bedürfnisse, die Rechte und die Interessen der betroffenen Menschen in den unterschiedlichen Wohnformen schützen, sofern sie selbst dazu nicht mehr in der Lage sind.

Die Anforderungen des Heimrechts sind unmittelbare Vorgaben des Staates an den Träger, deren Einhaltung der Staat durch eine Behörde überwacht, zum Beispiel die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte, die Zuverlässigkeit des Trägers, aber auch die baulichen Anforderungen oder die Personalausstattung. Dabei wurden aber die Anforderungen so flexibel gestaltet, dass den innovativen und kleinteilig ausgerichteten Angeboten nichts Gegenteiliges entgegensteht.

Einrichtungen und Wohnformen unterliegen einer differenzierten Regelungs- und Prüfdichte. Abgestufte Regelungen, die sich am Schutzbedarf der Betroffenen orientieren, bringen die

Diskrepanz zwischen einer selbstständigen Lebensführung und dem notwendigen Schutz der Wohnenden in ein gerechtes Verhältnis. Das steht der Entwicklung neuer Wohn- und Betreuungsformen nicht im Wege, sichert jedoch gleichwohl die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sowie die Qualität der Einrichtungen und der Dienste. Das ist eine notwendige Neujustierung, die wir vornehmen mussten, die zudem die bislang rechtlichen Grauzonen an der Schnittstelle von stationärer und ambulanter Versorgung berücksichtigt.

Meine Damen und Herren! Das Gesetz ist auch deshalb zeitgemäß, weil es durch eine Harmonisierung mit den Vorschriften der Pflegeversicherung und der Sozialhilfe bürokratische Hürden abbaut. So werden Dokumentations- und Anzeigepflichten für Träger und Leistungsanbieter auf das notwendige Maß reduziert. Die Qualität von Pflege und Betreuung orientiert sich an den Vorgaben von SGB XI und SGB XII. Damit werden oft widersprüchliche Anordnungen verschiedener Prüfinstitute verhindert und eine notwendige erleichternde Klarstellung für die Leistungsbringer erzielt. Doppel- und Mehrfachprüfungen verschiedener Instanzen werden mit der jetzt gesetzlich fixierten Pflicht zur Begrenzung des Prüfumfangs der Behörde bei gleichwertigen Erkenntnissen künftig verhindert.

Die unterschiedlichen öffentlichen Stellen sind zu einer verstärkten Zusammenarbeit verpflichtet. Damit geht ein Zeitgewinn einher, der den Bewohnerinnen und Bewohnern letztlich auch zugutekommt.

Zusammengefasst sage ich: Dieses Gesetz wird helfen, das Leben und den Alltag der betroffenen Menschen besser und sicherer zu machen. Es gibt Behörden wie auch Einrichtungen eine klare Richtschnur des Handelns. Es sichert mehr Selbstbestimmung und Teilhabe, enthält ein flexibles Ordnungsrecht und beseitigt bürokratische Hürden.

Ich bin sicher, dass der weitere parlamentarische Weg dies bestätigen wird und wir in Brandenburg zu einem modernen Heimrecht kommen. Ich freue mich auch auf die bevorstehenden Diskussionen im Ausschuss. Es ist klar, dass wir uns in regelmäßigen Abständen mit der Weiterentwicklung dieses Heimrechts beschäftigen müssen, denn das Leben schreibt die eigenen Gesetze, denen wir als Gesetzgeber dann auch folgen müssen. Ich glaube, mit diesem Gesetz sind wir einem ganz wichtigen Nachholbedarf in Fragen des Heimrechts, des betreuten Wohnens und des Wohnens im Alter wirklich ein Stück weit nachgekommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die Abgeordnete Wolff-Molorciuc setzt die Debatte für die Linksfraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalismusreform legt die Verantwortung für das Heimgesetz in die Hände der Länder. Eine weitere Anwendung des Heimrechts des Bundes ist notwendig, solange kein Landesgesetz geschaffen ist.

Wir unterstützen die Auffassung, dass das Bundesgesetz in vielfacher Hinsicht der veränderten Situation in der Pflege und der Eingliederungshilfe nicht mehr gerecht wird. Sie verweisen

auf die mangelnde Berücksichtigung der Vielfalt der Wohnformen und darauf, dass die Weiterentwicklung einer bedarfsgerechten Angebotsvielfalt gehemmt wird. Auch deshalb muss ein Landesgesetz geschaffen werden. Damit wird es auch gelingen, aufkommende Rechtsunsicherheit bei Trägern und Organisatoren, die sich mit pflegebedürftigen und behinderten Menschen beschäftigen, abzubauen. Sie verweisen in der Lösungsdarstellung darauf, dass es eine Einigung des MASGF mit dem Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung jetzt schon gibt, die Anwendung der brandenburgischen Krankenhaus- und Pflegeheimbauverordnung auf Pflegeheime auszusetzen. Sie wollen diese Verordnung durch eine bauaufsichtliche Richtlinie ersetzen. Wir bitten darum, die Zeitnähe etwas genauer zu bestimmen.

Hervorzuheben ist, dass der Gesetzentwurf die Wahrung der Grundrechte der zu betreuenden Personen garantiert. Das hohe Maß an Mitbestimmung und Mitwirkung in den Einrichtungen muss konsequent umgesetzt werden. Die Einsichtnahme in personenbezogene Daten ist für die Betreffenden zu gewährleisten. Zu gewährleisten ist auch, dass Betroffene ihre Rechte kennen und befähigt werden, ihre Interessen wahrzunehmen.

Es gibt Stellungnahmen von Verbänden und Organisationen, die durch ihre Tätigkeit sehr eng mit diesem Gesetz in Berührung kommen. Mit ihnen werden wir weiterhin die Diskussion suchen, um im Prozess den Entwurf weiterzuentwickeln und eventuell notwendige Änderungen zu beantragen.

Weiterer Klärungsbedarf besteht sicherlich im Zusammenhang mit den verschiedenen Wohnformen und der Anwendung des Gesetzes. Wir werden uns aktiv in den Weiterentwicklungsprozess einbringen und stimmen einer Überweisung in den Ausschuss zu. - Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Abgeordnete Prof. Heppener setzt für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Es wurde schon gesagt, dass im Rahmen der Föderalismusreform die Länder die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht erhalten haben. Die Landesregierung hat diesen Umstand gut genutzt. Die Ministerin hat auch dargelegt, auf welch breiten Schultern die Diskussion geführt worden ist.

Ich bin froh, dass ich Ihnen diesen Gesetzentwurf guten Gewissens zur weiteren Debatte empfehlen kann. Er bietet Lösungsmöglichkeiten für herangereifte Probleme, deren Lösung für alle, die Pflege und Hilfe brauchen, von existenzieller Bedeutung ist.

Unsere alternde Gesellschaft und unsere Achtung vor der Würde des Alters auf der einen Seite und die wachsenden Ansprüche, die die heutige ältere Generation an die selbstbestimmte Gestaltung ihres Lebensabends stellt, auf der anderen Seite erzwingen ein konstruktiv neues Herangehen auch an das Heimrecht.

Zugleich ermöglichen die Fortschritte der Medizin und der Pflegewissenschaften sowie die Erfahrungen der Pflegekräfte, neue Wege zu beschreiten. Letztlich sollte es auch eine Frage der ökonomischen Vernunft sein, nach neuen Ansätzen zu suchen.

Unsere Altenpflegeheime sind heute längst nicht mehr das, was sie noch vor Jahren waren. Unübersehbar ist, mit welchem Erfolg versucht wird, so viel Normalität der individuellen Lebensführung wie möglich zu erhalten und auf individuelle Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner einzugehen.

An die Seite der stationären Einrichtungen für die Menschen Pflege- und Hilfebedarf sind vielfältige andere Wohnformen getreten. Dieser Vielfalt des Wohnens im Alter und bei Hilfeund Pflegebedarf konnte das geltende Heimgesetz nicht mehr gerecht werden.

Als Ordnungsrahmen bot sich nur die Unterscheidung „Heim oder nicht Heim“ an. War es aber ein Heim - das heißt, dort lebten zu pflegende Personen -, so galt automatisch die brandenburgische Krankenhaus- und Pflegeheimbauverordnung mit ihren strengen Auflagen insbesondere für den Brandschutz, deren Einhaltung sich für den größten Teil des betreuten Wohnens und für selbstverantwortlich geführte Wohngemeinschaften als - wenn ich es höflich sagen darf - sehr hinderlich erwiesen hat.

Der vorliegende Entwurf geht in allen mit diesem Gesetz zu regelnden ordnungsrechtlichen Fragen konsequent davon aus, wie sie die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen, die gepflegt werden müssen und denen geholfen werden muss, möglich machen, wie sie diese Selbstständigkeit beachten und befördern. Dieses Herangehen hilft heute, die Vielfalt des Wohnens mit Pflege und Betreuung ordnungsrechtlich zu erfassen, Mindestanforderungen an die Qualität und Fachlichkeit der Pflege, Kontrollmechanismen, Personalanforderungen, Mitspracherecht und Mitwirkungsmöglichkeiten sowie den Verbraucherschutz zu bestimmen.

Bisher wurde der zu pflegende Mensch in erster Linie in seiner Schutz- und Betreuungsbedürftigkeit gesehen und wurde dem seine Selbstständigkeit und Selbstbestimmung untergeordnet. Beides wird im Gesetzentwurf nun miteinander vereint. Schutzbedürfnis und Selbstständigkeit schließen einander nicht mehr aus, sondern bedingen einander. Konsequent ist dabei, dass der Gesetzentwurf auf den Heimbegriff, der ja per se auf Betreuung festlegt, verzichtet. Über diesen neuen, vielleicht auch ungewohnten Ansatz werden wir sicher noch diskutieren und überprüfen, wie weit er für die Regelung der einzelnen konkreten Bereiche trägt.

Einzelne Momente des Gesetzes werden wir bis zu seiner endgültigen Verabschiedung noch auf den Prüfstand stellen müssen. Pflege und Betreuung liegen mir aus unterschiedlichen Gründen sehr am Herzen. Deshalb sehe ich der weiteren Diskussion mit großen Erwartungen entgegen und freue mich darauf. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Wir danken ebenfalls. - Die Abgeordnete Fechner setzt die Debatte für die DVU-Fraktion fort.