Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

Sendereihen des Offenen Kanals wie Schwulfernsehen oder Salmonellen-TV oder - wie in der letzten Woche - stundenlange Live-Berichterstattung über Tagungen der Rosa-LuxemburgStiftung sprechen zumindest nicht gerade für medienpolitische Vielfalt. Darüber hinaus ist das ursprüngliche Ziel des Offenen Kanals in Zeiten von Internet und veränderten Medienkommunikationsgewohnheiten längst überholt. Daher ist seit dem Jahr 2000 die Zahl der Nutzer ebenso wie die Zahl der Sendungen um mehr als ein Drittel gesunken.

Es ist daher aus der Sicht unserer DVU-Fraktion nicht einsehbar, dass der Offene Kanal ausschließlich über die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg mit jährlich 1,5 Millionen Euro aus Gebühreneinnahmen alimentiert wird. Dieses Geld des Steuerzahlers könnte eingespart werden. Dieses Geld ist notwendig, wir brauchen es für ganz andere Sachen, ob in der Schule, ob in der Bildung oder sonst wo, aber nicht hierfür.

(Beifall bei der DVU)

Dieses Geld kann eingespart werden, wenn der Offene Kanal in Zukunft nicht nur, wie nach § 42 Abs. 7 des vorliegenden Staatsvertrages geplant, in privater Rechtsform betrieben werden kann, sondern auch wirtschaftlich gesehen privatisiert wird und sich in Zukunft aus eigenen Einnahmen trägt - oder eben nicht.

Doch auch der neue § 15a des vorliegenden Staatsvertrages, der sich mit der Neuordnung des Rundfunkgebührenaufkommens befasst, erntet unsere geharnischte Kritik. Angesichts der Tatsache, dass sich Brandenburg allein aus Landesmitteln eine jährliche Filmförderung von fast 8 Millionen Euro leistet, ist es geradezu als Unverfrorenheit zu betrachten, dass von den der Landesmedienanstalt zustehenden Mitteln im Wege des Vorwegabzugs 27,5 % des Rundfunkgebührenanteils unter anderem für Filmförderung oder in Höhe von jährlich 350 000 Euro für das Filmorchester Babelsberg zur Verfügung gestellt werden sollen. Denn im Umkehrschluss bedeutet dieser Vorwegabzug früher oder später neue Begehrlichkeiten der Landesmedienan

stalt gegenüber den sie tragenden Bundesländern Brandenburg und Berlin mit der Begründung eben jenes Vorwegabzugs.

Aus all diesen Gründen ergibt sich, dass unsere DVU-Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung selbstverständlich ablehnt. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Das Wort erhält jetzt Herr Dr. Niekisch.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schuldt, ich rede wieder nach Ihnen. Das ist einerseits bedauerlich, aber andererseits notwendig, um hier gleich einzuhaken. Wer einen Rundfunkstaatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg ablehnt, der ausgerechnet etwas sichert, was wirklich zum konservativen Selbstverständnis, zu unserer Identität seit Jahrzehnten gehört, nämlich UFA, DEFA, das Babelsberger Filmochester, das jetzt endlich gesichert wird - das gehört bei uns zum Staatspatriotismus -, wer das deswegen ablehnt, der sollte in diesem Parlament von Patriotismus, von Überzeugung oder Identität wirklich nicht mehr sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die vorliegende Veränderung des Vierten Staatsvertrages zwischen Brandenburg und Berlin zum RBB hat eine ganze Weile gedauert. Was die Senatskanzlei und die Staatskanzlei hier zustande gebracht haben, verdient ausgesprochen großes Lob. Es gibt auch noch einige kritische Anmerkungen zu machen.

Aber ich möchte zunächst auf das eingehen, was in § 15a zur Verwendung des Rundfunkgebührenaufkommens steht. Das alles ist etwas schwierig, etwas technisch. Aber dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg, unser RBB, 27,5 % des Rundfunkgebührenanteils vorabgezogen bekommt und für gesellschaftspolitische Verpflichtungen und Aufgaben verwenden kann, nämlich jährlich bis zu 900 000 Euro für die Rundfunkorchester und -chöre GmbH, dass es vor allem für das Babelsberger Filmorchester, das zu uns nach Hause zurückgekommen ist, das für die Filmproduktion einen hohen wirtschaftlichen Aufwand betreibt und mit über 50 % Eigenanteil eine große Leistung erbringt und einspielt, jetzt eine Sicherung über 350 000 Euro im Jahr erhält, ist wirklich nicht geringzuschätzen. Auch dass unsere Filmfördergesellschaft Medienboard Berlin-Brandenburg jetzt direkt mit der Filmförderung betraut ist, die Finanzen direkt fließen und auch für rundfunkspezifische Ausund Weiterbildung aus dieser Möglichkeit des Vorabzugs jetzt Geld zur Verfügung steht, ist eine große Leistung dieses Rundfunkstaatsvertrages.

Selbstverständlich kann man am Herumexperimentieren im Offenen Kanal das eine oder andere aussetzen. Aber dafür ist es ja ein offener Kanal, dass dort ausprobiert und herumexperimentiert werden kann. Ihn deswegen abzulehnen wäre fatal und das falsche Signal.

Meine Damen und Herren, es gibt noch zwei rechtliche bzw. technische Dinge, auf die ich gern aufmerksam machen möch

te. Bei Streitigkeiten und Auseinandersetzungen gab es im Vorhinein nach § 68 eine Möglichkeit des Widerspruchsverfahrens. Das ist nun abgeschafft bzw. auf reine Klagemöglichkeiten beschränkt worden. Bei der Überprüfung des Rundfunkstaatsvertrages sollte man auch noch einmal überprüfen, ob das technisch oder im Verfahren wirklich praktisch ist.

Der zweite Punkt betrifft die Beteiligung der Senatskanzlei und der Staatskanzlei. Wir hatten seinerzeit beim RBB-Gesetz ausdrücklich darauf Wert gelegt, dass im Medienrat, wo es um technische Fragen und Lizenzen, um ganz sensible Dinge geht, nicht alle Gremien vertreten sind, sondern dass dies staatsfern organisiert ist, mit sieben Fachleuten. Im § 12 Abs. 5 haben nun die Senatskanzlei und die Staatskanzlei das Recht, als Rechtsaufsicht führende Stelle an den Sitzungen des Medienrates teilzunehmen. Das widerspricht meines Erachtens dem § 11 des Rundfunkstaatsvertrages, worin klar geregelt ist, dass nicht Mitglied des Medienrates sein darf, wer einem Gesetzgebungsorgan des Bundes oder des Landes, dem Senat von Berlin oder der Landesregierung von Brandenburg angehört oder als Beamter, Richter oder Arbeitnehmer im Dienst des Landes Brandenburg oder des Landes Berlin, inklusive der Landesanstalten, steht oder in einer unmittelbaren Anstalt untergebracht wird.

Die Leistungen des Vertrages habe ich hervorgehoben. Deswegen sollte er nicht abgelehnt werden. Aber um der Präzisierung willen und damit niemand einen Umgehungstatbestand konstruiert, sollte er geändert werden. Richtig ist bei diesem Anliegen, dass es keinen Kommunikationsverlust geben soll, dass all die Dinge, die die Rechtsaufsicht betreffen, die also von der Senats- und der Staatskanzlei geregelt werden müssen, unmittelbar am Tisch des Medienrates geklärt werden. Dazu sollte auch per Gesetz eingeladen werden können. Aber ich finde, die Staatsvertreter sollten in diesem staatsfern organisierten Gremium nicht das Recht haben - und wir haben es aus gutem Grund in § 11 so festgelegt -, die ganze Zeit dabeizusitzen, weil auch private Rundfunkanbieter manchmal den Anspruch oder das Recht haben, bestimmte Dinge im Medienrat so zu besprechen, dass sie nicht gleich in der Staats- und der Senatskanzlei ankommen.

Ansonsten ist es ein guter Vertrag. Die Kanzleien, auch die Ministerien für Wirtschaft sowie für Kultur und Wissenschaft haben lange gemeinsam dafür gearbeitet, dass das Babelsberger Filmorchester mit diesem Vertrag jetzt eine Sicherheit hat. Es kann gar nicht hoch genug geschätzt werden, dass nicht von Jahr zu Jahr über Lotto- und Sondermittel irgendwelche Hängepartien durchgezogen werden müssen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort erhält der Chef der Staatskanzlei, Herr Appel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Niekisch, ich möchte zunächst den § 12 Abs. 5, den Sie eben ins Visier genommen haben, abhandeln. Die Kollegin Kisseler und ich haben in den jeweiligen Ausschüssen zu Protokoll erklärt, worum es hier geht. Es geht darum, dass die Rechtsaufsicht führende Stelle die Möglichkeit hat, an Sitzungen teilzunehmen, soweit die Rechtsaufsicht betreffende Fra

gen diskutiert werden. Seien Sie versichert, dass die Kollegin Kisseler und ich die Staatsferne, die wir beim ZDF fordern, auch beim Medienrat walten lassen.

Ich glaube, dass wir in der Tat - Herr Christoffers hat es angeführt - hier einen ganz guten Kompromiss gefunden haben, und zwar in für mich zwei ganz wichtigen Fragen bei diesem § 15a. Auf das eine bin ich persönlich ein wenig stolz, nämlich dass es gelungen ist, Berlin in einem langen Prozess zu überzeugen, das Filmorchester Babelsberg abzusichern.

Aber für mich war ein zweiter Punkt auch noch ganz wichtig, nämlich dass jetzt die Medienanstalt gesetzlich ermächtigt Aus- und Weiterbildung machen und mit Unterstützung des Medienrates ein Ausbildungszentrum in Potsdam, also in Brandenburg, nicht in Berlin, errichten kann. Dieser für mich ganz wichtige Punkt war übrigens lange streitig. Dass wir dies jetzt in diesem Medienstaatsvertrag stehen haben, ist eine sehr gute Sache. Deshalb glaube ich, dass wir damit auch in der Zukunft sehr gut arbeiten können.

Was die Fernsehproduktion betrifft, Herr Christoffers, wissen Sie, dass wir eher bei Ihnen sind, dass wir aber mit Berlin noch etwas Arbeit zu leisten haben. Dass das nicht immer erfolglos sein muss, sieht man an den beiden Punkten, die ich eben erwähnt habe.

Wir wissen schon jetzt, dass wir den Medienstaatsvertrag - im Rundfunkrecht ist das so: der vierte steht vor dem fünften, der fünfte steht vor dem sechsten - wahrscheinlich zum Jahresende oder zu Beginn des nächsten Jahres aufgrund von EU-Recht und Bundesrecht wieder anpassen müssen. Dann werden wir auch die kleinen Korrekturen vornehmen können, die hier angemahnt worden sind. Ansonsten enthielten die Ausführungen des Abgeordneten Schuldt eigentlich nichts, was einer Erwiderung bedürfte. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Herzlichen Dank auch Ihnen. - Wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegt die Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/7388 vor. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen diese Beschlussempfehlung? - Wer enthält sich der Stimme? Dieser Beschlussempfehlung ist bei einigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen mehrheitlich zugestimmt worden. Das Gesetz ist damit in 2. Lesung verabschiedet.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 4 und rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Gesetz zur Neuordnung des Beamtenrechts im Land Brandenburg (Beamtenrechtsneuordnungsgesetz - BbgBRNG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7004 einschließlich Korrekturblatt

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 4/7406

Ich eröffne die Aussprache. Der Abgeordnete Dr. Bernig erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum vorliegenden Gesetzentwurf hat eine umfangreiche Anhörung im Innenausschuss stattgefunden, die nach meinem Geschmack allerdings sehr kopflastig auf die Rolle des Landespersonalausschusses ausgerichtet war. Bezeichnend ist, dass der Beamtenbund den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnte und der Vertreter des DGB bemängelte, dass über 90 % der von den Gewerkschaften gemachten Vorschläge im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt wurden.

Ich will meine Position aus der 1. Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs wiederholen: Für uns bedeutet ein modernes öffentliches Dienstrecht auch, dass seine Regelungen verhandelt und nicht verordnet werden.

Mit der Anhörung wurde unsere Kritik bestätigt, dass der vorliegende Gesetzentwurf den neuen Gestaltungsspielraum des Artikels 33 Grundgesetz nicht nutzt und das Beamtenrecht eben nicht fortentwickelt. Es ist keine wirkliche Reform und keine Weichenstellung in Richtung eines modernen, zukunftsund wettbewerbsfähigen sowie leistungsfördernden Beamtenrechts und eines modernen öffentlichen Dienstes in Brandenburg - das auch deshalb nicht, weil wichtige Regelungen zur Besoldung und Versorgung nicht in Angriff genommen werden. Bayern ist da offensichtlich fortschrittlicher, da dort vorgesehen ist, die vier Laufbahnen auf eine Laufbahn zu reduzieren, Stellenplanobergrenzen abzuschaffen und 240 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, um die Besoldung besonders im Lehrbereich zu verbessern.

Im Sinne eines modernen Dienstrechts ist auch nicht der Paradigmenwechsel im Änderungsantrag der Koalition, der in die Eidesformel das Bekenntnis zu Gott wieder aufnimmt. Eigentlich hatten wir dieses Relikt aus den „gebrauchten“ Bundesländern und aus den weit hergeholten Grundsätzen des Berufsbeamtentums in Brandenburg längst überwunden - dachte ich wenigstens!

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE - Schulze [SPD]: Das sehen aber viele Menschen ganz anders! - Weitere Zurufe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus unserer Sicht werden die meisten im Gesetzentwurf genannten Zielstellungen wie Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Dienstes, sozialverträgliche Reduzierung des Personalbestandes, Abbau von Normen und Standards und Modernisierung der Verwaltung nicht erreicht. Was wohl erreicht wird, ist die anvisierte Kostenneutralität der gesetzlichen Regelung und die Reduzierung des Personalbestandes.

Meine Fraktion hat im Innenausschuss neun Änderungsanträge eingebracht, die auf die Stärkung der Rechte der Beamtinnen und Beamten, auf die Entbürokratisierung der Personalführung und auf die Attraktivität des öffentlichen Dienstes gerichtet waren. Vier davon legen wir dem Plenum heute erneut vor.

Mit der Abschaffung der Regelbeurteilung und der Einführung einer anlassbezogenen Beurteilung könnte die Personalführung wesentlich entbürokratisiert und ein permanentes Frustpotenzial bei allen Beteiligten beseitigt werden. Die tatsächliche und nicht formale Anwendung vielfältiger Methoden moderner Personalführung wie Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen, Fortbildungsvereinbarungen, Gesundheitsmanagement und andere, ergänzt durch die anlassbezogenen Beurteilungen, würden die Personalführung transparenter, effizienter machen und das Betriebsklima und die Motivation der Beschäftigten positiv beeinflussen.

Die Honorierung persönlichen Engagements bei der Fortbildung durch den Dienstherrn soll durch den Änderungsantrag zu § 23 erreicht werden. Aus unserer Sicht reicht es eben nicht aus, dass nur der Dienstherr durch geeignete Maßnahmen für die kontinuierliche Fortbildung der Beamten zu sorgen hat. Er soll auch würdigen, wenn der Beamte selbst für seine kontinuierliche Fortbildung sorgt, und das unterstützen.

In diesem Zusammenhang halte ich es auch nicht für angebracht, gesetzlich zu regeln, dass Beamte bei Reisen aus besonderem Anlass auf Reisekostenvergütung und Auslagenerstattung ganz oder teilweise verzichten können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Beamtenverhältnis bleibt ein Herrschaftsverhältnis, wie wir es schon an der Bezeichnung „Dienstherr“ erkennen können. Es erfolgt eine Disziplinierung; sonst gäbe es kein Disziplinarrecht. Ein Verzicht auf Reisekostenvergütung und Auslagenerstattung kann gar nicht im Sinne der Betroffenen sein. Wenn also nicht genügend Geld vorhanden ist, wird er durch diese Regelung in eine regelrechte Nötigungssituation gebracht. An dieser Stelle wird deutlich, was Kostenneutralität bedeuten kann. Sie erfolgt zum Nachteil der Betroffenen. Aus unserer Sicht muss § 63 Abs. 2 gestrichen werden. Er widerspricht der Fürsorgepflicht des Dienstherrn.

Wenn wir etwas für die Attraktivität des öffentlichen Dienstes tun wollen, dann sollten wir den Übernahmeanspruch für Anwärter, die ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen haben, wieder im Gesetz verankern. Das könnte dazu führen, dass sich wieder mehr junge Brandenburger für eine Ausbildung oder ein Studium zum Eintritt in den Landesdienst bewerben.

Haben Sie also Mut zu einem wenigstens in Ansätzen moderneren Dienstrecht, und stimmen Sie unseren Anträgen zu! Danke.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herzlichen Dank. - Der Abgeordnete Ziel erhält das Wort.