Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Minister Woidke spricht für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Adolph, ich kann mich nach den Ausführungen, die hier bereits getätigt wurden, die zumindest, was die Ausführungen der Koalition betrifft, der Rechtslage entsprechen, kurz fassen.

Ich möchte allerdings auf einige Aspekte Ihres Antrags eingehen und mich vor allem mit einer Frage beschäftigen, die mich schon seit längerem umtreibt. Wir hatten im Dezember einen ähnlichen Antrag, bei dem es gleichfalls um Abwasser ging. Vor dem Hintergrund der Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen, vor dem wir hier stehen - das wird sicherlich auch von Ihnen nicht bestritten -, stelle ich die Frage, warum Sie sich nicht einmal mit den Mitgliedern Ihrer Partei, die in solchen Zweckverbänden eine mitunter sehr, sehr schwierige Arbeit leisten, zusammensetzen und darüber reden, wie man diese Probleme, die es sicherlich in vielen Bereichen gibt, die aber nicht in jedem einzelnen Punkt die Landesregierung zu vertreten hat, lösen kann. Demografische oder hydrologische Probleme sind nun einmal Dinge, über die wir nicht im Landtag beschließen können. Man könnte sich zusammensetzen und nach regionalen Lösungen suchen, die von den kommunalen Verantwortungsträgern, von den Vertretungen vor Ort umgesetzt werden können. Man kann nicht immer so tun, als könnte im Landtag ein Beschluss gefasst werden, der sämtliche kommunalen Zuständigkeiten außer Kraft setzt und alle Probleme auf einen Schlag löst.

Wir wissen, dass der Abwasserbereich nach wie vor höchste Aufmerksamkeit braucht. Wir wissen aber auch - das wissen Sie genauso, und das habe ich in Ihrer Rede vermisst -, dass in den letzten Jahren dank der engagierten Arbeit vieler Kommunalpolitiker, aber auch der engagierten Arbeit der Landesregierung hier nenne ich das Innenministerium, aber auch Mitarbeiter meines Hauses, die beratend und unterstützend zur Seite gestanden haben - in vielen Bereichen die Situation verbessert werden konnte, übrigens gerade auch im Bereich der Sozialverträglichkeit der Gebühren.

Was die von Ihnen geforderten Angaben betrifft, so hat mich diese Forderung doch etwas verwundert, weil wir zum Beispiel Abwasserbeseitigungskonzepte haben. Sie werden aber nicht auf Landesebene beschlossen, Frau Adolph. Abwasserbeseitigungskonzepte werden von den Bereichen festgelegt, die zentral erschlossen werden sollen und die dezentral erschlossen werden können. Aber Sie sind Kreistagsabgeordnete. Diese Abwasserbeseitigungskonzepte werden auf Kreisebene erarbeitet; das müsste Ihnen eigentlich bekannt sein.

Frau Adolph, Sie behaupten, dass der Schuldenstand von uns nach außen gegeben werden sollte. Es müsste Ihnen auch bekannt sein - Sie sind Kommunalpolitikerin -, dass der Schuldenstand allein überhaupt nichts aussagt. Der Schuldenstand ist nur ein Aspekt bei der wirtschaftlichen Gesamtbeurteilung einer Situation. Das ist im Abwasserverband nicht anders als in einem Betrieb. Es geht hier um Anlagewerte, es geht um viele andere Dinge. Der Schuldenstand, isoliert betrachtet, besagt nichts.

Ein weiterer Punkt ist, dass Sie behaupten, dass die Überwachungswerte qualitativ nicht sehr gut wären. Ich darf darauf verweisen, dass es bereits in den Jahren 2005 und 2007 Berichterstattungen zu diesem Thema gab. Aufgrund einer das wurde von den Vorrednern richtig dargestellt - gesonderten Abfrage bei den unteren Wasserbehörden mussten diese Werte ermittelt werden. Es wird zwar überwacht, allerdings gibt es nach wie vor keine landesweite Verpflichtung, diese Werte in Berichte zu fassen und neues Papier zu produzieren. Die aktuelle Sondererhebung, die Ihnen in nächster Zeit zugehen wird, zeigt wieder genau das, was wir schon in den vergangenen Jahren gesagt haben und was der Realität entspricht: dass die Leistungsfähigkeit der Brandenburger Kläranlagen sehr hoch ist.

Weiterhin lese ich vom Rückbaupotenzial. Frau Adolph, Rückbaupotenzial, das heißt Investitionen zulasten der Gebührenzahler. Wollen Sie wirklich den Gebührenzahler mit weiteren Kosten belasten, weil Sie hingehen und sagen: „Ich baue eine funktionierende Kläranlage an irgendeiner Stelle zurück“? Wenn eine Kläranlage funktioniert, sollte man sie nicht zurückbauen, ob sie nun größer oder kleiner ist.

Hier wurde von Ihrer Vorgängerin in abwasserpolitischen Fragen, Frau Enkelmann, einmal behauptet, die Kläranlage Döbern sei ein ganz schlimmes Beispiel. Ich selber habe mich mit der Kläranlage Döbern wirklich sehr lange beschäftigt. Es ist fachlich falsch zu behaupten, die Anlage funktioniere nicht. Und es ist fachlich falsch zu behaupten, dass irgendjemand Geld sparen würde, wenn er etwas zurückbaut. Sie geben zusätzliches Geld aus, das am Ende wiederum in Gebührenkalkulationen einfließen muss. Deswegen ist diese Rückbaudiskussion Unfug.

Ich bitte Sie, Frau Adolph, nicht weiter zu behaupten, dass die Brandenburger Kläranlagen im Durchschnitt einen Auslastungsgrad von 50 % haben. Auch das ist fachlich falsch. Die Kläranlagen in Brandenburg haben derzeit 91 % Auslastung. Das ist doch ein gewisser Unterschied! Vielleicht können Sie Ihre Reden in Zukunft stärker an die Realität in Brandenburg anpassen. - Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wer dem Antrag in der Drucksache 4/7330 der Linksfraktion - Lagebericht Abwasser 2009 folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist ohne Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Wir verlassen Tagesordnungspunkt 13. Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Agrarwirtschaftsinitiative Brandenburg: Landwirtschaft braucht Kostenentlastung!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Drucksache 4/7391

Des Weiteren liegt in Drucksache 4/7434 ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen vor.

Wir hören zunächst den Beitrag der Abgeordneten Wehlan; sie spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Intention des vorliegenden Antrags haben wir schon im Dezember des letzten Jahres mit Ihnen diskutieren wollen. Leider waren Sie zu diesem Zeitpunkt nur bereit, mit uns die Auswirkungen der getroffenen Beschlüsse zum Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU in einer Handlungsaufforderung an die Arbeit der Landesregierung zu binden. Nun: Steter Tropfen höhlt den Stein. Dabei sehen wir uns auch durch die aktuelle Diskussion zur Veränderung der Agrardieselbesteuerung darin bestärkt, hier und heute das Thema erneut mit Ihnen zu debattieren, zumal auf den Kreisbauernkonferenzen und auf dem Landesbauerntag die Politik noch einmal dazu aufgefordert wurde, und auch Sie, Herr Minister Woidke, sehr deutlich positive Signale in diese Richtung sandten. Nehmen wir uns also beim Wort und lassen es nicht nur bei Absichtserklärungen!

Warum meinen wir, dass die Landwirtschaft jetzt von Kosten entlastet werden muss?

Erstens hat die Landwirtschaft mit den Beschlüssen des EU-Agrarrats vom November 2008 eine Kursänderung der europäischen Agrarpolitik noch im laufenden Planungszeitraum zu verkraften. Diese ist für Brandenburger Agrarbetriebe mehr als erheblich, vor allem dann, wenn man bedenkt, dass die gekürzten Direktzahlungen und die zusätzlich aufzubringenden Modulationsmittel Bestandteil von Unternehmensbilanzen bzw. Wirtschaftlichkeitsberechnungen für Kredite bei Banken sind, und zwar beispielsweise zum Bau von Stallanlagen oder aber, weil Boden gekauft wurde.

In der Verpflichtung, gegenüber Banken den Kapitaldienst zu leisten, stehen die Betriebe. Wo aber bleibt die Verantwortung der Politik, die mit ihren Entscheidungen für Halbwertszeiten von Planungszeiträumen sorgt? Eine rückwirkende Änderung von Zusagen im Planungszeitraum von 2007 bis 2013 ist für die auf Langfristigkeit angelegte Landwirtschaft mehr als schädlich. Mit der Aufhebung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Betriebsgrößen ist nicht nur schlechthin für Deutschland eine Lex Ost geschaffen worden, sondern auch ein Einfallstor, um zukünftig von der nun geschaffenen Möglichkeit einer nach Betriebsgrößen differenzierten Ausgestaltung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik noch ausgiebiger Gebrauch zu machen. Das betrifft immerhin Agrarbetriebe in Brandenburg, die 50 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes bewirtschaften und 41 % der in der landwirtschaftlichen Primärproduktion tätigen Arbeitskräfte beschäftigen. Da frage ich mich schon: Wo ist heute das Wort der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die noch wenige Wochen vor den entscheidenden Verhandlungen in einem an den Ministerpräsidenten unseres Landes gerichteten Antwortschreiben versicherte, Deutschland werde keiner Lösung zustimmen, die überproportionale Belastungen für die ostdeutschen Betriebe zur Folge hätte? Es gibt eine überproportionale Belastung des Ostens, Frau Merkel, und das hat Auswirkungen auf Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum.

Zweitens: die Festlegungen zum Milchmarkt als weiteres Kernelement der Halbzeitbewertung. Die fragwürdige Quotenerhöhung von jährlich 1 % ist der Entwicklung der Milchpreise

abträglich und geht komplett an der Marktsituation vorbei. Es ist zu viel Milch auf dem Markt. Die Erzeugerpreise sind im Keller. Die Milchpreise betragen zurzeit nur noch etwa 50 % der Spitzenpreise aus dem Jahre 2007. Eine wirtschaftlich rentable Milchproduktion ist vor diesem Hintergrund nicht möglich.

Auch das hat Auswirkungen für Brandenburg, wo die Milchproduktion eine wichtige Rolle spielt und den größten Teil der Arbeitskräfte im ländlichen Raum bindet. Ich darf daran erinnern, dass die großen Betriebe, die ja die Kürzung der Direktzahlungen und die höheren Modulationsleistungen jetzt schon verkraften müssen, 60 % des Milchkuhbestandes in Brandenburg halten. Nach Angaben des Ministeriums hängen von der Milcherzeugung in Brandenburg direkt und indirekt etwa 17 000 Arbeitsplätze ab. Der Milchfonds, den die Bundesagrarministerin dabei als Erfolg und Ausgleich feiert, ist eine Scheinlösung. Mit diesem Milchfonds wird von den Brandenburger Bauern Geld eingesammelt, wird eine neue bürokratische Richtlinie geschaffen, und dann heißt es: Bitte schön, Bauer, wirke daran mit, damit du über diese Richtlinie Geld bekommst. - Man muss aber auch deutlich sagen, dass man das, wenn man Glück hat, möglicherweise schaffen kann. Aber der Bauer wird nur einen weitaus geringeren Teil dessen spüren bzw. nutzbar machen können, was vorher bei ihm eingesammelt worden ist. Das ist Schizophrenie hoch zehn.

Wie sich die neue Möglichkeit darstellt, aus dem europäischen Konjunkturpaket nun auch Gelder für den Milchfonds umzuwidmen, wird sich zeigen. Herr Harms konnte im Europaausschuss dazu noch gar nichts Konkretes verraten. Klar ist bisher, dass Deutschland für die ländliche Entwicklung zusätzlich 85,68 Millionen Euro erhalten soll. Ich habe gelesen, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern schon genau weiß, was es bekommt. Vielleicht wird uns heute hier auch vermittelt, was davon auf Brandenburg entfallen wird.

Maßnahmen zur Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, insbesondere zur Unterstützung der Vieh- und Milchviehhalter in Brandenburg, stehen wohl obenan und sind im fachpolitischen Raum unumstritten. Es geht um schnelle Hilfe, um den Milcherzeugern Liquidität zu verschaffen, zum Beispiel über Betriebsmitteldarlehen. Es sind ja nicht nur Betriebe betroffen, die, wie ich jetzt einmal formulieren möchte, ohnehin schwach sind; vielmehr sind es auch unsere Leistungsbetriebe, die betroffen sind. Darüber muss man sich an dieser Stelle einfach einmal klar werden.

Drittens meinen wir, dass die Landwirtschaft stabile Rahmenbedingungen braucht, die weitgehend frei von Wettbewerbsverzerrungen sind, die aber auch kurzfristige Handlungsoptionen zum Überstehen der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise wie die Sicherung der Liquidität in den Betrieben und die Reduzierung der Betriebskosten einschließen, von denen die Landwirtschaft natürlich ebenso über Gebühr betroffen ist, wobei sie eben nicht an aktuellen Konjunkturprogrammen beteiligt ist.

Wie die aktuellen Diskussionen zeigen, ist die Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU sicherlich keine kurzfristige Maßnahme. Eine sofortige Handlungsmöglichkeit der Bundesregierung ist aber gegeben bei der Aussetzung der Steuererhöhung für Biodiesel und Pflanzenölkraftstoffe und der Abschaffung der Agrardieselbesteuerung für große Agrar

betriebe, die vor vier Jahren mit dem Haushaltsbegleitgesetz eingeführt wurde, damals noch ausgehandelt, wie wir uns erinnern, zwischen dem Bundesfinanzminister und den ostdeutschen Ministerpräsidenten als Faustpfand für eine bessere BVVG-Bodenpolitik. Wo wir heute mit der BVVG-Privatisierungsrichtlinie zum Verkauf bzw. zur Verpachtung der Landwirtschaftsflächen stehen, machen die Proteste im Land deutlich. Auch wenn mit dem sogenannten neuen Privatisierungskonzept etwas mehr Rechtssicherheit bei Erwerbsansprüchen erreicht wurde, so werden diese Fortschritte durch die Maximalpreisvorstellungen der BVVG zum Erwerb wie zur Pacht wieder konterkariert.

Verehrte Damen und Herren der Landesregierung, Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, mit Ihrer Zustimmung zur besonderen Agrardieselbesteuerung der großen Agrarbetriebe ihre eigene Koalitionsvereinbarung gebrochen zu haben. Seit 1998 hat sich die Steuerlast beim Agrardiesel vervielfacht, und zwar auf 40 Cent/l. Deutschland hat den höchsten Steuersatz in Europa und dadurch einen Wettbewerbsnachteil für die Landwirte von ca. 40 bis 50 Euro/ha. Ich bin Herrn Folgart dafür dankbar - das war ja sicherlich Ihre Initiative, Herr Kollege -, dass jetzt auch die - so hätte ich beinahe gesagt - vertrockneten Abgeordneten Argumentationsmaterial im Fach haben. Darin können Sie nachlesen, wie sich diese Wettbewerbsnachteile konkret für Deutschland und damit natürlich auch für Brandenburg darstellen.

Wir meinen, es muss insgesamt mehr Gerechtigkeit ins System der Agrardieselbesteuerung. Das betrifft auch Klein- und Nebenerwerbsbetriebe, die ja bis zu einem Selbstbehalt von 350 Euro ebenso die volle Dieselsteuer bezahlen müssen. Dadurch werden auch Klein- und Nebenerwerbsbetriebe diskriminiert, die oftmals gleich mehrfach durch das große Netz der EU-Agrarförderung fallen. Wir meinen aber, wer eine flächendeckende Landwirtschaft will - ich denke, das wollen wir -, muss auch diese Betriebe fördern.

Nun will die bayerische Staatsregierung den Landwirten im Freistaat Steuererleichterungen beim Agrardiesel in Höhe von insgesamt 34 Millionen Euro im Jahr gewähren. Dabei übernimmt Bayern nach einem Kabinettsbeschluss in Eigenregie den sogenannten Selbstbehalt von 350 Euro je landwirtschaftlichen Betrieb, und zwar befristet auf zwei Jahre. Damit gibt es jetzt bei der Agrardieselbesteuerung eine eigene Bundesländerregelung und damit nicht nur ein europäisches Wettbewerbsproblem, sondern auch ein entsprechendes nationales Problem. Wir unterstützen, so denke ich, die Forderung von Agrarminister Till Backhaus in Mecklenburg-Vorpommern, diesen Alleingang zu beenden, den gerade ärmere Länder nicht unternehmen können.

In Anbetracht dieser Entwicklung wird der Handlungsdruck für unsere Initiative besonders deutlich. Wir brauchen mehr Gerechtigkeit im System der Agrardieselbesteuerung, wobei wir uns wohl auch einig darüber sind, dass, längerfristig betrachtet, eine nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland und Europa sinnvoll ist, bei der man Agrarbetriebe dabei unterstützt, ihre Landmaschinenflotte auf dezentral erzeugte Agrotreibstoffe wie Biodiesel, reines Pflanzenöl oder demnächst sogar Biogas umzustellen.

Wir haben mit dem Antrag die Initiative ergriffen; Sie haben die Einsicht in die Notwendigkeit mit Ihrem Entschließungsantrag

belegt. Damit haben wir heute mehr als positive Signale zu erwarten.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Die Debatte wird durch den Abgeordneten Folgart fortgesetzt, der für die SPD-Fraktion spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich teile vieles von dem, was Frau Wehlan gesagt hat, jedoch nicht alles. Die Kostenentlastung für Agrarbetriebe ist wichtig, weil die Liquidität gefährdet ist. Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist mittlerweile in der Landwirtschaft angekommen. Das hat auch damit zu tun, dass in Deutschland - und dazu zählen auch die Brandenburger Landwirte - jeder vierte Euro durch den Export verdient wird. Wir haben Einbrüche beim Export sowohl im Milch- als auch im Fleischbereich. In den letzten Monaten haben wir auch ein starkes Absinken der Erzeugerpreise erfahren, sodass die Liquidität eines der Hauptprobleme der landwirtschaftlichen Betriebe hier in Brandenburg sein wird. Dies wird uns auch noch in den nächsten vier bis fünf Monaten begleiten. Die Entlastung beim Agrardiesel wird diese Situation nicht ad hoc aufheben, weil das ein Prozedere ist, das frühestens im nächsten Jahr wirken könnte. Insofern ist es wirklich wichtig, dass wir uns auf das Wesentliche konzentrieren. Die Forderungen müssen lauten, dass die Liquidität gesichert wird. Hier können einige Maßnahmen hilfreich sein, unter anderem die Gewährung von zinslosen oder zinsverbilligten Darlehen, ebenso das Vorziehen von Direktzahlungen vom Dezember in den Sommer; aber auch Umschuldungsthemen können in den jeweiligen Hausbanken eine Rolle spielen.

Wo ich im Widerspruch zu Frau Wehlan stehe, das ist die solitäre Betrachtung des Milchmarktes als den Schwerpunktbereich der Landwirtschaft, der in diesem Jahr gefährdet ist. Es ist tatsächlich so, dass wir über alle Produktgruppen und über alle Spezialrichtungen in der landwirtschaftlichen Produktion diese Probleme der Liquidität haben. Bei der Milch tritt das besonders augenscheinlich hervor, weil wir hier in den letzten 18 Monaten Preisschwankungen hatten, die wir in Deutschland zuvor noch nicht kannten. Bei den Preisen für Butter und für andere Molkereiprodukte haben wir jetzt Preisniveaus, die an 1948/49 erinnern. Bei Butter ist es ganz konkret so, dass der Preis momentan demjenigen Preis von vor der Währungsreform, also vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland, entspricht.

Insofern haben wir als Koalition einen Entschließungsantrag vorbereitet. Ich würde mich freuen, wenn Sie diesem Entschließungsantrag folgen würden.

Zum Thema Milch noch einen Satz: Ich glaube nicht, dass wir momentan ein Mengenproblem haben; wir haben ein Absatzproblem. Dieses Absatzproblem existiert aufgrund der weltweiten Konstellation, die auch mit den Währungsschwankungen zusammenhängt. Der Dollar-Raum konnte in den letzten sechs Monaten wesentlich besser auf Märkte exportieren, auf die wir als Euro-Raum überhaupt nicht abheben konnten. Insofern haben die Amerikaner und andere, die im US-Dollar-Raum beheimatet sind, Märkte gewonnen, und wir haben an dieser

Stelle Märkte verloren. Dies darf jedoch nicht zulasten der Landwirte ausgehen. Insofern würde ich mich freuen, wenn Sie dem Entschließungsantrag folgen würden. - Danke sehr.

(Beifall bei der SPD)

Der Abgeordnete Norbert Schulze spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Genau jene Punkte, die im Antrag der Linkspartei als Aufforderung an die Landesregierung benannt werden, sind uns allen seit langem bekannt. Auf dem Verbandstag des Brandenburger Landesbauernverbandes kamen nun erneut diese brisanten Probleme wie Agrardieselsteuer oder Milchpreise zur Sprache. In altgewohnter Manier getreu dem Motto „Wenn irgendwo mal Wählerstimmen winken, melden sich sogleich die Linken!“ wurde der vorliegende Antrag wahrscheinlich eingereicht.

Dennoch kommt man nicht umhin, diese Problematik überaus ernst zu nehmen, denn letzten Endes geht es um die Existenz unserer brandenburgischen Landwirtschaftsbetriebe, oder wie der Kollege Helm in einem anderen Zusammenhang einmal treffend sagte: „Der Landwirt ist der Ernährer des Volkes.“

Wir von der DVU-Fraktion sagen ergänzend dazu, dass die Existenz der Landwirtschaft uns alle angeht. Die BiodieselBesteuerung ist geradezu eine üble EU-wettbewerbsverzerrende Entscheidung der deutschen Politiker für unsere Landwirtschaft. Wenn Steuern zu einem wirtschaftsschädigenden Faktor werden, muss ganz einfach an der fachlichen Kompetenz oder vielleicht sogar an den geistigen Fähigkeiten gewisser Politikerinnen und Politiker gezweifelt werden. Wer Ratschläge von anerkannten Experten einfach ignoriert, der ist blind und taub oder dumm.

Gleichzeitig werden Mini- oder Scheinerfolge als grandios verkauft - eine Praxis der Politik, die seit Jahren angewandt wird und somit die Hauptursache für Stagnation bzw. Krisen ist.

„Deutschland konnte seine Ziele durchsetzen“, tönte Bundeskanzlerin Merkel in Bezug auf die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels. Dazu kann man als realistischer Politiker eigentlich nur sagen: Dümmer geht’s nimmer! Die sage und schreibe weiteren 90 Millionen Euro Nothilfe für die deutschen Milchbauern muten in Anbetracht der krassen Wettbewerbsungleichheiten innerhalb der EU wie ein Witz an. Meine Fraktion unterstützt deshalb mit allem Nachdruck die Forderung des Brandenburger Landesbauernverbandes hinsichtlich des Wegfalls der Agrardieselsteuer.

Wenn ich davon sprach, dass die Landwirtschaft uns alle angeht, dann sind damit auch die maßgeblichen Politiker gemeint. Es bleibt also zu hoffen, dass vernünftige und vor allem kluge Politiker die richtigen Entscheidungen treffen.