Da kommt selbst die Linke nicht umhin und setzt das Thema EU auf die Tagesordnung; es ist ja auch Europa-Wahlkampf. Mit dem ersten Satz der Begründung des Antrages stellen Sie fest: Die EU bestimmt heute die Gestaltung der Politik in Brandenburg. - Das ist richtig. Doch nicht nur das, sondern in ganz Deutschland. Mittlerweile beruhen mehr als 80 % aller Gesetze und Verordnungen auf der Brüsseler Bürokratie, die uns in Brandenburg auch ein Seilbahngesetz beschert hat.
Es glich einem Paukenschlag, als Anfang 2007 auch der frühere Bundespräsident Herzog die sogenannte europäische Integration einer fundamentalen Kritik unterzog, wie man sie bisher von keiner der Altparteien zu hören bekam. Ein Kernsatz lautete:
„Es stellt sich die Frage, ob man die Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch uneingeschränkt als parlamentarische Demokratie bezeichnen kann.“
Wie sieht das heute aus? - Die Europäische Kommission versteht sich als Initiativorgan der EU und hat fast für sich allein das Recht zur Vorlage von Gesetzentwürfen. Sie überwacht auch die EU-weite Einhaltung der von ihr verordneten Bürokratie. Die Einflussnahme auf die EU-Kommission erfolgt zum Beispiel über eigens gegründete Beraterfirmen der Großkonzerne.
Wo stehen wir heute? - Meine Damen und Herren, die Bilanz ist verheerend. Für das kommende Jahr wird eine EU-Arbeitslosenquote von mehr als 11 % erwartet. Deutschland erwartet zwar 5 Millionen Arbeitslose, die tatsächliche Zahl liegt jedoch bereits heute sehr viel höher. Mehr als 70 Millionen Europäer leben unterhalb der Armutsgrenze. Zudem wird die EU bis zum Jahr 2010 weitere 8,5 Millionen Arbeitsplätze verlieren. Die Ergebnisse sind beschämend; ein Armutszeugnis der politisch Herrschenden.
„Konsequent sozial“ schreibt die Linke in ihrer Überschrift. Wie scheinheilig! Die DVU-Fraktion möchte angesichts unserer heutigen Diskussion noch einmal darauf hinweisen, dass es die Fraktion DIE LINKE war, die bereits zweimal mit ihren Anträgen eine vorzeitige Durchsetzung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit gefordert hat. Die Linke wollte trotz einer dramatisch hohen Arbeitslosenzahl in Deutschland - insbesondere in den neuen Bundesländern - deutsche Arbeitsplätze mit osteuropäischen Arbeitslosen und Arbeitskräften zu Sozial-Dumpingbedingungen besetzen. So viel zu „sozial“ und so viel zu der Linken.
Diese Forderungen waren aber auch von den Sozialdemokraten und der CDU-Fraktion zu hören. Gott sei Dank hat es die Bundesregierung nicht gewagt, die bestehende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorzeitig zu beenden, sondern hat kürzlich die EU-Kommission informiert, den Zugang von Billigarbeitern aus dem osteuropäischen Teil bis Ende April 2011 weiter zu beschränken. Begründung: Schwerwiegende Störungen des Arbeitsmarktes in ganz Deutschland und insbesondere im Osten Deutschlands. Ein ungestörter Arbeitsmarkt liege erst bei Vollbeschäftigung - soll heißen: bei einer Arbeitslosenquote von 2 bis 3 % - vor.
Bei den von mir erwähnten Arbeitsmarktprognosen dürfte die Situation Anfang 2011 noch verheerender sein; denn zu dem Zeitpunkt werden weitere 100 000 Osteuropäer auf den deutschen Arbeitsmarkt fluten, wenn Sie nicht bald etwas ändern. Hätte man doch das Volk gefragt. Sie reden immer von Volksinitiativen und Volksentscheiden. Hätten Sie mal das Volk gefragt! Das Volk hätte mit Sicherheit gegen den frühzeitigen Beitritt der Osteuropäer gestimmt, hätte mit Sicherheit die Einführung der kränkelnden Frühgeburt des Euro verhindert und
(Frau Hackenschmidt [SPD]: Dem geht es gut! Dem Euro geht es gut! - Weiterer Zuruf: Immer das Gleiche!)
Die DVU-Fraktion gehört zu den vehementesten Verfechtern deswegen auch immer das Gleiche, da haben Sie völlig Recht -,
wir bleiben bezüglich der Durchführung von Volksabstimmungen auch auf Bundesebene unserer Linie treu.
Die DVU-Fraktion ist gegen eine türkische EU-Mitgliedschaft, weil sie eine Massenzuwanderung von Anatolien nach Deutschland auslösen würde.
Die Türkei wäre für den europäischen, insbesondere natürlich für den deutschen Steuerzahler ein Fass ohne Boden. Bereits im Jahr 2008 erhielt die Türkei 538,7 Millionen Euro Heranführungsbeihilfe. Schon heute sind in Deutschland Deutsche oft Fremde im eigenen Land. Man braucht sich lediglich in Berlin, insbesondere in Neukölln, umzusehen.
Unsere DVU-Fraktion hofft am Europa-Wahltag auf eine hohe Wahlbeteiligung und ruft allen Brandenburgern zu: Machen wir den 7. Juni zum Tag der Abrechnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man so viel gequirlten Brei hört und sich die Verdrehungen und Falschheiten hier anhören muss, ist es kein Wunder, dass sich einige Menschen nicht für Europa interessieren wollen. Grundsätzlich bin ich aber sehr froh, dass Sie Europa heute zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht haben.
Ich möchte einmal ausdrücklich der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ danken; denn ich habe mich sehr gefreut, dass heute auf Seite 1 - und das über dem Knick - ein europapolitisches Thema zu sehen ist. Ich sage: Mehr davon! Wir brauchen mehr davon. Die Menschen müssen sich für Europa begeistern, und die Politik, die wir machen, ist auch vermittelbar und informativ.
Ich wundere mich ein bisschen, mit welcher Selbstgefälligkeit die Linke heute über Europa spricht; denn die Zahlen aus der Umfrage haben gezeigt, dass Ihre Europapolitik nicht die Zustimmung der Bürger hat; 8 % haben Sie verloren.
Das war auch eine Abrechnung für die fünf Jahre Europapolitik, die Sie gemacht haben. Nicht meckern, sondern machen - das ist hier die Devise.
die Vereinigten Staaten von Europa philosophiert hat, dann will ich Ihnen auch einmal verraten, was er bereits 1954 gesagt hat. Er sprach über den europäischen Zusammenschluss:
„Dieser Zusammenschluss Europas - lassen Sie mich das Ihnen sehr klar sagen - ist nicht nur notwendig wegen der uns aus dem Osten drohenden Gefahr. Auch wenn diese Gefahr eines Tages verschwunden sein wird - und sie wird eines Tages verschwinden -, dann, meine Damen und Herren, bleibt die Notwendigkeit bestehen, dass - wie die Welt nun einmal geworden ist mit diesen Fortschritten der Technik und den Fortschritten der Wirtschaft - Europa sich zusammenschließen muss, weil kein einziges europäisches Land für sich allein in der Zukunft wirtschaftlich oder politisch mehr eine Rolle spielen kann.“
Er hat vorausgesehen, was heute Alltag ist. In den vergangenen 50 Jahren hat sich Europa entwickelt. Es hat sich zu einem Kontinent der Stärke entwickelt, das nicht nur durch die von Ludwig Erhard entwickelte soziale Marktwirtschaft, die ihre Stärke daraus bezieht, dass Freiheit und Verantwortung, Wettbewerb und Solidarität eine Einheit bilden und einander fördern, geprägt ist. Sie ist die untrennbare Verbindung von freiheitlicher Wirtschafts- und solidarischer Sozialordnung. Sie schafft Wachstum und Arbeitsplätze, sorgt für sozialen Ausgleich und muss daher das Leitprinzip europäischer Wirtschafts-, Finanzund Sozialpolitik sein. Sie ist eben auch das Modell Europa.
Heute sehen wir, dass wir vor allem in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise nur gemeinsam in dem globalen Markt der Europäischen Union bestehen können und kein einzelnes Land erfolgreich wäre. Wir haben die durchaus erfolgreiche Einführung des Euros, wobei wir es insbesondere Helmut Kohl und Theo Waigel zu verdanken haben, dass wir heute den Euro haben.
Deutschland hat bereits weit vor der Wirtschaftskrise - beim Gipfeltreffen der führenden Wirtschaftsnationen in Heiligendamm im Jahr 2007 - mehr Transparenz und mehr verantwortungsvolle Regulierungen gefordert.
Wir sehen auch, dass sich Europa zum Kontinent der Toleranz entwickelt hat: Wir haben seit über 60 Jahren Frieden. Wir haben einen kulturellen Austausch, den es noch nie so stark in Europa gab. Wir haben eine Integration, die es weiter zu fördern gilt.
Europa ist der Kontinent des sozialen Miteinanders. Nur in diesem Miteinander können wir den Schutz gemeinsamer sozialer Mindeststandards garantieren. Es ist der Kontinent von Sicherheit und Freiheit, wenn wir die Freizügigkeit und das gemeinsame Sicherheitskonzept bei immer größer werdenden Bedrohungen von außen betrachten. Wir sollten nicht vergessen: Europa ist auch der Kontinent der Schöpfungswahrung. Der Klimaschutz kann nicht allein in der Bundesrepublik gestaltet werden, sondern kann nur im Miteinander der europäischen Länder verwirklicht werden.
Wir dürfen hier aber nicht einfach Stillstand prognostizieren, sondern müssen für den Erhalt und die Verbesserung Europas arbeiten, um eine politische Union zu erreichen. Dafür haben wir in der Vergangenheit gekämpft. Wir haben für den LissabonVertrag gestritten. Er ist leider gescheitert. Die Verfassung ist gescheitert. Ich kann nicht verstehen, dass gerade die Linke, die meint, wir müssen uns fortentwickeln, den Lissabon-Vertrag behindert. Wenn ich höre, dass Ihr Spitzenkandidat sagt, der Vertrag von Lissabon sei ein militaristisches und neoliberales Pamphlet, weiß ich nicht, was Sie wollen.
Wenn Sie kritisieren, das Europäische Parlament könne in der jetzigen Krise nur appellieren, sind doch gerade Sie es, die verhindern, dass das Europäische Parlament durch den LissabonVertrag mehr Rechte bekommt, damit es politischer agieren kann und die Europäische Kommission nicht diejenige ist, die allein handelt.
Meine Damen und Herren, wie steht Brandenburg in Europa da? Aus meiner Sicht haben wir hier eine gute Entwicklung gemacht. Wir haben uns vernetzt. Wir sind mit der EU-Osterweiterung in das Herz Europas gekommen. Wir haben mit der Landesvertretung einen starken Rückhalt in Brüssel. Herr Dr. Harms ist als Mitglied des Ausschusses der Regionen immerhin Vorsitzender einer Kommission. Wir haben in den letzten Jahren die Partnerschaften und Kooperationen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern verstärkt. Mit Berlin zusammen bauen wir die Oder-Partnerschaft auf und zeigen uns hierbei als dominanter Part.
Im Europäischen Parlament - das will ich nicht verschweigen gibt es durchaus auch brandenburgische Abgeordnete, die Zei
chen setzen. Ich darf nur daran erinnern, dass Dr. Christian Ehler federführend an der Ausarbeitung des finanziellen Unterstützungsrahmens für das CCS-Projekt mitgearbeitet hat. Er war Berichterstatter für das Einlagensicherungsgesetz, das gerade in diesen Zeiten der Finanzkrise die Einlagen der Sparer sichert. Und: Wir werden heute noch darüber reden: In der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie und der Fördermechanismen können wir Europa gestalten.
- Nein, ich hatte nur den Präsidenten gebeten, für ein bisschen Ruhe zu sorgen, weil die Zwiegespräche anscheinend interessanter als das Zuhören sind.
- Die Mitglieder meiner Fraktion sind sehr ruhig, keine Bange. Meine Damen und Herren, wir haben aber weiterhin Handlungsbedarf in Europa. Ich habe schon erwähnt: Wir müssen eine politische Union werden. Wir müssen stärker werden. Wir müssen aber auch für die Subsidiarität in Europa kämpfen, denn nicht jede Aufgabe in Europa ist auch eine Aufgabe für Europa.
Heute Nachmittag werden wir darüber sprechen, wie wir die Förderpolitik ab 2013 gestalten. Nach dem jetzigen Modell werden wir kein Geld mehr bekommen. Da gilt es, jetzt zu handeln, damit wir nachher nicht hinten herunterfallen.
Zum Abschluss möchte ich an Sie alle appellieren, meine Damen und Herren hier im Saal: Gehen Sie zur Wahl! Nehmen Sie Mutter, Vater, Tante, Onkel, Cousine, alle, die wahlberechtigt sind, mit und wählen! Es gibt gute Kandidaten. Früher hieß es immer: Hast Du einen Opa, schick' ihn nach Europa. - Ich habe gesehen, das macht heute nur noch eine Partei. Ansonsten haben wir starke Kandidaten, die darauf warten, gewählt zu werden. Sie haben als Bürger einen Nutzen davon, wenn ich an die Roaming-Gebühren denke, wenn ich an die Entschädigung für Verspätungen bei der Bahn oder beim Flugverkehr denke.