Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Die vorliegende Klimagasinventur 2007 verdeutlicht, wo wir stehen und welch schwierigen Weg dieses Land bzw. die gesamte Welt in diesem Bereich noch vor sich hat. Inhaltlich stellt der vorgelegte Bericht eine Fortschreibung und eine Aktualisierung der Daten aus dem Jahr 2006 dar. Der Bericht liegt Ihnen in Summe - auch mit den dazugehörigen einzelnen Zahlen - vor. Deswegen möchte ich hier nur auf einige ausgewählte Inhalte eingehen und mit der Bilanz der CO2-bedingten Emissionen von 1990 bis 2007 beginnen.

Sie sind in diesem Zeitraum von 91 Millionen Tonnen im Jahr 1990 auf rund 60 Millionen Tonnen im Jahr 2007 gesunken. Die Minderung von 31 Millionen Tonnen entspricht der Reduzierung um etwa ein Drittel. Man könnte natürlich sehr stolz darauf sein. Allerdings weiß jeder von Ihnen, die Sie hier sitzen, dass ein Teil auf den Zusammenbruch großer Bereiche der ostdeutschen Industriestrukturen auch in Brandenburg zurückzuführen ist.

Aber es gibt auch Dinge, die uns Mut machen sollten. Seit dem Jahr 2003 haben wir in Brandenburg einen leichten Abwärtstrend. Im Jahr 2007 hatten die Emissionen den niedrigsten Stand seit zehn Jahren erreicht, obwohl das Jahr 2007 auch ein Jahr mit einer überdurchschnittlich guten Konjunktur und Arbeitsmarktlage und einem gestiegenen Stromexportanteil war. Es ist so - seit das fossile Zeitalter im 18. Jahrhundert begonnen hat -, dass konjunkturelle Entwicklungen immer auch mit der Erhöhung des Ausstoßes von CO2 verbunden waren. Dieser Zusammenhang muss durchbrochen werden.

Ich habe gestern Herrn Prof. Schellnhuber die Frage gestellt: Was geschieht bei einer weltweiten Rezession in den Jahren 2008, 2009 und vielleicht auch 2010? Wird es, wenn die Weltwirtschaft um 4 % schrumpfen sollte, einen ähnlichen Rückgang der CO2-Emissionen weltweit geben? Er hat gesagt, er rechne höchstens mit einem Rückgang um die Hälfte, das heißt, um ganze 2 % weltweit. Diese Entkopplung ist beim Rückgang der Industrieproduktion so einfach nicht zu bewirken. Auch wird diese Rezession die Probleme, die der Klimaschutz derzeit weltweit hat, nicht lösen.

Die vorliegenden Zahlen verdeutlichen aber auch, dass im Land Brandenburg im Jahr 2007 das Reduktionsziel für das Jahr 2020 bereits zu 85 % erreicht werden konnte. Damit haben die energiebedingten CO2-Emissionen im Jahr 2007 in Brandenburg ein 10-Jahres-Tief erreicht, und zwar bei einer der besten konjunkturellen und Arbeitsmarktlagen seit vielen Jahren.

Das ist in meinen Augen eine bemerkenswerte Bilanz für unser Land, die mich in zwei Überzeugungen bestärkt. Erstens: Brandenburg ist bei seinem Klimaschutzziel von 40 % für das Jahr 2020 auf einem guten Kurs. Zweitens: Ambitionierter Klimaschutz und gleichzeitige konjunkturelle Entwicklung passen sehr wohl gut zusammen. Das große Ziel für die Zukunft muss natürlich sein, dass es so schnell wie möglich auch mit technologischen Entwicklungen vorangeht, die dafür notwendig sind, Konjunkturentwicklung und CO2-Ausstoß vollständig zu ent

koppeln, um weiteres Wirtschaftswachstum nicht zu mehr CO2Ausstoß führen zu lassen.

Allerdings muss man - wenn man den Bericht gelesen hat auch sagen, dass Brandenburg weiterhin vor großen Herausforderungen steht. Aus klimapolitischer Sicht geht es dabei im Kern um die weitere umfassende Steigerung der Energieeffizienz. Diese Herausforderung betrifft nicht nur, aber auch die private Wirtschaft und insbesondere die privaten Haushalte.

Energieeffizienz koppelt die ökologischen Vorteile mit ökonomischen Vorteilen für den Anwender. In Brandenburg werden heute noch Millionenbeträge pro Jahr für bereits längst vermeidbare fossile Energieimporte ausgegeben, nur weil die Energieeffizienz in vielen Bereichen noch nicht auf dem Stand der Technik ist. Dieses Geld fehlt sowohl im privaten Geldbeutel als auch in den regionalen Wirtschaftskreisläufen. Hier ist Klimaschutz auch gleichzeitig eine wichtige Säule der weiteren ökonomischen Entwicklung unseres Landes.

Klimaschutz tut not, und die Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels ist unvermeidbar. Aber dieser Prozess - das wollte ich damit auch noch einmal darstellen - ist nicht nur eine Last, sondern bietet auch Chancen. Ich wünsche mir, dass Brandenburg diese wirtschaftlichen Chancen im Bereich der erneuerbaren Energien weiterhin nutzt. Trotz beachtlicher Fortschritte ist und bleibt der Weg zur notwendigen ökologischen und ökonomischen Klimafitness ein Etappenlauf. Die ersten Etappen - das können wir Brandenburger mit Fug und Recht sagen - liegen erfolgreich hinter uns. Ein gutes Stück Weg liegt aber auch vor uns. Brandenburg muss sich weiter gut aufstellen und seine klimapolitischen Instrumente weiter effizient nutzen, auch und insbesondere aus arbeitsmarkt- und konjunkturpolitischen Gründen.

Um im Bild zu bleiben: Für die Schlussetappen auf dem Weg zu CO2-Minderungszielen der Landesregierung in den Jahren 2020 und 2030 setzt die Landesregierung im Wesentlichen auf vier Punkte - erstens auf die industrielle Einführung der CO2Abscheidung und Speicherung bei der Braunkohleverstromung. Sie haben es heute wahrscheinlich in der Zeitung gelesen, dass Prof. Schellnhuber erneut festgestellt hat, dass dies ein wichtiger Beitrag für den weltweiten Klimaschutz sein wird. Dass wir hier die Technologieführerschaft haben, sollten wir nicht leichtfertig verschenken.

Zweitens setzt die Landesregierung auf die Energieeffizienz, drittens auf die Entwicklung des Emissionsrechtehandels sowie viertens auf den Ausbau und die bedarfsgerechte Integration erneuerbarer Energien in die Versorgung mit Strom, Wärme und Treibstoff.

Hier nimmt Brandenburg - seit November letzten Jahres ist es amtlich - den ersten Platz im Vergleich der Bundesländer ein. Ich denke, dies war kein Selbstläufer. Daher möchte ich mich bei allen, die uns hier unterstützt haben, auch bedanken.

Nur durch diese vier Punkte wird Brandenburg seine CO2-Einsparziele erreichen, einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und seine ökonomische Entwicklung für die Zukunft sichern können. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Der Abgeordnete Thiel spricht für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in einer Lage, in der ich Wasser in den Wein gießen muss. Das fällt mir nicht besonders leicht,

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

aber ich glaube, diesmal liegt eine Datenlage vor, angesichts derer ich einfach nicht anders kann, Herr Schippel.

Ich teile alle Schlussfolgerungen, die Minister Dr. Woidke gezogen hat, und auch seine sachlichen Bemerkungen. Wer kann schon gegen Energieeffizienzsteigerungen sein? Wer kann gegen Energieeinsparungen sein? Wer kann gegen die verstärkte Integration von Potenzialen sein, die wir in Brandenburg haben, was erneuerbare Energien betrifft, also vor allen Dingen Windkraft - wir werden uns morgen damit auseinanderzusetzen haben - oder Biomasse, oder in solchen Fragen, die im Detail im Inventurbericht dargelegt worden sind? Dagegen kann niemand etwas haben.

Ich will ausdrücklich sagen: Ich habe großen Respekt vor den Unternehmerinnen und Unternehmern, die in diesem schwierigen Bereich der erneuerbaren Energien tagtäglich dafür sorgen, dass wir unserem notwendigen Ziel der Reduktion von klimaschädlichen Gasen näher kommen - sowohl in Brandenburg als auch in Deutschland und Europa und mit Blick auf Kopenhagen Ende des Jahres natürlich auch bei den globalen Regelungen.

Ich muss die Fakten so nennen, wie sie sind. Die Entwicklung besonders der energieumwandlungsbedingten CO2-Emissionen stagniert seit 1996, wenn ich die Datenlage richtig im Kopf habe. Das muss man ganz einfach zur Kenntnis nehmen. Das wird auch nicht besser, wenn ich sage, wir haben bestimmte Tiefpunkte erreicht. Wir wissen, dass in der Wirtschaft immer ein Auf und Ab zu verzeichnen ist. Da wird einmal ein bisschen mehr Strom und ein anderes Mal ein bisschen weniger Strom verbraucht.

Im Durchschnitt haben wir bei der CO2-Reduktion seit 1996 Stillstand. Das können wir nicht einfach hinnehmen. Obwohl erneuerbare Energien bereits einen Beitrag leisten - Dr. Woidke, ich gebe Ihnen Recht - und wenn die Zahlen von ca. 7 Millionen Tonnen CO2-Reduktion stimmen, frage ich mich natürlich: Wo schlägt sich das in der Gesamtbilanz nieder? Das Klima interessiert es nicht, ob CO2 aus erneuerbaren Prozessen kommt, ob es aus Stahlindustrie oder aus den Kraftwerken Jänschwalde, Schwarze Pumpe oder Boxberg kommt, sondern es geht darum, die CO2-Reduktionen so zu verringern, dass die Folgen des sich sowieso schon vollziehenden Klimawandels so klein wie möglich gehalten und beherrschbar gemacht werden können.

Übrigens haben wir bereits Vorschläge unterbreitet. Ich ziehe ein bisschen eine eigene Bilanz bei der Diskussion über die Energiestrategie, die öffentlich erfolgen sollte. - Da ist Herr Minister Junghanns. Er kommt immer, wenn ich rede.

(Minister Junghanns: Ja, genau!)

Wir haben im Wirtschaftsausschuss, im Umweltausschuss und öffentlich immer wieder bekundet: Die Energiestrategie 2020 oder der Maßnahmeplan sind keine starren Dokumente. Sie müssen ständig fortgeschrieben werden. Wir müssen uns den Kopf zerbrechen, was jetzt schon möglich ist und was forciert werden kann.

Sie haben das gestrige Gespräch mit Professor Schellnhuber zitiert, an dem ich leider nicht teilnehmen konnte, weil ich keine Einladung hatte.

(Minister Junghanns: Es war eine Kabinettssitzung!)

- Ja, das war ein Spaß. Bitte im Protokoll extra aufschreiben, dass das ein Spaß war.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herrn Prof. Schellnhuber, den ich sehr verehre - er war nicht allein da -, müssten wir wie überhaupt den Propheten im eigenen Lande viel öfter zuhören.

(Minister Junghanns: Genau!)

Er hat nicht nur gesagt, dass CCS Bedeutung hat, zum Beispiel für China und Indien. Er hat auch gesagt, wenn er das so recht betrachte, brauche Brandenburg CCS eigentlich nicht. Das können Sie heute in der Zeitung nachlesen. Das ist keine These, die ich aufgestellt habe.

(Minister Junghanns: Das ist eine Fehlinterpretation! - Minister Speer: Ich war dabei, Sie nicht!)

- Dann müssen sich mehrere Journalisten geirrt haben, weil das nämlich übereinstimmend in der Presse nachzulesen ist. Das ist mir im Grunde genommen auch egal.

(Widerspruch)

- Doch, es ist mir egal, weil nämlich unsere eigenen Strategien nachweisen, dass wir zum Beispiel bei der Eigenversorgung mit Strom in Brandenburg im Jahre 2020 fast zu 100 % auf unsere eigene Potenziale bei den erneuerbaren Energie zurückgreifen können.

Ich hatte vorhin gesagt, Herr Dr. Woidke, ich hätte mir doch schon auch ein kritisches Wort zu der noch vorhandenen Braunkohleverstromung gewünscht. Die Fakten sind nachweisbar. Zu den energiebedingten CO2-Emissionen tragen unsere Grundlastkraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe zu 80 % bei. Da muss man einfach die Frage stellen oder die These aufgreifen - schade, der Ministerpräsident ist nicht da - mit der Maßgabe: Wie kommen wir - auch mit Blick auf das Jahr 2020 von der Braunkohleverstromung weg?

Wenn die Daten alle stimmen, müssen wir viel früher als 2050 die entsprechenden Reduktionsziele erreichen. Auch das soll gestern in dem Gespräch eine Rolle gespielt haben. Ich sage: Wir liegen mit unserer Einschätzung, mit unseren vorgeschlagenen Maßnahmen nicht so falsch. Lassen Sie sich vor allen Dingen in der nächsten Legislaturperiode immer von dem Gedanken leiten: Klimawandel ist das entscheidende Thema für die

nachfolgenden Generationen. Jeder von uns hat die Verpflichtung, seinen Teil zur Reduktion beizutragen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir setzen mit dem Beitrag der Abgeordneten Gregor-Ness für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin leider Gottes abergläubisch. Heute ist der 13. und der Tagesordnungspunkt ist der 13. Ich könnte fast sagen: Schlimmer kann es nicht kommen, weil man diese Klimagasinventur einfach nüchtern zur Kenntnis nehmen muss. Sie ist ernüchternd, positiv ausgedrückt. Ihr Ergebnis kann uns nicht befriedigen.

Als wir vor zwei Jahren den Antrag eingebracht und eine Klimagasinventur für Brandenburg eingefordert haben, konnte man voraussehen, dass man sich damit ganz offensiv die Karten legt, damit die Karten wirklich für jeden auf dem Tisch liegen und man an den Zahlen nicht herumdeuteln kann, muss und sollte.

Klar ist, dass wir unsere Klimaschutzziele durchaus noch erreichen können, das allerdings nur unter maximalen Anstrengungen. Obwohl pro Tonne eingesetzter Primärenergie weniger CO2 ausgestoßen wurde, ist der Ausstoß insgesamt auf einem relativ hohem Niveau geblieben, ganz einfach deshalb, weil der Verbrauch steigt. Obwohl wir immer wieder proklamieren: Energie sparen!, tut es weder der private Haushalt, noch ist es in der Industrie zurzeit möglich. Nun ist es in der Industrie nicht per se schlecht, wenn der Verbrauch steigt, weil das im Umkehrschluss bedeutet, dass sich unsere Industrieproduktion gesteigert hat und wir Wertschöpfung dadurch akquirieren. Das Problem an der Stelle ist: Wenn wir nicht zu einer wirklichen Entkopplung von Wachstum und CO2-Ausstoß kommen, worauf Herr Thiel gerade abgestellt hat, kann es uns nicht gelingen, das Problem weltweit in den Griff zu bekommen.

Die Frage ist: Wie kann man mit diesem dünnen Papier, das einen so brisanten Inhalt hat, für die Zukunft umgehen? Man kann daraus einige Zahlen ableiten, die hoffnungsvoll stimmen. Herr Thiel hat bereits darauf hingewiesen. Es sind immerhin 7 Millionen CO2-Äquivalent durch den Einsatz erneuerbarer Energien eingespart worden. Das sind über 10 % dessen, was an CO2-Ausstoß fabriziert wird. Diese 10 % sind teuer erkauft und die Akzeptanz erneuerbarer Energien stößt gerade an ihre Grenzen. Das werden wir morgen ausführlich debattieren. Erneuerbare Energie, CO2-Reduktion versus mangelnde Akzeptanz ist ein Problem, das uns in den nächsten Jahren begleiten wird. Wir müssen entsprechende Schlussfolgerungen ziehen.

Wir können auch feststellen, dass die uns zugeteilten Zertifikate zum Glück nicht ausgeschöpft worden sind. Das hat natürlich auch etwas mit der Zuteilungspraxis zu tun; das wissen wir. Aber es unterstreicht auch die Bemühungen unserer Großemittenten, durch entsprechende Maßnahmen den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Insgesamt gesehen: Die Zahlen liegen auf dem Tisch, jeder hat sie, an ihnen kommt niemand vorbei. Wir müssen uns weiter intensiv darum bemühen, begleitende Maßnahmen einzuleiten und zu vertiefen; denn das Ergebnis kann uns mitnichten befriedigen. So klar und nüchtern kann man das Thema Klimagasinventur zusammenfassen. Deshalb gilt für die nächste Legislaturperiode, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!

(Beifall bei der SPD)

Der Abgeordnete Norbert Schulze spricht für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht der Landesregierung zur Klimagasinventur 2007 für das Land Brandenburg vom 30.10.2008, eingegangen am 30.04.2009, liegt nun endlich zur heutigen Debatte vor. Zur 50. Plenarsitzung am 7. Juni 2007 begründeten die Einreicher ihren Antrag dahin gehend, dass die Landesregierung beauftragt wird, auf der Basis von jährlich durchzuführenden Klimagasinventuren einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten, um den Ausstoß klimarelevanter Gase zu verringern. Der Maßnahmenkatalog von September 2008 basiert auf dem im August 2007 vom Bundekabinett beschlossenen integrierten Energie- und Klimaprogramm für die Bundesrepublik Deutschland. Dass ein Erfolg des IEKP nur garantiert werden kann, wenn alle Bundesländer im Rahmen ihrer politischen Verantwortlichkeiten mitwirken, dürfte für jeden verständlich sein.