Protokoll der Sitzung vom 01.07.2009

Die fraktionsübergreifenden Ausschussverhandlungen fand ich sehr anregend und konstruktiv. Es stünde der Gesamtsituation gut zu Gesicht, wenn auch die Fraktion DIE LINKE den vom Ausschuss vorgeschlagenen Änderungen zustimmte. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin Ziegler.

Wir kommen damit zur Abstimmung zum Tagesordnungspunkt 8. Ihnen liegen Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE vor, über die wir nacheinander abstimmen werden.

Wir stimmen zuerst über den Änderungsantrag in Drucksache 4/7740 der Fraktion DIE LINKE ab. Wer dem Änderungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zum Änderungsantrag in der Drucksache 4/7741, ebenfalls von der Fraktion DIE LINKE. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag ebenfalls abgelehnt.

Wir stimmen schließlich über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 4/7742 ab. Wer diesem Änderungsantrag folgen möchte, den bitte ich um sein Hand

zeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit sind die Änderungsanträge abgelehnt, und wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie zum Krankenhausentwicklungsgesetz und zur Aufhebung der Rechtsverordnung im Bereich des Arbeitsschutzes - Drucksache 4/7609. Wer dieser Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Gesetz über den Vollzug der Untersuchungshaft im Land Brandenburg (Brandenburgisches Unter- suchungshaftvollzugsgesetz - BbgUVollzG)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 4/7334

2. Lesung

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

Drucksache 4/7681

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE, für die der Abgeordnete Loehr spricht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die U-Haft durch ein Gesetz zu regeln haben wir hier bereits in der 1. Lesung übereinstimmend als Fortschritt bezeichnet. Hierzu in Abstimmung in anderen Bundesländern einen gemeinsamen Gesetzestext zu erarbeiten war und bleibt sinnvoll. Bedauerlich ist allerdings, dass der vorhandene Spielraum für konkrete Änderungen nicht genutzt wurde. In der am 04.06.2009 durchgeführten Anhörung wurde an verschiedener Stelle Änderungsbedarf angezeigt. Berücksichtigung fanden die Vorschläge allerdings nicht.

Unsere Kritikpunkte im Einzelnen: Mit Blick auf den engen Verflechtungsraum mit Berlin und die bereits stattfindende Zusammenarbeit wäre es angemessen gewesen, hierzu einen annähernd gleichen Gesetzestext vorzulegen. Das ist leider nicht passiert.

Es mag zwar dem Zeitgeist entsprechen, sämtliche Daten der Bürgerinnen und Bürger erfassen und speichern zu wollen; wir halten diese Regelung im Brandenburger Gesetzentwurf jedoch für überzogen bzw. unnötig. Bei einer ungleich schwierigeren Gefangenenstruktur in Berlin wird im Übrigen darauf verzichtet. Immerhin sind Untersuchungshäftlinge keine verurteilten Straftäter, sondern lediglich Verdächtige. Sie gelten als unschuldig. Daher liegt Ihnen heute ein Änderungsantrag vor, der an dieser Stelle Abhilfe schaffen soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unschuldsvermutung fordert eine vollständige Trennung von Strafgefangenen und Untersuchungsgefangenen. Diesem Trennungsgebot wird der

vorliegende Gesetzentwurf leider nur unzureichend gerecht. Ich zitiere aus der Stellungnahme von Frau Dr. Christine Morgenstern von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Greifswald:

„Die Trennungsgrundsätze im § 11 des Entwurfs sind wegen ihrer allgemeinen Formulierung nicht ausreichend. Diese lassen vielmehr den Rückschluss zu, dass gerade die gemeinsame Unterbringung während der Nachtzeit ermöglicht werden soll, sofern es sich um männliche Gefangene handelt. Besonders zu kritisieren ist die Ermöglichung von Ausnahmen mit pauschaler Bezugnahme auf die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt - § 11 Abs. 1 Nr. 3.“

Dieser Einschätzung schließt sich die Linke an. Daher liegt Ihnen heute ein Änderungsantrag hierzu vor.

Leider gibt es immer wieder schwere Übergriffe unter Häftlingen, sodass der Schutzauftrag des Staates so weit geht - ja gehen muss -, solche Vorfälle zu verhindern. Dem soll unser Antrag vorbauen, denn der Gesetzentwurf lässt aus organisatorischen Gründen hier viel zu viel Spielraum zu. Dies ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar.

Die Krankenkassen in Deutschland und vermutlich auch die Gesundheitspolitiker unter Ihnen kennen den Unterschied zwischen einem kranken Menschen, einem hilfebedürftigen Menschen und schwangeren Frauen. Der Gesetzentwurf - und damit die Landesregierung - kennt diese Unterscheidung leider nicht. Somit bleibt eine mögliche Verlegung in ein besser geeignetes Vollzugskrankenhaus im Bedarfsfall ungeregelt. Auch dies ließe sich ändern; Sie brauchten lediglich unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Der Berliner Gesetzentwurf im Übrigen kennt solche Regelungen.

Letztlich leidet der vorliegende Gesetzentwurf an einem grundsätzlichen Mangel: An keiner Stelle ist aufgeführt, wie die zusätzlichen Aufgaben, beispielsweise die Erweiterung der Besuchszeiten von ein auf zwei Stunden, in der Praxis erfüllt bzw. umgesetzt werden sollen. Der Gesetzentwurf geht vielmehr sogar davon aus, dass keine Mehrkosten entstehen. Insoweit wurde Ihnen in der Anhörung nicht nur seitens der Linken, sondern beispielsweise auch vom Landesvorsitzenden des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands widersprochen. Zumindest sind die Stellenreduzierungen im Justizvollzug aus unserer Sicht dringend einer Prüfung zu unterziehen. Ansonsten - so Willi Köbke, Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands - besteht die Gefahr, dass man ein modernes Untersuchungshaftvollzugsgesetz bekommt, dessen vollinhaltliche Umsetzung an der Praxis, an der unzureichenden personellen und finanziellen Ausstattung, scheitert. Ob durch diesen Gesetzentwurf justizpolitisch eigene Akzente gesetzt werden, wie der Kollege Holzschuher im Jahr 2007 gefordert hat, bezweifeln wir zumindest.

Sie ahnen es vermutlich bereits: Die Linke kann daher dem Gesetzentwurf nicht zustimmen, erkennt aber die Bemühungen um Fortschritte, beispielsweise die Angleichung der Regelung zum Arbeitsentgelt und die Regelungen zum Taschengeld, an. Wir werden uns jedoch schlussendlich der Stimme enthalten. Vielen Dank.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Kollege Loehr. - Für die SPD-Fraktion spricht zu diesem Tagesordnungspunkt Herr Kollege Holzschuher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich habe es schon beim letzten Mal und bei verschiedenen anderen Gelegenheiten betont: Dass ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz einmal eine Materie des Landes werden würde, war nicht von vornherein selbstverständlich, als wir hier 2004 unsere Tätigkeit angetreten haben. Die Übertragung dieser Aufgabe auf die Länder im Ergebnis der Föderalismusreform stieß bundesweit nicht auf breite Zustimmung. Man ging davon aus, das werde die Länder überfordern und zu einem eklatanten Rückschritt bei den Rechten des Strafvollzugs in Deutschland führen.

Wir haben erlebt, dass es in sehr kurzer Frist gelungen ist, ein Gesetz zu erarbeiten - ein Vorhaben, um das sich der Bund über Jahrzehnte ergebnislos bemüht hatte. Man müsste vielleicht sagen: abgemüht hatte. Er hatte es nicht vollbracht, das zu schaffen, was verfassungsrechtlich geboten ist.

Vor uns auf dem Tisch liegt ein Gesetz, das aus meiner Sicht „rund“, das heißt sehr gelungen ist. Das haben letzten Endes alle Sachverständigen in der Anhörung bestätigt. Ich kann mich an keine andere Anhörung in den letzten Jahren erinnern, in der alle Sachverständigen unisono sagten: Dieses Gesetz ist im Grundsatz ein sehr gutes Gesetz.

(Zuruf von der CDU: Super!)

Wir können wirklich stolz darauf sein, dass ein solches Gesetz vorliegt. An der Erarbeitung war das Land Brandenburg gemeinsam mit elf anderen Bundesländern beteiligt. Es stellt die Praxis des Untersuchungshaftvollzuges in Deutschland erstmals auf eine gesetzliche Grundlage.

Natürlich gibt es zu Feinheiten immer Diskussionsmöglichkeiten und Kritik der Sachverständigen. Das wissen auch wir. Ich denke aber, es gibt keinen Anlass, konkrete Änderungen vorzunehmen. Die drei Änderungsvorschläge der Fraktion DIE LINKE, die heute noch auf dem Tisch liegen, sind für uns jedenfalls kein Anlass, diese Position zu überdenken. Zum Teil geht es nur darum, Formulierungen klarer zu fassen, von denen ich denke, dass sie in der Praxis selbstverständlich beachtet werden. Kein Anstaltsleiter wird es sich erlauben können, eine schwangere Untersuchungsgefangene anders zu behandeln als eine kranke; er wird sie vielmehr wesentlich sorgfältiger untersuchen und betreuen lassen, schon im eigenen Interesse. Dafür brauchen wir, glaube ich, keine gesetzliche Regelung.

Natürlich gibt es auch Punkte, bei denen man anderer Meinung sein kann. So kann man sicherlich die Frage stellen, ob im Zusammenhang mit den Trennungsgrundsätzen etwas von „Sicherheit oder Ordnung der Anstalt“ im Gesetz stehen darf. Ich meine, ja. Die Aufhebung der Trennung ist nämlich - so steht es ganz oben im Entwurf - ein Ausnahmefall. Wenn in einer Ausnahmesituation die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht anders gewährleistet werden kann als durch eine vorübergehende Aufhebung des Trennungsgebotes, dann müssen

wir diese Möglichkeit einräumen. Was wäre denn die Alternative? Es gibt keine. Selbst wenn es nicht explizit im Gesetz stünde, wäre es unter Rückgriff auf allgemeine Vorschriften möglich, das Trennungsgebot in einer Krisensituation der Anstalt aufzuheben. Warum also soll es dann nicht im Gesetz stehen?

Auch der Streit über die Erfassung biometrischer Daten scheint mir unnötig zu sein. Warum um Gottes Willen soll das nicht auch noch erweitert erfasst werden? Es geht hier nicht um Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht, sondern nur darum, festzustellen: Wer ist der Gefangene tatsächlich? Wie können wir ihn erfassen?

Das ist gar nicht so theoretisch, wie man meinen könnte. Vor einiger Zeit gab es einmal das Problem, dass von einem eineiigen Zwillingspaar jemand als Straftäter in Betracht kam. Man hatte zwar die DNA, konnte diese aber keinem der beiden eindeutig zuordnen. Wenn einer davon in Haft gewesen wäre, hätte man nicht gewusst, ob es der Richtige ist. Wenn man weitere Angaben erfasst hätte, wäre dieser Fall - jedenfalls in der Untersuchungshaft - nicht zum Problem geworden. Das ist zwar nur ein begrenzt praktisch relevanter, aber, wenn er relevant ist, durchaus sehr wichtiger Fall, sodass man durchaus sagen kann: Das kann im Gesetz stehen.

All das sind eben für mich keine Gründe, an der Überzeugung zu rütteln, dass wir am Ende der Legislaturperiode ein wirklich erfreuliches Gesetzesvorhaben zum Abschluss bringen. Vielleicht lassen Sie sich auch einmal von mir überzeugen, sodass wir hier zu der einmütigen Feststellung kommen können: Das ist ein gutes Gesetz, dem wir zustimmen können. Es bringt den Strafvollzug im Land voran. - Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Holzschuher. Da möchte man ja direkt einziehen.

(Heiterkeit - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das wäre doch etwas für Ihre Sommertour!)

- Ist schon gebucht.

Es spricht zu uns der Kollege Claus.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Alles, was der Staat übernimmt, steht und fällt mit den Finanzen. Bis zur Föderalismusreform war die Untersuchungshaft Bundesrecht; seitdem liegt sie in der Landeskompetenz. Durch die Föderalismusreform ist das Land Brandenburg nunmehr in die Situation geraten, justizpolitisch eigene Akzente setzen zu müssen. Die Herausforderung kann man als Chance nutzen, insbesondere um die Strukturen der Haftbedingungen und die Ansprüche von Untersuchungshäftlingen verbindlich zu regeln. Um eine Zersplitterung der Rechtsordnung in Deutschland zu verhindern, ist es angesichts der jetzigen Verfassungslage natürlich nachvollziehbar, wenn sich das Land Brandenburg in der „ZwölferLändergruppe“ an der gemeinsamen Gesetzesplanung beteiligt hat. Dies gilt zumindest für die Normierung der wesentlichen

Eingriffsermächtigungen bei den Grundzügen der Ausstattung des Vollzuges. Hier darf es - schon aus rechtsstaatlicher Sicht im Ländervergleich keine gravierenden Unterschiede geben.

Insofern ist der vorliegende Ansatz an sich durchaus nachvollziehbar, meine Damen und Herren. Die entscheidende Frage für diesen Landtag ist allerdings: Kann sich das Land Brandenburg ein solches Gesetz überhaupt leisten? Diese Frage wurde auch in der Anhörung gestellt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nach wie vor ungeklärt, wie die mit dem vorliegenden Gesetzentwurf getroffene Neuregelung mit ihrem Vollzugsstandard überhaupt finanziert werden soll.

(Homeyer [CDU]: Die Frage haben Sie vorhin aber nicht gestellt, als es um mehr Geld ging! Da wurde kräftig hin- gelangt!)

Schließlich ist damit ein deutlich erhöhter Personalbedarf sicherzustellen. Genau daran haben wir als Fraktion gerade wegen der sich abzeichnenden Verschärfung der Haushaltslage erhebliche Zweifel. Das haben wir aber vorhin auch gesagt, Herr Homeyer.

Auf welch wackligen Beinen der vorliegende Gesetzentwurf hier in Brandenburg steht - ich spreche die Finanzierbarkeit an -, zeigt sich auch darin, dass die finanziellen Aufwendungen, zum Beispiel für die Erfassung biometrischer Daten, im Gesetz nicht beziffert sind.