Protokoll der Sitzung vom 02.07.2009

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Aber auch auf der Leistungsebene sind verlässliche Zahlen notwendig. So muss jede Agentur für Arbeit über ihre Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktspolitik und Leistung zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach Abschluss eines Haushaltsjahres eine Eingliederungsbilanz nach § 11 des Sozialgesetzbuches III erstellen. Auch hierzu ist es erforderlich, dass realistisches Zahlenmaterial insbesondere zu den Personengruppen vorliegt, die prognostisch absehbar erneut erstmals zu Leistungsbeziehern werden wie insbesondere in der jetzigen Krise die Leih- bzw. Kurzarbeit. Des Weiteren benötigen auch die Landkreise und kreisfreien Städte die statistischen Informationen für Zwecke der Planungsunterstützung und der Sozialberichterstattung.

Wenn hier das Weisungsrecht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nach § 283 Abs. 2 gegenüber der Bundesagentur eine an den Tatsachen orientierte statistische Erhebung verhindert, dann ist es unsere Aufgabe, von der Landesregierung eben die tatsächlichen Zahlen zu besorgen, sei es vom Amt für Statistik oder sonst woher.

(Schulze [SPD]: Das ist dumm!)

- Das hat nichts mit dumm zu tun. Der Bürger hat Anspruch auf die richtigen, realistischen Zahlen.

(Schulze [SPD]: Die sind im Internet!)

- Sie können doch nicht auf die Straße gehen und den Bürgern sagen: Suchen Sie sich die Zahlen im Internet zusammen! - Es ist Aufgabe des Politikers, verlässliche Zahlen zu bieten.

(Beifall bei der DVU)

Deswegen nur noch einmal zur Verdeutlichung: Mit der Umbenennung der Arbeitsämter in sogenannte Agenturen für Arbeit entstanden unzählige Zeitarbeitsfirmen, die voll finanziert werden und mit unterschiedlichen Bedingungen die Arbeitslosenvermittlung übernehmen sollen. Dadurch werden die realen Arbeitszahlen deutlich kaschiert, und diese Zentralisierung macht jede Manipulation möglich.

Im Zuge von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden immer noch Scheinfirmen, die meistens als Verein getarnt sind, bezahlt, in denen Arbeitslose sinnlose Scheinarbeit ausüben.

Der größte Betrug läuft aber im Jahr 2005 unter der Bezeichnung Hartz-Reform ab. Nach einem Jahr erhalten Arbeitslose kein Arbeitslosengeld mehr, sondern werden zu einem Generationsoffenbarungseid gezwungen, sozial abgestuft, und müssen ihr Erspartes und Erworbenes opfern. Solange sie noch nicht

anrechenbares Vermögen aufbrauchen können, fallen auch sie aus der Arbeitslosenstatistik heraus.

Wir als DVU-Fraktion haben seither gegen die Beseitigung dieser sogenannten Hartz-Reform gekämpft und werden das auch zukünftig tun. Von Ihnen, meine Damen und Herren, verlange ich heute nicht viel, sondern lediglich, dass die Landesregierung uns zukünftig eine realistische Übersicht über die tatsächlichen Zustände am Brandenburger Arbeitsmarkt gibt.

(Zuruf des Abgeordneten Schulze [SPD])

Wie einfach das möglich ist, hat Herr Schulze ja schon gesagt. Deswegen wird es auch kein Problem sein, unsere Forderung zu erfüllen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU)

Herr Abgeordneter, ich empfehle Ihnen für die Zukunft, sich den Unterschied zwischen verunglimpfenden Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen noch einmal vor Augen zu führen.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 4/7686. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen?

(Schulze [SPD]: Sehen Sie, Herr Nonninger, das hält das Parlament davon!)

Gibt es Stimmenthaltungen? - Keine Enthaltungen. - Damit ist der Antrag mit übergroßer Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 18 und rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Verbesserung des Zugangs von Arbeitslosen zum Arbeitslosengeld I durch Wiederherstellung der dreijährigen Anrechnungsfrist

Antrag der Fraktion der DVU

Drucksache 4/7687

Wir hören den Abgeordneten Nonninger für die DVU-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In Zeiten der Krise darf man nicht an der falschen Stelle sparen, sondern muss alles Notwendige gegen steigende Verarmung in der Bevölkerung tun.

Mehr als ein Viertel aller neuen Arbeitslosen in diesem Jahr sind nach den Berechnungen des DGB direkt in Hartz IV gerutscht. Davon sind rund 440 000 Erwerbslose betroffen. Da dieser Personenkreis oft nur kurze Zeit beschäftigt gewesen ist, haben viele Erwerbslose keinen Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung.

Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, bedeutet das Abrutschen in das Arbeitslosengeld II in aller Regel auch ein Abrutschen in wirtschaftliche Armut. Im Gegensatz zum Arbeitslosengeld I werden bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld II Vermögensbestandteile des Antragstellers, zum Beispiel Sparbücher und Wertpapiere, angerechnet und einbezogen. Das sogenannte anrechnungsfreie Schonvermögen ist so niedrig, dass diese Personen aus ihrer wirtschaftlich prekären Lage dann kaum mehr herauskommen. Zum Beispiel um eine Altersvorsorge zu gewährleisten, bleibt dem Hartz-IV-Antragsteller nur ein Vermögen von 250 Euro pro Lebensjahr anrechnungsfrei, und der Freibetrag für Erspartes beträgt lediglich 150 Euro pro Lebensjahr.

Darüber hinaus werden Personen regelmäßig in Bedarfsgemeinschaften eingerechnet, wodurch Sie dann überhaupt keinen Anspruch haben, oder ihnen steht als Angehöriger eines Mehrpersonenhaushalts nur noch ein um rund 20 % gekürzter Regelsatz zu.

Das alles ist eine unheilvolle Entwicklung für einen Menschen, der vielleicht vor der letzten Arbeitslosigkeit schon viele Jahre gearbeitet hat, aber aufgrund der letzten Beschäftigung die sogenannte Anwartschaft nicht erfüllt. Ich spreche hier von der sogenannten Rahmenfrist von zwei Jahren, die nunmehr im Gegensatz zu der Situation vor der SGB-III-Änderung zum Februar 2006 nur noch zwei Jahre beträgt. Demnach hat die Anwartschaftszeit nur erfüllt, wer in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung und der eingetretenen Arbeitslosigkeit mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Immer mehr Erwerbsfähige, die arbeitslos geworden sind, erreichen das einfach nicht mehr und haben dann die soeben geschilderten schlimmen Folgen zu erdulden. Das ist eine sehr beängstigende Entwicklung, die auch den inneren Frieden in unserem Lande gefährdet.

Wir als DVU-Fraktion sind der Ansicht, dass gerade jetzt, in der gravierendsten Wirtschaftskrise seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, es sich eine verantwortungsvolle Politik nicht leisten kann, auf die eben geschilderte Art und Weise mit einem deutlich wachsenden Heer von Arbeitslosen umzugehen. Es ist höchste Zeit, jetzt die Zugangsvoraussetzungen zum Arbeitslosengeld I wieder zu erleichtern, indem man die Anrechnungsfrist für die Beitragszahler wieder von einem Jahr auf drei Jahre verlängert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Arbeitsmarktkrise wird auch Brandenburg nicht verschonen, sondern in absehbarer Zeit die Brandenburger Menschen deutlich belasten, deutlicher als bisher. Ich bitte Sie daher, unsere Bundesratsinitiative jetzt zu unterstützen, bevor es zu spät ist.

(Beifall bei der DVU)

Der Abgeordnete Christoph Schulze spricht für die Koalitionsfraktionen.

(Schulze [SPD]: Wir verzichten!)

- Er verzichtet. - Wie sieht es bei der Linksfraktion aus? - Es spricht der Abgeordnete Görke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja kein Geheimnis, dass die Rechtsextremisten von der DVU gern in die Rolle des sozialen Wohltäters schlüpfen. Ich sage Ihnen auch am Ende der Wahlperiode noch einmal im Namen wohl aller demokratischen Fraktionen in Klarheit und in Ruhe: Eine Partei, deren Programm aus Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus besteht, ist keine Partei der sozialen Gerechtigkeit.

(Beifall bei der Fraktion DIE LINKE und der SPD)

Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass diese Partei immer wieder gern auf Vorschläge anderer Parteien zurückgreift. In diesem Fall pickt sich die DVU einen Vorschlag der Linksfraktion vom Februar 2009 heraus. Anlässlich der Beratungen zu dem Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland hatte die Linke einen Antrag mit gleicher Ausrichtung eingebracht.

Das zeigt, wie überflüssig Sie auch in dieser Hinsicht geworden sind.

Wie gesagt, von den Plagiaten der DVU ist manchmal meine Partei, manchmal aber auch eine andere demokratische Partei oder Fraktion betroffen. Das wird an der Ablehnung Ihres Antrags nichts ändern. - Vielen Dank.

Da auch die Landesregierung Redeverzicht angemeldet hat, erhält der Abgeordnete Nonninger noch einmal das Wort, der für die DVU spricht.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon traurig, wie in diesem Landtag mit einem solch wichtigen Thema umgegangen wird.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Traurig ist, dass wir uns das anhören müssen!)

Von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, habe ich allerdings nichts Besseres erwartet, denn schließlich ist es die SPD, die auf Bundesebene, die durch Hartz IV verursachten sozialen Verwerfungen und Einzelschicksale zu verantworten hat, und es ist die Union, die das mitgetragen hat und seit ihrer Regierungsverantwortung mitträgt.

Die sogenannte Hartz-IV-Reform bedeutet gerade für Langzeitarbeitslose einen Rückschritt unter das Niveau der Sozialhilfe.

(Zuruf von der SPD: Versuchen Sie doch einmal, frei zu reden!)

Dazu habe ich eingangs schon zur Verdeutlichung einiges gesagt. Sie sitzen hier in Ihren Sesseln, tun so, als ob das Land Brandenburg weder etwas mit Arbeitslosigkeit noch mit der Wirtschaftskrise noch mit dem Untergang von Unternehmen und schon gar nichts mit dem absehbaren deutlichen Wegfall

von Arbeitsplätzen zu tun habe. Da frage ich mich, wieso Sie hier überhaupt sitzen! Bestimmt nicht, weil Sie in Ihren Aktuellen Stunden, meine Damen und Herren von der SPD, behaupten können, dass Brandenburg heute besser dastehe. Nun, wenn man sich die permanente Manipulation der Arbeitslosenzahlen durch gesetzgeberische Tricks der Bundesregierung - da sitzen ja die Genossen arbeits- und sozialpolitisch am Hebel betrachtet, könnte man glatt darauf hereinfallen.

(Zuruf von der SPD: Sie sind doch nur ein kleiner, unge- zogener Junge!)