Protokoll der Sitzung vom 24.02.2010

Meine Damen und Herren! Wir stehen bereit. Wir warten sehnlichst auf das Angebot der CDU. An uns hat es in der Vergangenheit nicht gelegen, liegt es in der Gegenwart nicht und wird es auch in Zukunft nicht liegen. - Danke schön.

(Beifall SPD sowie vereinzelt DIE LINKE)

Die Abgeordnete Schier spricht noch einmal für die CDUFraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich Herrn Baer und Herrn Dr. Bernig richtig verstanden habe, dann favorisieren beide die ARGEn. Einer von Ihnen hat gesagt, es gebe keine Studie, die belege, dass die Optionskommunen besser seien. Schaut man sich aber an, gegen wie viele Bescheide der ARGEn geklagt wurde, und berücksichtigt man, dass fast der Hälfte der Klagen stattgegeben wurde, dann kann man doch hier nicht behaupten, die ARGEn seien besser als die Optionskommunen.

Sylvia Lehmann hat mich tatsächlich irritiert. Sie sagte nämlich, die SPD wolle die Optionskommunen ein wenig erweitern.

(Frau Lehmann [SPD]: Begrenzt ausweiten!)

Herr Baaske, Sie haben in der Sitzung am 17. Dezember ausgeführt:

„Mir kann man wirklich nicht vorwerfen, dass ich in diesem Land nicht für Optionsmodelle gestritten hätte, auch als einziger Vertreter der SPD in den Verhandlungen zum SGB II in Berlin. Natürlich habe ich... daraus... nie einen Hehl gemacht.“

Deswegen verstehe ich das Hickhack nicht. Wir wollen die Verfassungsänderung.

(Frau Lehmann [SPD]: Wir auch!)

- Gut. Ich habe ja vorhin gesagt, dass wir einen Referentenentwurf vorgelegt haben. Dieser wurde kritisiert. Wir wollen die Verfassungsänderung, aber wir wollen auch die Ausweitung der Optionskommunen.

(Holzschuher [SPD]: Sie haben eben keinen Entwurf für eine Verfassungsänderung vorgelegt! Das ist das Problem!)

Es hat mich ein wenig gewundert, dass Minister Baaske gesagt hat, ein Kompromiss habe schon vor einem Jahr vorgelegen. Damals seien wir nicht bereit gewesen. Ist es denn ein Kompromiss, dem Vorschlag der SPD zu folgen? Ich nenne nur das Beispiel des Zentrums für Arbeit und Grundsicherung - ZAG -, das wir nicht wollten. Unser Ansinnen ist es, die Optionskommunen auszuweiten - für alle, die es wollen. Wir wollen damit den Akteuren vor Ort größeren Spielraum eröffnen. Das ist für uns der richtige Weg.

Wir können hoch und runter debattieren und uns heißreden, wie wir wollen - letztlich wird viel zu wenig über die Menschen gesprochen, die unsere Hilfe brauchen.

(Frau Lehmann [SPD]: Richtig!)

Deshalb ist es doch wichtig, den richtigen Weg einzuschlagen, das heißt, die richtige Behörde zu beauftragen. Wenn die Vertreter der Kreise sagen: „Wir machen das; wir kennen unsere Pappenheimer und können genau einschätzen, wer mehr und wer weniger Hilfe braucht“, dann ist das im Sinne der Betroffenen. Das sollte wirklich der Sinn unserer Politik sein. - Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Görke spricht für die Linksfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Schier, die Position der Linksfraktion zur Neuordnung der Aufgabenwahrnehmung im SGB II hat Kollege Bernig schon erläutert. Ich werde auf Ihre zuletzt gemachten Ausführungen nachher noch einmal eingehen. Aber gestatten Sie mir zunächst einige Bemerkungen zu den Vorrednern, die sich zu den politischen Rahmenbedingungen geäußert haben, unter denen die Neuordnung der Hartz-IV-Aufgabenwahrnehmung zu regeln ist.

Herr Kollege Büttner, die FDP betreibt in dieser Situation ein interessantes Doppelspiel. In Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde geben Sie sich staatstragend und fordern - zwar vergesslich; das hat Kollege Baaske Ihnen schon ins Stammbuch geschrieben -, dass die Landesregierung sich dem Reformwerk der Bundesregierung nicht widersetzen dürfe. Zur gleichen Zeit nehmen Sie die Betroffenen, die Arbeitslosen in der Grundsicherung, unter Feuer. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass das Thema heute von Ihnen auf die Tagesordnung gesetzt wurde, sodass es hier einen Austausch dazu geben muss.

Was zu Herrn Westerwelle zu sagen ist, hat Frau Kollegin Nonnemacher ganz kurz gemacht. Aber eines müssen wir Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, noch sagen, weil Ihr Kollege Fraktionsvorsitzender in dieser Frage den engen Schulterschluss mit Herrn Westerwelle gesucht hat. Lassen Sie mich als Historiker zur „spätrömischen Oberschicht“ festhalten:

Sie war leistungslos, sie verprasste über Jahrhunderte angesammeltes Kapital und zerstörte den sozialen Zusammenhalt des Imperiums. Und da gibt es Parallelen zur heutigen FDP-Klien

tel, die darauf abzielt, ihren Reichtum durch Finanzspekulationen leistungslos zu mehren. - Das gehört hier erwähnt.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Auch die Forderung - ich erwähne das, weil Sie von Reformen der sozialen Sicherungssysteme sprachen - Ihres NRW-Wahlkämpfers Andreas Pinkwart, dass die Bezüge der arbeitsfähigen Hartz-IV-Empfänger, die zumutbare Arbeit verweigerten, konsequent gekürzt werden müssten, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage. Herr Büttner, ich lege Ihnen und vor allem auch Ihrem Wahlkämpfer ans Herz, ein Seminar zum SGB II zu belegen. In § 31 sind Sanktionen und Leistungskürzungen geregelt. Darin heißt es: Nimmt ein Hartz-IV-Empfänger eine Arbeit nicht an, werden seine Bezüge für drei Monate um 30 %, beim zweiten Mal um 60 % gekürzt und beim dritten Mal vollständig gestrichen - Diese Sanktionen werden nicht nur verhängt, wenn die Aufnahme einer Arbeit abgelehnt wird, sondern sie kommen auch bei anderen Pflichtverletzungen wie verspätetes Einreichen von Bewerbungen zum Tragen.

Der Pauschalvorwurf, das Gros der Arbeitslosenhilfeempfänger habe sich mit Hartz IV abgefunden und wolle nicht so recht arbeiten, ist falsch. Das Vorstandsmitglied Heinrich Alt hat erst kürzlich gesagt, dass mehr als ein Viertel der ehemaligen Hartz-IV-Bezieher inzwischen Jobs annähmen, die unterhalb ihrer Qualifikation lägen. Das widerlegt die Behauptungen. Es mangelt nicht an Sanktionsmöglichkeiten, Herr Büttner, sondern an existenzsichernden Arbeitsplätzen. Diesbezüglich haben wir von Ihnen in letzter Zeit wenig gehört.

(Beifall DIE LINKE)

Lassen Sie mich noch etwas zur Schaumkrone, die Herr Westerwelle hinterlassen hat, sagen. Es war zu hören, Leistung müsse sich wieder lohnen, und jemand, der arbeite, müsse mehr Geld in der Tasche haben als jemand, der nicht arbeite. Ich glaube, in diesem Hause hat niemand eine gegenteilige Auffassung. Ein wesentlicher Unterschied liegt jedoch im Detail. Sie als FDP haben dafür gesorgt, dass sich die prekären Arbeitsverhältnisse auch in Brandenburg massiv ausgeweitet haben. Jedes vierte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis fällt mittlerweile in diese Kategorie.

(Zurufe von der CDU)

- Das stimmt eigentlich. Sie waren im engen Schulterschluss mit der FDP jahrelang auf diesem Pfad und vertreten das noch heute.

Dass die FDP dann noch versucht hat, sich an die Grundsicherung heranzuwagen, ist der eigentliche Skandal.

(Beifall DIE LINKE)

Natürlich ist ein Lohnabstandsgebot erforderlich, aber eines zwischen einer armutsfesten Grundsicherung und einem existenzsichernden Mindestlohn. In dem Sinne sollten Sie die Diskussion führen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Angesichts dessen, was Sie, Kollege Büttner, kürzlich zum gesetzlichen Mindestlohn im Zusammenhang mit dem Vergabe

gesetz gesagt haben, frage ich Sie: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass jemand, dessen Lohn steigt, mehr staatlicher Unterstützung bedarf? Das müssten Sie uns in Ihrem nachfolgenden Redebeitrag erklären.

Frau Kollegin Schier, sozial ist, was Arbeit schafft. Das ist Ihr Motto, und genau das ist eigentlich auch die Wirkung der Arbeitsmarktreform Hartz IV der letzten fünf Jahre. Das war eine Gegenrichtung. Denn Lohndumping hat sich ausgeweitet, das wissen Sie, die Zahlen habe ich genannt. Sie nennen es Liberalisierung, wir nennen es einen verhängnisvollen Weg für das Gemeinwesen.

(Zuruf der Abgeordneten Schier [CDU])

Zusammenfassend möchte ich sagen, Frau Schier, die Linksfraktion befürwortet bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreform Hartz IV in der gegenwärtigen Situation eine verfassungsrechtlich abgesicherte gemeinsame Aufgabenwahrnehmung durch die BA und die Kommunen. Wir kritisieren nach wie vor - Kollege Bernig hat es gesagt - die Trennung der Rechtskreise des SGB II und III; dies gilt es zu überwinden. Gleichzeitig muss eine armutsfeste Grundsicherung für Langzeitarbeitslose durchgesetzt werden. Darüber hinaus sind eigenständige bedarfsgerechte Regelsätze für Kinder und Jugendliche und - das hat sich mehrfach gezeigt - ein gesetzlicher Mindestlohn notwendig, damit das Phänomen Armut trotz Arbeit auch in Brandenburg endlich überwunden werden kann. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD - Zurufe von der CDU)

Ich begrüße unsere Gäste vom Marie-Curie-Gymnasium in Dallgow-Döberitz und wünsche einen spannenden Vormittag im Landtag in Potsdam.

(Allgemeiner Beifall)

Ich erteile noch einmal der antragstellenden Fraktion das Wort. Es spricht der Abgeordnete Büttner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann nicht auf alles, was gesagt wurde, eingehen; dafür würde die Redezeit beim besten Willen nicht ausreichen. Herr Baaske, Sie sagten sinngemäß „ein bisschen Option“ sei gut. Ich meine, wenn Sie hinter einem Modell stehen, von dem Sie sagen, dass es funktioniere, dann müssen Sie es ausweiten. Sie können Sie sich nicht auf eine bestimmte Anzahl von Optionskommunen - 69, 100 oder 110 - berufen, sondern müssen ein System, das funktioniert, komplett freigeben. Das bedeutet, dass allen Kreisen die Möglichkeit zu optieren eingeräumt werden muss.

Herr Baer, im bundesweiten Gesamtbericht der Optionskommunen für das Jahr 2008 ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften im Vergleichsring 5 - ich erwähne nur die für Brandenburg maßgeblichen Vergleichsringe 3 und 5 - zwischen 12/2007 und 12/2008 am stärksten gesunken: um 5,6 %. Der Vergleichsring 3 nimmt den zweiten Platz ein. Im Vergleichsring 5 ist zwischen Ende 2007 und 2008 auch die Zahl der erwerbsfähigen Hilfe

bedürftigen am stärksten gesunken. Wiederum folgt der Vergleichsring 3. Die Eingliederungsquoten in den ersten Arbeitsmarkt betrugen im Vergleichsring 5 15,6 % - das ist ein guter Mittelwert -, und im Vergleichsring 3 konnten etwa 12 % eingegliedert werden. Die Aktivierungsquoten zwischen 12/2007 und 12/2008 waren mit rund 25 % im Vergleichsring 5 am höchsten; der Durchschnitt lag bei 16,7 %. Der Vergleichsring 3 war diesbezüglich mit etwa 19 % wiederum zweitstärkster.

Wir sehen also, dass die Optionskommunen offensichtlich gut funktionieren, und genau darum geht es. Das ist vor dem Hintergrund ihrer holprigen Einführung - es war eine neue Situation für die Mitarbeiter, die in vielen Bereichen nicht richtig geschult worden sind; am Ende hat die BA blockiert, weil sie das Ganze nicht wollte, von deren Seite wurde nicht alles zur Verfügung gestellt, was benötigt wurde - beachtlich.

Jetzt haben wir eine völlig andere Situation. Die Kreise sind vorbereitet und wollen optieren.

Herr Minister Baaske, Sie sagen, wir hätten unsere Position geändert. Ja, natürlich. Ich habe es vorhin erklärt. Ich habe keinen Hehl daraus gemacht. Das ist in Ordnung. Problematisch ist, dass wir täglich neue Forderungen bezüglich einer Verfassungsänderung seitens der Sozialdemokraten hören.

(Frau Lehmann [SPD]: Das ist doch überhaupt nicht wahr!)

Wir hören, dass die Anzahl der Optionskommunen nicht so hoch sein dürfe, vielleicht 100. Wer weiß, welche Zahl als nächste gewürfelt wird. Wir hören von Bedingungen, die Frau Nahles aufgestellt hat. Die Bundesregierung ist sich doch inzwischen einig darüber, dass sie das in Angriff nehmen will.