Protokoll der Sitzung vom 25.02.2010

Wir kommen zum Entschließungsantrag der FDP-Fraktion, Drucksache 5/495. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist ohne Enthaltungen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 7 und rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Stellen- und Personalkonzept für die Polizei im Land Brandenburg

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/43

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres

Drucksache 5/382

Wir beginnen mit dem Redebeitrag der SPD-Fraktion. Die Abgeordnete Stark spricht.

(Unruhe)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Die Koalitionsfraktionen werden den vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion, „Stellen - und Personalkonzept für die Polizei im Land Brandenburg“, ablehnen. Wir tun dies, weil wir uns schon in der vergangenen Sitzung des Plenums im Januar mit dieser Thematik breit beschäftigt haben.

(Unruhe)

Es gibt eine Landtagsdrucksache 5/291 „Öffentliche Sicherheit durch eine bedarfsgerechte Personal- und Strukturplanung der Polizei gewährleisten“.

Frau Kollegin, einen kurzen Moment bitte. Ich darf bitten, die Gespräche im Besucherbereich in dieser massiven Form in den Vorraum zu verlegen. Danke sehr.

Wir haben uns mit der Thematik schon sehr breit beschäftigt, öffentliche Sicherheit durch eine bedarfsgerechte Personalund Strukturplanung der Polizei zu gewährleisten. Wir haben mittlerweile zum wiederholten Male die Rahmenbedingungen besprochen. - Ich versuche, mich wegen der schon vorangeschrittenen Zeit sehr kurz zu fassen.

Wir haben also gesagt: Expertenkommission. Der Innenminister legt im Sommer, im Juni, ein Konzept vor. Wir haben gesagt: Die Zielzahl so um die 7 000. Wir haben auch die Prämissen hier im Landtag mit dieser eben von mir genannten Beschlusslage gesetzt. Wir wollen die wahrnehmbare Polizeipräsenz erhalten. Es sollen kurze Interventionszeiten sein. Wir wollen allen Formen von Kriminalität wirksam begegnen, und wir wollen dies durch Prävention und Strafverfolgung realisieren. Auch die Verkehrssicherheit auf Brandenburgs Straßen muss weiterhin gewährleistet werden.

Wir haben weiterhin gesagt: Mit dieser Strukturüberlegung muss eine umfassende Aufgabenkritik einhergehen. Hier sollen die internen Verwaltungsprozesse nicht zuletzt durch den Einsatz gezielter Technik vereinfacht werden. Wir wollen, wie gesagt, einen Aufgabenkatalog erarbeiten. Wir müssen dann priorisieren, von welchen Aufgaben sich die Polizei in der Zukunft vielleicht auch verabschieden muss.

Wir haben dieses alles unter bestimmten Rahmenbedingungen getan. Das möchte ich in drei Eckpunkten kurz vorstellen. Wir wissen, dass das Volumen des Landeshaushalts von jetzt 10 Milliarden Euro in den nächsten Jahren bis 2020 auf 8,3 Milliarden Euro zurückgehen wird. Wir wissen, der demografische Wandel ist in Brandenburg ein großes Problem. Wir werden von jetzt 2,5 auf 2,2 Millionen Menschen „schrumpfen“. Wir haben uns auch mit dem Fakt auseinanderzusetzen, dass wir mit dem Rückgang von Kriminalität als langfristigen Trend permanent zu tun haben werden, was eine positive Entwicklung ist. All diese Eckpunkte rechtfertigen es durchaus, darüber nachzudenken, den Polizeibereich - nicht nur den, sondern den gesamten Personalbereich der Landesverwaltung kritisch zu überprüfen. Wir müssen Einsparungen erbringen. Wir müssen effiziente Strukturen schaffen. Auch der Bereich der Innenverwaltung kann nicht außen vor bleiben.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Landesregierung ist schon aufgefordert worden, mittelfristig ein Stellen- und Personalentwicklungskonzept vorzulegen, eingebettet in weitere Überlegungen, Strukturüberlegungen, Aufgabenkritik. Ihr Antrag ist - wie immer - zu kurz gesprungen. Aus diesem Grund wird er heute von uns abgelehnt. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Petke spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir den Antrag eingebracht haben, hieß es hier im Plenum noch, es sei jetzt der neue Umgang der rot-roten Koalition mit Oppositionsanträgen, ihn in den Ausschuss zu überweisen.

Im Ausschuss haben wir gar nicht viel diskutiert. Im Ausschuss beugen sich die rot-roten Kollegen, insbesondere die ganz roten Kollegen, den Vorgaben des Innenministers. Da wird keine Diskussion mehr geführt, da heißt es dann: Ja, das ist ein Verfahren, das nicht so intransparent ist wie das der letzten Landesregierung. Das ist übrigens eine Aussage eines Kollegen der SPD. Wenn wir in der Sache diskutieren wollten, sind wir durch die Überweisung tatsächlich nicht weitergekommen.

Es ist ja auch kein Wunder, dass in dem Redebeitrag vor mir die entscheidende Zahl von 1 900 Stellen, die in der Polizei des Landes gekürzt werden sollen, überhaupt nicht erwähnt worden ist. Da ist viel über allgemeine Tatbestände der Finanzsituation gesprochen worden. Das haben wir gestern zur Genüge gehört. Aber das, worum es eigentlich geht, das, worum es in Brandenburg tatsächlich geht, nämlich dass diese rot-rote Regierung 1 900 Stellen bei der Polizei abbauen möchte, ist nicht angesprochen worden.

Ähnlich wie bei der Braunkohle hat die Linke im Wahlkampf etwas ganz anderes versprochen. Kollege Dr. Scharfenberg, in Ihrem Wahlprogramm war von jährlich 300 zusätzlichen Stellen die Rede. Das wäre also nicht nur kein Personalabbau, sondern ein Aufwuchs bei der Polizei.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Scharfenberg [DIE LINKE])

Sie sind bisher jede Erklärung für diesen Wahlbetrug an Ihren Wählerinnen und Wählern schuldig geblieben. Das werden Sie auch heute nicht leisten können.

(Beifall CDU - Zuruf DIE LINKE: Desinformation!)

Aber in der Diskussion der letzten Tage ging es mir auch um etwas anderes. Die CDU verschließt sich als Regierungspartei der vergangenen zehn Jahre nicht der notwendigen Haushaltskonsolidierung, auch nicht der Überprüfung von Strukturen im öffentlichen Dienst oder bei der Polizei. Das habe ich an dieser Stelle bei den Themen immer wieder zum Ausdruck gebracht, und da war ich nicht allein. Das haben die anderen Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion genauso getan. Aber was wir in den letzten Tagen erlebt haben, ist etwas anderes. Herr Minister, da möchte ich Sie ansprechen. Bei Ihren jüngsten Äußerungen zum Thema Polizei fällt es den Bürgern im Land tatsächlich schwer, nicht an Aussetzer zu denken. Es fällt einfach schwer zu akzeptieren, dass der Minister, der oberste Dienstherr der Polizei in Brandenburg, davon spricht, dass die Polizei im Vergleich zu anderen Ländern 30 % weniger effektiv arbeitet.

(Frau Lehmann [SPD]: Die „Strukturen“ und nicht „ar- beitet“!)

Das sind Dinge, wo sie 30 % weniger effektiv arbeitet. Man kann es dann auch umdrehen und sagen: 30 % ineffektiv arbeitet, wie auch immer. Ich war dabei; Kollege Holzschuher, Sie habe ich dort nicht gesehen. Das hat bei der GdP, bei mehreren Hundert Beamtinnen und Beamten schon zu mehr als Nachdenken, das hat zu berechtigten Buh-Rufen geführt.

Da geht es auch um die Fürsorgepflicht eines Ministers gegenüber fast 9 000 Beamtinnen und Beamten, Angestellten und Arbeitern. Ihre Sprüche der letzten Tage zeigen mir deutlich, dass Sie Ihrer Verantwortung entweder nicht gerecht werden wollen oder nicht gerecht werden können. Es ist doch immer noch so, dass der Kapitän einer Mannschaft nicht in die Mannschaft foult. Mit der gestrigen Pressemitteilung, vier oder fünf Tage nach diesen Äußerungen, haben Sie Ihre Mannschaft ganz klar gefoult. Da hilft es dann auch nicht, einen Seitenschwenker auf die Opposition zu machen. Nein, bei dieser Frage ist nicht die Opposition das Problem, Sie sind das Problem, Herr Minister!

(Beifall CDU)

Sie haben wieder all denen Recht gegeben, die sagen, dass der Markenkern von Speer die Respektlosigkeit auch gegenüber den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Land Brandenburg ist.

In der kurzen noch zur Verfügung stehenden Zeit möchte ich auf Punkte eingehen, die uns natürlich interessieren: In Bezug auf die 1 900 ist viel mit anderen Ländern begründet worden. Aber das, worum es in unserem Land wirklich geht, ist nicht angesprochen worden. Wir wollen Antworten darauf haben, wie die in Brandenburg deutlich höhere Kriminalitätsbelastung von 8 300 Straftaten auf 100 000 Einwohner weiter bekämpft werden kann, wenn die Polizei so übermäßig reduziert wird. Wir wollen Antworten darauf haben, wie bei einer Polizei, die so reduziert wird, das Verkehrsunfallgeschehen, bei dem wir bundesweit nach wie vor an der Spitze liegen, reduziert werden kann. Wir wollen Antworten darauf haben, auch von der Kommission, wie die Fläche des Landes von der Polizei weiter bestreift und gesichert werden kann.

Frau Kollegin Stark - das möchte ich gerade Ihnen in der Diskussion sagen -, was die steigenden oder sinkenden Kriminalitätszahlen betrifft: Wir haben hier oft über die Kriminalität an der Außengrenze gesprochen. Es ist zum Glück keine Außengrenze mehr. Wir haben den Wegfall der Personenkontrollen. Aber zu sagen, dass die Kriminalität insgesamt sinkt, ist schlichtweg falsch.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE)

Nicht nur an der Grenze zu Polen steigt sie in wichtigen Bereichen, sie steigt auch in anderen Bereichen, gerade im öffentlichen Raum. Darüber machen sich nicht nur Politiker der CDU Sorgen. Darüber machen sich die Menschen im Land Sorgen. Wir werden das entsprechend aufnehmen. Deshalb wäre es gut, wenn der Landtag dem vorliegenden Antrag der CDU mehrheitlich zustimmte. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Der Abgeordnete Dr. Scharfenberg spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im November vergangenen Jahres hat die CDU den vorliegenden Antrag eingebracht und damit zweifellos ein brisantes Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Über die Qualität des Antrags will ich hier nicht streiten. Viel Mühe haben Sie sich damit jedenfalls nicht gegeben.

(Zustimmendes Klopfen bei der Fraktion DIE LINKE)

Es spricht für sich, dass die CDU etwas verlangt, was der bisherige Innenminister nicht geleistet hat; denn ein Stellen- und Personalkonzept für die Polizei mit diesem Anspruch hat es im CDU-geführten Innenministerium nach meiner Kenntnis nicht gegeben.

(Beifall DIE LINKE - Zuruf von der SPD: 10 Jahre!)

Nun muss ich ja nicht alles wissen, aber ich denke, das wäre uns aufgefallen.

Der CDU-Antrag ist an den Innenausschuss überwiesen worden. Das ist etwas Besonderes, denn das hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Aber das wissen diejenigen, die schon längere Zeit hier sind, denke ich, sehr gut. Es wurde schnell deutlich, dass die Terminsetzung unrealistisch ist und dass das Thema wesentlich komplexer angegangen werden muss, als das die CDU wollte. Genau das haben die Koalitionsfraktionen getan. Im Januar ist der Antrag von SPD und DIE LINKE zum Thema „Öffentliche Sicherheit durch eine bedarfsgerechte Personal- und Strukturplanung der Polizei gewährleisten“ mit großer Mehrheit beschlossen und ein entsprechender Auftrag an die Landesregierung erteilt worden. Da verstehe ich nicht und kann das nur als kindlichen Trotz abtun, Herr Petke, wenn Sie sagen, dass unter dieser Voraussetzung Ihr Antrag, der sozusagen nur einen Teil der Probleme dessen erfasst, was hier schon dargestellt worden ist, beschlossen werden soll. Also: Der vorliegende Antrag ist überflüssig und kann guten Gewissens abgelehnt werden.

(Beifall DIE LINKE)

Das passiert nicht deswegen, weil es die jetzt oppositionelle CDU beantragt hat, sondern weil die Zeit darüber hinweggegangen ist.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Ludwig [CDU])

Ein zweiter Gedanke: Die vom Innenminister eingesetzte Expertenkommission arbeitet seit Anfang Februar. Es ist ein Gebot der Fairness, dass man dieser Kommission überhaupt die Chance einräumt, Vorschläge zur weiteren Entwicklung der brandenburgischen Polizei zu erarbeiten, und nicht das Ergebnis schon vorwegnimmt, das nach Auffassung der CDU natürlich nur ein Misserfolg sein kann.

Der Innenminister hat der Kommission keine Denkverbote erteilt, er hat allerdings eine Orientierungszahl vorgegeben, über die im Vorfeld viel spekuliert worden ist. Da war von einer Reduzierung der Personalstellen der Polizei zwischen 3 000 und 4 000 die Rede. Herr Petke wusste vor vier Wochen, dass es 2 500 Stellen weniger sein würden, er wusste auch schon, wie viel Schutzbereiche übrig bleiben würden und Ähnliches.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])