Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Bei der Forderung nach einer nationalen Transaktionssteuer sollte man bedenken, dass rund drei Viertel aller Finanztransaktionen an den großen globalen Finanzzentren London, New York, Zürich, Tokio, Singapur und Hongkong stattfinden. Eine deutsche Börse ist nicht dabei. Eine nationale Steuer würde also die Standortvorteile der anderen weiter erhöhen.

Gerade wir als eine der führenden Exportnationen sind aber auf einen effektiven Finanzmarkt angewiesen. Was wollen Sie mit einer Transaktionssteuer erreichen? Soll sie ein Regulierungsmittel für den Finanzmarkt darstellen? Mit welchem Ziel genau?

Diese Steuer kann keine Investitionsblasen und keine Finanzkrisen verhindern. Die wesentliche Ursache für die Finanzkrise liegt in der falschen Geldpolitik der Notenbanken, allen voran die der amerikanischen Fed, die mit billigem Geld Spekulationsblasen ermöglichte. Es wurden Kredite gewährt, die nicht durch Ersparnisse oder reale Werte gedeckt waren.

(Bischoff [SPD]: Hat nicht die Fed gemacht!)

Diese Trennung zwischen Finanzbereich auf der einen Seite und Realgüterwirtschaft auf der anderen Seite war im Wesentlichen auch der Auslöser der Weltwirtschaftskrise von 1929. Genau bei diesem Fehlverhalten muss angesetzt werden.

Übermäßiges Spekulieren mit geliehenem Geld sollte sich nicht wiederholen. Nach Auffassung der Liberalen dürfen Finanzgeschäfte bzw. Finanzprodukte in Zukunft nicht ohne Eigenkapital oder Eigenhaftung gehandelt werden. Denn wer ein Risiko eingeht, der muss auch haften.

Ändert eine Finanztransaktionssteuer das Verhalten der Betroffenen? Nein. Sie macht gefährliche und ungefährliche Anlagen in gleichem Maße teurer. Wen trifft diese Steuer vor allem? Den Kleinanleger, den Sparer und den Riesterrentner, weil damit der Ertrag seiner Kapitalanlagen, die als Altersvorsorge dienen sollen, geschmälert wird. Das kann und darf nicht das Ziel sein. Wir brauchen eine zusätzliche Kapitaldeckung für die Altersvorsorge.

Es darf nicht populistisch nach einer neuen Steuer gerufen werden. Krisen müssen in Zukunft durch einen geordneten Geldmarkt und effektive Bankenaufsicht verhindert werden. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Der Abgeordnete Jungclaus spricht für die Fraktion GRÜNE/B90.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Nun habe ich nicht wirklich von Ihrer Seite, liebe Kollegen der FDP, eine flammende Rede für die Finanztransaktionssteuer erwartet. Aber dass jetzt so ein Zinnober gemacht wird über Zuständigkeiten, Populismus und ein Bild von Bahnhöfen und den passenden Rücklichtern dazu, finde ich doch ein bisschen befremdlich.

Für mich ist Politik auch immer eine Frage von Zeichen setzen, von Symbolen. Ich denke, da ist es durchaus angebracht, dass sich auch der Landtag damit befasst.

(Vereinzelt Beifall SPD)

Wenn wir uns nur mit Dingen beschäftigen würden, die sofort hundertprozentig in direkte Gesetzgebung hier im Land eingehen, hätten wir bei jeder Plenarsitzung um 13 Uhr Feierabend. Ich bin jedenfalls froh, dass sich der Landtag Brandenburg mit dem Thema beschäftigt und ein Zeichen setzt.

Die Finanzkrise hat den Staat gezwungen, mit unvorstellbarer Größenordnung das nationale und internationale Bankensystem zu retten. Während sich die Experten noch über das Ausmaß der Folgen dieser einmaligen Rettungsaktion streiten, ist man in der Finanzwelt schon wieder munter dabei, „Business as usual“ auszurufen.

Die Einführung der Finanztransaktionssteuer ist daher ein Gebot der Gerechtigkeit und der Fairness. Die Umsätze mit Finanzprodukten sind in den vergangenen Jahren deutlich schneller gewachsen als die realen Umsätze. Wenn ein neues Produkt auf den Markt kommt, zieht das sofort eine ganze Reihe weiterer Produkte nach sich. Jeder Euro, der mit solchen Produkten umgesetzt wird, löst wieder neue Umsätze für die Risikoabsicherung über ein weiteres Gegengeschäft aus. Dies alles ist zum Teil sicherlich die Folge von Finanzakrobatik. Es ist allerdings auch Ausdruck des langfristigen Trends zu mehr Dienstleistungen, zu einer stärkeren Arbeitsteilung und damit eindeutig auch wertschöpfend. Trotz dieser zunehmenden Wertschöpfung genießt der Finanzsektor noch immer Umsatzsteuerfreiheit, obwohl schon allein die Steuergerechtigkeit eine Besteuerung von Umsätzen im Finanzsektor verlangt.

Genau deshalb benötigen wir ein zielorientiertes Konzept, bei dem die Einführung der Finanztransaktionssteuer auch zeitnah möglich sein muss. Der vorliegende Antrag enthält leider keine konkreten Forderungen. Es wird zum Beispiel nicht definiert, welche Finanztransaktionen besteuert werden sollten. Zudem ist unserer Ansicht nach die angestrebte Handlungsebene viel zu hoch angesetzt. Bevor Verhandlungen über eine Finanztransaktionssteuer auf internationaler Ebene geführt werden, sollte zunächst eine Einigung auf europäischer Ebene angestrebt werden.

Denn hier gibt es durchaus realistische Perspektiven für eine Einigung. Nationale Parlamente in Frankreich und Belgien zum Beispiel haben bereits entsprechende Beschlüsse gefasst. Wir

müssen also nicht unbedingt auf die große internationale bzw. weltweite Lösung vertrösten.

Das EU-Recht hat den grenzüberschreitenden und dadurch auch enorm angewachsenen Handel mit Wertpapieren erst möglich gemacht. Die Kapitalverkehrsfreiheit ist einer der Grundpfeiler der EU. Entsprechend hoch integriert ist der EU-Finanzmarkt, der praktisch nicht mehr von einem nationalen Markt zu unterscheiden ist. Es ist nur folgerichtig, dass diejenigen, die von den europäischen Finanzmärkten profitieren, auch durch die Europäische Union besteuert werden.

Wohlhabende Länder mit einer großen Finanzbranche würden mehr an die EU zahlen als kleine und weniger reiche Länder. Wenn zum Beispiel ein Aktienhändler in Lissabon den Finanzplatz London nutzt, dann bringt das den Portugiesen rein gar nichts. Gilt die Steuer aber EU-weit - wie in diesem Fall in London -, dann wird die wirtschaftliche Aktivität unabhängig vom Wohnort besteuert. Da dann das Aufkommen der EU zugute kommt, hätte jetzt auch Portugal etwas davon. Somit schafft die Steuer auch ein Stück mehr Gerechtigkeit innerhalb der EU.

Da wir aus den genannten Gründen für die Einführung einer Finanzumsatzsteuer auf europäischer Ebene sind, stimmen wir dem vorliegenden Antrag zu. Wir verbinden dies aber mit der Hoffnung, dass die Landesregierung die angesprochenen Kritikpunkte - klar definierter Zeitraum, erst EU, dann international, und konkrete Benennung der Inhalte - in ihr Vorgehen mit einfließen lässt. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90)

Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Es spricht Minister Dr. Markov.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Bundesregierung ausgesprochen dankbar,

(Zuruf von der SPD: Ernsthaft?)

- ja - dass sie eine Bankenabgabe in die politische Debatte gebracht hat, denn genau das ist das Richtige, um die Krise, die sich durch Fehlverhalten ergeben hat, denjenigen zuzusortieren, die sie verursacht haben, nämlich den Banken. Eine Abgabe wird dann auch zweckgebunden eingesetzt zur Minimierung der enormen Aufwände, die der Staat jetzt betreiben muss, um die Banken zu retten.

Die Frage ist, welche Bank oder welche Bankenstruktur wie viel zahlen soll. Das muss geklärt werden. Diejenigen, die daran nicht beteiligt waren oder die Krise nicht verursacht haben, haben natürlich nichts zu bezahlen. Das gilt insbesondere für die Sparkassen.

Es gibt eine schöne Berechnung, die besagt, wenn eine Finanztransaktionssteuer in Deutschland mit einem Steuersatz von 0,1 % eingeführt würde - das sind allerdings Zahlen aus dem Jahr 2008 -, dann würde das 35 Milliarden Euro akquirieren; so etwa wäre die Größenordnung.

Herr Bischoff hat es gesagt: Der Devisenhandel ist 70 Mal größer als der Handel mit realen Produkten und Dienstleistungen. Das muss man sich einmal vorstellen. Der Wertpapierhandel überschreitet das Hundertfache der gesamten Investitionssumme. Wenn Sie ein Produkt kaufen, zahlen Sie Mehrwertsteuer oder Grunderwerbssteuer. Wenn Sie ein Finanzprodukt kaufen, zahlen Sie nichts. Allein schon deswegen ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ein ganz normales Instrumentarium.

Ich bitte Sie, bei der Finanztransaktionssteuer etwas auseinanderzuhalten, weil das hier vollkommen quer ging. Die Finanztransaktionssteuer sollte zwei Bestandteile haben, wenn man sie gedanklich ausbaut. Der erste Bestandteil wäre die Art und Weise einer Tobinsteuer. Der Sinn einer Tobinsteuer war, den Handel mit Devisen zu entschleunigen und diejenigen, die über die internationalen Kapitalmärkte daran partizipieren, dort ihr Geld investieren, stärker in das finanzielle Obligo zu nehmen.

Der zweite Teil ist die Börsenumsatzsteuer. Die Börsenumsatzsteuer war nie ein Instrument zur Bekämpfung von Krisen, sondern sie sollte immer und immer eine zusätzliche Einnahmequelle für Staatshaushalte sein. Deswegen ist die Finanztransaktionssteuer eben klar und deutlich kein Instrumentarium zur Bekämpfung der jetzigen Bankenkrise, sondern sie ist ein Instrumentarium für Steuerakquirierung.

(Zurufe von der CDU: Hört, hört!)

- Natürlich. Selbstverständlich! Sie, als Herr Petke, zahlen, wenn Sie in einen Laden gehen und etwas kaufen- ich wiederhole es -, Mehrwertsteuer. Warum soll derjenige, der eine Aktie kauft, nicht auch eine Steuer darauf zahlen? Ja, selbstverständlich! Richtig!

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das mag Ihrem Verständnis nicht entsprechen. Das ist Ihr gutes Recht. Meinem Verständnis entspricht das. Deswegen finde ich den Antrag der Koalitionsfraktionen hervorragend und bitte alle, diesen auch ordentlich zu unterstützen. - Danke.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ich erhalte immer den Wunsch nach Zwischenfragen, wenn der Redner seinen letzten Satz beendet hat und weggeht. Bitte etwas früher anzeigen. - Hier war es allerdings schwierig, denn er hat zwei Minuten Redezeit eingespart. Niemand konnte ahnen, dass er gleich fertig ist.

Das Wort erhält noch einmal die antragstellende Fraktion, Abgeordneter Görke, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Burkardt, sehr geehrte Kollegin Vogdt, ja, es ist ein bundespolitisches Thema. Wir haben es auf die Tagesordnung gesetzt, weil man es in einer föderalen Struktur dieser Bundesrepublik auch im Landtag diskutieren kann, denn es geht auch darum, die Einnahmensituation und die Einnahmebilanz in den Blick zu nehmen.

Sie haben die Zahlen eben gehört: Ein zweistelliger Milliardenbetrag ließe sich bei einem marginalen Steuersatz von 0,1 % einfordern. Insofern habe ich bei Ihnen den Eindruck, dass Sie einer Art Westerwelle-Syndrom unterliegen.

(Zurufe von der CDU)

Herr Abgeordneter, die jetzige Zwischenfrage kam rechtzeitig. Lassen Sie sie zu?

Wenn ich bei der CDU bin, kann er sie stellen. Einen kleinen Moment bitte, Herr Kollege Bretz. Ich würde mich jetzt gern weiter mit der FDP beschäftigen. - Wie gesagt, ich habe so eine Art Westerwelle-Syndrom bei Ihnen festgestellt.

(Zuruf: Oh nein!)

Das ist so ein Leiden, bei dem sich der finanz- und wirtschaftspolitische Sachverstand reziprok zu dem Großspendenaufkommen bei Ihnen entwickelt. Insofern meine ich, Sie als einen klaren Nichtbekenner zur Finanztransaktionssteuer erkannt zu haben.

Jetzt komme ich zur CDU-Fraktion und erwarte Ihre Frage, Herr Kollege Bretz.

Bitte.

Herr Kollege Görke, erklären Sie doch bitte einmal der interessierten Opposition in diesem Haus:

(Jürgens [DIE LINKE]: Das ist ein Widerspruch in sich! - Krause [DIE LINKE]: Sie stellen immer noch Verständ- nisfragen!)

Wie können Sie den Widerspruch übereinbekommen zwischen den Ausführungen des Finanzministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten, der sagte, solch eine Börsenumsatzsteuer diene gerade nicht dazu, Spekulationen einzudämmen, sondern dazu, Einnahmen zu akquirieren, und den Aussagen des geschätzten Kollegen Bischoff und Ihren vorhergehenden Aussagen, dass Sie diese Umsatzsteuer einführen wollen, um der Spekulation Einhalt zu gebieten? Wie erklären Sie diesen Widerspruch zwischen den Aussagen der Regierung und der Antragsbegründung? Wir als Opposition würden es sehr begrüßen, wenn sich die Regierung und die Regierungskoalition in den vorgetragenen Begründungen doch bitte etwas einig wären, weil Sie den Anschein erwecken, als wisse die eine Seite nicht, was die andere Seite gerade tut. Aber bitte erklären Sie uns diesen Widerspruch.