Protokoll der Sitzung vom 24.03.2010

Nun zitiere ich Norbert Blüm, der immer für ein Zitat gut ist. Er hat zur Kopfpauschale Folgendes gesagt:

„Wenn der Chef den gleichen Beitrag zur Krankenversicherung zahlt wie sein Chauffeur und der Meister den gleichen wie der Hausmeister, dann musst du nicht Plato, Aristoteles oder Kant gelesen haben, um das für ungerecht zu halten. Es genügt der gesunde Menschenverstand.“

(Beifall DIE LINKE)

An dieser Stelle geben wir Herrn Blüm recht: Es genügt der gesunde Menschenverstand, und der ist der Bundesregierung bei ihren Vorschlägen offensichtlich abhanden gekommen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Durch die jetzt vom Bundesgesundheitsminister Herrn Rösler in den Raum gestellte Kopfpauschale von 29 Euro würden Menschen mit einem Einkommen von 1 500 Euro im kommenden Jahr monatlich zusätzlich mit 15,50 Euro belastet, wohingegen Menschen mit einem Einkommen von 3 700 Euro sogar 4,30 Euro weniger zu zahlen hätten. Das, meine Damen und Herren, ist die Logik, die die Bundesregierung gegenwärtig ver

folgt. Das wollen wir nicht. Diese kleine Kopfpauschale soll die Versicherten offenbar an die ungerechte und unsolidarische Finanzierung der Krankenversicherung schrittweise gewöhnen. Es ist die Art der Salamitaktik. Das kennen wir: Das dicke Ende

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

kommt später, Herr Senftleben.

Die Bundesregierung versucht, die Zeit in Sachen Gesundheitsfonds und krankheitsbezogenem Risikostrukturausgleich zurückzudrehen. Die FDP sieht darin ein staatsbürokratisches Monster, wie nachzulesen war. Dieses angebliche Monster besteht - darüber möchte ich hier noch einmal aufklären - aus ganzen 22 Mitarbeitern beim Bundesversicherungsamt. So viel zum Monster. Dagegen wird die Kopfpauschale - davon sind wir überzeugt - nur mit einem deutlich erhöhten Verwaltungsaufwand funktionieren. Das ist auch schon öffentlich gemacht worden. So wird das Versprechen der Bundesregierung, Bürokratie abzubauen, allein schon mit der Kopfpauschale ad absurdum geführt.

Der ehemalige Gesundheitsminister, Herr Seehofer - auch den zu zitieren lohnt sich immer -, hat das Ganze daher folgendermaßen kommentiert:

„Wer einen Sozialausgleich für 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherte organisieren will, schafft das größte bürokratische Ungeheuer.“

So viel, meine Damen und Herren, zu Ungeheuern und Monstern. Fest steht, dass die Situation ernst ist. Die schwarz-gelbe Koalition will den von den Versicherten zu tragenden Zusatzbeitrag in Höhe von 0,9 % aus dem Gesundheitsfonds und dem Risikostrukturausgleich auskoppeln und einen sogenannten Wettbewerbsbeitrag umformen. Davon haben wir gehört.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

- Das erkläre ich Ihnen die ganze Zeit. Ich werde darauf noch einmal zurückkommen, auf Herrn Senftleben zugeschnitten und vor allen Dingen für Herrn Prof. Schierack. Ich habe ja noch einmal die Möglichkeit, hier zu reden. Dann können Sie zuhören.

Das würde die Krankenkassen mit vielen einkommensschwachen und chronisch kranken Versicherten eindeutig benachteiligen. Das wissen Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP. Wer den Ausgleichsmechanismus der Krankenkassen angreift, wie es der Bundesgesundheitsminister angekündigt hat, öffnet neue Wege für die Risikoselektion.

Krankenkassen würden wieder um die guten Risiken, nämlich die jungen, gesunden und gut verdienenden Versicherten, werben. Ärmere, Ältere und chronisch Kranke wären die Leidtragenden: Das ist ungerecht, meine Damen und Herren, und die Landesregierung lehnt dies ab.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Ein weiteres Stichwort der schwarz-gelben Gesundheitspolitik muss hier im Lande hellhörig machen, nämlich das von der Regionalisierung des Gesundheitsfonds. Auch darüber haben wir

von Ihnen gehört, Herr Büttner. Insbesondere Ostdeutschland sei von dieser Entsolidarisierung der GKV-Finanzierung sehr negativ betroffen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP! Selbst die CDU/FDP-Landesregierung von Sachsen, die Sie immer so gern beispielhaft und beispielgebend zitieren, hat gegen diese Pläne der Bundesregierung aufs heftigste protestiert.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einmal kurz zusammenfassen: Der Kern der jetzigen beitragsfinanzierten gesetzlichen Krankenversicherung ist eine solidarische Beteiligung von allen, und wir wollen, dass es so bleibt. Die Kopfpauschale hingegen steht genau für das Gegenteil. Alle werden gleich belastet, unabhängig davon, wie viele Lasten der Einzelne davon tragen kann.

Die windigen Ankündigungen eines steuerfinanzierten Sozialausgleichs sind ein ungedeckter Scheck und machen aus heute versicherten Bürgerinnen und Bürgern künftig abhängige Bittsteller, meine Damen und Herren. Wir setzen der Kopfpauschale der Bundesregierung eine solidarische Bürgerversicherung für die gesamte Bevölkerung entgegen, und alle Einkommensarten, auch Kapital- und Vermögenseinkünfte, sollen einbezogen werden.

(Senftleben [CDU]: Es bleibt, wie es ist!)

Ich fordere an dieser Stelle den Bundesgesundheitsminister auf, ein durchdachtes Gesamtkonzept für eine Gesundheitsreform vorzulegen, die eine stabile Finanzierung der Krankenversicherung schafft und auf die bewährten - dies unterstreiche ich nochmals ganz dick, insbesondere für die Kollegen der CDU und der FDP - ordnungspolitischen Prinzipien von Solidarität und Parität setzt. - Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das Wort erhält für zweieinhalb Minuten noch einmal die CDU-Fraktion. Herr Prof. Dr. Schierack, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Es hat sich nicht bewährt, dass wir hier im Landtag über dieses Thema diskutieren. Wir sprechen über völlig verschiedene Begrifflichkeiten, und das führt zu Verwirrungen. Ich habe gemerkt, dass Sie immer noch nicht verstanden haben, was eine Kopfpauschale oder eine Gesundheitsprämie ist, und jeder versteht etwas völlig anderes.

(Zuruf der Abgeordneten Wöllert [DIE LINKE])

- Wir reden jetzt wahrscheinlich aneinander vorbei. Ich habe auch nicht gehört, dass eine Gesundheitsprämie in irgendeiner Weise eine unsolidarische Sache sei. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir von der Union sind für ein solidarisches System, welches für alle Menschen den Zugang zum Gesundheitssystem zulässt.

(Zuruf der Abgeordneten Wöllert [DIE LINKE])

- Das sind wir, natürlich, und das werden wir auch demografiefest hinbekommen. Angesichts dessen, wie unser Gesundheitssystem zurzeit gestaffelt ist, werden wir es eben nicht demografiefest hinbekommen. Es muss auf breitere Schultern verteilt werden, und dazu brauchen wir eine starke Wirtschaft.

Ich bin sehr dankbar, dass Frau Lehmann hier noch einmal den Zusammenhang zwischen Lohn, Einkommen, BIP - Bruttosozialprodukt - und Gesundheitsausgaben genannt hat. Daran sehen wir: Wir brauchen ein starkes Wachstum. Und wann haben wir das? Wenn wir tatsächlich eine starke Wirtschaft haben. Deshalb müssen wir irgendwann einmal dazu kommen, die Einnahmen der GKV von den Einkommen zu entkoppeln, damit die Wirtschaft wachsen kann und wir dieses Gleichgewicht halten können.

Meine Damen und Herren, dann gibt es den steuerlichen Ausgleich. Sie sagen ja selbst: Alle Einkommensarten sollen einbezogen werden. Das wird mit einem Steuersystem passieren. Wieso regen Sie sich denn so auf? Das geschieht doch damit.

Frau Nonnemacher zitierte gerade die Anfrage im Bundestag. Wenn ich sie richtig gelesen habe, schreiben Sie von der Fraktion GRÜNE/B90 eine ganze Einleitung und kommen dann auf den Hinweis: Was würde es kosten, wenn 22 bis 35 Milliarden Euro zusätzlich im Steuersystem verbraucht würden? Darin steht nicht, wie viel das Gesundheitssystem kostet, wenn man es umstellen würde. Darauf hat der Finanzminister explizit hingewiesen. Deswegen haben die Frage und das Zitieren hier vor Ort überhaupt nichts mit der Gesundheitsreform, die wir vorhaben, zu tun.

Es ist ganz klar und eindeutig: Die Gesundheitsreform kann mit dem steuerlichen Finanzausgleich völlig neutral absolviert werden. Außerdem sagte Frau Ministerin nochmals deutlich: Morbi-RSA ist ein Thema, welches wir uns wirklich alle auf die Fahnen schreiben sollten, damit bin ich ganz auf Ihrer Seite. Sie haben die sächsische Landesregierung zitiert. Sie hat als einzige Landesregierung öffentlich diskutiert, dass der MorbiRSA so, wie er angelegt ist, auch erhalten bleibt, da er vernünftig ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort erhält noch einmal die SPD-Fraktion. Die Abgeordnete Lehmann spricht.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Büttner hat hier ein wenig aus dem „Spiegel“ zitiert. Gut, dass der „Spiegel“ so erschienen ist; wir haben dadurch alle unser „Futter“ für unsere heutigen Statements sammeln können. Sie haben leider - dies ist auch gar nicht möglich - nicht alles zitiert. Sie haben uns einen wichtigen Absatz, meine ich, vorenthalten und sind uns die Antwort darauf schuldig geblieben. Hier steht unter anderem:

„Auch die FDP scheut sich, mit der ganzen Wahrheit herauszurücken. Um einen Sozialausgleich aus Steuermitteln finanzieren zu können, müssten Gutverdiener höhere Steuern zahlen. Die Pläne für eine Gesundheitsprämie

stehen deshalb im Widerspruch zum eigenen Versprechen, die Steuern deutlich zu senken.“

Herr Büttner, Sie müssen uns, den Brandenburgerinnen und Brandenburgern, hier - diese Anwort sind Sie uns heute schuldig geblieben - schon die Frage beantworten: Wie soll der Sozialausgleich finanziert werden? Das haben wir heute nicht mitbekommen - ich jedenfalls nicht; vielleicht haben Sie es besser verstanden, meine Damen und Herren.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Wir sind ganz klar und deutlich für das solidarische Finanzierungsprinzip, und wir sehen besonders insofern einen Unterschied: Mit diesem solidarischen Finanzierungsprinzip gewährleisten wir, dass alle Versicherten unabhängig von ihrem Geldbeutel die erforderlichen medizinischen Leistungen bekommen. Sie wollen uns doch nicht weismachen, dass alle medizinischen Leistungen künftig über den Sozialausgleich finanziert werden?! Das passt auch gar nicht zu Westerwelles Diskussion der letzten Wochen, in der er deutlich gemacht hat, welchen Stellenwert Leistungsempfänger in seinem Weltbild haben. Das ist natürlich die große Sorge, die wir haben: über den Soziallastenausgleich künftig alle medizinischen Leistungen finanzieren zu können. Auch diese Antwort sind Sie uns heute schuldig geblieben.

Insofern bleibt es dabei: Die Gesundheitsreform ist auf Schein gebaut. Die Argumente, die es für die Gesundheitsreform bislang gibt, sind nicht transparent, nicht ehrlich, und wir müssen sie ablehnen. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Frau Ministerin Tack, Sie haben noch einmal das Wort für die Landesregierung.

Ich begrüße inzwischen unsere Gäste vom Gymnasium des jüngsten Bades Brandenburgs, Bad Belzig. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde mich jetzt gern noch einmal der CDU-Fraktion, namentlich Herrn Senftleben, zuwenden, der gern - nun zum wiederholten Mal hören möchte, was wir auf Landesebene tun. Ich muss dies in der gebotenen Kürze tun und möchte Sie nur daran erinnern: Wir haben bereits in mehreren Diskussionen hier im Parlament darüber gesprochen, was wir im Landesparlament tun.

(Senftleben [CDU]: Unsere Anträge haben Sie abge- lehnt!)