Nur damit wir uns hier nicht missverstehen: Bei dem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Politik geht es nicht darum, junge Menschen hinsichtlich ihres politischen Engagements bzw. ihrer politischen Überzeugung in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen, sondern vielmehr darum, dass sie durch einen Zugewinn an Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Lage sind, das politische Geschehen zu reflektieren und sich dann auf hohem Niveau eine Meinung zu politischen Fragen bilden zu können. Dass sich dann daraus sehr wahrscheinlich gewisse politische Präferenzen entwickeln, ist abzusehen und natürlich auch gewollt. Aber in welche Richtung das geht, darf nicht durch irgendwelche Vorgaben gelenkt werden; denn das kann nicht die Aufgabe des Freiwilligen Sozialen Jahres in der Politik sein. Es muss meiner Meinung nach unsere gemeinsame Aufgabe sein, Jugendliche und junge Erwachsene für unser demokratisches System zu gewinnen und ihr politisches Interesse zu wecken. Wir haben eine Bringschuld und müssen ihnen Angebote unterbreiten, wenn wir langfristig die Grundwerte unserer Gesellschaft sichern wollen.
Mit dem Antrag wollen wir, die CDU-Fraktion, zusammen mit den Grünen dafür sorgen, dass es jungen Menschen in unserer Region möglich ist, das Zusammenwirken der staatlichen und politischen Strukturen selbst zu erleben. Ich glaube, dass das in diesem Hohen Hause parteiübergreifend politischer Konsens sein sollte. Deshalb bitten wir um Ihre Zustimmung. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Hoffmann. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Muhß erhält das Wort.
Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich meinen Dank in Richtung der Antragsteller schicken. Auch wenn es natürlich nicht Ihre Absicht war, so ermöglichen Sie mit Ihrem Antrag meinen ersten öffentlichen Auftritt in diesem Hohen Haus.
Für den ersten Auftritt einer Abgeordneten vor dem Plenum kann es sicher weitaus weniger dankbare Themen als das Freiwillige Soziale oder das Freiwillige Ökologische Jahr geben. Deren Wert zeigen sowohl die große Nachfrage nach den angebotenen Plätzen als auch die Vielzahl der Anbieter. Addiert man die im Land Brandenburg angebotenen Stellen des FSJ und des FÖJ zusammen, so kommt man auf 600 bis 700. Deswegen möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich den Dank und das Lob der SPD aussprechen, gerichtet an alle Anbieter, aber auch an alle Jugendlichen, die sich für ein solches Jahr entschieden haben.
Die Sinnhaftigkeit von FSJ und FÖJ muss ich Ihnen nicht erklären; der Kollege Hoffmann hat dazu einiges ausgeführt. Die Idee, das FSJ auf die Politik auszuweiten, ist sicherlich mehr als nur eine Überlegung wert. Solch ein Orientierungsund Bildungsjahr, das darauf angelegt ist, Verständnis von und für Politik zu wecken, hat ohne Zweifel einen eigenen Charme, und zwar nicht nur für die Träger der Willensbildung selbst, sondern auch für die Jugendlichen. Sie bekommen Gelegenheit, Ereignisse aus der Nähe zu betrachten und mitzuerleben, wie Politik gemacht wird. Sie erleben, welch ein weiter Weg es von einer Idee bis zu ihrer Umsetzung in konkrete Maßnahmen ist. Warum sollte daraus nicht die Motivation erwachsen, sich selbst politisch zu engagieren? Weil aber diese Medaille auch eine Kehrseite hat, sollte von vornherein klar sein, dass bei einem FSJ in der Politik die Jugendlichen und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen müssen. Es darf keinesfalls dazu kommen, dass politiktaktische Motive dominieren, von wem und in welcher Form auch immer.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten nicht vergessen, dass es viele andere Wege gibt, um bei den jungen Menschen für mehr Akzeptanz der Politik zu werben. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, diese Wählergruppe ernst zu nehmen und in den politischen Alltag zu integrieren. Vor allem ein Gedanke ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen, nämlich dass mit diesem Projekt wieder nur die Jugendlichen angesprochen werden, die sich ohnehin schon politisch engagieren. Einem solchen Antrag, wie er vorliegt, grundsätzlich aufgeschlossen gegenüberzustehen ist daher nicht selbstverständlich. Bei einer strengen Betrachtung könnte man nämlich auch sagen, dass ein solcher Vorschlag weder notwendig noch hinreichend ist. Er ist nicht notwendig, weil es viele andere Möglichkeiten für politische Bildungsarbeit und den Kampf gegen Politikverdrossenheit gibt, und er ist längst nicht hinreichend, weil das ja bedeuten würde, dass man auf andere Maßnahmen verzichten könnte oder müsste. Aber so weit wollen wir nicht gehen. Wenn wir feststellen, dass es ein sinnvoller Baustein ist, um jungen Menschen Politik näherzubringen, wenn wir außerdem sehen, dass
die erhofften Bildungs- und Orientierungseffekte eintreten, dann wird es an unserer Zustimmung nicht scheitern.
Allerdings halten wir den Zeitpunkt, zu dem der Antrag gestellt wird, für denkbar ungeeignet. Es gibt derzeit eine Reihe von Unwägbarkeiten und offenen Prozessen, die nach Ansicht der SPD-Fraktion nicht einfach übergangen werden sollten. Die erste Unwägbarkeit besteht darin, dass schlichtweg offen ist, wie sich die angekündigte Verkürzung des Zivildienstes auswirken wird. Bekanntlich ist das FSJ eine Alternative zum Zivildienst. Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass das FSJ in der Politik in den anderen Bundesländern - der Kollege Hoffmann sagte es vorhin - bislang nur Pilotprojekte sind. Wir plädieren daher dafür, zunächst die Evaluierung dieser Projekte abzuwarten.
Meine Damen und Herren! Wenn es Gründe für ein Projekt bzw. eine Idee, aber auch Gründe dagegen gibt, muss man abwägen. Wir haben abgewogen und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Kontraargumente, die vor allen Dingen mit dem Zeitpunkt des Antrages zusammenhängen, derzeit überwiegen. Aber ich möchte auch noch einmal deutlich sagen: Wenn wir diesen Antrag heute ablehnen, so hat das nichts mit unserer Einstellung zum Freiwilligen Sozialen Jahr zu tun. Denn - wie ich bereits gesagt habe - diese ist durchaus positiv. Die Ablehnung hat auch nichts mit der grundsätzlichen Intention des Antrags zu tun.
(Beifall SPD und DIE LINKE - Zuruf von der CDU: Wer hat denn die Rede erarbeitet? - Schippel [SPD]: Es heißt so- ziales Jahr! - Senftleben [CDU) : Erkämpft von Rot-Rot?!)
Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Abgeordneten von Halem von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort.
„Du glaubst, die da oben machen, was sie wollen, und willst das nicht so hinnehmen.“ Sehr geehrte Vizepräsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Mit diesem Satz wirbt der Verein Internationale Jugendgemeinschaftsdienste für das Freiwillige Soziale Jahr, wie es in vielen anderen Bundesländern schon durchgeführt wird. Wenn die Schulpflicht vorbei ist, dann fällt es manchem schwer, sich vorzustellen, wie ein Leben danach weitergehen könnte.
Die große Zahl derer, die eine Ausbildung oder ein Studium abbrechen, zeigt uns ganz deutlich, dass wir gut daran tun, wenn wir jungen Menschen die Gelegenheit geben, sich nach der Schule auszuprobieren und das reale Berufsleben zu erfahren - wie in einem Berufserlebnisgarten.
Junge Menschen können eine Ausbildung, die lange und manchmal beschwerliche Bergwanderung beginnen, an deren Ende ein qualifizierter Berufseinstieg steht. Wer noch nicht genau weiß, welchen Weg sie oder er gehen will, sollte die Möglichkeit haben, wie mit einer Seilbahn auf einen Gipfel zu fahren und sich beispielsweise im Rahmen kurzer Praktika das Leben aus unterschiedlichen Perspektiven anzusehen. Die Freiwilligen Jahre sind dann so etwas wie ein Kletterfelsen - das ist mehr als ein kurzer Seilbahntrip, man muss sich schon ein bisschen anstrengen; dafür weiß man hinterher genau, wie sich ein solcher Felsen anfühlt, wo man am besten Tritt fasst und von wo die Aussicht am besten ist.
Freiwillige Jahre erfreuen sich großer Beliebtheit. Wie wir gestern gehört haben, ist die Nachfrage beim FSJ-Kultur fast zehnmal so groß wie das Angebot. Es gibt sie mit verschiedenen Ausrichtungen; in Brandenburg war Politik bisher noch nicht enthalten.
Frau Kollegin Geywitz, die Vorsitzende der neuen Enquetekommission, hat gestern bemängelt, es stünden noch zu viele Menschen in Brandenburg am Gartenzaun, schauten nur zu und trauten sich nicht, sich zu beteiligen. Das ist richtig. Demokratie kommt nicht von allein. Politik muss gelernt werden. Ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Politik kann dabei ein wirksames Mittel gegen zunehmende Politik- und Demokratieverdrossenheit sein. Es ist eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Angeboten der politischen Bildung, wenn reale politische Abläufe miterlebt und mitgestaltet werden können.
An dieser Stelle ein paar Worte an meine Kollegin Muhß: Wenn Sie von Evaluierung reden, dann habe ich ein wenig das Gefühl, Sie hätten den Antrag nicht richtig gelesen, denn er fordert nichts anderes, als dem Ausschuss für Jugend, Bildung und Sport einen Bericht vorzulegen.
Das bedeutet ja noch nicht, dass das auch umgesetzt wird. Diese Intention steht natürlich dahinter, sie kann auch richtig sein; der Bericht kann durchaus das, was Sie an kritischen Punkten nennen, aufgreifen. Aber ich wundere mich immer wieder, wie Sie und die Kollegen von der Linken es schaffen, bei bildungspolitisch sinnvollen Ansätzen zu sagen: Ja, im Grunde genommen halten wir das für eine wunderbare Idee, doch leider finden wir ein kleines Haar in der Suppe und können dem Antrag deswegen nicht zustimmen.
An dieser Stelle ein Dank an die CDU für die Initiative. Ich hoffe, dass wir mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr in der Politik künftig einen Beitrag dazu leisten können, dass Jugendliche nicht den Eindruck haben, dass die da oben machen, was sie wollen, sondern dass Jugendliche Lust darauf bekommen, mitzumachen.
Vielen Dank, Frau von Halem. - Das Wort erhält nun der Abgeordnete Krause von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin schon erstaunt, was Frau von Halem alles weiß, bevor unsere Fraktion gesprochen hat.
- Ja, genau - das kann man auch immer sein. Zunächst möchte ich sagen, dass die Situation, die wir bei den Freiwilligen Sozialen Jahren vorfinden - es ist aufgezählt worden, dass man sie im ökologischen, sozialen Bereich, im Kultur und Denkmalschutzbereich usw. in Brandenburg seit den 90er Jahren erfolgreich absolvieren kann -, eine recht gute ist, was die Akzeptanz und die Qualität der Durchführung betrifft. Es gibt Studien, die belegen, dass es sich für die jungen Menschen sehr lohnt - deswegen ist es eine gute Sache. Da sind wir uns, wie ich glaube, alle einig. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass das FSJ für das freiwillige Engagement, für Teilhabe und Partizipation eine klasse Sache ist. Das Bewusstsein für Ehrenamt, also dafür, dass man sich in dieser Gesellschaft engagiert und einbringt, wird geschärft.
Toll finde ich auch, dass die jungen Menschen, die sich in den Freiwilligen Sozialen Jahren engagieren, aus den unterschiedlichsten sozialen Bereichen kommen und tatsächlich für ihre berufliche Orientierung wertvolle Informationen sammeln können. Ganz toll ist auch, dass nachgewiesen wurde, dass jungen Menschen, die Freiwillige Soziale Jahre absolviert und sich freiwillig eingebracht haben - übrigens nicht nur in Freiwilligen Sozialen Jahren, sondern beispielsweise auch in Jugendverbänden -, viel bessere Chancen haben, einen Ausbildungs- oder Studienplatz zu bekommen, und dort viel besser angenommen werden und viel besser starten können, weil sie mit mehr Schlüsselkompetenzen und mehr Qualifizierung in den sogenannten Soft Skills ausgestattet worden sind. Das ist prima.
Schlecht ist, dass die Plätze, die wir in Brandenburg anbieten, den Bedarf bei weitem nicht decken - das ist gestern und in der Vergangenheit immer wieder deutlich geworden. Der Bedarf beim Freiwilligen Sozialen Jahr ist nicht nur im Bereich Kultur größer geworden, sondern auch in den anderen Bereichen. Deshalb hat nicht zuletzt unsere Fraktion und nicht die CDU damals den Antrag gestellt, diesem Bedarf gerecht zu werden. Dem konnte damals nicht gefolgt werden.
Heute geht es um das Freiwillige Soziale Jahr in der Politik. Ich fände es besser, wenn wir es Freiwilliges Soziales Jahr in der Demokratie nennen würden; das ist aber nur ein Detail und daran soll es auch nicht scheitern - das ist nicht das Haar -, weil es eben viel konkreter werden würde.
Herr Hoffmann hat die Politikverdrossenheit angesprochen. Ich weise aber zurück, dass das ein Problem der Jugend, sondern glaube, dass das ein gesamtgesellschaftliches Problem ist.
- Nein, ich sage das nur, um es zu präzisieren, Herr Hoffmann. Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, und ich würde zumindest an manchem Tag zurückweisen wollen, dass ein Blick hinter die Kulissen dem abträglich wäre. Wenn man dich
ter dran ist, kann man mitunter auch ganz andere Einstellungen dazu finden. Grundsätzlich ist das so aber richtig. Deswegen ist das - wie ich glaube - eine gute Sache, um Partizipation, Verständnis von demokratischen Abläufen, Teilhabe, Prozessbegleitung usw. zu unterstützen. All diese Dinge wurden genannt. Deswegen - das hat Frau Muhß bereits gesagt - ist das Anliegen und die Idee, die dahintersteht, ganz gut. Nicht umsonst wird das auch in verschiedenen anderen Bundesländern praktiziert.
- Jetzt kommt das Aber, richtig, genau. Das sind nicht nur unwesentliche Haare, sondern das sind Argumente, die zumindest in unseren Fraktionen großes Gewicht haben.
Wir befinden uns mitten in den Haushaltsverhandlungen. Ja, klar, es kostet auch Geld. Sie wissen sicherlich, Herr Senftleben, dass die Plätze für die Freiwilligen Sozialen Jahre aus ESF-Mitteln finanziert werden. Dazu kommen 30 % Landesanteil und natürlich die Eigenanteile der Träger, die dort aufzubringen sind. Dazu kommt auch - und das ist eine Schwierigkeit, der wir uns gegenüber sehen -, dass natürlich die Einsatzstellen, die von den Trägern bereitgestellt werden müssen, vorgehalten werden müssen.
Zum einen ist die Haushaltssituation von Bedeutung. Sie sagen, Sie möchten hier gern zusätzliche Bereiche fördern. Ich sage, ich würde das auch gern tun, aber nicht auf Kosten der Sozialen Jahre im ökologischen Bereich, im Kultur- oder im Denkmalschutz. Das heißt, wir bräuchten einen Aufwuchs. Bei der nächsten Debatte befassen wir uns mit einem Antrag, in dem CDU und Grüne fordern, dass wir 200 Millionen Euro, am liebsten sogar 400 Millionen Euro weniger ausgeben. Das ist diametral - wir können nicht sagen, dass wir mehr unternehmen wollen, auf der anderen Seite jedoch sagen, dass wir 400 Millionen Euro mehr einsparen müssen, als eigentlich vorgesehen ist. Das ist ein Problem für uns, aber wir sind noch in der Haushaltsdebatte. Sie sind frei, Anträge einzubringen, mit denen Sie uns nachweisen das ist noch nicht geschehen -, wie das zu finanzieren ist. Dann kann man diesen Gesichtspunkt noch einmal beleuchten.
Frau Muhß hat schon gesagt - das ist ja ein reales Problem und nicht herbeigeredet -, dass die Wehrdienstzeit verkürzt wird.
Ich würde gern die Thematik bezüglich der Lehrstellen hinterfragen, um deutlich zu machen - weil wir dem Antrag schon vorgreifen -, welche Bereiche von den Einsparungen betroffen sind. Haben Sie den Antrag tatsächlich im Detail gelesen, und konnten Sie an irgendeiner Stelle herauslesen, dass ein Aufwuchs entstehen sollte?