Protokoll der Sitzung vom 07.05.2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht eines vorweg, bevor ich zu meinem vorbereiteten Beitrag komme. Lieber Dieter Woidke, es wird nicht jeder wissen, aber zumindest der Kollege Ness wird es wissen: In Niedersachsen gab es einmal einen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Er wurde später Bundeskanzler, und in jenem Jahr hat der Verfassungsgerichtshof in Niedersachsen ihm einen verfassungswidrigen Haushalt bescheinigt. Das haben wir dann im Weiteren auch bei der damaligen Bundesregierung erlebt.

(Zurufe von der SPD)

Ich sage noch eines: Lieber Kollege Woidke, wenn das Land Brandenburg am Anfang nächsten Jahres Geberland ist, dann gestatten wir als Opposition Ihnen so viele Schulden aufzunehmen, wie Sie wollen; denn Nordrhein-Westfalen und Hessen sind ja Geberländer, wie du sicherlich weißt.

(Beifall CDU)

Zum Saarland vielleicht so viel: Da kennen sich ja SPD und Linke gleichermaßen aus. Dort gab es einen Ministerpräsidenten Lafontaine, dessen Land immer von der öffentlichen Wohlfahrt abhängig war, sich aber in der Landesvertretung des Saarlandes einen Fünf-Sterne-Koch geleistet hat. Das ist das, was wir auch in Ihrer Haushaltspolitik wiederfinden, meine Damen und Herren.

(Beifall CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, im Moment nicht. Ich möchte jetzt zu meiner Rede kommen. Kollege Görke, auf Sie komme ich noch zurück.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Haushalt für das Jahr 2010 treten wir - und man kann das sicherlich ohne Übertreibung sagen - in ein Jahrzehnt der Entscheidungen für unser Land ein. Denn im Jahr 2020 wird sich zeigen, ob wir ein selbstständiges und starkes Brandenburg oder aber ein Problemfall in der Bundesrepublik Deutschland werden.

Am 30. Oktober 2009 sagte Herr Markov der „Berliner Zeitung“ in einem Interview:

„Ich möchte, dass Brandenburg Prioritäten setzt. Die entscheidende Frage dabei ist: Wo ist die Vision des Landes? Wo will es hin?“

Ja, genau diese Frage stellen wir uns bei Ihrem ersten Haushalt. Nur, eine Antwort gibt es nicht. Die Eckpunkte und Rahmenbedingungen, die in den kommenden zehn Jahren die Handlungsfähigkeit unseres Landes prägen, wurden in diesem Hohen Haus bereits sehr oft dargestellt, man sollte daher eigentlich meinen, dass jeder der 87 Abgeordneten der fünf Fraktionen diese Fakten kennt und im Schlaf aufzählen kann. Weil aber der Haushaltsentwurf der Landesregierung diese Bedingungen absolut ignoriert, möchte und kann ich es Ihnen nicht ersparen, noch einmal auf die wesentlichen Punkte hinzuweisen.

Im Jahr 2020 wird Brandenburg durch die demografische Entwicklung einen Bevölkerungsrückgang von 2,5 auf 2,2 Millionen Einwohner erleben, keine Solidarpaktmittel erhalten - in diesem Jahr, Sie wissen es, sind es 1,25 Milliarden Euro -, nur noch über Einnahmen von 7,5 bis 8 Milliarden Euro verfügen. Im Moment sind es 10,5 Milliarden Euro, wie Sie wissen. Wegen der Schuldenbremse werden wir keine neuen Schulden aufnehmen dürfen, ich sage, Gott sei Dank. Dies sind keine vagen Prognosen, sondern feststehende und seit langem bekannte Tatsachen, die verantwortungsvolle Haushaltspolitik erfordern. Die Schuldenlast beträgt bereits heute 18,9 Milliarden Euro, das sind über 7 500 Euro pro Kopf. In diesem Jahr sind schon 7 % des Haushalts, also 750 Millionen Euro, allein für Zinsen aufzuwenden. Ohne Gegensteuern wird sich dieser Anteil bis 2020 auf 15 % verdoppeln. Dann wird jeder sechste Euro für Zinsen ausgegeben und nicht für Bildung, Straßen, Sicherheit, Kinder und Ähnliches mehr.

Anstatt zu sparen, wachsen die Ausgaben 2010 auf 10,5 Milliarden Euro, und die Neuverschuldung liegt nun bei stolzen

650 Millionen Euro. Ein Grund für den Kollegen Woidke, sich damit zu brüsten. Dabei werden doch 80 % der hart erwirtschafteten Rücklagen verfrühstückt. Und obwohl in Ihrem Koalitionsvertrag nur eine dünne Seite zum zentralen Thema Finanzpolitik steht, schaffen Sie es, selbst diese sehr allgemein gehaltenen Vorgaben zu missachten. Dort steht:

„Ausgabensteigerungen sind grundsätzlich durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen, neue Aufgaben durch Aufgabenreduzierungen an anderer Stelle zu kompensieren.“

Aber die zusätzlichen Ausgaben für Kita, öffentlichen Beschäftigungssektor oder Schüler-BAföG werden nur auf Pump finanziert.

Meine Damen und Herren, nun kann man sich fragen: Warum legt die Regierung so einen Haushalt vor? Die Antwort ist einfach. Dieser Haushalt ist das Spiegelbild des ersten halben Jahres von Rot-Rot in Brandenburg. Stückwerk, Mutlosigkeit und Unprofessionalität,

(Beifall CDU)

aber vor allem ein fehlendes Konzept sind Markenzeichen dieser Regierung. Im Wahlkampf und nach den Koalitionsverhandlungen hörte man bei den Linken oft das Wort „Politikwechsel“. 15 000 Bürger wollten Sie in einen öffentlichen Beschäftigungssektor bringen. Die SPD wiederholt gebetsmühlenartig ihre sogenannten K.o.-Forderungen, die nach der Wahl sofort umgesetzt werden sollten. Sogar Gesetzentwürfe gab es angeblich schon. Ein halbes Jahr danach können Sie nun schon gemeinsam das umsetzen, was Sie vollmundig angekündigt haben.

Aber wie sieht die Realität aus? Seit Beginn der Legislaturperiode befassen Sie sich mit sich selbst, sind wie gelähmt und haben so gut wie nichts auf die Reihe bekommen. In den Fachausschüssen, zum Beispiel im Umwelt- und Gesundheitsausschuss, müssen Abteilungsleiter auftreten, weil Minister und Staatssekretäre nicht können oder nicht wollen. Und bei landespolitisch wichtigen Projekten wie der ILA vertrödeln Sie wichtige Entscheidungen. Wir hoffen, es wird doch noch zu einem positiven Ergebnis für Brandenburg und Schönefeld kommen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

In einem Parteitagsantrag des SPD-Landesvorstands steht, dass die Brandenburger Sozialdemokraten einen Qualitätszirkel einrichten wollen. Dazu kann ich Sie nur ermuntern, denn mehr Qualität täte Ihnen in der Regierung wirklich gut.

(Beifall CDU)

Das schlimmste Urteil jedoch, meine Damen und Herren: Sie haben die Bürger getäuscht und hinters Licht geführt. Vorgestern sagte Minister Rupprecht an dieser Stelle, angesprochen auf Aussagen der SPD vor den Landtagswahlen - ich habe es mir notiert -:

„Politische Ansichten sind das eine, Realitäten das andere.“

Das Schüler-BAföG liegt nun als Gesetz vor. Aber was dabei gesetzgeberisch angeboten wurde, ist ein schlechter Witz. Von

den insgesamt 1,1 Millionen Euro, die im Haushalt für 2010 für das SPD-Lieblingsprojekt vorgesehen sind, sollen 315 000 Euro nur für Verwaltungskosten aufgewendet werden. Das heißt, ein Drittel des Geldes wird allein für Bürokratie ausgegeben. Solche Bürokratiemonster sind schädlich und sollten nach dem Sonderausschuss, dem Tina Fischer vorgestanden hat, der Vergangenheit angehören.

(Beifall CDU)

Zudem werden im Wissen um die Anrechnungsproblematiken die Leistungen für ALG-II-Bezieher nur für das Jahr 2010 geregelt. Es ist völlig unklar, was 2011 passiert.

Die Lehrergewerkschaft GEW liegt vollkommen richtig, wenn sie dieses Instrument als bloße Symbolpolitik bewertet und fordert, stattdessen mehr gegen Unterrichtsausfall zu unternehmen.

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)

Wer mehr Chancengleichheit will, muss viel früher anfangen. Diese Forderung des GEW-Chefs Günther Fuchs trifft den Kern. Wenn Kollege Woidke vorhin der Gewerkschaft vorgeworfen hat, mit ihren Forderungen und Feststellungen aus den letzten Tagen die eigene Klientel - Gewerkschafter - zu befriedigen, zu bedienen, dann stimmt das nicht. Die Gewerkschafter haben sich für die Zukunftschancen der Kinder ausgesprochen. Es ging da nicht um mehr Lohn oder Ähnliches,

(Beifall CDU)

sondern es ist von Experten nachgewiesen worden, dass das Schüler-BAföG an der falschen Stelle wenig oder nichts bewirkt. Ganz konkret hat Herr Fuchs gesagt: In der 5. oder 6. Klasse muss man eingreifen und fördern, wenn es Sinn machen soll. - Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Warum aber kommt dann ein solches Gesetz hier auf den Tisch? - Na klar, es ist ein Symbol. Es ist heute schon verschiedentlich von anderen Rednern auch auf die Sondierungsgespräche zur Bildung einer Landesregierung Bezug genommen worden. Ich hatte das Privileg, dabeisein zu dürfen - zumindest zweimal. Gerade bei dem Thema Schüler-BAföG habe ich gut in Erinnerung - dies sage ich stellvertretend für alle, die dabei waren -, wie Kollege Ness, als wir darüber diskutierten, ausführte: Dieses Schüler-BAföG hat für uns einen hohen bzw. Symbolwert. - Es geht tatsächlich um ein Symbol, es geht nicht um eine tatsächliche Wirksamkeit, und von daher hat nicht nur Herr Fuchs von der GEW Recht, sondern auch die Opposition, wenn sie sagt: Dieses Mittel ist nicht wirksam.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90)

Meine Damen und Herren, mit verantwortungsvoller Politik hat das nichts zu tun.

Kommen wir zum nächsten Bereich, zum öffentlichen Beschäftigungssektor. Auch hier wird mit Zahlen jongliert und werden Inhalte vorgegaukelt. Ein solcher Sektor hat noch nie als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt funktioniert.

(Schippel [SPD]: Soll er auch gar nicht!)

Und Berlin ist kein leuchtendes Vorbild. Erst streicht man öffentliche Aufgaben, um sie dann als zusätzliche Aufgaben von billigeren Arbeitskräften erledigen zu lassen. - Das ist nur nicht von mir, sondern von Frau Stumpenhusen, dennoch kann ich mich dieser Auffassung sehr wohl anschließen, auch wenn Herr Kollege Woidke erklärt hat: Das, was die Gewerkschaften hier erklären, ist im Grunde genommen völlig egal.

Abgesehen davon, dass allein die Idee, Arbeitsplätze direkt durch den Staat zu schaffen, ein Irrweg ist, setzt das Finanzierungskonzept dem Widersinn die Krone auf: Über fünf Jahre sollen 14 Millionen Euro für 8 000 Stellen eingesetzt werden. Das sind pro Teilnehmer 1 000 Euro pro Jahr, also 83 Euro monatlich. Sie wissen, Frau Wanka hat das schon damals vorgerechnet und als „Jobatrappe“ bezeichnet.

Das restliche Geld - es sollen immerhin für jeden Teilnehmer 1 200 bis 1 300 Euro monatlich sein - fehlt. Woher es kommen soll, ist unklar; vielleicht hören wir es noch. Wieder ist festzuhalten: Sie haben auch dafür kein Konzept.

Schließlich das dritte Beispiel für die Plan- und Ziellosigkeit dieser Koalition: der Mindestlohn. Vor der Landtagswahl im Juli 2009 verabschiedete die SPD-Fraktion einen Gesetzentwurf, der für alle öffentlichen Aufträge einen Mindestlohn vorschreiben sollte. Auch das war eines der sogenannten K.-o.Kriterien, das sofort nach der Wahl umgesetzt werden sollte. Auch die Linke klatschte damals Beifall. Und auch da hatte ich das Vergnügen, in den Sondierungsgesprächen mit Herrn Baaske dieses Thema zu behandeln oder zu „verhandeln“. Wir waren uns schnell einig, weil beide beteiligten Verhandlungspartner im Grunde genommen wussten, dass dieses Gesetz - egal, was darin steht - überhaupt keine Wirkung entfalten wird. Auch dies nur ein Stück Symbolpolitik ohne jeden Realitätsbezug und ohne jede Wirkung.

Nun sind sechs Monate ins Land gegangen, und von einem Mindestlohngesetz ist außer irgendwelchen umstrittenen Eckpunkten ebenfalls nichts zu sehen. Nicht, dass wir als CDU darüber unglücklich wären. Von mir aus können Sie dieses Gesetz auch gern wieder als K.-o.-Kriterium für die nächste Landtagswahl ankündigen. Auch hier derselbe Befund: kein Konzept.

Diese Beispiele zeigen eindeutig, dass die Linkskoalition nicht über eine bloße Ankündigungspolitik hinausgekommen ist.

In diese Reihe passt auch die Vorhersage von Kollegen Woidke ich möchte nur an das erinnern, was er vorhin sagte -: Wir halten, was wir versprechen. - In diese Reihe passt auch die Vorhersage des Ministerpräsidenten und der Landesregierung, dass es bis Ende 2009 in Brandenburg keine weißen Flecken mehr bei der Versorgung mit schnellen Internetverbindungen geben soll.

(Zuruf des Abgeordneten Krause [DIE LINKE])

Sie versprechen und kündigen an, doch am Ende ist alles nur heiße Luft.

(Krause [DIE LINKE]: Weil der falsche Partner da war!)