Genauso müssen Fachkräfte endlich für die gleiche Arbeit den gleichen Lohn erhalten, egal ob sie im Oderbruch oder in der Pfalz arbeiten. Es darf nicht weiterhin einen 11,3%igen Unterschied zwischen einer Ost- und einer Westrente geben. Das ist soziale Ungerechtigkeit, die in Brandenburg zum Fachkräftemangel beiträgt.
Ein ehemaliger Lehrer von mir benutzte immer eine Formulierung, die ich für dieses Problem passend finde: Die Lage ist ernst, jedoch nicht hoffnungslos. In diesem Sinne, werte Kolleginnen und Kollegen:
Lassen Sie uns, um die Zukunft sicherzustellen, heute gemeinsam mit Schule, Wirtschaft und Handwerk den Weg beschreiten und das Problem anpacken. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büchel. - Wir setzen die Rednerliste mit dem Abgeordneten Büttner von der FDP-Fraktion fort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Baer, Sie sprechen mit dem Mindestlohn offensichtlich ein Reizthema an, bei dem sich unsere Meinungen in der Bewertung zugegebenermaßen diamentral gegenüberstehen. Das gehört aber auch dazu. Sie sagen, wir würden mit unserem Entschließungsantrag eine konsequente Fortsetzung unserer Klientelpolitik betreiben. Wir sagen: Wir wollen eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, welche sich dauerhaft in höheren Löhnen niederschlägt, und die Berufs- und Studienorientierung an Brandenburger Schulen verbessern. Wir wollen den Bildungscheck in Brandenburg stärken. Wir wollen die Anzahl der Altbewerber deutlich reduzieren. Ich könnte damit fortfahren, aber wenn das die Klientelpolitik der FDP ist, dann kann ich sehr gut damit leben - vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr dankbar, dass wir uns noch vor der Sommerpause über die Sicherung der Fachkräfte in Brandenburg unterhalten. Sie alle wissen um die Brisanz dieses Themas.
Im Februar dieses Jahres ist die gemeinsame Fachkräftestudie der Länder Berlin und Brandenburg vorgelegt worden. Seit Februar sind die Ergebnisse der Studie bekannt, das Ministerium kannte sie sogar noch früher. Ende Mai fand eine Fachtagung zu besagtem Thema statt, auf der Vorschläge unterbreitet und Handlungsoptionen aufgezeigt wurden. Nun möchten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, der Regierung bis Mitte des kommenden Jahres Zeit geben, diesem Haus Vorschläge und Maßnahmen zu unterbreiten? Ihr Antrag hat nichts von Erneuerung und nichts von Aufbruchstimmung Worte, mit denen Sie die Landesregierung so gern beschreiben.
Lieber Herr Minister Baaske, Sie haben es auf der Fachkräftetagung Ende Mai richtig gesagt: In Brandenburger Unternehmen sind bereits heute 18 % der Fachkräftestellen unbesetzt. Das ist ein inakzeptabel hoher Wert, der beweist, wie viel wir an dieser Stelle aufzuholen haben und was in den vergangenen 10 bis 15 Jahren liegengeblieben ist. Wir alle sind verantwortlich für die Zukunft unseres Landes. Meine Fraktion scheut diese Verantwortung keinesfalls, weswegen wir eigene Vorschläge zur Bekämpfung des Fachkräftemangels vorlegen.
Unser Antrag ist ein ausgewogener Dreiklang, bestehend aus der Verbesserung des Übergangs von der Schule in die Ausbildung, aus der Sicherung und Qualifizierung des bestehenden Arbeitskräftepotenzials - insbesondere der Generation der über 50-Jährigen - und der Anwerbung gut ausgebildeter Beschäftigter aus anderen Bundesländern und - dies liegt mit Blick auf die bald eintretende Arbeitnehmerfreizügigkeit nahe, über die wir morgen sprechen werden - aus unserem Nachbarland Polen.
Der Aufbau eines Fachkräftestammes kann gar nicht früh genug beginnen. Wir möchten, dass Schüler bereits früh, in der Sekundarstufe I, in Kontakt mit Unternehmen der regionalen und überregionalen Wirtschaft treten. Unser Ziel ist es, dass sich die Schulabgänger ein möglichst breites Wissen über Ausbildungsberufe und die damit verbundenen Anforderungsprofile erwerben. Darin stimme ich im Übrigen völlig mit Ihnen überein, Kollege Büchel.
Gegenwärtig fokussiert sich die Mehrheit der Bewerber um einen Ausbildungsplatz in bekannten Berufen wie Einzelhandelskaufmann bzw. Einzelhandelskauffrau, Bürokaufmann bzw. -frau oder Kraftfahrzeugmechatroniker. An diesem Punkt sehen wir einen deutlichen Verbesserungsbedarf, um die Schüler besonders auf die Berufe hinzuweisen, in denen wir bereits heute, zumindest aber in den kommenden Jahren einen enormen Bedarf an gut ausgebildetem Personal haben werden. An diesem Punkt sind alle - ich betone: alle - gefordert: Politik, Wirtschaft, Schüler und nicht zuletzt die Studien- und Berufsberatung. An dieser Stelle möchte ich den Appell an Sie, Frau Ministerin Dr. Münch, richten, die Präsenzstellen der Fachhochschulen und Universitäten im Land Brandenburg zu erhalten. Sie sind wichtig, insbesondere für den ländlichen Raum, und ich höre aus den Präsenzstellen eine große Angst, dass sie wegfallen könnten. Zumindest sagt mir das die Präsenzstelle in meinem Wahlkreis in der Uckermark.
Die Stärkung und Qualifizierung des bestehenden Arbeitskräfteangebots stellt die größte und anspruchsvollste Aufgabe dar. Wir werden nicht umhinkommen, die Bildungs- und Wirtschaftspolitik enger mit der Arbeitsmarktpolitik, insbesondere mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes, zu verzahnen. Je stärker wir das Prinzip des lebenslangen Lernens in den Köpfen verankern können, desto schneller und umfangreicher werden wir auch den Fachkräftemangel angehen können.
Lassen Sie mich abschließend auch das dritte Fundament unseres Antrags skizzieren. Nicht nur die Unternehmen sind flexibel, nein, auch die Beschäftigten sind es geworden. Brandenburg, Deutschland, Europa - das sind die Stationen, die in vielen Erwerbsbiografien wie selbstverständlich vorkommen. Es wird Zeit, dass wir als Politik die richtige Antwort auf die grenzüberschreitende Arbeitsmigration finden. Lassen Sie uns den großen Wurf wagen und versuchen, eine gemeinsame Arbeitsmarktregion Brandenburg-Westpolen zu schaffen! Lassen Sie uns dafür einsetzen, die Unterschiede im Arbeitsrecht, die zwischen Polen und Brandenburg bestehen, schrittweise abzubauen.
Meine Fraktion und ich sind nicht blauäugig. Wir wissen, dass dieser Prozess Jahre, womöglich Jahrzehnte in Anspruch nehmen wird. Aber machen wir uns nichts vor: Der Weg zu einem stabilen Arbeitsmarkt in einer Region mit gut ausgebildeten Beschäftigten führt bei uns in Brandenburg künftig nur über eine europäische Perspektive. Senden wir ein Signal des Aufbruchs und beschreiten wir neue Wege! - Vielen Dank.
Herr Abgeordneter Büttner, das war eine Punktlandung. - Wir fahren mit dem Redebeitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fort. Frau Abgeordnete von Halem erhält das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Immer wieder hat man den Eindruck, der Einsatz gegen den seit Jahren angekündigten Fachkräftemangel gleiche dem Kampf gegen Windmühlen, den der spanische Ritter Don Quijote - alias die brandenburgische Landesregierung - gegen die sich stetig drehenden Mühlenflügel der demografischen Ent
wicklung führte; und doch lohnt es sich natürlich, genauer nachzuforschen, ob nicht zumindest die Rahmenbedingungen des scheinbar aussichtslosen Kampfes verändert werden können.
- CDU - mit etwas kritischerem Blick auf die Effektivität von Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie geeignete Unterstützungsmaßnahmen für kleine und mittelständische Unternehmen. Den Antrag der FDP-Fraktion mit der Ablehnung des Mindestlohns unterstützen wir nicht.
Neben der demografischen Entwicklung gibt es eine Menge weiterer Faktoren, die die Härte der Schläge der Mühlenflügel verursachen. Für manche ist die Landesregierung selbst verantwortlich, für manche nicht. Exemplarisch seien hier genannt: Warum steigt die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Haupschulabschluss - und damit ohne Aussicht auf eine Fachkraftkarriere - auf aktuell 13 % in Brandenburg drittletzter Platz bundesweit -, wo doch dieses Thema Anfang des Jahres zur Chefsache gemacht werden sollte? Warum hat sich laut Fachkräftestudie die Zahl der Ausbildungsbetriebe in Berlin-Brandenburg in den letzten Jahren um 21 % verringert? Was tun wir gegen den eklatanten Mangel an Berufsschullehrerinnen und -lehrern, und was mag es bedeuten, wenn ein für Lehrerausbildung zuständiger Professor der Uni Potsdam den Bildungsminister im Bildungsausschuss auffordert, er möge ihn doch einmal informieren, welche Fachkombinationen für künftige Lehrer aussichtsreich sind? Das würden die Studierenden sicher gern erfahren. Viele weitere konkrete Punkte wurden von meinen Vorrednern genannt. Da gibt es durchaus Windmühlenflügel, die den armen Ritter mit aller Härte malträtieren.
Was tun? Die Regierung ist aufgefordert, zu berichten und konkrete Schritte zu ergreifen. Sie ist dabei in der höchst komfortablen Situation, sich aus der Vielzahl der Maßnahmen aus der bereits seit Frühjahr vorliegenden gemeinsamen Fachkräftestudie die aus ihrer Sicht richtigen und zielführenden aussuchen zu können. Wir Bündnisgrünen können uns gut vorstellen, bei der Suche nach Fachkräften sowohl das Nachbarland Polen stärker in den Blick zu nehmen als auch den hier lebenden Ausländerinnen und Ausländern endlich die Anerkennung ihrer im Ausland erworbenen Berufsqualifikation zu erleichtern und dann in der Hauptsache das ceterum censeo - Bildung, Bildung, Bildung - als lebenslange Aufgabe zu erfüllen.
Don Quijote gibt sich zum Ende seiner Geschichte den Beinamen „Ritter von der traurigen Gestalt“. So weit will ich den Vergleich natürlich nicht treiben, dazu ist das Anliegen zu wichtig. Schade nur, dass wir auf die konkreten Vorschläge der Landesregierung noch ein ganzes Jahr warten müssen.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete von Halem. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Herr Minister Baaske, Sie haben das Wort.
Frau Vizepräsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die anregende Debatte zum Thema Fachkräfte. Es ist im Wesentlichen alles gesagt. Ich möchte aber noch einmal auf die Probleme eingehen, die mir der CDUbzw. FDP-Antrag macht.
www.lasa-brandenburg.de - dort bekommen Sie all die Informationen, nach denen Sie fragen: welche Unterstützungsmöglichkeiten es für KMU gibt usw.
(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Die kriegen Sie auch unge- fragt! - Frau Schulz-Höpfner [CDU]: Danach hatte ich nicht gefragt!)
- Doch, das steht in Ihrem Antrag, der das ergänzt. Das steht, denke ich, ausreichend auf der Homepage. Darüber muss man nicht noch einmal künstlich berichten. Im Übrigen: Als Sie gesprochen haben, waren aus Ihrer Fraktion gerade einmal drei Abgeordnete anwesend. Das Interesse an dem Antrag scheint selbst in der antragstellenden Fraktion nicht allzu groß zu sein, sodass ich glaube, wir können ihn mit Fug und Recht und guten Gewissens ablehnen.
An die FDP-Fraktion: Herr Büttner, ich weiß ja, dass Sie ein wenig wider den Stachel löcken wollen, wenn Sie hineinschreiben: Wir wollen, dass sich die Regierung von der Mindestlohnforderung verabschiedet. - Wollen Sie sich melden, Herr Senftleben? -
Herr Büttner, Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass in dieser Republik 2,2 Millionen Menschen weniger als 6 Euro Stundenlohn verdienen. In dieser Republik leben ungefähr 1,2 Millionen Menschen, die weniger als 5 Euro verdienen. Ich höre immer das Getöne von der FDP zum Thema Leistungsgerechtigkeit. Ich frage Sie allen Ernstes: Was ist daran leistungsgerecht, wenn eine Friseurin für 4,50 Euro oder weniger pro Stunde den ganzen Tag lang arbeitet? Das ist doch alles andere als leistungsgerecht! Da sagen Sie, wir sollen uns von Mindestlöhnen verabschieden. Einen Deibel werden wir tun,
unter anderem auch deshalb, weil wir meinen, dass ein ordentliches Lohnniveau dazugehört, wenn man Fachkräfte halten will.
Ich finde die Frage, die in dem Antrag gestellt wird, wie es denn eigentlich um die Abwanderung steht, sehr spannend. Die Abwanderung ist ein riesengroßes Problem für die Fachkräftesituation. Es ist richtig, dass wir ein demografisches Problem haben, weil zu wenig Kinder geboren werden und weil viele Leute jetzt in Rente gehen. Es ist aber zweifelsohne auch so,
dass derzeit 12 000 junge Leute zwischen 18 und 30 Jahren jedes Jahr unser Land verlassen, zum großen Teil deshalb, weil sie schlicht und ergreifend jenseits von Harz, Elbe und Thüringer Wald anders bezahlt werden als hier. Das ist die Realität, der man sich stellen muss. Dazu gehört auch, dass die Leute hier anständig bezahlt werden. Sonst wird es schwierig sein, sie hier zu halten und zu beschäftigen.
Weil im Zusammenhang mit dem Thema Mindestlohn immer wieder das typische Beispiel der Friseure gebracht wird, frage ich Sie, Herr Minister Baaske: Sind Sie der Meinung, wir haben zu wenig Friseure in Brandenburg? Ich finde es erstaunlich, dass die Frage des Fachkräftemangels und des Mindestlohns immer wieder an diesem Beispiel erörtert wird. Also ganz klar die Frage: Sind Sie der Meinung, wir haben in Brandenburg zu wenig Friseure?
Frau Dr. Ludwig, ich würde die Frage gern zurückgeben: Sind Sie der Meinung, wir haben zu wenig Banker bei uns in Brandenburg - oder etwa zu viel? Wir haben viel zu viel von den Leuten, die Derivate und sonstige Produkte verticken, und die kriegen ein Schweinegeld dafür. Es geht nicht darum, ob wir zu wenig oder zu viel haben. Es geht darum, dass Leute den ganzen Tag für diesen geringen Lohn arbeiten. Das hat nichts damit zu tun, wie viele wir von ihnen haben.