Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

(Görke [DIE LINKE]: Nein, der ist sprachlos!)

Dann erhält Abgeordnete Wöllert von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, dem, was hier gesagt wurde, muss man schon noch einiges hinzufügen. Ich finde es ziemlich enttäuschend, Herr Kollege Beyer, dass Sie versuchen, sich mit dem Murks, den Sie und Ihr Bundesgesundheitsminister vorgelegt haben, hinter der SPD und der ehemaligen Gesundheitsministerin zu verstecken; das steht Ihnen nicht besonders gut zu Gesicht.

Um zu den vielen Gesundheitsreformen - ich beginne einmal mit 1993 - noch etwas zu sagen: Alle diese Reformen und Gesetzesvorlagen haben bis auf eine den Versicherten in die Tasche gegriffen. Das war, als Rot-Grün ein durchaus sympathisches Gesetz mit dem schönen Namen „Solidaritätsstärkungsgesetz“ einbrachte. Das war das erste Gesundheitsreformgesetz von Rot-Grün. Hier wurden beispielsweise Zuzahlungen von Versicherten zurückgenommen, die unter der Kohl-Regierung vorher eingeführt worden waren. Leider haben Sie sich dann in der Großen Koalition mit Ihrem letzten Gesetz verabschiedet, das „Wettbewerbsstärkungsgesetz“ hieß, das genau das Gegenteil von Ihrem ersten Gesetz war und leider zu den Zusatzbeiträgen geführt hat, bezüglich derer wir auch damals schon gesagt haben, dass Sie damit den Versicherten weiter in die Tasche greifen. Ich denke, das musste hier noch einmal gesagt werden. Aber ich finde, es ist toll, dass wir alle lernfähig sind und jetzt gemeinsam doch die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Immerhin zahlen die Menschen schon heute 33 Milliarden Euro jährlich privat für zusätzliche Ge

sundheitsausgaben. Es ist ein ungeheurer Anteil, der schon jetzt privat gezahlt wird. Noch etwas, Herr Beyer: Sie sagten, es sei sozial, was Sie verabschieden. Sie nennen das sozial, aber es ist nicht sozial! Genau diesen Unterschied müssen Sie begreifen. Anscheinend ist das die Sache, die ziemlich schwierig zu machen ist.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Ludwig [CDU])

Sie wollen die Arbeitgeber jetzt völlig aus der Belastung herausnehmen. Ich weiß gar nicht, wie Sie immer darauf kommen, dass dadurch Arbeitsplätze geschaffen würden. Sie nehmen sie damit aber auch aus der Verantwortung und aus dem Interesse an der Gesundheit ihrer Mitarbeiter heraus. Die brauchen sie nicht mehr zu haben, denn ihnen sind die Kosten egal, für sie bleiben sie gleich. Sie sind gar nicht daran interessiert, dass die Kosten sinken.

Lassen Sie mich noch eines sagen, Herr Prof. Schierack: Der Sicherstellungsauftrag für die fachärztliche und hausärztliche Versorgung wird nicht per Landesgesetz geregelt, sondern das ist im SGB V verankert. Das ist Bundesgesetz. In diesem neuen Reformgesetz findet sich kein Wort über eine vernünftige Verteilung der Ärzte, damit sie dort vorhanden sind, wo sie notwendig sind. In unserer Krankenhausplanung, für die wir zuständig sind, werden Sie nicht finden, dass hier Krankenhäuser geschlossen werden sollen, damit es kostengünstiger wird. Wir investieren hier weiter. Also: Die Politik, die wir hier im Land machen, ist schon in Ordnung.

(Senftleben [CDU]: Seit neun Monaten ist sie nicht mehr in Ordnung!)

- Haben Sie etwas anderes gehört? In Ihrer Region wird ja auch das Märchen verbreitet, das Blindengeld würde gekürzt. Dabei ist das - dort finden Unterschriftensammlungen statt - in dem CDU/FDP-regierten Schleswig-Holstein der Fall. In unserer letzten Sozialausschusssitzung hat Herr Baaske noch einmal erklärt, dass es an diesen Stellen bei uns keine Kürzung geben wird. Das ist genau das, was wir unter sozial verstehen.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, damit ist der Redebedarf zur Aktuellen Stunde erschöpft, ich schließe die Aktuelle Stunde und damit den Tagesordnungspunkt 2. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 3 auf.

(Frau Geywitz [SPD]: Wir haben die Entschließungsan- träge noch gar nicht gehabt!)

- Entschuldigung, ich muss mich auch erst daran gewöhnen: Wir müssen zunächst die Entschließungsanträge verabschieden. Es liegt Ihnen in Tagesordnungspunkt 2 der Entschließungsantrag in der Drucksache 5/2073 der Koalitionsfraktionen vor, den ich jetzt zur Abstimmung stelle. Wer ihm Folge leisten möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dieser Entschließungsantrag ohne Enthaltungen bei einigen Gegenstimmen angenommen.

Jetzt schließe ich Tagesordnungspunkt 2 endgültig und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplanes des Landes Brandenburg für das Haushaltsjahr 2011 (Haushaltsgesetz 2011 - HG 2011)

Gesetzentwurf der Landesregierung

Drucksache 5/2000

1. Lesung

in Verbindung damit:

Finanzplan des Landes Brandenburg 2010 bis 2014

Unterrichtung der Landesregierung

Drucksache 5/2001

und

Unterrichtung des Landtages über die Fortschreibung der Personalbedarfsplanung bis 2014 (gemäß Artikel 1 § 3 Absatz 3 Haushaltssicherungsgesetz 2003)

Unterrichtung durch die Landesregierung

Drucksache 5/2021

Die Debatte wird mit dem Beitrag der Landesregierung eröffnet. Herr Minister Dr. Markov spricht.

Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Gemeinsinn und Erneuerung - ein Brandenburg für alle“, das ist die Kernbotschaft und die Überschrift der Koalitionsvereinbarung zwischen den Koalitionspartnern SPD und die Linke.

Jeder Haushalt hat sich daran zu messen, ob dieses gemeinsam artikulierte politische Ziel finanztechnisch untersetzt wird. Das bedeutet, wir haben gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass die Bürgerinnen und Bürger in Brandenburg das Gefühl und die Überzeugung haben, dass es gerecht zugeht. Wir müssen dafür sorgen, dass sie das Gefühl haben, dass es für sie eine Lebensperspektive in diesem Land gibt und ihre bisherige Lebensleistung gewürdigt wird. Dies alles gilt unter dem Gesichtspunkt, dass Brandenburg klug haushalten und Prämissen beim Mitteleinsatz festlegen muss. Wenn auf der einen Seite der Mitteleinsatz verstärkt wird, müssen auf der anderen Seite Einsparungen erfolgen. Anders ist es nicht möglich, wenn man die Nettokreditaufnahme nicht nach oben schrauben will, sondern die Verschuldung sukzessive gen null zu fahren versucht.

Das, was die Koalition in ihrer Koalitionsvereinbarung beschlossen hat, hat Bestand; das setzen wir um. Das gilt auch für Zeiten, in denen die Rahmenbedingungen relativ schwierig sind. Wir hatten die größte Wirtschafts- und Finanzkrise seit vielen, vielen Jahren. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz

bescherte uns zusätzliche Steuermindereinnahmen. Es ist gesetzlich geregelt, dass die Mittel aus dem Solidarpakt II bis zum Jahr 2020 abgesenkt werden und das Land Brandenburg somit jährlich 100 Millionen Euro weniger im Landeshaushalt hat. Wir werden, weil Brandenburg sich gut entwickelt hat - das ist etwas Positives -, ab 2014, also ab Beginn der neuen Finanzperiode der Europäischen Union, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit über weniger Mittel aus den europäischen Töpfen verfügen. Wir haben steigende Pensionsbelastungen in unserem Haushalt, und es besteht Ungewissheit über die Refinanzieung der vom Land bisher getätigten Kreditaufnahmen. Die Bundesregierung betreibt eine Steuerpolitik, die meiner Ansicht nach nicht dazu beiträgt, auf gerechte Art und Weise Mittel einzunehmen und umzuverteilen. Nötig wären eine Börsenumsatzsteuer, die Einführung einer Vermögensteuer und die Anhebung des Spitzensteuersatzes. Deswegen ist Brandenburg im Bundesrat mit einer entsprechenden Initiative aktiv geworden.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Das heißt, uns muss der Spagat zwischen unserer sozialen Verantwortung und der Förderung von nachhaltigen Entwicklungspotenzialen des Landes gelingen. Gleichzeitig muss die Tatsache der geringer werdenden finanziellen Mittel berücksichtigt werden.

Der Gesamthaushalt 2011 im Verhältnis zu 2010 minimiert sich von etwa 10,5 Milliarden Euro auf 10,064 Milliarden Euro. Insgesamt stehen rund 450 Millionen Euro weniger zur Verfügung. Die Landesregierung hat sich in ihrer mittelfristigen Finanzplanung dazu verpflichtet, die Nettokreditaufnahme in 150-Millionen-Euro-Schritten - jeweils pro Jahr - zu senken. Im Jahr 2010 lag die maximal mögliche Nettokreditaufnahme bei 650 Millionen Euro. Wir haben uns vorgenommen, im Jahr 2011 mit einer Nettokreditaufnahme von maximal 500 Millionen Euro auszukommen. Das war der Stand vor der MaiSteuerschätzung, mit der uns für das Jahr 2011 zusätzliche Steuermindereinnahmen in Höhe von 70 Millionen Euro und für 2012 und 2013 zusätzliche Mindereinnahmen von jeweils 110 Millionen Euro prognostiziert wurden. Nichtsdestotrotz haben wir uns der Aufgabe gestellt, es bei der Absenkung der Nettokreditaufnahme zu belassen, und gleichzeitig das, was wir den Bürgern versprochen haben, nämlich die Prioritäten auf die Bereiche Bildung und Wissenschaft zu setzen sowie in die Wirtschaft zu investieren, fortzusetzen.

Sie alle können sich gewiss noch an die Debatten zum Haushalt 2010 erinnern. Vor der Haushaltsaufstellung - nach der MaiSteuerschätzung - bestand für das Haushaltsjahr 2011 eine Deckungslücke von 409 Millionen Euro. Das heißt, man wusste, dass 409 Millionen Euro entweder durch Einnahmesteigerung oder Ausgabebeschränkungen ausgeglichen werden müssen. Das ist mit diesem Haushalt gelungen. Wir haben über Einnahmesteigerungen in Höhe von 139 Millionen Euro und Ausgabesenkungen in Höhe von 270 Millionen Euro einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt, und ich meine, das ist eine umso erstaunlichere Leistung, als wir unseren Prioritäten gefolgt sind.

(Frau Dr. Ludwig [CDU]: Hat er gerade „ausgeglichener Haushalt“ gesagt?)

Wir haben für 2011 - das ist die erste komplette Jahresscheibe in der neuen Legislaturperiode - erhebliche zusätzliche Mittel in die Bildung investiert. Der Aufwuchs von 2010 zu 2011 beträgt 50 Millionen Euro. Diese zusätzliche Summe steht für

Investitionen in die Köpfe, für Bildung, für Chancengleichheit und Zukunftsfähigkeit zur Verfügung.

(Beifall DIE LINKE und SPD)

Dies ist durch schnelle Umsetzung von im Koalitionsvertrag stehenden Vorgaben und Maßnahmen gelungen. Zusätzliche Mittel wurden für die Veränderung des Betreuungsschlüssels in den Kindergärten und Kinderkrippen aufgewendet; das sind in einer vollen Jahresscheibe immerhin 44 Millionen Euro. Wir haben das Schüler-BAföG eingeführt, um Kindern aus weniger gut besattelten Familien die Chance zu geben, zum Abitur zu gelangen - durch das sie später bessere Ausbildungsmöglichkeiten haben -, und nicht gezwungen sind, die Schule nach der 10. Klasse zu verlassen, um einen Beruf zu erlernen und die Familie finanziell zu unterstützen. Wir haben den öffentlichen Beschäftigungssektor eingeführt, um auch denjenigen, die sich schon sehr lange in Arbeitslosigkeit befinden, wieder eine Perspektive zu geben, und zwar mit einem Einkommen, das sie nicht zwingt, beim Amt zusätzliche Mittel zum Lebensunterhalt zu beantragen; damit wird ihnen ihre Würde wiedergegeben. Das Programm - das konnte man in den letzten Tagen feststellen - ist sehr gut angelaufen.

Was die Einnahmesteigerungen angeht, so gibt es Einnahmesteigerungen permanenter Art, insbesondere die Erhöhung der Grunderwerbsteuer, und Einnahmesteigerungen einmaliger Natur. Es ist mit privaten Haushalten vergleichbar. Entnahmen aus der Sparbüchse werden als Einnahme gewertet. Das ist beim Landeshaushalt nicht anders. Hinsichtlich der Anhebung der Grunderwerbsteuer gab es viele Diskussionen. Ich möchte Vergleichszahlen nennen. Beim Kauf einer Eigentumswohnung für 100 000 Euro beträgt die Mehrbelastung durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 % auf 5,0 % 1 500 Euro.

(Burkardt [CDU]: Das ist ein Nettomonatsgehalt!)

Beim Kauf eines Grundstücks mit einer Durchschnittsflächengröße von 500 m2 - dieser Wert ist höher als der tatsächliche Durchschnittswert im Land Brandenburg - mit einem Quadratmeterpreis von 100 Euro beträgt die Mehrbelastung für den Erwerb des Grundstücks 750 Euro. Ich glaube, das ist moderat, das ist angemessen. Im Übrigen wird auch von vielen anderen Bundesländern dieser Weg gegangen.

Die Grunderwerbsteuer ist fast die einzige Steuer, die das Land in eigener Hoheit hat.

(Beifall der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Bei den Ausgaben standen wir natürlich unter dem Druck und dem Zwang, nach Möglichkeit nicht nur einmalig zu sparen, sondern solche Vorschläge zu unterbreiten, solche Ausgabenminimierungen zu machen, die sich auch in den Folgejahren fortschreiben. Ich will das einfach noch einmal wiederholen, damit man sich die Zahlen auch vergegenwärtigt: Nach der Steuerschätzung vom Mai betrug das auszugleichende Minus 657 Millionen Euro im vorgesehenen Haushalt 2012. Im Jahre 2013 lag es etwa in der gleichen Größenordnung. Für 2014 lief es auf 430 Millionen Euro hinaus, weil wir da die Steuerausfälle noch nicht berücksichtigt hatten.

Wenn man sich jetzt anschaut, wo wir gespart haben, muss man Folgendes beachten: Wir haben gesagt, eine Industriegesell

schaft verändert sich. Das heißt, das häufig zitierte „Investitionen in die Köpfe“ macht das Land Brandenburg jetzt. Das heißt natürlich dann auch, dass man anderswo spart. Wir haben vorrangig im investiven Bereich gespart, weil sich das Land Brandenburg durch die sehr hohen Mittel, die uns zur Verfügung standen, entwickelt hat.

Ich möchte Ihnen sagen: Wir werden trotzdem 2011 noch Investitionsmittel in Höhe von 1 700 000 000 Euro zur Verfügung haben. Es stimmt, das sind 140 Millionen weniger als im Jahre 2010. Wir werden in der mittelfristigen Finanzplanung die Investitionssumme auf etwa 1 350 000 000 Euro absenken. Dann werden wir immer noch eine Investitionsquote haben, die bei 14,3 % liegt.

Die heutige Durchschnittsinvestitionsquote der westlichen Flächenländer liegt bei 9,4 %. Meine Damen und Herren, Sie werden doch nicht sagen, dass, wenn man nach Bayern fährt, dort das Abendland in Gefahr ist, weil die Investitionsquote so gering ist.