Protokoll der Sitzung vom 06.10.2010

Jeder weiß, dass der Haushalt in Zukunft so nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. 2 Milliarden Euro weniger Einnahmen bis 2019, feste Ausgabenblöcke, die stetig steigen. Aber nein, Augen zu und durch! scheint das Motto dieser Landesregierung zu sein.

Wo sind die Antworten auf drängende Zukunftsfragen? Wie sieht es mit der Entwicklung des ländlichen Raums unter den Gegebenheiten des demografischen Wandels aus? Wie sieht die Zukunft nach der Braunkohle aus? Welche Zukunftstechnologien wollen wir in Brandenburg haben? Was ist mit der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum? Wie stellen Sie sich das zukünftige Zusammenleben von Jung und Alt vor? Wird die Landwirtschaft noch eine Zukunft im Land Brandenburg haben?

Man kann wirklich viel Verständnis für die jetzige Landesregierung haben, die keine Zeit hatte, sich mit dieser Zukunft zu beschäftigen: zu viele Skandale, zu viele hausgemachte Probleme.

(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])

Aber unsere Brandenburger und vor allem unsere jüngere Generation, die wir hier behalten wollen, hat dafür kein Verständnis und erst recht nicht dafür, Herr Platzeck, dass Sie immer wieder die Opposition in einer Art und Weise angreifen und diffamieren, die - gelinde gesagt - Hilflosigkeit ausdrückt.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90 - Bischoff [SPD]: Oh, oh!)

Nicht die Opposition - ich sage das ausdrücklich -, nicht die Opposition, sondern Sie selbst haben Ihre Skandale und Ministerrücktritte zu verantworten. Dass Ihnen das unangenehm ist, kann ich nachvollziehen, aber das ist nicht unser Problem.

(Beifall CDU, FDP und GRÜNE/B90 - Zurufe von SPD und DIE LINKE)

All die Jahre hat sich die SPD zu sehr daran gewöhnt, dass unser Land lange Zeit keine vernünftige Opposition hatte.

(Lachen und anhaltender Beifall bei SPD und DIE LINKE)

- Genau. Wir und auch die Bürger des Landes Brandenburg scheinen uns jetzt daran gewöhnen zu müssen, dass unser Land keine vernünftige Regierung hat.

(Görke [DIE LINKE]: 21 %!)

„Nun schlagen wir ein neues Kapitel der Landesgeschichte auf“, ein Zitat aus der jetzt schon erwähnten Regierungserklärung. Das ist kein Zitat von mir. Schön, dass Sie sie so kommentieren. Herr Platzeck, ja, Sie haben ein neues Kapitel aufgeschlagen, aber ein düsteres, ein trauriges, ein rückwärtsgewandtes Kapitel. Sie schaffen kein Brandenburg für alle, sondern ein Brandenburg, das die Chancen der Zukunft verschenkt, ein Brandenburg, das bundesweit nur noch mit unappetitlichen Skandalgeschichten Schlagzeilen macht. Ich sage

ganz klar: Eine solche Regierung hat unser stolzes Land Brandenburg nicht verdient.

(Anhaltender Beifall CDU und FDP - Zurufe von der SPD: Oh! Oh!)

Der Abgeordnete Holzschuher spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir feiern in diesem Jahr 20 Jahre deutsche Einheit, das heißt, wir feiern gleichzeitig auch 20 Jahre Wiedergründung unseres Jahrhunderte alten, nur zum Teil neuen Bundeslandes Brandenburg. Das, was in diesen 20 Jahren hier vor Ort geleistet wurde, ist zunächst einmal Anlass, stolz darauf zu sein, wie sich unser Land, unser Brandenburg entwickelt hat.

(Beifall SPD - Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

Alle Brandenburgerinnen und Brandenburger haben ihren Anteil daran, dass wir so gut dastehen, wie wir heute dastehen. Wenn man die Nachrichten und Fakten der letzten Wochen und Monate sieht, was die wirtschaftliche Situation des Landes angeht, brauchen wir uns weiß Gott nicht zu verstecken. Brandenburg stand bei der Arbeitslosigkeit noch nie so gut da wie heute. Wir haben die meisten ostdeutschen Länder überholt. Die 10-%-Marke ist fast erreicht. Davon haben wir in den 90er Jahren - wir erinnern uns noch - geträumt. Brandenburg ist das wirtschaftlich dynamischste Bundesland. Das sagt die Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“, die nicht verdächtig ist, immer nur rot-rote Landesregierungen zu unterstützen. Wir sind das wirtschaftlich dynamischste Bundesland. Wir stehen an der Spitze aller Bundesländer bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Haushaltskonsolidierung ist in Brandenburg wesentlich erfolgreicher als in den meisten anderen Bundesländern.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])

In Ihrer heutigen Presseübersicht - Sie haben sie vorliegen - befindet sich eine Statistik aus dem „Handelsblatt“, aus der hervorgeht, wie gut Brandenburg im Verhältnis zu anderen Bundesländern dasteht. Was die Schulden angeht, sind weiß Gott nicht nur SPD-geführte, sondern auch ganz tiefschwarzgeführte Bundesländer ganz weit oben in den roten Zahlen.

Wie ich bereits sagte, können wir alle stolz darauf sein, dass wir so gut dastehen. Das ist ein Gemeinschaftswerk, an dem viele in diesem Land Anteil haben. Auch die CDU, Frau Kollegin Ludwig, hat daran ihren Anteil.

(Bischoff [SPD]: Ja! - Frau Melior [SPD]: Jawohl!)

Wir haben hier mit Ihnen gemeinsam über Jahre hinweg dafür gearbeitet, dass wir so gut dastehen wie heute. Dafür gebührt Ihnen unser Dank. Das ist ein Gemeinschaftswerk. Deswegen wundere ich mich schon ein bisschen über Ihre Rede und darüber, wie Sie das, was wir im gemeinsamen jahrelangen Handeln erreicht, umgesetzt und durchgesetzt haben, so schlechtmachen können, dass wir uns plötzlich Asche aufs Haupt schütten müssen, obwohl doch die Daten - ich habe es gerade gesagt - ganz andere sind.

Johannes Rau hat Politik immer nach dem Motto betrieben: Sage, was Du tust, und tue, was Du sagst. - Das ist auch unser Motto. Das ist das Motto der Sozialdemokraten in diesem Land in den vergangenen 20 Jahren gewesen. Auch deswegen steht Brandenburg so gut da, weil die Brandenburgerinnen und Brandenburger wissen, in Brandenburg ist Politik verlässlich. Wir sagen das, was gemacht werden muss. Wir sprechen es offen aus.

Wir haben vor der Wahl gesagt, wir wollen mehr in unsere Kinder investieren. Deswegen haben wir das Kita-Gesetz geändert. Deswegen wird der Betreuungsschlüssel verbessert. Das war unsere Forderung, und wir haben sie nach der Wahl umgesetzt. Wir haben gesagt: Wir wollen mehr in Bildung investieren. Wir stellen zum ersten Mal, seit es dieses Bundesland gibt, neue Lehrer in Größenordnungen ein, in diesem Jahr über 400 - in dieser Größenordnung wird es in den nächsten Jahren weitergehen - junge Lehrerinnen und Lehrer, die in den Schulen dazu beitragen werden, dass sich unser Land auch im Bildungssektor weiterentwickelt. Das haben wir vorher gesagt und wir haben es umgesetzt.

Wir haben gesagt, wir wollen mehr für soziale Gerechtigkeit tun, und deswegen haben wir ein Schüler-BAföG eingeführt, damit Kinder aus einkommensschwachen Familien bessere Chancen für das Abitur haben. Deswegen haben wir auch das Programm „Arbeit für Brandenburg“ eingeführt, damit gerade ältere Langzeitarbeitslose eine faire Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen.

All diese Programme sind seriös ausfinanziert, auch im kommenden Jahr. Aber wir sagen eben auch, was schwierig wird; auch das sprechen wir offen an. Wir wissen, wir können nicht für alles und jedes, was wünschenswert ist oder nützlich wäre, mehr Geld ausgeben. Das ist mitnichten der Fall.

In den kommenden zehn Jahren wird sich die Lage unseres Landeshaushaltes deutlich verändern. Wir werden weniger Mittel aus dem Solidarpakt erhalten. Bis 2019 gehen diese Mittel auf null zurück - von jetzt 1,1 Milliarden Euro. Wir werden auch weniger EU-Mittel erhalten, weil wir nicht mehr Ziel-1-Gebiet sind. Das ist im Übrigen auch eine Art Normalisierung. Wir sind eben nicht mehr eine der ärmsten Regionen in Europa, das ist doch an sich etwas Gutes. Wir werden auch aufgrund des demografischen Wandels - der unaufhaltsam kommt, das muss man auch offen sagen - und des damit einhergehenden Bevölkerungsrückganges weniger Mittel zur Verfügung haben, vielleicht etwa 380 Millionen Euro, so lautet die Prognose bis 2020. Wir müssen also damit rechnen, dass unser Haushaltsvolumen bis 2020 von 10 auf 8 Milliarden Euro sinkt.

Das ist erst einmal überhaupt kein Grund zur Panik, denn was da passiert, ist nichts anderes, als dass sich Brandenburg auf dem Weg in die Normalität befindet. Wir werden 2020 auf dem Niveau sein, auf dem Länder wie Schleswig-Holstein oder Niedersachsen bereits heute sind. Das ist nichts, wovor man Angst haben müsste, nichts zum Erschrecken. Es ist etwas, womit wir sehr gut leben können, und ich bin überzeugt, dass 2020 das Land Brandenburg, unser gemeinsames Heimatland, weiterhin ein lebens- und liebenswertes Land sein wird.

Aber wir müssen uns darauf einstellen. Wir müssen jetzt sagen, was kommt, und das tun, was getan werden muss, um den Haushalt in die entsprechende Richtung zu bringen. Das heißt zunächst, wir müssen Prioritäten setzen. Wir dürfen nicht einfach mit dem Rasenmäher über die Ausgaben hinweggehen,

wir müssen Geld effizienter einsetzen und dort verstärkt investieren, wo es wirklich wichtig ist. Das haben wir immer wieder gesagt, und ich sage es auch jetzt: Das zentrale Thema der Zukunft in unserem Land ist: Wir müssen in Bildung investieren, in die Jugend, um denen die besten Chancen zu geben, hier vor Ort ein gutes Leben zu führen. Das ist die Zukunftsaufgabe der nächsten Jahre. Dort wollen wir nicht ansetzen, dort müssen wir Prioritäten wahren. Deshalb wird der Anteil der Ausgaben für Bildung und Wissenschaft am Landeshaushalt von derzeit 15,6 % auf 17,6 % ansteigen.

Wir müssen aber auch sagen, wo wir weniger Geld zur Verfügung haben; denn im Kern werden wir unseren Landeshaushalt auf das Niveau führen, das in Westdeutschland üblich ist. Deshalb können wir eben auch weniger investieren. Natürlich wünschen wir uns alle mehr Investitionen, mehr Geld und noch mehr Straßen und Landesbauten. Das wollen wir alles, aber es ist eben nicht drin, und es ist in anderen, westdeutschen Ländern schon lange nicht drin, aber die leben dort auch und sind dort glücklich und zufrieden. Das muss man so offen aussprechen. Wir sagen das jetzt. Und wenn die Investitionsquote in den nächsten Jahren sinkt, dann ist das ein Prozess der Normalität. Damit müssen wir uns abfinden. Aber es ist nichts, woran wir verzweifeln müssen. Wir haben doch, verdammt noch mal, in den 20 Jahren hier so viel geschaffen.

(Leichte Heiterkeit bei der SPD)

Ich will nicht von blühenden Landschaften reden, aber ich will schon darauf hinweisen, dass sich die Infrastruktur dieses Landes so unendlich von dem unterscheidet, was wir alle hier vor 20 Jahren noch vorgefunden haben. Das ist doch etwas, wo wir wirklich etwas geleistet haben. Wir sind deswegen nicht, wie manche in der CDU meinen, auf dem Rückweg in die DDRSituation, was die Investitionen betrifft. Ganz gewiss nicht, das ist ein anderes, ein modernes Land, und auf dem, was wir geschaffen haben, aufbauend, können wir es uns auch leisten, ohne Panik in den nächsten Jahren weniger zu investieren.

Übrigens - nun muss ich doch noch auf das eingehen, was Sie sagten, Frau Ludwig -: Natürlich erwarte ich von einer konstruktiven Opposition, dass sie etwas dazu beiträgt, wie sich das Land in Zukunft positiv verändern könnte. Das wollen doch die Menschen wissen. Sie erwarten doch von uns, dass wir dazu Stellung nehmen. Sie erwarten, dass wir für das Land arbeiten und Projektionen entwickeln: Wie kann sich Brandenburg bis 2020 - erst einmal in den nächsten Jahren - weiterentwickeln? Ich habe von Ihnen nichts dazu gehört.

(Frau Lehmann [SPD]: Stimmt, gar nichts! - Frau Dr. Ludwig [CDU]: Doch!)

- Sie haben dazu nichts gesagt. Ich habe gehört, wo wir möglicherweise noch mehr Geld ausgeben könnten. Ich habe gehört, wir dürfen auf keinen Fall die Grunderwerbsteuer erhöhen, also weniger Einnahmen sollen wir schon machen. Wir müssen die Schulden senken. Weniger Schulden, sagen Sie auch; und wir müssen natürlich mehr ausgeben. Unterrichtsausfall, ein ganz wichtiges Thema, dem wir uns auch stellen, darf es nicht geben. Wir brauchen noch mehr Lehrer als die, die wir schon einstellen - sicher ist das wünschenswert. Wir dürfen auch bei der Polizei nicht sparen, haben Sie gesagt, das gefährdet ja die Sicherheit. Dazu sagen wir: Das ist nicht so.

(Zuruf des Abgeordneten Dombrowski [CDU])

Aber bitte, natürlich mehr Polizisten, wenn Sie wollen, und mehr Investitionen sowieso, und überall noch mehr, und die Schuldenbremse muss dann auch kommen, also überhaupt keine Schulden mehr, und die Menschen entlasten, damit es ihnen gut geht, das wollen Sie auch noch. Dann gab es noch etwas mit volkseigenen Betrieben, das ich aber nicht verstanden habe. Das haben wir nicht vor; da haben Sie etwas falsch verstanden.

Aber das waren nun wirklich keine Konzepte.

(Frau Alter [SPD]: Märchentante!)

Das war dieser übliche Strauß von „Wünsch Dir was!“, was sich eine seriöse Oppositionspartei, Frau Kollegin Ludwig, eigentlich nicht leisten sollte.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Sondern in einer solchen Phase sollte man doch ein wenig konstruktiver mitwirken,

(Homeyer [CDU]: Das machen wir jetzt!)

zumal - ich wiederhole es - das, was wir hier gemeinsam geschaffen haben, doch nicht aus dem Nichts entstanden ist, sondern wir haben doch alle gemeinsam daran mitgewirkt, und da kann man doch weitermachen, selbst wenn man in anderen Rollen ist. Man kann doch so konstruktiv weitermachen, wie Sie das früher in Ihrer Fraktion meistens - nicht immer - getan haben.

(Leichte Heiterkeit bei der SPD)

Na gut, so ist das nun mal. So lehnen Sie alles ab, was wir an Prioritäten setzen: kein Schüler-BAföG, keine Programme für Arbeit. Das, was wir tun, reicht nicht, und wenn Sie dann noch sagen, die Grunderwerbsteuer sei die einzige Stellschraube, die wir haben, und das sei unsozial, und im gleichen Atemzug das Schüler-BAföG abschaffen wollen - ich weiß nicht, ob Sie da Prioritäten setzen. Ich kann sie nicht erkennen. Jedenfalls sind es keine Prioritäten, mit denen man das Land in irgendeiner Form voranbringen könnte. Wenn Sie das, was Sie wollen, umsetzen würden, dann hätten wir weniger Gerechtigkeit und weniger Fairness im Land. Es wäre ein unsoziales Brandenburg. Es wäre mit Sicherheit nicht das Brandenburg, das wir wollen und für das wir hier 20 Jahre lang gekämpft haben.

(Beifall SPD, DIE LINKE und vereinzelt bei der Landes- regierung)

Meine Damen und Herren, der Haushaltsentwurf zeigt - dies hat der Finanzminister gesagt - die Handschrift der regierenden Großen Koalition. Wir investieren in Kinder, in Wissenschaft, und wir investieren für mehr Gerechtigkeit im Land. Das sind auch Investitionen, auch wenn sie sich nicht in Baulichkeiten, in Beton ausdrücken. Es sind aber, wie ich meine, wichtigere Investitionen in die Zukunft; und weil wir das in diesen prioritären Bereichen tun, müssen wir in anderen Bereichen die Verwaltung modernisieren und verändern.