Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

(Beifall FDP, CDU sowie GRÜNE/B90)

Die Abgeordnete Niels spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Einen wunderschönen guten Tag! Eine ganz wichtige Voraussetzung in der Debatte - deswegen sage ich das einfach noch einmal - ist, dass die Sicherungsverwahrung auf Menschen zutrifft, von denen eine Gefahr ausgeht: die zukünftige Begehung schwerster Straftaten. Im Gegensatz zu der Forderung „der Bevölkerung“, über die schon gesprochen wurde, die eben sagt, dass schwere Straftäter immer hinter Gitter gehören, ist das Ziel die Resozialisierung, und die Gefahr schwerster Straftaten ist der Grund für die Sicherungsverwahrung - aber eben nicht das Ziel.

Weil Resozialisierung das Ziel ist und wir uns alle darüber einig sind, dass die Maßnahmen, die innerhalb der Sicherungsverwahrung getroffen werden müssen, von höchster Qualität sein sollen, haben wir bedacht - die CDU, die FDP und im Dialog auch wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -, dass ein Dialog mit Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, also Bundesländern, die auch an Brandenburg und nicht nur Berlin grenzen - sehr förderlich sein kann, um zum Beispiel auch der Maßgabe gerecht zu werden, dass man immer die Freiheit des Sicherungsverwahrten im Auge hat und im Zuge der Maßnahme der Resozialisierung eventuell sogar eine wohnortnahe Unterbringung vollziehen kann. Insofern würde ich nicht so sehr auf die Einzelfälle innerhalb von Brandenburg rekurrieren, sondern mehr betrachten: Wie sieht es in den Nachbarländern aus, wie in der Zukunft? - Insofern gilt dieser Antrag einer Erweiterung der Dialoge mit den anderen Bundesländern.

Es ist so, dass sich diese Maßnahme innerhalb des Strafrechts auf Straftaten beziehen muss, die begangen wurden, und in diesem ganzen Verfahren auf jeden Fall geprüft werden muss, inwiefern zukünftige Straftaten absehbar sind. Es ist ganz klar dazu gibt es auch eine Studie -, dass man sich in 90 % der Fälle „leider“ zum Positiven irrt, also zukünftige Straftaten nicht erfolgen. Solche Straftaten folgen nur in 10 % der Fälle. Das ist ganz logisch, weil die Personen, die an solchen Verfahren

beteiligt sind, natürlich das Problem haben, für ihre Entscheidungen geradestehen zu müssen. Auch da kann man nicht sagen, dass man es an ihre Verfahren knüpft.

Die Kritik, die Frau Mächtig geübt hat, dass sehr viele Menschen in Sicherungsverwahrung sind, die ihrer Meinung nach nicht dorthin gehören, ist im Grunde genommen eine Kritik an der Justiz und sollte uns im Parlament nicht berühren. Uns muss es darum gehen, ein tolles Konzept zu entwickeln, um auch die forensischen Ambulanzen zu einer Institution wachsen zu lassen - ich habe gehört, da sind vier Standorte vorgesehen, einer davon ist Potsdam -, die es tatsächlich schafft, Menschen wieder in eine Ordnung zu bringen, die sie dazu führt, dass sie in Anerkennung der Rechte der Bundesrepublik Deutschland einfach nicht mehr straffällig werden.

In diesem Spannungsfeld möchte ich mich der Kritik von Frau Teuteberg und Herrn Eichelbaum anschließen. Es ist für uns in Deutschland tatsächlich ein Problem, dass es keine Übergangsregelung gibt und Menschen aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen, von denen man nicht sagen kann, dass sie nicht mehr schwerste Straftaten begehen werden, und für die es derzeit einen schwierigen Rechtsrahmen gibt.

Innerhalb des Parlaments werden wir also dafür sorgen, dass wir ein Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz haben, einige hervorragende forensische Ambulanzen, dass wir also die Rahmenbedingungen mit entsprechenden Haushaltsgeldern schaffen, um Straftaten vorzubeugen. Das ist die Aufgabe des Parlaments. Wie gesagt, Frau Mächtig, Ihre Kritik, die Sie auch auf den ARD-Beitrag bezogen haben, ist doch eher das Problem der Verfahrensbeteiligten, die eben in die schwierige Lage gebracht sind, in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Maßnahmen angeordnet werden müssen. - Danke.

(Beifall GRÜNE/B90, CDU und FDP)

Wir setzen mit dem Beitrag der Landesregierung fort. Minister Schöneburg spricht.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Sicherungsverwahrung ist sehr affekt- und emotionsgeladen. Insofern bin ich dankbar, dass in diesem Hohen Haus weitestgehend der Versuchung widerstanden wurde, sich irgendwelchen populistischen Äußerungen hinzugeben und die Stammtischhoheit zu erlangen. Es steht dem Hohen Haus gut zu Gesicht, dass wir dieses hochsensible Thema hier weitestgehend rational diskutieren.

Die Sicherungsverwahrung steht seit Beginn ihrer Enführung; eingeführt wurde sie im November 1933 durch das Gesetz über den gefährlichen Gewohnheitsverbrecher - Ausfluss der nationalsozialistischen Tätertypenlehre -, in der Diskussion, und dafür gibt es gute Gründe. Zwei möchte ich hier benennen.

Der erste Grund - auf ihn wurde schon rekurriert -: Derjenige, der in Sicherungsverwahrung genommen wird, hat seine Strafe, die sich nach Tatschwere und Tatschuld bemisst, abgesessen. Aufgrund einer gutachterlichen Stellungnahme, in der prognostiziert wird, dass er in Zukunft gefährlich sein würde,

behalten wir ihn in Verwahrung, im schlimmsten Fall bis zu seinem Lebensende.

Der zweite Grund, den ich benennen will: Wir gehen in der Diskussion immer davon aus, dass die Gefährlichkeitsprognosen, auf die hier schon rekurriert worden ist, zu 100 % zutreffen würden. Das ist mitnichten der Fall. Die Prognoseinstrumentarien sind nicht so perfekt. Es ist durchaus so, dass die überwiegende Zahl derjenigen, bei denen Gefährlichkeit prognostiziert wird, nicht rückfällig wird. Studien besagen: Etwa 20 % derjenigen, die wir in Sicherungsverwahrung genommen haben oder nehmen, würden wirklich rückfällig werden, die anderen nicht. Das ist natürlich ein rechtsstaatliches Problem. Deswegen muss die Sicherungsverwahrung, was bereits gesagt worden ist, Ultima Ratio der Kriminalpolitik, letztes Mittel der Strafrechtspolitik sein.

Dieser Gedanke hat ja auch in der Bundesrepublik Deutschland Raum gegriffen. In den 70er Jahren, in denen ein sozialintegrativer Ansatz im Strafrecht vorherrschend war und man gesagt hat, aufgrund dieser Unwägbarkeiten der Sicherungsverwahrung wird eine Zehnjahreshöchstfrist eingeführt, wird die Sicherungsverwahrung für Jugendliche und Heranwachsende verboten. Sie wurde nur noch sehr spärlich und in ausgewählten Einzelfällen angewandt. 1990 gab es 31 Anordnungen der Sicherungsverwahrung.

Ich kann Ihnen sagen: Die Kriminalstatistik ist nicht nach oben geschnellt, und es gab keine marodierenden Banden, die durch die Bundesrepublik gezogen sind. Man ist davon ausgegangen, dass im Zuge der Wiedervereinigung das Institut der Sicherungsverwahrung in einem Gesamtkonzept des Sanktions- und Resozialisierungssystems neu justiert wird. Das hat sich aber nicht durchgesetzt. Seit Mitte der 90er Jahre ist die Sicherungsverwahrung ständig ausgeweitet worden, immer nur in Reaktion auf Einzelfälle. Die Kriminalstatistik hat es nicht hergegeben. Es ist, wie die Fachleute sagen, ein unsystematischer Flickenteppich oder ein Irrgarten entstanden.

Ich möchte nur drei Beispiele der Verschärfung nennen, die hier schon eine Rolle gespielt haben: Die Zehnjahresfrist ist 1998 gefallen. Es gab die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Erwachsene, und last but not least die nachträgliche Sicherungsverwahrung für Jugendliche. Dieser Flickenteppich wurde dann durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2009 scharf kritisiert. Wir haben dafür die Quittung erhalten. Wir haben die Quittung eigentlich berechtigterweise erhalten. So wurde gesagt, dass die Altfälle, die noch unter die Zehnjahresfrist fallen würden, zu entlassen sind. Die Verschärfung durch die Verlängerung der Unterbringungszeit verstoße gegen das Rückwirkungsverbot und gegen das Freiheitsrecht aus Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Daneben hat uns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ins Stammbuch geschrieben - das ist auch schon erwähnt worden -, dass wir die Sicherungsverwahrung nicht als eine Maßregel der Besserung und Sicherung vollziehen, sondern dass sie Strafcharakter hat. Es würde nur ein Etikett an die Tür geheftet: Hier sitzt ein Sicherungsverwahrter. Und er hat einen größeren Fernseher. Aber viel mehr passiert eben nicht.

Es gibt keine Trennung vom Strafvollzug. Es ist eine nicht genügende psychologische oder sozialtherapeutische Betreuung

organisiert. Insofern ist die Sicherungsverwahrung, wie sie in Deutschland vollzogen wird, eine Strafe und unterliegt den rechtsstaatliche Kautelen des Strafrechts, deswegen auch dem Rückwirkungsverbot und dem Recht auf Freiheit. Dieses Urteil ist bedingungslos zu begrüßen. Da sollte man auch nicht in irgendeiner Form überheblich sein.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Holzschuher [SPD])

Die Botschaft, die von diesem Urteil ausgeht, ist, in Deutschland wieder die Balance herzustellen zwischen rechtsstaatlichem Strafrecht und berechtigten Sicherheitsinteressen. Diese Balance ist zugunsten vermeintlicher Sicherheitsinteressen verschoben worden. Deswegen musste sich die Bundesregierung der Aufgabe stellen, die Sicherungsverwahrung neu zu justieren und neu zu organisieren. Das ist mit dem Gesetz, das vor zehn Tagen in den Bundestag eingebracht worden ist, erfolgt.

Ich kann Frau Teuteberg nicht ganz zustimmen, dass dieses Gesetz ausgewogen und ausdifferenziert sei. Das ist es gerade nicht. Der Berg kreißte, aber heraus kam dann doch nur ein Mäuslein. Letztlich ist Frau Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger an vielen Punkten gegenüber dem konservativen Koalitionspartner eingeknickt. Ich möchte das an drei Beispielen deutlich machen.

Die Neujustierung der Sicherungsverwahrung basiert auf drei Säulen: Zunächst auf der Konsolidierung der originären Sicherungsverwahrung, die mit dem Urteil angeordnet wird. Es ging darum - und es war auch das Ziel der Justizministerin, weil die Sicherungsverwahrung Ultima ratio der Kriminalpolitik ist und weil die Prognoseentscheidungen nicht treffsicher sind -, sie auf hochgradig gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter zu reduzieren. Das begrüßt die Landesregierung. Das ist der richtige Weg.

Aber durch die abstrakte Rekurrierung auf die Höchstgrenze von zehn Jahren auch bei anderen Delikten, die Anlass- oder Vortatendelikte sein können, kommen Eigentumsdelikte und Vermögensdelikte gewaltloser Natur wieder in diesen Straftatenkatalog hinein. Weil die abstrakte Androhung der Freiheitsstrafe für einen Wohnungseinbruchdiebstahl zehn Jahre beträgt, kann man wegen mehrfachen Wohnungseinbruchdiebstahls in Sicherungsverwahrung genommen werden. Ähnliches kann man für einen Bandendiebstahl sagen. Die gemeingefährlichen Straftaten zählen zu den Vortatendelikten. Darunter zählt eine Trunkenheitsfahrt. Das ist einfach nicht zu akzeptieren. Insofern ist eine rechtsstaatliche Schranke überschritten worden. Es muss versucht werden, da nachzubessern. Ich denke, dass gerade die Vermögens- und Eigentumsdelikte vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise aus dem Katalog zu verbannen sind.

(Beifall DIE LINKE und des Abgeordneten Bischoff [SPD])

Die zweite Säule des Konzepts der Neuordnung der Sicherungsverwahrung ist die Streichung der nachträglichen Sicherungsverwahrung - völlig zu Recht. Wenn man der Argumentation des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgt, ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht konventionskonform. Sie stand von Anbeginn in der Kritik. Deswegen ist

es völlig unverständlich, dass sie für Altfälle beibehalten wird. Es ist noch unverständlicher, dass kein Ansatz unternommen wird, die nachträgliche Sicherungsverwahrung aus dem JGG, dem Jugendgerichtsgesetz, zu streichen. Letztlich sind unser Jugendstrafvollzug und unser Jugendstrafrecht auf Erziehung ausgelegt, weil sich die Jugendlichen noch in einer Persönlichkeitsentwicklung, in einem Reifeprozess befinden. Dann sagen wir ihnen nach sieben Jahren im Jugendstrafvollzug: So, jetzt seid ihr aber so „verschlimmbessert“, dass wir euch möglicherweise bis zu eurem Lebensende in Haft behalten müssen. - Das ist de facto fast eine Bankrotterklärung für unseren Jugendstrafvollzug. Ich weiß, Frau Blechinger selbst hat hier vor zwei Jahren einen Antrag auf Einführung eines neuen Jugendstrafvollzuggesetzes in das Parlament eingebracht. Wir richten den Jugendstrafvollzug auf Erziehung aus. Da hat die nachträgliche Sicherungsverwahrung nichts zu suchen.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

Die dritte Säule des Entwurfs der Bundesregierung ist die Ausdehnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung, wonach man im Urteil sagt: Du wirst zu fünf bis sechs Jahren verurteilt, und wir behalten uns aber vor, die Sicherungsverwahrung auszusprechen. - Damit wird der Verlust der nachträglichen Sicherungsverwahrung kompensiert. Es ist aber eine die Schranken des Rechtsstaats überschreitende Überkompensation, weil die materiellen und formellen Voraussetzungen für die vorbehaltene Sicherungsverwahrung so abgesenkt sind, dass sie bei Ersttätern möglich ist und dass sie möglich ist, wenn nur die Wahrscheinlichkeit besteht, dass gefährliche Straftaten begangen werden, sodass wir - dazu braucht man kein Prophet zu sein - einen inflationären Ausspruch der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung haben werden.

Ohne das rechtsstaatliche Problem zu thematisieren, ergibt sich daraus ein gravierendes Vollzugsproblem für Brandenburg. Das besteht darin, dass wir viele Strafgefangene haben werden, über denen das Damoklesschwert einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung schwebt. Demgegenüber sagt man: Damit seid ihr motiviert, etwas zu tun. - Aber umgekehrt werden bestimmte Maßnahmen des Strafvollzugs, die auf Resozialisierung ausgerichtet sind, wie Erprobung, Lockerung, Ausgänge, offener Vollzug, eine entsprechende Entlassungsvorbereitung, blockiert und führen zu einer Unsicherheitssituation im Strafvollzug und konterkarieren den Resozialisierungsauftrag, den wir laut Artikel 54 der Brandenburger Landesverfassung haben.

So viel zu der Ausgewogenheit des vorliegenden Gesetzentwurfes. Ich gebe mich natürlich keiner Illusion hin: Dieser Entwurf wird im Wesentlichen verabschiedet werden. Das war auch die Botschaft auf der Justizministerkonferenz in der vorigen Woche. Deswegen haben die Koalitionsparteien im Rechtsausschuss berechtigterweise den Antrag gestellt, die Sicherungsverwahrung heute zu thematisieren, weil es auch auf der Tagesordnung der Justizministerkonferenz stand.

Was ergibt sich daraus konkret für Brandenburg? Natürlich werden wir uns auf Bundesebene für eine Verbesserung des Entwurfs einsetzen. Die wichtigsten Punkte habe ich benannt. Hinzu käme wohl auch noch die Wiedereinführung der Höchstfrist bei der erstmaligen Anordnung der Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre. Das macht Sinn. Es gibt Studien darüber, dass von den Menschen, die vor 1998 entlassen worden sind, weil die Maßregel nach zehn Jahren für erledigt erklärt werden

musste, weniger als 20 % rückfällig geworden sind. Sie sind nicht primär mit einschlägigen Delikten rückfällig geworden. Das muss man dabei beachten. Außerdem zwingt es uns, mit dem Sicherungsverwahrten in dieser Höchstfrist entsprechend therapeutisch zu arbeiten und ihn nicht zu vergessen.

Konkret zur Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung in Brandenburg: Der Vorwurf ist erhoben worden oder er schwebt hier so im Raum, dass wir uns irgendwelchen bundesweiten Aktivitäten verschließen würden. Das ist mitnichten so. Es gibt eine Arbeitsgruppe des Strafrechtsausschusses der Länder, die seit Februar an Kriterien für den Vollzug der Sicherungsverwahrung arbeitet und die bis Ende November entsprechende Vorschläge vorlegen soll - so der Beschluss der Justizministerkonferenz. Seit Mai gibt es die Arbeitsgruppe mit Berlin. Sie wird uns am Jahresende konkrete Vorschläge unterbreiten, wie Berlin und Brandenburg die Sicherungsverwahrung gemeinsam vollziehen können.

Inhaltlich möchte ich auf vier Punkte eingehen, die man hier schon benennen kann, wie die Sicherungsverwahrung zukünftig in Brandenburg ausgestaltet sein wird. Erstens werden wir schon im Strafvollzugsgesetz Brandenburgs, das im Moment erarbeitet wird, festlegen, dass die therapeutischen Angebote, die wir Menschen in der Strafhaft unterbreiten, die die vorbehaltende Sicherungsverwahrung vor der Brust haben, auch abgerechnet werden. Im Vollzugsplan wird ein Resozialisierungsprogramm aufgestellt, und nach der Hälfte dieses Resozialisierungsplanes wird eine externe Kommission darüber befinden, ob diese therapeutischen Angebote angenommen worden sind und ob sie sinnhaft waren. Es muss also abgerechnet werden. Es besteht nicht nur die Pflicht desjenigen, der zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist, an sich zu arbeiten, sondern wir als Staat müssen aufgrund dessen, dass wir ihn ohne ein Vergehen festhalten wollen, entsprechend verpflichtet werden, therapeutisch zu intervenieren.

Zweitens: Die kurze Formel „Hochsicherheitstrakt plus Therapie“, Herr Eichelbaum, wird nicht funktionieren; denn diese Formel wird der heterogenen Gruppe der Sicherungsverwahrten überhaupt nicht gerecht. Wir haben im Moment sieben Sicherungsverwahrte in Brandenburg. Bis 2020 werden es etwa 20 sein, wenn die neuen Bestimmungen in Kraft treten, die vorbehaltene Sicherungsverwahrung nicht mitgerechnet. Bei den sieben Delikten sind Tötungsdelikte über Sexualdelikte bis zu Raubdelikten zu verzeichnen. Drei sitzen in der Langstrafenabteilung der Justizvollzugseinrichtung Luckau-Duben, drei in der therapeutischen Anstalt in Brandenburg und einer auf der psychiatrischen Station. Sie haben unterschiedliche Therapiebedarfe.

Bei den Sicherungsverwahrten wurden die Probleme bereits angerissen. Wir haben Sicherungsverwahrte, bei denen die Sicherung nach innen stärker thematisiert werden muss. Wir haben Sicherungsverwahrte, bei denen die Sicherheit nach außen eine stärkere Rolle spielt, und wir haben Sicherungsverwahrte, für die das Altern und Sterben in der Sicherungsverwahrung eine Rolle spielt. Dafür muss man differenzierte Angebote unterbreiten, die durchaus auch Formen des offenen Vollzugs beinhalten. Dabei werden wir mit Berlin zu einer vernünftigen Lösung kommen, die möglicherweise Brandenburg und dessen Vorzüge einbezieht, aber möglicherweise auch einen Standort in Berlin vorsieht, da dort eher andere Angebote vorgehalten werden können. Dafür wird es einen konzeptionell

austarierten Vorschlag geben, der auch in die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen einfließt.

Wir werden auch gesetzlich dafür sorgen, dass die Durchlässigkeit - deshalb ist Brandenburg ein guter Standort - zwischen Maßregelvollzug, Sicherungsverwahrung und Strafvollzug eher hergestellt wird; denn das Problem, das wir bei den Sicherungsverwahrten bzw. denen haben, die unter das jetzige Therapieunterbringungsgesetz fallen sollen, ist, dass wir im deutschen Strafrecht keine Lösung haben, wie wir mit psychisch Auffälligen umgehen, die jedoch nicht vermindert schuldfähig oder schuldunfähig sind.

Dabei ist es wichtig, ohne das Strafzeitende aufzuheben, möglicherweise auch Fehldiagnosen, die mit dem Urteil getroffen worden sind, so weit auszugleichen, dass derjenige in den Maßregelvollzug zur Therapie übernommen werden kann. Dazu sind wir mit dem Gesundheitsministerium in der Diskussion, und wir werden zu entsprechenden Lösungen kommen, im Übrigen auch im Zusammenhang mit den Altfällen, die unter das Therapieunterbringungsgesetz fallen.

Lassen Sie mich dazu eine grundsätzliche Bemerkung machen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat uns mit seiner Entscheidung mit auf den Weg gegeben, diese Parallelfälle zu entlassen. Mit dem Therapieunterbringungsgesetz wird diese Entscheidung - ich möchte es einmal vorsichtig ausdrücken - umschifft bzw. umgangen, und ich denke nicht, dass dieses Gesetz so, wie es ausgestaltet ist, sowohl in der Grundrechtskonformität als auch in der scheinbaren Konformität zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Bestand haben wird. Ich halte es als Sondergesetz für eine Gruppe für verfassungsrechtlich ungeheuer bedenklich.

Nichtsdestotrotz werden wir natürlich darauf vorbereitet sein, eine entsprechende Unterbringung, wenn das Gesetz Anfang nächsten Jahres in Kraft tritt, zu organisieren. Aber der erste Fall für Brandenburg tritt 2014 ein. Es gibt drei Fälle, die darunter fallen könnten. Dann müsste aber auch die Psychose bzw. psychiatrische Störung diagnostiziert werden. Das ist aber fraglich. Eine extra Einrichtung ist aus haushalterischen Gründen natürlich Unsinn. Die Justizministerien der Länder, in denen bereits ähnliche Fälle diskutiert werden, tendieren dazu, extra Abteilungen in Maßregelvollzugseinrichtungen einzurichten, um dem Erfordernis gerecht zu werden.

Wir werden natürlich auch forensische Ambulanzen einrichten. Die erste forensische Ambulanz ist geplant. Das Konzept liegt seit Dezember 2009 vor - ich habe im Rechtsausschuss darüber berichtet -, und die Ausschreibung ist erfolgt; es gibt zwei Bewerber. Sie wird im nächsten Jahr als erste forensische Ambulanz eingeführt werden. Wir werden außerdem für die Menschen, die zur Entlassung anstehen, die Führungsaufsicht optimieren. Insofern sind Vorwürfe, die hier im Raum standen man rede nur und handele nicht -, völlig substanzlos.

(Beifall DIE LINKE und vereinzelt SPD)

- Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen. Ich bin ja eigentlich nicht so für die Vergangenheitsaufarbeitung und für irgendwelches Nachkarten. Aber das Bundesverfassungsgericht hat letztmalig 2004 in der Entscheidung vom 5. Februar festgestellt, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung durch ein Abstands- und Trennungsgebot zum Strafvollzug charakte

risiert sein muss und dem Resozialisierungsgedanken unterliegt. Das war der Verfassungsauftrag, den uns das Bundesverfassungsgericht Anfang 2004 mit auf den Weg gegeben hat. Ich habe nichts gefunden, als ich das Ministerium vor einem Jahr übernommen habe, was irgendwie darauf hindeutete, dass die Sicherungsverwahrung in Brandenburg nach diesenMaßstäben organisiert wird. So viel zur Frage Reden und Handeln. Wir handeln, und wir handeln seriös und konzeptionell fundiert.

(Beifall DIE LINKE sowie vereinzelt SPD)

Lassen Sie mich mit einem Zitat meines akademischen Lehrers an der Humboldt-Universität nach 1990, Herrn Prof. Krauß leider viel zu früh, im Sommer dieses Jahres, verstorben - enden. Er hat bei seiner Antrittsvorlesung 1993 an der Humboldt-Universität über Rechtsstaat und Strafrecht referiert und folgende Formulierung gefunden: