Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

Antrag der Fraktion der CDU der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 5/2227

Dazu liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/2296 vor.

Die Aussprache wird von der einbringenden Fraktion, der CDU, eröffnet. Die Abgeordnete Blechinger hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es hat in kaum einem Bereich in den letzten 20 Jahren so positive Veränderungen wie im Bereich der Altenpflege gegeben. Wer das Pech hatte, einen nahen Angehörigen in einem DDR-Pflegeheim unterbringen zu müssen, der weiß, wovon ich rede.

Unmittelbar nach der Wende befand sich die Altenpflege in einem beklagenswerten Zustand. Nur drei der Altenheime wurden den Anforderungen der Heimmindestbauverordnung gerecht. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Schaffung einer pflegerischen Infrastruktur Vorrang vor Pflegeinhalten. Mit dem Altenheimbauprogramm wurde dieser Zustand behoben. Neben gemeinnützigen Trägern haben auch zahlreiche private Träger Einrichtungen in Brandenburg geschaffen. Inzwischen gibt es laut Statistik 320 Pflegeheime.

Vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen wird bescheinigt, dass sich die meisten Einrichtungen zunehmend intensiver mit Qualitätsfragen befassen. Nach dem Pflegequalitätssicherungsgesetz muss jede Pflegeeinrichtung ein umfassendes einrichtungsinternes Pflegemanagement installieren. Manches lässt sich organisieren, indem man Arbeitsabläufe optimiert, indem man Mitarbeiter motiviert und anderes.

In der zurückliegenden Wahlperiode wurde das Brandenburger Pflegehilfegesetz verabschiedet. Damit eröffnen sich neue Spielräume. Es löst aber nicht das Problem des zunehmenden Fachkräftemangels im Pflegebereich.

Im Bereich der Pflege wird laut gemeinsamer Fachkräftestudie Berlin-Brandenburg der Fachkräftemangel bereits 2015 bei 18 % liegen, 2020 sind es 26 %. Bundesweit werden in zehn Jahren 300 000 Pflegekräfte fehlen.

Es ist richtig, dass es auch in anderen Branchen einen zunehmenden Fachkräftemangel gibt. Der Unterschied besteht aber darin, dass es sich hier um einen Bereich der Daseinsvorsorge handelt. Nach § 9 SGB XI sind die Länder verantwortlich für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen Pflegeinfrastruktur. Aber was nützt eine Versorgungsstruktur, wenn es nicht genügend Fachkräfte gibt, die den Aufenthalt in dieser Einrichtung durch professionelle Pflege menschenwürdig gestalten? Das Vorhandensein von genügend Fachkräften ist eine zwingende Voraussetzung für eine gute Pflege.

Meine Fraktion hat das Problem bereits 2005 erkannt, konnte sich aber mit dem damaligen Koalitionspartner nicht einigen, landesseitig aktiv zu werden.

Die Situation hat sich inzwischen weiter verschärft, und durch die demografische Entwicklung wird der Druck zusätzlich erhöht. Das war für uns Anlass, eine Anhörung im Fachausschuss zu initiieren. Neben kritischen Bemerkungen zu den sehr schwierigen Arbeitsbedingungen in der Pflege gab es die einhellige Auffassung, dass eine umlagefinanzierte Ausbildung ein Weg sein könnte, dem Mangel an Pflegekräften entgegenzuwirken.

So führte der Vertreter der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege aus: Von der Landesregierung erwarten wir für die Fachkräftesicherung Unterstützung bei der Frage einer Veränderung der Refinanzierung der Ausbildungskosten. Die Einführung einer Umlagefinanzierung analog der Krankenpflegeausbildung könnte schon sehr viel bewirken.

(Beifall CDU, GRÜNE/B90 sowie des Abgeordneten Schippel [SPD])

Ich bitte Sie deshalb, sich ernsthaft mit der Thematik auseinanderzusetzen und unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU und GRÜNE/B90)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Blechinger. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Prof. Dr. Heppener wird zu uns sprechen.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag fordert - Frau Blechinger hat es eben hervorragend begründet - die Finanzierung der Altenpflegeausbildung durch ein gesetzliches Umlageverfahren. Durch die Umlage sollen die Kosten der Ausbildungsvergütung von den Einrichtungen mitgetragen werden, die nicht ausbilden. Es ist ein guter Vorschlag, mich überrascht nur, dass er von der CDU kommt. Von dieser Partei waren wir Ausbildungsumlagen nicht gewohnt. Ich kannte sie vor allen Dingen von den Jusos.

Gegen die Einführung des Umlageverfahrens zum jetzigen Zeitpunkt sprechen leider rechtliche Gründe, und es sind meiner Meinung nach auch sachliche Gründe zu überdenken. Das Bundesaltenpflegegesetz setzt im § 25 strenge Grenzen. Ein Umlageverfahren kann eingeführt werden, wenn konkret und nachweislich nur auf diesem Weg ein angemessenes Angebot an Ausbildungsplätzen geschaffen werden kann und der Bedarf festgestellt ist. Dieses Erfordernis ist jährlich zu überprüfen und muss auch für das Folgejahr erbracht werden. Diese rechtlichen Hürden verbieten zurzeit die sozusagen vorsorgliche Einführung eines Umlageverfahrens in Brandenburg. Sie wäre nicht gerichtsfest. In Sachsen musste das Umlageverfahren eingestellt werden.

Zu den sachlichen Gründen: Die Umlage betrifft nur die Ausbildungsvergütung. Sie führt nicht automatisch zu mehr Ausbildung. Die Schwierigkeiten der Einrichtungen und ambulanten Dienste, die gesetzlichen Anforderungen an die praktische Ausbildung zu erfüllen, werden durch die Umlage nicht behoben.

(Zuruf des Abgeordneten Schippel [SPD])

Es bleibt auf jeden Fall bei der Umlage der Kosten der Ausbildungsvergütung auf die Bewohnerinnen und die Bewohner. Ein Umlageverfahren erfordert zudem erheblichen Verwaltungsaufwand, dessen Kosten vom Land aufgebracht werden müssen.

Frau Abgeordnete Prof. Heppener, lassen Sie eine Frage der Abgeordneten Blechinger zu?

Bitte.

Frau Abgeordnete, ist Ihnen bekannt, dass gerade die Umlage der Ausbildungsfinanzierung auf die Pflegebedürftigen nur durch

zwei Maßnahmen behoben werden kann, von denen eine die Umlagefinanzierung ist?

Frau Blechinger, das ist mir bekannt. Aber wir haben den § 25 des Bundesaltenpflegegesetzes. Da sind uns derzeit die Hände gebunden.

Die Fachkräftesituation in der Altenpflege - Frau Blechinger hat das dargestellt, und ich teile, was sie sagte, unbedingt macht uns allen Sorgen. Aber für die Verbesserungen müssen wir mehrere Wege beschreiten.

Wir haben die Altenpflegehilfeausbildung als Erstausbildung geöffnet. Das war nicht von Anfang an der Fall. Wir finanzieren das dritte Jahr der Umschulung zur Pflegefachkraft. Wir wollen größere Aufmerksamkeit für ältere in der Pflege Beschäftigte. Sie brauchen Arbeitsbedingungen, die es Ihnen ermöglichen, länger im Beruf zu bleiben. Sicherlich sind hier auch Konsequenzen bei den Pflegesatzverhandlungen nötig.

Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der FDP verlangt die Vorlage von Konzepten zur stärkeren Werbung für den Pflegeberuf an Schulen und zur bewussten Integration ausländischer Fachkräfte. Was wir am Wenigsten brauchen, sind neue Konzepte. Das, was wir begonnen haben, muss konsequent weitergeführt werden - so der Kontakt der Altenpflegeschulen zu den Schulen vor Ort, die Nutzung des jährlichen Zukunftstages, Schülerpraktika in Pflegeeinrichtungen, Einbeziehung der Pflegeeinrichtungen in das Praxislernen an den Schulen. Die berufliche Integration ausländischer Fachkräfte ist bereits Arbeitsschwerpunkt des MASF. Praktikable Voraussetzungen sind durch die Integrationsbeauftragte geschaffen. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die bis März 2011 Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zur Zusammenführung der Pflegeberufe erarbeiten und vorlegen soll, ist Brandenburg nicht vertreten, sodass Brandenburg erst nach Vorlage dieser Eckpunkte im Rahmen des Beteiligungsverfahrens Einfluss nehmen kann. Deshalb kann darüber jetzt auch nicht berichtet werden.

Die Entschließung ist meiner Meinung nach unnötig, sie läuft ins Leere. Die SPD wird diese Entschließung ablehnen und zum Bedauern der CDU auch den Antrag zur Ausbildungsumlage. - Ich danke Ihnen.

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Prof. Dr. Heppener. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Büttner erhält das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweieinhalb Monate, nachdem wir das Thema der Altenpflege im zuständigen Ausschuss hatten, ist es nun im Plenum, und wir können uns über geeignete Maßnahmen unterhalten, wie wir mit diesem Themengebiet umgehen wollen. Der Antrag von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den wir hier vorliegen haben, sieht die Altenpflegeumlage vor.

Vor dem Hintergrund, dass es viele Einrichtungen gibt, die ausbilden und dadurch erhöhte Kosten haben, aber auch viele, die

nicht ausbilden, sich also diese Kosten sparen und dann denen, die ausgebildet haben, die Ausgebildeten abwerben, weil sie durch die Einsparung der Ausbildungskosten höhere Löhne zahlen können, hat dieser Antrag einen gewissen Charme - das möchte ich nicht verhehlen. Allerdings ist eine Altenpflegeumlage nur eine andere Bezeichnung für eine Ausbildungsplatzabgabe, welche wir Liberale aus guten Gründen ablehnen. Das Altenpflegegesetz enthält bereits heute Regelungen zur Einführung einer Ausbildungsumlage; Frau Prof. Heppener ist bereits darauf eingegangen. Nach § 25 werden die Länder ermächtigt, unter bestimmten Voraussetzungen ein Ausgleichsverfahren zur Aufbringung der Mittel für die Ausbildungsvergütung einzuführen. Wir Liberale lehnen dies jedoch ab, da wir nicht erkennen können, dass sich hierdurch die strukturellen Defizite und der bestehende Fachkräftemangel beheben lassen.

Ich stimme Ihnen ansonsten ausdrücklich zu bei dem, was Sie gesagt haben, Frau Kollegin Blechinger. Eine Altenpflegeumlage ist allerdings keine Antwort auf die Frage, wie der Nachwuchs für die Plegeeinrichtungen gesichert werden kann. Warum es uns nicht gelingt, die Zahl der Umschüler zu steigern und warum es im Übrigen auch im Jahr 2010 noch immer vornehmlich Frauen sind, die sich für die Pflegeberufe entscheiden das sind die Fragen, auf die wir Antworten finden müssen. Diese Antworten kann eine Altenpflegeumlage nicht geben. Wir glauben allerdings, dass der von uns vorgelegte Entschließungsantrag - im Gegensatz zu Ihnen, Frau Prof. Dr. Heppener - einige Punkte anspricht, die zur Lösung dieses Problems beitragen können.

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Weiterentwicklung der Pflegeberufe“, die sich konstituiert hat, wird bis zum Jahr 2011 die entsprechenden Vorlagen dazu liefern. Ich bin ganz sicher, Frau Prof. Heppener, dass SPD-geführte Länder in dieser BundLänder-Arbeitsgruppe arbeiten.

(Zuruf der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener [SPD])

Insofern gehe ich davon aus, dass Sie die entsprechenden Informationen haben, weil Sie sich ja auch untereinander austauschen. Deswegen glaube ich auch, dass Herr Minister Baaske dazu etwas sagen kann.

Das Sorgenkind in Brandenburg bleibt weiterhin die Berufsorientierung in den Schulen. Wir wollen mehr Initiative als bislang, und wir wollen eine Bewusstseinsschärfung für die heute bestehenden Ausbildungsmöglichkeiten in der Pflege, denn das, was wir gegenwärtig auf dem Ausbildungsmarkt erleben, ist die erneute Fixierung eines Großteils der Ausbildungsbewerber auf ein halbes Dutzend Ausbildungsberufe, unter denen der Pflegebereich leider nicht vorkommt.

Herr Abgeordneter Büttner, lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Blechinger zu?

Ja bitte, Frau Blechinger.

Herr Abgeordneter, ist Ihnen bekannt, dass die Ausbildungspflegeumlage in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfa

len zu einer Erhöhung der Zahl der Ausbildungsverträge geführt hat?

Frau Kollegin Blechinger, es ist mir bekannt, dass es zu einer Erhöhung gekommen ist. Allerdings haben Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen auch noch weitere Maßnahmen dazu durchgeführt, was in Ihrem Antrag nicht vorkommt. Eine Altenpflegeumlage alleine kann nicht dazu führen, dass der Ausbildungsgrad erhöht wird. Nach dem Vorbild Hessens benötigen wir auch in Brandenburg ein speziell für die Landespflege konzipiertes Informations- und Prognosesystem, einen sogenannten Pflegemonitor, auf dem Pflegeeinrichtungen ihren Arbeitskräftebedarf genauso wie konkrete Stellenbeschreibungen abbilden und so neue Interessenten und Mitarbeiter finden können.

Wir setzen dabei nicht nur auf eine Maßnahme, wir setzen auf einen sinnvollen Mix zur Sicherung der Altenpflege. Es ist unsere Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen, die unserer Hilfe bedürfen, auch die bestmögliche Unterstützung bekommen. Wir wollen uns dieser Verantwortung stellen, die mit der Sicherung der Altenpflege verbunden ist. Für uns verläuft die Sicherung der Pflege auch, aber eben nicht ausschließlich über die Stärkung der Ausbildung, sondern über Maßnahmen zur Berufsorientierung, der Weiterbildung und auch ausdrücklich über den Zuzug ausländischer Fachkräfte. - Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Büttner. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE fort. Die Abgeordnete Wöllert hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Das war schon interessant, was hier heute früh nach der Aktuellen Stunde von den Fraktionen aus der Opposition ankam. Frau Blechinger traut uns zu, was Sie in der alten Koalition 2005 nicht geschafft haben - das hat aber mit Stillstand nichts zu tun. Vielen Dank, Frau Blechinger!

(Vereinzelt Beifall DIE LINKE)