Protokoll der Sitzung vom 15.12.2010

Meine Damen und Herren, gibt es einen Abgeordneten, der keine Gelegenheit hatte, seine Stimme abzugeben? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Damit beende ich die Wahlhandlung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen das Ergebnis der Wahl bekanntgeben: An der Wahl haben sich 74 Abgeordnete beteiligt. Es gab 0 ungültige Stimmzettel, also 74 gültige. Für den Wahlvorschlag haben sich 64 Abgeordnete ausgesprochen, mit Nein stimmten 7 Abgeordnete, der Stimme enthalten haben sich 3 Abgeordnete. Damit wurde Herr Dr. Dirk Lammer mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln zum Richter am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. - Herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Wir werden am Freitag Gelegenheit haben, ihn in das Amt zu berufen und zu vereidigen.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 2 und rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Ausbildungsförderungsgesetzes

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD der Fraktion DIE LINKE

1. Lesung

Die Debatte beginnen wir mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Der Abgeordnete Günther spricht zu uns.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das neue Jahr hat zwar noch nicht begonnen, aber ich möchte trotzdem schon einen guten Vorsatz in die Tat umsetzen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

- Danke schön. Sie wissen ja noch gar nicht, welchen.

Ich möchte hier nicht noch einmal den Versuch unternehmen, irgendjemanden davon zu überzeugen, dass das SchülerBAföG ein Baustein für mehr Bildungsgerechtigkeit und den sozialen Aufstieg durch gute Bildung ist. Ich brauche das auch nicht zu tun, denn ich setze da voll und ganz auf die Überzeugungskraft derer, denen das Schüler-BAföG auf dem Weg zum Abitur bereits hilft. Das sind mit Stand von Ende November immerhin fast 1 000 Brandenburger aus - das dürfen wir nicht vergessen - erst einer einzigen Jahrgangsstufe. Immerhin 1 600 Schülerinnen und Schüler dieser einen Jahrgangsstufe hatten sich zum gleichen Zeitpunkt auch schon aufgemacht, das notwendige und nicht unaufwändige Antragsprocedere in Angriff zu nehmen. Das hätte ich mir vor einem halben Jahr, als wir das Schüler-BAföG gegen Widerstände und Anfeindungen eingeführt haben, nicht vorauszusagen getraut.

Auf diese steigende Anzahl von Interessierten setze ich; denn sie haben längst gemerkt, dass es sich beim Schüler-BAföG nicht um ein Prestigeprojekt von Rot-Rot, sondern bereits jetzt um ein Erfolgsmodell handelt, das dringend benötigt wird. Auch eine andere Zielstellung des Gesetzes wurde, wie die Zahlen, die wir gegenwärtig haben, zeigen, bereits voll erfüllt. Es ist keine Leistung ausschließlich für Hartz-IV-Empfänger. Etwa die Hälfte der Bezieher von Schüler-BAföG stammt aus Familien mit geringem Einkommen, die andere Hälfte bezieht Sozialleistungenen. Für genau jene ist die vorliegende Gesetzesänderung erforderlich. Es ist erfreulich, dass wir diese Änderung vornehmen können. Wir hatten uns das bei Einführung des Schüler-BAföG genau so gewünscht. Schon damals haben wir gesagt, dass wir die Leistungen im Rahmen des SchülerBAföG für Empfänger von Sozialleistungen bis zum Ende des Jahres befristen müssen, weil sonst die Gefahr der Anrechnung und Rückzahlung an den Bund besteht. Wir haben gesagt, wir arbeiten bis Ende dieses Jahres an der Lösung des Problems, und wir entscheiden uns, das Gesetz für die Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu befristen. Damit haben wir uns bewusst auch für diesen Empfängerkreis für bis zu 500 Euro mehr entschieden, die diese Schülerinnen und Schüler für ihre Abiturausbildung eben sonst nicht bekommen hätten. Das können Sie alles in Protokollen und Unterlagen nachlesen.

Wir haben auch gesagt, dass die Lösung diese Problems nicht allein bei uns liegt, sondern mit dem Bund eine Einigung erzielt werden muss. Apropos Bund. Er hat auf Druck der Verfassungsgerichte - wir haben es in der Fragestunde gehört - das sogenannte Bildungspaket vorgelegt. Das erweist sich - da kann ich mich dem, was Kollege Baaske sagte, nur anschließen - doch eher als ein Päckchen; ein Teil dieses Bildungspäckchens heißt ja auch „Schulbasispaket“. Es ist der Versuch, mit sage und schreibe 100 Euro im Jahr eine Grundausstattung mit Heften, Zirkel, Stiften, Taschenrechner zu gewährleisten. Daneben ist im Regelsatz für Kinder von 14 bis 18 Jahren beispielsweise für Literatur ein Bedarfssatz von 2,82 Euro pro Monat enthalten. 10 Euro pro Monat kann es für Vereinsbeiträge oder Musikschulbesuche geben, weitere 10 Euro kann es geben, wenn die Noten so schlecht sind, dass beispielsweise die Gefahr des Sitzenbleibens besteht oder dass der Schulabschluss verpasst wird. Aber Nachhilfe, um einfach nur die Noten zu verbessern, ist in diesem Bildungspäckchen eben nicht enthalten.

Eigentlich könnte ich froh sein, dass aufgrund der völlig unzureichenden Ausstattung noch genügend anrechnungsfreier Spielraum für unser Schüler-BAföG vorhanden ist. Mit den 100 Euro pro Monat vom Land ist dann eben auch mal ein deutlich teureres Nachschlagewerk oder ein Drucker oder ein Laptop oder die Fahrt zum Matheklub oder die Teilnahme an Wettbewerben oder einem Schüleraustausch oder vielleicht sogar an zusätzlichen privaten Bildungsangeboten drin.

Eigentlich erledigen wir damit aber den Job der Bundesregierung. Während sie auf einen Defizitausgleich und eine Grundversorgung auf niedrigstem Niveau setzt und an dieser Stelle stehenbleibt, erhöhen wir mit unserem Schüler-BAföG - das ist der grundsätzliche Unterschied - den Anreiz für Schülerinnen und Schüler, nach höherer Bildung zu streben.

Ich habe letzte Woche in einer Pressemitteilung unserer Brandenburger FDP-Landtagsfraktion gelesen - ja, ich lese dies -, dass auch sie für den sozialen Aufstieg sei und diesbezüglich

Bildung für zentral halte. Ich war von so viel Sozialdemokratisierung sehr beeindruckt.

(Lachen bei der FDP)

Warum Sie dann aber gegen das Schüler-BAföG sind, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Schließlich kann es Politik nicht einfach bei dem Appell belassen: Strengt euch an! Lernt! Eignet euch gute Bildung an, um eine Chance im Leben zu haben! Politik muss doch auch den Menschen, die eben nicht über entsprechende Finanzmittel verfügen, die notwendigen Mittel dafür in die Hand geben. Alles andere halte ich für zynisch.

(Beifall DIE LINKE)

Jetzt habe ich - das muss ich gestehen - doch noch einmal versucht, Sie von der Sinnhaftigkeit des Schüler-BAföG zu überzeugen. Aber so ist es halt mit guten Vorsätzen. Sie sind mitunter schon nach zwei Minuten obsolet.

Machen wir es kurz. Die simple Botschaft des Tages lautet: Das Schüler-BAföG geht weiter, der Empfängerkreis bleibt. Ab dem nächsten Schuljahr - das darf nicht vergessen werden wird der nächste Jahrgang in den Genuss des Schüler-BAföG kommen. Wir haben Ihnen eine mit dem Bund abgestimmte Formulierung vorgelegt. Es ist eine Einigung, die nach meiner Überzeugung auch dann Bestand hat, wenn der Bundesrat am Freitag den Vermittlungsausschuss anrufen wird, und das wird er, so, wie es aussieht, tun.

Die Empfänger von Sozialleistungen nach SGB II und XII müssen jetzt auf der Grundlage ihrer in den Ämtern bereits vorliegenden Daten lediglich einen neuen Antrag stellen. Es wird nach wie vor keine Abrechnung oder Verwendungsprüfung geben. Solange es keine Hinweise auf missbräuchliche Verwendung gibt, ist das alles ein sehr unkompliziertes und einfaches Verfahren. Ich bin froh, dass eine so einfache, unbürokratische Lösung gefunden wurde. Ich erwarte da kein öffentliches Jubelgeschrei, sondern ich will schlicht und ergreifend die Botschaft aussenden: Es gab ein Problem. Wir haben es benannt, eine Lösung gesucht, dafür gearbeitet und die Lösung gefunden. Das ist es, was die Menschen zu Recht von Politik erwarten. Das werden wir auch in den nächsten Monaten und Jahren verstärkt tun. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Der Abgeordnete Hoffmann spricht für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Günther, Sie haben gesagt, Sie wollen nicht erneut versuchen, uns von der Wirksamkeit des Schüler-BAföG zu überzeugen. Das kann ich gut verstehen.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Das ist auch sinnlos!)

Wahrscheinlich sind Sie selbst nicht so recht davon überzeugt. Auch das kann ich gut verstehen.

(Beifall CDU)

Da werden Sie sicherlich verstehen, dass sich an unserer Position dementsprechend auch nicht viel geändert hat. Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt.

Erstens: Die Förderung setzt viel zu spät ein, und das Geld wäre besser in der frühkindlichen Bildung, in der frühkindlichen Förderung investiert.

(Beifall CDU)

Sie müssten die Mittel eigentlich zur Verbesserung der Sprachförderung im vorschulischen Bereich und vor allem auch zur Abminderung von Unterrichtsausfall verwenden. Aber meine Damen und Herren, eigentlich könnten Sie dieses Geld an jeder x-beliebig anderen Stelle im Bildungshaushalt einsetzen,

(Zuruf des Abgeordneten Ness [SPD])

und Sie könnten sich sicher sein, dass Sie dort mehr für die Verbesserung von Bildungsqualität in Brandenburg beitragen als da, wo Sie es eintragen.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE - Beifall CDU)

Zweitens: Die ausgegebene Zielsetzung, dass Sie mehr Kinder aus einkommensschwachen Familien zum Abitur bringen wollen, wird sich mit diesem Instrument nicht erfüllen.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Herr Günther, Herr Ness! Selbst Ihr Parteigenosse Steffen Reiche - den kennen Sie wahrscheinlich, er war mal Bildungsminister in Brandenburg - hat das Schüler-BAföG als einen Irrweg bezeichnet.

(Zuruf des Abgeordneten Ness [SPD] sowie des Abgeord- neten Senftleben [CDU])

Das untermauert auch, was alle Experten in der Anhörung im Bildungsausschuss bestätigt haben, was übrigens aber auch die Statistiken sehr eindrucksvoll belegen: Es gibt keinen Wirkungszusammenhang zwischen Ihrer Zielsetzung und dem SchülerBAföG.

(Zuruf der Abgeordneten Kaiser [DIE LINKE])

Der Zusammenhang zwischen einem Anstieg der Zahl von Kindern und Jugendlichen in höheren Bildungswegen und der Auszahlung von Schüler-BAföG ist von Ihnen, insbesondere von Ihnen, Herr Ness, sehr wacklig konstruiert, und die Daten aus dem Statistischen Jahrbuch der Schulentwicklung - das habe ich beim letzten Mal hier schon ausführlich dargestellt - untermauern das auch. Damit wird klar, dass Sie in der Bildungspolitik in Brandenburg die falschen Prioritäten setzen, weil Sie es auf Imagepflege bei Ihrer Wählerklientel angelegt haben.

Um an dieser Stelle noch einmal hervorzuheben, worum es bei dem Änderungsgesetz geht: Es geht um etwa 500 Anspruchsberechtigte aus Hartz-IV-Familien, die gegenwärtig das Schüler-BAföG erhalten. Insgesamt beziffert die Landesregierung den Adressatenkreis auf etwa 2 400 Schülerinnen und Schüler. Für die sind 50 bis 100 Euro monatlich zusätzlich natürlich

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Viel Geld! - Zuruf des Abge- ordneten Ness [SPD])

viel Geld. Das ist auch eine Hilfe, nicht nur zu Weihnachten, das wissen wir, aber vor allen Dingen ist es auch deshalb schön, weil Sie keine Nachweispflicht für die Verwendung des Geldes planen.

(Zuruf der Abgeordneten Prof. Dr. Heppener [SPD])

Das Entscheidende ist aber, dass wir darauf hinweisen müssen, dass sich in unseren Schulen im Land Brandenburg gegenwärtig 245 000 Schülerinnen und Schüler befinden.

(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])