Es läuft trotzdem etwas anders als in der Vergangenheit. Denn es gab kaum ein Jahr, in dem der ehemalige CDU-Innenminister Schönbohm nicht versuchte, mit neuen Vorschlägen zur Verschärfung von Sicherheitsgesetzen und zu spektakulären, aber untauglichen Neuerungen wie dem Tragschrauber die öffentliche Meinung zu dominieren.
In aller Deutlichkeit: Die Arbeit der Polizei in Brandenburg ist wichtig und unverzichtbar. Ich meine, wir werden morgen noch Gelegenheit haben, im Zusammenhang mit der 2. Lesung des Polizeigesetzes unsere Auffassungen zum aktuellen Stand der Polizeireform auszutauschen. Die Polizei ist in Brandenburg für die Erfüllung ihrer Aufgaben technisch gut ausgestattet. Derzeit hat sie 1 558 Fahrzeuge, wobei der Fuhrpark an die neuen Strukturen angepasst werden muss. Dass die Betriebskosten gestiegen sind, dürften alle täglich an den Tankstellen im Selbstversuch nachvollziehen.
Bei der Polizei hat es in diesem Jahr ca. 600 Beförderungen gegeben. Das ist eine Entwicklung, die es vorher nicht gab. Ich meine, das ist etwas, was in der Vergangenheit immer wieder kritisiert worden ist, auch berechtigt kritisiert worden ist und wo eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen ist.
Mit dem Haushalt wird eines der wichtigsten und schon länger anstehende Vorhaben, die Einführung des Digitalfunks, sowohl bei der Polizei als auch bei den Hilfsorganisationen finanziell abgesichert. Es macht unzweifelhaft Sinn, dass Polizei und Feuerwehr mit einem flächendeckenden störunanfälligen und abhörsicheren Funk arbeiten können. Die dafür notwendige Infrastruktur wird derzeit errichtet. In diesem Jahr sind immerhin etwa 35 Millionen Euro dafür aufgewendet worden. Dabei zeigt das Beispiel der Verlegung des ursprünglich geplanten Standorts des Funkturms in Plessow - es war eine heftige öffentliche Diskussion -, dass das MI hierbei einen kommunikativen und bürgerfreundlichen Umgang pflegt und Bürgerproteste ernst nimmt.
Spürbar ist auch, dass die intensive und einnahmenfixierte Verkehrsüberwachung mit Blitzern ihren Höhepunkt deutlich überschritten hat und nunmehr auf ein angemessenes Maß zurückgeführt worden ist. Ich will das mit Zahlen belegen. 2009 waren dafür im Haushalt noch 51,4 Millionen Euro an Einnahmen geplant worden. 2011 sind es 10 Millionen Euro weniger; ich denke, das ist ein deutliches Zeichen.
Beim Brand- und Katastrophenschutz - ebenfalls eine wichtige Aufgabe - wird der Unterhalt der vom Bund überlassenen Fahrzeuge, die dem Katastrophenschutz dienen, durch das Land wiederholt mit 500 000 Euro im Jahr unterstützt. Herr Goetz, ich muss Sie korrigieren: § 16 FAG ist geändert worden; der Katastrophenschutz ist aufgenommen worden. Sie haben es im Innenausschuss zur Kenntnis nehmen können: Das Konzept für den Brand- und Katastrophenschutz, das wir gefordert haben, wird noch in diesem Jahr vorgelegt.
Die Kampfmittelbeseitigung wird auch im nächsten Jahr besondere Aufmerksamkeit genießen. Diese Aufgabe ist seit Jahren eine große Herausforderung für unser Land; das wird auch noch über einen langen Zeitraum so bleiben. Jährlich gibt es in Brandenburg 1 700 Sofortfunde oder 350 t Altmunition, die eine sofortige Reaktion erfordern, indem sie geborgen und vernichtet werden. Schwerpunkt ist und bleibt Oranienburg, aber auch in Potsdam und an anderen Orten gibt es besondere Herausforderungen.
Ein weiteres wichtiges Vorhaben im Jahre 2011 ist der europaweit durchzuführende Zensus. Wir werden von den Ergebnissen dieser Volkszählung auch profitieren, müssen aber über 30 Millionen Euro dafür aufwenden; allein 2011 sind es 18 Millionen Euro.
Wir haben in der Vergangenheit mit großer Aufmerksamkeit die Entwicklung des Personalbesatzes im unmittelbaren Apparat des Innenministeriums begleitet. Im Haushaltsjahr 2007 hatte Herr Schönbohm die Anzahl der Beamtenstellen im Ministerium selbst bis auf 571 Stellen aufgeblasen. Nach einer deutlichen Reduzierung 2010 sollen diese Beamtenstellen 2011 von 458 auf 414 heruntergefahren werden. Wir halten das für eine richtige Entwicklung.
Diese Personalreduzierung betrifft auch - das ist öffentlich diskutiert worden - den Verfassungsschutz, was wir für vertretbar und angemessen halten. Es hat im Innenausschuss keine Änderungsanträge von der CDU und den Grünen gegeben. Die von der FDP vorgeschlagenen Änderungen zur Haushaltssystematik mussten begründet abgelehnt werden; heute sind weitere Anträge der FDP eingereicht worden. Ich denke, das spricht dafür, dass der Haushaltsentwurf insgesamt eine gute Voraussetzung ist, um die anstehenden Vorhaben verantwortungsvoll umsetzen zu können. Wir werden deshalb diesem Haushalt zustimmen. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Scharfenberg. - Die Aussprache wird mit dem Redebeitrag der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fortgesetzt. Frau Abgeordnete Nonnemacher hat das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Jetzt kommt leider wieder jemand aus der Rubrik „Nörgler und Neider“, wie es heute Vormittag so schön hieß.
Dazu möchte ich sagen: Wir Grünen nörgeln nicht, sondern wir machen konstruktive Politik, und dass ich Sie im Moment um Ihre politische Situation beneide, weise ich weit von mir.
Kommen wir zum Haushalt: Der Haushalt des Innenministeriums enthält auf den ersten Blick wenig Überraschendes, wie das in einem Ressort mit einem großen Personalkörper, der
hauptsächlich aus Beamten besteht, auch kaum zu erwarten ist. Das Haushaltsvolumen beträgt 642 Millionen Euro und weist damit abermals einen Aufwuchs von 20 Millionen Euro auf. Der Anteil der Personalkosten sinkt von 71 auf 67 %, dafür steigen die sächlichen Verwaltungskosten um 22,6 Millionen Euro an und betragen nunmehr schon 25 % des Einzelplans. Ein Teil dieser Verwaltungsausgaben ist temporär und lässt sich mit Verpflichtungen des Landes aus Bundes- und EU-Vorgaben begründen, zum Beispiel der Durchführung des registergestützten Zensus 2011.
Auch den Aufgabenzuwachs für den Digitalfunk wollen wir als vorübergehend und begründet ansehen, wobei der größte Posten erst im Jahr 2012 droht. Dass allerdings dieser Aufbau wie geplant bis zum Jahre 2013 abgeschlossen sein und eine deutliche Ansatzreduktion im Haushaltsplan zur Folge haben wird, wagen wir nach den bisherigen Schwierigkeiten zu bezweifeln.
Eklatant sind die Steigerungen für die Mietzahlungen an den BLB, die zu 50% durch Steigerung der Betriebskosten verursacht werden. Insgesamt wird das Innenressort 2011 17,4 Millionen Euro an Heiz- und Nebenkosten ausgeben - eine Steigerung um 20 %. Die Verschwendung von Energie und anderen Rohstoffen verursacht Kosten, die zugunsten Dritter den Landeshaushalt belasten. Wie im Vorjahr mahnen wir ein zentrales Energiemanagement bei den Landesliegenschaften an; Herr Dr. Scharfenberg, die entsprechenden Änderungsanträge haben wir nur dieses Mal zentral für alle Haushalte gestellt und nicht einzeln im Innenausschuss.
Offen bleibt die Frage, wann der Einzelplan 03 einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leistet. Trotz kontinuierlichen Personalabbaus - ich erinnere, dass bereits zwischen 2002 und 2009 1 312 Stellen bei der Polizei eingespart wurden - sind die Ausgaben in diesem Einzelplan seit 2007 um sage und schreibe 32 % aufgewachsen. In der mittleren Finanzplanung wird in den nächsten Jahren ein stetiger Zuwachs für Verwaltungskosten prognostiziert, an denen das Ministerium des Innern nicht unschuldig ist. Verwaltungskosten werden größtenteils durch den Einsatz von Personal generiert und sollten bei spürbarem Stellenrückgang sinken.
Kommen wir zur Innenpolitik: Der Blickwinkel auf die Innenpolitik des Landes Brandenburg wird weiterhin durch die Polizeistrukturreform dominiert. Dabei muss jetzt ausgebadet werden, was von Anbeginn schlecht und unprofessionell begonnen wurde. Schon die im Zuge der Koalitionsverhandlungen im Herbst 2009 durch den Raum geisternde Zahl von 3 000 einzusparenden Polizeistellen war bestens dazu geeignet, Ängste und Widerstand zu schüren. Der vom Innenminister eingesetzten Expertenkommission wurde die Zielzahl 7 000 mit auf den Weg gegeben sowie die dezidierte Anweisung, ein Stelleneinsparprogramm zu erarbeiten. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Personalausstattung von 4 000 Bediensteten bis 2019 sollte schnellstmöglich von oben nach unten durchgesetzt werden. Der vom Finanzminister zum Innenminister beförderte Rainer Speer schien die idealen Voraussetzungen dafür zu bieten, haushalterische Vorgaben mit kaltschnäuziger Autorität durchsetzen zu können; Motto: Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. - So geriet eine an sich notwendige und sinnvolle Polizeistrukturreform von Anfang an zum kommunikativen Desaster. Die Chance und Herausforderung, in einem großen, von der demografischen Entwicklung und wegbrechenden Finanzressourcen stark betroffenen Flächenland über realistische Standards für die
innere Sicherheit zu diskutieren wurden im Ansatz vertan. Eine von der märkischen Sozialdemokratie vorgegebene Neigung, Entscheidungen des engsten Führungszirkels ohne breitere Diskussionsprozesse zu exekutieren, traf auf eine Linkspartei, die, von der Perspektive einer lang ersehnten Machtbeteiligung berauscht, ihre eigenen Positionen so schnell über Bord warf.
(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE: Nein, nein! - Jetzt schnappen Sie ein bisschen über! - Bisschen viel Glüh- wein, was?)
- Ach, wissen Sie, Herr Görke, mit 5,7 % hatten wir nun wirklich nicht auf eine Regierungsbeteiligung spekuliert. Das können Sie uns wirklich nicht unterstellen.
Pech für diesen Politikansatz, dass sich 20 Jahre nach der Wende auch im Osten der Republik Demokratisierungsprozesse nicht mehr ignorieren lassen. Pech, dass sich in Gesamtdeutschland der Zeitgeist dahin gehend entwickelt hat, dass große Projekte nicht mehr widerspruchslos hingenommen werden.
Top down funktioniert so nicht mehr. Statt durch raubeiniges Autoritätsgehabe die betroffenen Polizeibeamten, die Vertreter der Kommunen und die Bevölkerung zu beunruhigen und auf die Barrikaden zu treiben, wäre gerade zu Anfang eine Haltung der Vermittlung, des Werbens, der Deeskalation, ja, der teilnehmenden Fürsorge und des Gesprächs auf Augenhöhe vonnöten gewesen.
Viel Widerstand und viele Befürchtungen - ob nun berechtigt oder überzogen - hätte man sich ersparen können. Eskaliert ist der Protest an der Frage der Polizeiwachen. Hier schlug eine abstrakte Reform in die konkrete Betroffenheit vor Ort um. Die unhaltbare und kompromisslos vertretene Zauberformel 15+x, verbunden mit der unfrohen Botschaft über die Schließung von 70 % der Wachen, ist zum Sinnbild der völlig gescheiterten Vermittlung geworden. Hat diese Landesregierung, hat dieses Innenministerium, Herr Dr. Woidke, eigentlich keine Berater, die etwas von Psychologie verstehen? Musste die gute Nachricht, nämlich das Bekenntnis zum Standorterhalt, so viele Monate auf sich warten lassen?
Innenminister Dr. Woidke muss nun mühsam nacharbeiten, was initial dilettantisch versemmelt worden ist. Sein Besuchsprogramm bei den Dienststellen, Bürgermeistern und Kreisverwaltungen nötigt Respekt ab. Er hört zu, er nimmt sich Zeit, er nimmt seine Partner ernst. Er führt Gespräche und versucht, Vertrauen zurückzugewinnen. Auch dabei macht er eine gute Figur.
Es darf aber nicht vergessen werden, dass nicht nur Reparaturarbeiten in puncto vertrauensbildender Maßnahmen und Kom
munikation zu bewältigen sind, nein, auch inhaltlich muss nachgearbeitet werden. Es rächt sich jetzt, vorschnell mit einem nicht zu Ende gedachten Konzept vorgeprescht und Bürgern die Antwort auf die Ausgestaltung der Reform in ihrem konkreten Lebensumfeld schuldig geblieben zu sein.
Das, was nicht richtig auf die Spur gebracht wurde, auszubügeln kostet Zeit und viele Ressourcen. Das Innenressort im Land Brandenburg wird noch lange Zeit mit der Polizeistrukturreform beschäftigt sein. Dabei gäbe es so vieles, um was es sich ebenso dringlich kümmern müsste. Wir erleben gerade anhand der Diskussion zum Finanzausgleichsgesetz die Finanznöte der Kommunen, Landkreise und insbesondere der kreisfreien Städte. Mal abgesehen von der politischen Großwetterlage wie Konjunktur, Wirtschaftsentwicklung in Deutschland, Ausrichtung der Kommunalfinanzierung auf Bundesebene und dem Ärgernis, dass den Kommunen immer mehr nicht ausfinanzierte Sozialleistungen aufgebürdet werden, gibt es hier auch reichlich Handlungsbedarf auf Landesebene.
Brandenburg leistet sich bei sinkender Bevölkerungszahl administrative Strukturen, die nicht mehr als zukunftsfest bezeichnet werden können.
Schon jetzt gibt es 40 Kommunen, die die in der Gemeindegebietsreform 2003 angestrebte Mindestgröße von 5 000 unterschritten haben. Mehr als die Hälfte der 197 Brandenburger Kommunen liegt unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze von 10 000 Einwohnern - Tendenz steigend. Die Aufteilung in 14 Kreise bei derzeit 2,5 Millionen Einwohnern wirft dringende Fragen auf, demografiefest ist sie keinesfalls.
Das Land Sachsen hat bereits 2008 eine umfassende Verwaltungs- und Funktionalreform durchgeführt und bei immerhin 4,2 Millionen Einwohnern die Zahl seiner Kreise von 22 auf 10 reduziert und die Zahl seiner kreisfreien Städte von sieben auf drei zurückgeführt. Görlitz, Plauen, Zwickau und Hoyerswerda wurden zum 01.01.2009 eingekreist, wie sich das nennt. Die verbliebenen kreisfreien Städte Chemnitz, Leipzig und Dresden weisen Einwohnerzahlen zwischen 230 000 und 500 000 auf. Die kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) in Brandenburg hat gerade die Grenze von 60 000 Einwohnern unterschritten.
Philosophische Betrachtungen über die Segnungen der Kreisfreiheit dürften da bald an ihre Grenzen stoßen.
Auch Mecklenburg-Vorpommern hat sich nach Anlaufschwierigkeiten dieses Jahr zu einer umfassenden Kreisgebietsreform entschlossen. Die Zahl der Landkreise sinkt von 12 auf 6, wo
bei fast alle eine größere Fläche als unser größter Landkreis Uckermark aufweisen werden. Die Zahl der kreisfreien Städte sinkt von 6 auf 2, nämlich Rostock und die Landeshauptstadt Schwerin. Auch wenn diese Einschnitte schmerzlich sind und die Größe der Landkreise erheblich ist, so bleibt doch die richtige Erkenntnis, dass bei sinkenden Einwohnerzahlen und sinkenden Einnahmen knappes Geld nicht zur Aufrechterhaltung ineffizienter Verwaltungen ausgegeben werden kann.