Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

Bisher wollten die Landesregierungen in Berlin und Brandenburg für den BBI eine umfangreiche Nachtflugerlaubnis. Klar, hier geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Aus Gründen des Lärmschutzes kann ein Großflughafen im dichtbesiedelten Gebiet aber nicht ohne Rücksicht auf die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner betrieben werden. Das hat auch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt und ein eingeschränktes Nachtflugverbot durchgesetzt. Die darin enthaltene Regelung von 103 Flügen bedeutet aber nichts anderes, als dass immer noch alle anderthalb Minuten ein Flugzeug über die Schlafzimmer der Region rauscht. Ich frage mich daher: Was sind das für Einschränkungen?

Erst dieses Jahr hat das Umweltbundesamt in der Studie „Risikofaktor nächtlicher Fluglärm“ das erhöhte Gesundheitsrisiko für betroffene Personen wieder belegt. Für Herz- und Kreislauferkrankungen ist nachgewiesen: Im Vergleich zu Personen, die keinem Fluglärm ausgesetzt sind, steigt das Krankheitsrisiko betroffener Personen mit zunehmender Lärmbelastung. Personen, die verstärkt vom Nachtfluglärm betroffen sind, weisen häufig höhere Blutdruckwerte auf als Menschen in ruhigen Wohngebieten. Auch bei psychischen Erkrankungen findet sich ein relevanter Bezug. Bei Frauen sind die Erkrankungsrisiken für Depressionen signifikant erhöht, und besonders Kinder leiden unter der Beeinträchtigung der Nachtruhe.

Ein weitgehendes Nachtflugverbot dient daher dem Schutz der menschlichen Gesundheit und ist somit im Interesse aller potenziell vom Fluglärm betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Deshalb kann und muss ein solches Verbot schnellstmöglich beschlossen werden.

(Beifall GRÜNE/B90 sowie vereinzelt FDP)

Das sehen ja nicht nur wir so. Ob nun der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bund, Gregor Gysi, unsere Umweltministerin Anita Tack, die Vorsitzende des Umweltausschusses Kornelia Wehlan, der Vorsitzende der SPD Potsdam-Mittelmark Sören Kosanke - man könnte die Liste noch eine Weile fortführen -: Abgeordnete aus allen Parteien sprechen sich außerhalb des Parlaments für ein Nachtflugverbot aus, jedenfalls so lange, wie es keine Konsequenzen nach sich zieht. Wird es konkreter wie im vorliegenden Antrag - werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sich vor einer klaren Entscheidung zu drücken und nichts anderes ist Ihr Antrag auf Überweisung.

(Jürgens [DIE LINKE]: Mal wollen Sie überweisen, mal wollen Sie nicht!)

Die sonst stattfindende namentliche Abstimmung hätte wohl den einen oder anderen in Erklärungsnot gebracht.

(Frau Wöllert [DIE LINKE]: So sehen wir das auch!)

Ich versichere Ihnen aber: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Hinter dem Konflikt „Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gegen ökonomische Interessen“ steht für uns die grundsätzliche Frage, wie nachhaltige Mobilität gestaltet werden kann. In der Vergangenheit wurde beim BBI eindeutig zu wenig nachgefragt, welche Nachtflüge wir tatsächlich brauchen, und vor allem, welchen Preis wir dafür zu zahlen bereit sind. Unsere Position ist dazu eindeutig: Gesundheit muss an erster Stelle - auch vor wirtschaftlichen Interessen - stehen.

Zu der Frage nach einer nachhaltigen Mobilität gehört aber nicht nur die Belastung der menschlichen Gesundheit, sondern auch die Beeinträchtigung von Umwelt und Natur. Inlandflüge sind immer öfter billiger als das wesentlich ökologischere Fortbewegungsmittel Bahn. Der Flug Berlin-Düsseldorf und zurück beispielsweise kostet 90 Euro weniger als das vergleichbar gebuchte Bahnticket. Es ist völliger Irrsinn, das die Umwelt stark belastende Verkehrsmittel Flugzeug derart staatlich zu subventionieren.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt DIE LINKE)

Auch von Ihrer Seite bis hin zum Ministerpräsidenten wird ja in letzter Zeit immer gern betont, dass Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit geht. Aber wie sieht es in der Realität aus? Gemeinsam mit Ihrem rot-roten Pendant in Berlin setzt sich Ihre Koalition im Bundesrat quasi als Büttel der wirtschaftlichen Interessen des BBI dafür ein, die Luftverkehrssteuer zu verhindern. Das ist genau die Lobby-Politik, die Sie sonst immer gern anderen vorwerfen.

Der BBI ist als Flughafen für Billig-Airlines angelegt. Ich muss hier ganz klar sagen: Hier liegt ein grundsätzlicher strategischer Fehler in der Verkehrspolitik des Landes vor. Was wir

brauchen, ist eine nachhaltige Verkehrspolitik und sind keine diskriminierenden Subventionen für den Luftverkehr.

(Beifall GRÜNE/B90)

Aber dieses Thema werden wir sicherlich noch in einer gesonderten Debatte intensiv behandeln. Heute geht es zunächst um ein Nachtflugverbot, das die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger in angemessener Weise schützt. Wir wissen, mit einem solchen Antrag machen wir uns nicht unbedingt beliebt, doch wir sind keine Wohlfühlopposition, und deshalb bleiben wir bei dem Prinzip „Gesundheit muss vor Wirtschaftsinteressen gehen“. Auch der Ministerpräsident sollte endlich aufhören, der Wohlfühlministerpräsident zu sein.

Auch wenn es mich enttäuscht, dass wir heute keine namentliche Entscheidung treffen, begrüße ich es, dass das Nachtflugverbot im Ausschuss weiter in der Diskussion bleibt.

Ich möchte mich noch einmal ausdrücklich bei den Abgeordneten der anderen Fraktionen bedanken, die unseren Antrag unabhängig von Partei- oder Fraktionszwängen unterstützt haben, und ihnen den Respekt aussprechen. Ich denke, das ist ein gutes Signal für die Demokratie. - Vielen Dank.

(Beifall GRÜNE/B90 und vereinzelt FDP)

Die Abgeordnete Gregor-Ness spricht für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! In dem Antrag steht als Erstes: Der Landtag stellt fest:

„Lärm stellt eine nicht zu unterschätzende Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Vor allem nächtlicher Fluglärm führt dazu, dass betroffene Anwohnerinnen und Anwohner von Flughäfen einem signifikant höheren Gesundheitsrisiko ausgesetzt sind.“

Wer in diesem Hause würde diesem Gutachten widersprechen wollen? Doch daraus die Forderung nach einem strikten Nachtflugverbot von 22.00 bis 6.00 Uhr abzuleiten - aus Sicht der Betroffenen durchaus nachvollziehbar -, kann sich Politik nicht so undifferenziert und pauschal anschließen. Das ist nicht verantwortlich.

(Vereinzelt Beifall FDP)

Die derzeit sehr emotional geführte und vor allen Dingen natürlich zu den Flugrouten und auch zum Fluglärm notwendige Debatte zeigt, dass wir mit unseren üblichen Planungs- und Verwaltungsmechanismen an Grenzen stoßen. Die Bürgerinnen und Bürger vermissen - und das zu einem großen Teil zu Recht - logische, nachvollziehbare und transparent gestaltete Entscheidungsprozesse.

Zu unserem Planergänzungsbeschluss möchte ich folgende Fakten aufführen. Erstens: Selbstverständlich wollen wir einen internationalen und wettbewerbsfähigen Flughafen. Wenn es

allerdings um die Sicherheit und um Lärmschutz geht, dann steht für die SPD-Fraktion fest: Für uns steht die Sicherheit an erster Stelle, an zweiter Stelle steht der Lärmschutz - und erst dann kommt die Wirtschaftlichkeit.

(Beifall SPD und GRÜNE/B90)

Zweitens: Mit dem Planergänzungsbeschluss vom 20. Oktober liegen weitgehende Regelungen vor, die vor allen Dingen dem Schutz der Anwohner vor nächtlichem Fluglärm dienen. Es besteht ein absolutes Flugverbot von 0.00 bis 5.00 Uhr. Im Unterschied zu anderen Flughäfen, zum Beispiel München, wurde eine Kontingentierung und eine Skalierung eingeführt. Dadurch gibt es einen Nachtflugbereich, und es werden Anreize geschaffen, Flugbewegungen innerhalb dieser Zeit möglichst zu vermeiden. Zwischen 23.30 Uhr und 24.00 Uhr sowie von 5.00 Uhr bis 5.30 Uhr gibt es keine planmäßigen Flüge. Es können also nur Verspätungen, Überführungen oder Ähnliches am Flughafen eintreffen.

(Zuruf von der Fraktion GRÜNE/B90: Also alle andert- halb Minuten!)

Als dritte Dimension erfolgte eine Begrenzung der Zahl der Flüge zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr. Durch einen Flugbewegungskorridor und ein Kontingent ergibt sich damit eine Nachtverkehrszahl. Generell darf außerdem zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr nur mit lärmarmen Flugzeugen geflogen werden. Es ist also ein sehr ausgewogenes und abgewogenes Verfahren gewählt worden. Wir erwarten zudem eine Entscheidung des Gerichts zu diesem Planergänzungsbeschluss, und ich glaube, diesen sollten wir auch erst einmal abwarten.

Wir haben über den Planergänzungsbeschluss zum anderen die Lärmschutzzonen ausgedehnt. Es sind nunmehr für 26 000 Haushalte - und ich gebe zu, es sind ziemlich viele Haushalte - Lärmschutzmaßnahmen angeordnet, die mit einem Gesamtvolumen von ca. 140 Millionen Euro finanziert werden.

Der Nachtfluganteil am zukünftigen BBI liegt weit unter dem Durchschnitt vergleichbarer Flughäfen, bleibt aber - das muss man zugeben - von saisonalen Schwankungen natürlich nicht verschont. Es ist völlig klar: Bei gleichzeitigem Urlaubsbeginn in Berlin und Brandenburg wird es zu entsprechenden Flugbewegungen kommen.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will nun die direkte Abstimmung über den Antrag, denn es geht Ihnen nicht um eine sachliche Diskussion und um eine Erörterung,

(Zuruf von der Fraktion GRÜNE/B90: Doch!)

sondern es geht vor allen Dingen um politischen Vorteil - ich glaube, nicht zuletzt für Frau Künast in Berlin.

(Zuruf von der SPD: Genau! - Beifall SPD)

Nach drei Parlamentstagen und der Forderung von Herrn Jungclaus nach nachhaltiger Mobilität kann ich allerdings nur eines feststellen: Die Grünen wollen überhaupt nicht Verkehr gestalten, sondern wollen ihn nur beklagen. Wir haben in den drei Tagen gelernt: Die Züge sind zu voll. Es werden noch viel zu viele Straßen gebaut. Radwege sind immer noch problematisch in

Bezug auf ihre Umweltverträglichkeit. Wasserstraßen, Flughäfen und natürlich Bahnhöfe dürfen nicht auf die Zukunft ausgerichtet und neu gebaut werden.

(Zuruf des Abgeordneten Jungclaus [GRÜNE/B90])

Vor diesem Hintergrund beantragen wir dennoch - zwecks Diskussion - die Überweisung des Antrags sowohl in den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft, in den Umwelt, Gesundheits- und Verbraucherschutzausschuss als auch in den Wirtschaftsausschuss. Die Diskussion wird schwierig und anstrengend. Ich bin dennoch darauf gespannt und bitte um Überweisung des Antrags. - Danke.

(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)

Der Abgeordnete Genilke spricht für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Schutz der Bürger vor übermäßigem Verkehrslärm steht in einem Spannungsverhältnis zu dem Ziel, eine leistungsfähige und den Mobilitätsbedürfnissen des 21. Jahrhunderts entsprechende Verkehrsinfrastruktur vorzuhalten. Dieses Spannungsverhältnis finden wir in verschiedenen Verkehrsträgern wieder: A 10 Michendorf - das hatten wir erst vor kurzem. Denken wir auch an den Schienenverkehr gerade im Bereich Bestensee und Zeuthen, aber denken wir auch an die eben vom Minister angesprochene Schleuse in Kleinmachnow. So ist durchaus nachvollziehbar, dass wir beim Luftverkehr vor der Herausforderung stehen, die berechtigten Interessen der Anwohner mit den Interessen der Verkehrsnutzer und der Luftverkehrswirtschaft zu vereinbaren.

Bei einem Flughafen von der Größe des BBI konzentrieren sich natürlich die Betroffenheiten, sodass hier eine Abwägung ganz besonders schwerfällt. Am deutlichsten wird dies bei der Frage nach zukünftigen Nachtflugregelungen. In seinem Urteil vom 16. März 2006 zum Planfeststellungsbeschluss hat das Bundesverwaltungsgericht festgelegt, dass die Durchführung des Flugbetriebes in den Nachtrandstunden von 22.00 bis 24.00 Uhr sowie von 5.00 bis 6.00 Uhr einer besonderen Begründung bedarf. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit in diesen Zeitraum gelegt werden.

In dem daraufhin am 20. Oktober 2009 festgestellten Planergänzungsbeschluss wird für das Jahr 2023 ein begründeter Bedarf von 77 Flugbewegungen und in Spitzenzeiten die Zahl von maximal 103 Flugbewegungen in Nachtrandzeiten festgelegt. Die Zeitscheibe bis 5.30 Uhr und 23.30 Uhr bis 24.00 Uhr wird stärker gewichtet, um einen Anreiz zu setzen, diesen Zeitraum weitgehend flugfrei zu halten. Gegen diesen Beschluss wurde nun erneut geklagt, sodass die Nachtflugproblematik derzeit Frau Gregor-Ness hat es schon angesprochen - vom Bundesverwaltungsgericht behandelt wird. - Das Urteil erwarten wir bekanntlich im Frühjahr, und dann werden wir sehen.

Angesichts der derzeit lebhaft geführten Diskussion um die Flugrouten ist die Problematik der Nachtflugregelung wieder in den öffentlichen Fokus gerückt, natürlich nicht ganz zufäl

lig, sondern der Ministerpräsident hat in seiner Panik leichthin versprochen, dass der Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit geht. Das funktioniert sogar ein Stück weit - wenn wir nämlich über die Flugrouten diskutieren. Da habe ich überhaupt gar kein Problem. Aber wenn wir komplett infrage stellen, was diesen Flughafen angeht, wären wir ja irre, wenn wir einfach sagten: Der Lärmschutz steht über allem, und die Wirtschaftlichkeit fahren wir in den Keller. - Wir sind Gesellschafter dieser Flughafengesellschaft. Das heißt, wir sind verantwortlich auch für die Nachschusspflicht. Wir müssten sonst jetzt schon Rücklagen bilden - da wird sich unser Finanzminister ganz besonders freuen -, nämlich für den entgangenen Gewinn der Flughafengesellschaft, und das ist in dem Antrag, den uns die Grünen vorlegen, überhaupt noch noch berücksichtigt.

(Minister Dr. Markov: Das stimmt nicht! Das muss nicht der Gesellschafter bezahlen!)

- Die sind notfalls nachschusspflichtig, wenn er in die Miesen gerät. Wir können uns gern an anderer Stelle einmal darüber unterhalten.