Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

(Unruhe)

Ich versuche, mein Verhalten zu erklären, und das geht nicht ganz ohne Inhalt dazu. Insofern setze ich die Debatte nicht fort, sondern sage, warum ich wie abgestimmt habe und warum ich mich dem Antrag auch angeschlossen habe, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, denen ich ausdrücklich für diesen Antrag danke, hier gestellt hat.

Die entscheidende Frage, die letztlich besteht, ist die, ob Geld oder Vertrauen wichtiger ist. Ich habe mich in einem Punkt entschieden, der es mir erlaubt, auch künftig noch meinen Nachbarn in die Augen zu sehen, wie sie das in gleicher Weise tun. - Danke.

Herr Abgeordneter, Sie dürfen im Rahmen einer persönlichen Erklärung nur zu gegen Sie erhobenen Vorwürfen sprechen.

Sie haben sich in der Sache geäußert. Dazu sind persönliche Erklärungen nicht geeignet.

(Frau Hackenschmidt [SPD]: Frau Präsidentin, ich bin stolz auf Sie! - Zuruf: Sehr gut! - Beifall SPD und DIE LINKE - Der Abgeordnete Goetz wendet sich an das Prä- sidium. - Frau Kaiser [DIE LINKE]: Machen Sie in dem Gespräch keine juristische Haarspalterei! - Goetz [FDP] zum Präsidium: Ich kann mich erklären, warum ich so ab- gestimmt habe, wie ich abgestimmt habe!)

Ich eröffne den letzten vorweihnachtlichen Tagesordnungspunkt 9 mit dem friedlichen Titel:

Demonstrationsrecht friedlich ausüben

Antrag der Fraktion der CDU

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Das passt!)

Ich eröffne die Aussprache mit dem Beitrag des Abgeordneten Petke.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte am Anfang zunächst einmal die Gelegenheit nutzen, den Polizeibeamtinnen und den Polizeibeamten, die während des Castor-Transportes in Brandenburg und darüber hinaus eingesetzt waren, meinen Dank auszusprechen, dass dieser Transport im Wesentlichen friedlich erfolgt ist. Dass er ohne großartige Vorkommnisse polizeilicher Art abgegangen ist, ist, glaube ich, ein Verdienst nicht nur derjenigen, die Dienst getan haben, sondern es ist insbesondere ein Verdienst der handelnden Polizeibeamten, die sich sehr besonnen verhalten haben.

(Domres [DIE LINKE]: Und der Demonstranten!)

Wir haben den Castor-Transport in Brandenburg zum Anlass genommen, einen Antrag in den Landtag einzubringen, der sich mit den Folgen von Verstößen gegen das Demonstrationsrecht beschäftigt. Zum Castor-Transport haben sich viele geäußert, auch aus diesem Haus. Mich hat bei all den Äußerungen am meisten verwundert, dass der Landesverband BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ausdrücklich dazu aufgerufen hat, gegen diesen Transport zu demonstrieren.

Ich räume ein - und das ist in der CDU nicht anders -, dass man zu der Frage, wie man mit der Kernkraft umgeht, verschiedener Meinung sein kann. Das ist ein Thema, das sensibel behandelt wird, das streitig behandelt wird, was auch emotionalisiert. Wenn man aber über lange Jahre einen Bundesumweltminister gestellt hat - und dieser Bundesumweltminister hat nun gerade den in Rede stehenden Transport, der 30 Kilometer auch durch Brandenburg führte, er hätte auch weiter durch Brandenburg führen können, wenn eine andere Strecke genommen worden wäre -, und dieser Transport praktisch Anlass ist, dagegen zu demonstrieren, obwohl Herr Trittin diesen Transport bestellt hat, angeordnet hat in der Zeit, als Rot-Grün im Bund Verantwortung getragen haben und die Weichen für diesen Transport

rechtlich und tatsächlich gestellt worden sind, dann wundert mich das.

Das wundert mich umso mehr, als damit auch klar ist, dass der Castor-Transport mitnichten etwas mit der Entscheidung der Bundesregierung, die Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland zu verlängern, zu tun hat. Ich freue mich und bin in Erwartung der Erklärung von Bündnis 90/Die Grünen, warum Sie dazu aufrufen, gegen einen eigenen Transport zu demonstrieren. An diesem hätte auch „bestellt durch Herrn Trittin“ stehen können.

Uns geht es im Kern darum, dass das Demonstrationsrecht ein friedliches Recht ist. Wir haben Bilder gesehen, nicht in Brandenburg, aber in Gorleben und auch beim jüngsten Transport, die zeigten, dass das Demonstrationsrecht missbraucht und die Polizei provoziert wurde. Es wurden bewusst Straftaten begangen und Dinge getan, die mit unserer Rechtsordnung und dem Demonstrationsrecht nicht vereinbar sind. Wir wollen, dass die Polizei hier rechtsstaatlich handelt, und dazu gehört, dass sie in solchen Fällen diejenigen, die diese Störungen herbeiführen, an den Kosten beteiligt.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Also den Bund!)

Nun haben wir ja die politischen Forderungen vernommen, dass die Betreiber von Atomanlagen für die Castor-Transporte aufkommen sollen - das mag so sein -, aber für Störungen, finden wir, soll derjenige aufkommen, der sie verursacht. Dazu gibt es klare rechtliche Grundlagen, die nach unserer Erfahrung in Brandenburg relativ wenig bis gar nicht angewandt werden, und deswegen lohnt es, eine Debatte im Landtag darüber zu führen, ob und inwieweit derjenige, der einen solchen Polizeieinsatz provoziert, indem er sich zum Beispiel auf ein Gleis setzt, festkettet, einbetoniert, weggetragen werden muss und Ähnliches, dann auch für die entstehenden Kosten zur Verantwortung zu ziehen ist.

(Frau Kaiser [DIE LINKE]: Die Atomlobby provoziert den Polizeieinsatz!)

Es kann doch wohl nicht sein, dass diese Kosten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. - Danke schön.

(Beifall CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Petke. - Wir setzen die Aussprache mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Der Abgeordnete Ness hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Petke, erst einmal darf ich eines feststellen: In den letzten Tagen hatten Sie ja leichte Schwierigkeiten mit Ihrer Stimme. Das Hohe Haus hat Ihnen gute Besserung gewünscht. Ich freue mich, feststellen zu können: Ihrer Stimme hat es geholfen. Aber inhaltlich habe ich keine Besserung festgestellt.

Es ist das alte Hobby, das Sie betreiben. Ich habe mich gestern schon gewundert, dass Sie nicht die marodierenden linksextremen Horden, die in Brandenburg durch Spremberg und Perle

berg ziehen und Autos anzünden, beschreiben, um die Polizeireform ablehnen zu können. Aber heute sind Sie ja wieder bei sich und haben jetzt Gott sei Dank die Castor-Gegner, die bösen, bösen militanten Atomkraftgegner, gefunden, die man vorschieben kann, um von der eigenen Politik abzulenken. Sie lenker von Ihrer eigenen Politik ab. Sie wollen ja, wenn ich den Antrag richtig verstanden habe, das Verursacherprinzip einführen. Darüber können wir gern diskutieren, ich bin sehr dafür. Dann sage ich Ihnen aber, wer der Verursacher der großen Proteste gegen Atomenergie in der Bundesrepublik Deutschland ist: Das ist die von CDU und FDP getragene Bundesregierung, die einen Atomkonsens, der während der rot-grünen Regierungszeit gefunden worden ist und einen gesellschaftlichen Großkonflikt in diesem Land befriedet hat, aufgekündigt hat.

Lassen Sie eine Frage der Abgeordneten Blechinger zu?

Nein, ich würde gern fortsetzen. - Wenn wir über das Verursacherprinzip reden - ich finde es auch skandalös, dass die Bundesländer die Kosten für eine bundespolitische Entscheidung tragen müssen -,

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

dann muss gesagt werden, dass es die Bundesregierung ist, die Zehntausende friedlich demonstrierende Menschen mobilisiert, weil sie den Atomkompromiss aufgekündigt hat und einen neuen gesellschaftlichen Großkonflikt herbeibeschwört. Sie versuchen, friedliche Demonstranten zu kriminalisieren. Das hat eine üble Tradition in der CDU. Wahrscheinlich haben Sie bei bestimmten Ereignissen gelernt, dass Sie mit so etwas Erfolg haben können.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90)

In Stuttgart gibt es derzeit einen Untersuchungsausschuss, der untersucht, ob die dortigen Polizeieinsätze nicht eigentlich den Zweck hatten, gewalttätige Proteste zu provozieren, um das Projekt durchzusetzen.

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Frage des Abgeordneten Beyer zu?

Nein. - Ich erzähle Ihnen eine kleine Geschichte. Nach Tschernobyl hat es in Westdeutschland 1986/87 eine große Demonstrationsbewegung gegen das Kernkraftwerk Brokdorf gegeben. Hunderttausende sind gegen dieses Kernkraftwerk auf die Straße gegangen. Am Rande gab es auch gewalttätige Auseinandersetzungen. Die Geschichte, die ich jetzt erzähle, sollten sich insbesondere die Grünen merken. Es kam am Rande zu gewalttätigen Auseinandersetzungen durch einige wenige mit der Polizei. Dabei ist ein Polizist in der Wilstermarsch in einen Graben gefallen und von einem Demonstranten übel zusammengeschlagen worden. Dann passierte Folgendes: Im gleichzeitig laufenden Landtagswahlkampf in Niedersachsen hängte die CDU zwei Plakate auf - es war eine Situation „Spitz auf Knopf“,

die CDU verlor ihre absolute Mehrheit, das war klar, es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb -: Auf einem Plakat war der vermummte Demonstrant zu sehen, der von hinten auf den armen Polizisten einschlug, und darunter stand: Ist das unser nächster grüner Umweltminister?

Lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dombrowski zu?

- Natürlich lasse ich auch keine Frage von Herrn Dombrowski zu.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Das wäre jetzt auch unhöf- lich!)

Auf dem anderen Plakat - es ist schon 25 Jahre her, aber es zeigt, dass sich die Tradition fortsetzt - war ein krähender Hahn zu sehen, und darunter stand: „Niedersachsen, pass auf! RotGrün droht.“ - Wahrscheinlich werden wir in zukünftigen Wahlkämpfen „Rot-Rot droht!“ oder „Rot-Rot-Grün droht!“ lesen. Also überlegen Sie sich, was Sie sich für Freunde suchen. In dieser Auseinandersetzung wird klar, in welcher Tradition die Petkes und andere hier in diesem Hause stehen. Wir machen das jedenfalls nicht mit. Der Antrag der CDU ist einer, der ablenken soll. Genau deshalb lehnen wir ihn ab.

(Beifall SPD, DIE LINKE und GRÜNE/B90 - Frau Dr. Ludwig [CDU]: Sagenhaft, was Sie hier für eine große Lippe riskieren!)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ness. - Wir fahren in der Aussprache mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Der Abgeordnete Goetz hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Gestern ist der Castor-Transport durch Brandenburg gerollt. Gegen diesen Transport wurde an verschiedenen Orten in Brandenburg friedlich demonstriert. Ich teile die Auffassung der Prostestierenden nicht, aber ich werde mich immer dafür einsetzen, dass die Protestierenden bei solchen Gelegenheiten ihre Meinung friedlich äußern können.

(Beifall GRÜNE/B90)

Alles, was im vorliegenden Antrag gefordert wird, gibt es bereits. Wenn Sachbeschädigungen auftreten, gibt es zivilrechtliche Ansprüche gegen den Sachbeschädiger, den entstandenen Schaden zu ersetzen. Wenn Körperverletzungen vorliegen, gibt es eine strafrechtliche Handhabe, dagegen vorzugehen. All diese Möglichkeiten bestehen. Sie setzen im Zweifelsfall immer voraus, dass man des jeweiligen Täters habhaft wird, um ihn bestrafen zu können. Das soll dann auch so sein. Weiß man das nicht, entsteht der Eindruck, dass mit dem Antrag eine Art Einschüchterung bezüglich der Teilnahme an Demonstrationen verbunden werden soll. Das kann nicht unser Ansatz sein.

(Beifall der Abgeordneten Mächtig [DIE LINKE] Wie weit soll es denn am Ende gehen? Es gibt Fußballspiele, die von Tausenden besucht werden, darunter auch von einigen ge- waltbereiten Fans. Wenn man konsequent ist, müssten auch sie in gleicher Weise an den Kosten für den Polizeieinsatz beteiligt werden. Das geschieht in Teilen auch, kann aber nicht dazu füh- ren, dass Tausende friedliche Fußballfans abgeschreckt werden. Was passiert, wenn die Polizei zu einem Ehestreit gerufen wird? Soll die Polizei dann ermitteln, welcher Ehepartner den Streit angefangen hat, und ihn dann an den Kosten beteiligen? Auch das wird nicht funktionieren. Die Polizei hat die Aufga- be, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, und alle Menschen in Deutschland haben die Verpflichtung, die Grundsätze der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einzuhal- ten und sich friedlich zu verhalten. Alles, was die damit ver- bundenen Grundrechte - auch das Grundrecht auf Demonstra- tionsfreiheit - einzuschränken geeignet ist, kann von uns so nicht mitgetragen werden. (Beifall GRÜNE/B90)

Es ist durchaus richtig, das Augenmerk darauf zu lenken, dass gewaltbereit demonstriert wird, dass auch immer wieder Gewalt gegenüber Polizeibeamten ausgeübt wird. Es ist richtig, den Schutz für unsere Polizeibeamten zu verstärken. Es ist richtig, dass wir als Landtagsabgeordnete in vollem Umfang an ihrer Seite stehen. Es ist falsch, Versuche der Einschüchterung von Menschen, die einfach nur ihre Meinung sagen wollen, zu unternehmen. Mit uns geht das nicht.

(Beifall FDP, SPD und DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetz. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Dr. Scharfenberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wandlungsfähigkeit von Herrn Petke ist, denke ich, uns allen bekannt. Gestern haben wir ihn als glühenden Verfechter von Volksinitiativen erlebt. Das war unglaubwürdig. Da waren Sie Wolf im Schafspelz, Herr Petke. Heute sind Sie glaubwürdig. Heute haben Sie versucht, Demonstranten zu kriminalisieren. Das ist Ihre Grundlinie. So habe ich Sie schon oft erlebt. Genau das werden wir nicht zulassen.

(Beifall DIE LINKE und SPD)